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Kalewala, das National-Epos der Finnen/Fünfundzwanzigste Rune

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aus: Kalewala, das National-Epos der Finnen
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[151]
Fünfundzwanzigste Rune.


     Längst schon ward gewartet,
Ward gewartet und geschauet,
Ob die Brautschaar bald erschiene,
In dem Hause Ilmarinen’s;
Triefen mußten da die Augen
Bei den Alten an den Fenstern
Sinken mußten junge Kniee
Bei dem Warten an der Pforte,
Kinderfüße mußten frieren

10
Bei dem Stehen an den Wänden,

Schuh’ der Männerschaar zerreißen
Bei dem Rauschen an dem Ufer.
     Endlich nun an einem Morgen
War’s an einem schönen Tage,
Als man von dem Wald her Lärmen,
Dorther Schlitten rauschen hörte.
     Lokka, sie, die gute Wirthin,
Sie, die schöne Kalewtochter,
Redet Worte solcher Weise:

20
„Dieses ist des Sohnes Schlitten;

Endlich kommt er von Pohjola
An der Seite seiner Gattin.“
     „Komm gerad’ zu diesem Lande,
Grade her zu diesem Hofe,
Zu der Stub’, des Vaters Erbschaft,
Die der Vorfahr schon erbauet!“
     Grade kommet Ilmarinen
Zu dem Hause, er, der Schmieder,
Zu der Stube seines Vaters,

30
Die der Vorfahr schon gezimmert;

Haselhühner zwitschern schönstens
Auf dem frischgebognen Krummholz,
Munter rufen Kuckucksvögel
An dem Vordertheil des Schlittens,
Lustig springet auch das Eichhorn
An der Deichsel, die von Ahorn.
     Lokka, sie, die gute Wirthin,
Sie, die schöne Kalewtochter,
Redet Worte solcher Weise,

40
Läßt auf diese Art sich hören:

„Auf den Neumond harrt die Dorfschaft,
Auf die Sonne junge Leute,
Kinder auf das Land mit Beeren,
Auf’s betheerte Boot das Wasser;
Ich hab’ nicht den Mond erwartet,
Auf die Sonne nicht geharret,
Habe meinen Sohn erwartet,
Ihn erwartet sammt der Gattin,
Schaute Morgens, schaute Abends,

50
Wußt’ nicht, wohin er gerathen,

Ob er einen Kleinen groß zog,
Oder einen Magern speiste,
Daß er gar nicht kommen wollte,
Hatt’ es kräftig doch gelobet,
Zu den Seinen bald zu kommen,
Ehe seine Spur erkaltet.“
     „Immer schaute ich am Morgen,
Hatt’ es Tagelang im Kopfe,
Ob des Lieben Schlitten käme,

60
Ob er auf dem Wege rauschte

Her zu diesem kleinen Hofe,
Zu der schmalgebauten Wohnung,
Wäre da ein Roß von Halmen,
Aus zwei Stücken hier ein Schlitten,
Würde ich den Schlitten preisen,
Würd’ ihn einen Schlitten nennen,
Wenn er meinen Lieben brächte,
Meinen Schönen mir nach Hause.“
     „Harrte so die ganze Zeitlang,

70
Schaut’ hinaus im Lauf des Tages,

Schaute mit gebognem Haupte,
Daß die Haare sich verschoben,
Daß die Augen breiter wurden,
Harrte daß mein Lieber käme
Her zu diesem kleinen Hofe,
Zu dem schmalen Wohngebäude;
Endlich ist er doch gekommen,
Wiederum zurückgekehret,
Hat zur Seit’ ein schönes Antlitz,

80
Neben sich gar rothe Wangen.“
[152]

     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Schirre aus das Weißbestirnte,
Führe fort das gute Rößlein
Zu dem längstgewohnten Grase,
Zu dem allerfrischsten Hafer;
Sende du uns deine Grüße,
Grüße uns und grüß’ die Andern,
Grüße du das Volk des Dorfes.“
     „Hast die Grüße du beendigt,

90
So erzähl’, was du erlebet,

Bist du ohne Abenteuer,
Stets gesund den Weg gewandert,
Als du gingst zur Schwiegermutter,
In das Haus des Schwiegervaters,
Hast die Jungfrau du gewonnen,
Eingestürzt des Krieges Pforte,
Hast der Jungfrau Schloß genommen,
Umgestoßen du die Wände,
Gingst zur Schwell’ der Schwiegermutter,

100
Saßst du auf der Bank des Wirthen?“

     „Doch ich seh’ es ohn’ zu fragen,
Merk’ es ohne auszuforschen,
Frisch war er auf seinem Wege,
Auf der Reise gar zufrieden,
Bracht’ ein Gänslein, es gewinnend,
Stürzte ein des Krieges Pforte,
Bracht’ zum Fall die Burg von Brettern,
Stürmte rasch die Lindenwände,
Als er ging zur Schwiegermutter,

110
In das Haus des Schwiegervaters;

Seht in seinem Schutz das Entlein,
In den Armen seht das Hühnlein,
An der Seite diese Jungfrau,
Ihm gepaart die Glanzbegabte.“
     „Wer wohl bracht’ hieher die Lüge,
Breitet’ aus die schlechte Kunde,
Daß der Freier leer erschienen,
Daß das Roß umsonst gelaufen?
Nicht erschien der Freier ledig,

120
Nicht umsonst ist’s Roß gelaufen,

Hat wohl etwas herzuziehen,
Muß die weiche Mähne schütteln,
Ist von Schweiß sogar bedecket,
Von dem Schaume übergossen
Durch die Herschaffung des Küchleins,
Durch die Last der Lebensfrischen.“
     „Steige, Schöne, aus dem Schlitten,
Gute, komm von deinem Sitze,
Komme, ohne daß man hebet,

130
Steige ungetragen nieder,

Wenn zu jung ist, der dich hebet
Und zu stolz ist, der dich träget!“
     „Hebe du dich auf vom Sitze,
Lös’ dich von des Schlittens Ende,
Komm den schönen Weg gegangen,
Auf dem leberfarbnen Boden,
Den die Säue gut geebnet,
Den die Ferkel festgetreten,
Den die Lämmer gleichgemachet,

140
Reingefegt der Rosse Mähnen!“

     „Schreite mit des Gänsleins Schritten,
Tripple mit des Entleins Tritten
Auf den Hof, der reingewaschen,
Auf die flachgestreckten Fluren,
Auf den Hof des Schwiegervaters,
Wo die Schwiegermutter waltet,
Zu dem Zimmerplatz des Bruders,
Zu der Schwester grünen Fluren;
Setze deinen Fuß zur Thüre,

150
Zieh ihn auf die Vorhausdiele

Steige in die duft’ge Vorstub’,
Darauf gehe in das Innre,
Unter diese schönen Balken
Unter diesem schönen Dache!“
     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,
Tönt die Entenknochendiele,
Damit jemand auf ihr stände,
Lärmte sehr die goldne Decke,

160
Damit jemand unten ginge,

Haben sich gefreut die Fenster,
Daß am Fenster jemand säße.“
     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,

[153]

Hat der Thürgriff oft geknarret
Nach der Schließerin mit Ringen,
Hat die Schwelle sich geneiget
Vor der Zarten feinem Saume,
Hat die Thür’ sich stets geöffnet,

170
Auf die Öffnerin gewartet.“

     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,
Hat die Stube sich gewendet
Nach der Rein’gerin der Stube,
Hat die Vorstub’ sich geneiget
Zu der Kehrerin der Vorstub’,
Hat die Scheune sich gekehret
Zu der Fegerin der Scheune.“
     „Schon in diesem letzten Winter,

180
Schon im Sommer, der vergangen,

Hat der Hof sich schräg gekehret
Zu der Sammlerin der Späne,
Sich das Vorrathshaus gesenket
Für die Vorrathshausbesuch’rin,
Und die Sparren sich gekrümmet
Für der jungen Frau Gewänder.“
     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,
Hat die Gasse schon gejammert

190
Nach der Wandrerin der Gasse,

Hat die Hürde sich genähert
Zu der Pflegerin der Hürde,
Und der Viehhof ist gewichen
Vor des Viehhofs schöner Ente.“
     „Schon an diesem heut’gen Tage,
Schon am letzverfloss’nen Tage
Hat gar früh die Kuh gebrüllet
Nach des Morgenbündels Geb’rin,
Hat das Füllen früh gewiehert

200
Nach der Spenderin des Heues,

Hat das Frühlingslamm geblöket
Nach der Mehrerin der Bissen.“
     „Schon an diesem heut’gen Tage,
Schon am letzverfloss’nen Tage
Saßen Alte an den Fenstern,
Liefen Kinder an dem Strande,
Standen Weiber an den Wänden,
Knaben an der Thür’ der Vorstub’,
Um der jungen Frau zu harren,

210
Um das Bräutlein zu erwarten.“

     „Heil dir, Hof, mit deinem Inhalt,
Mit den Helden, die von Hause,
Heil dir, Scheune, mit dem Inhalt,
Heil dir, Scheune, sammt den Gästen,
Heil dir, Vorhaus, mit dem Inhalt,
Birkendach sammt deinem Volke,
Heil dir, Stube, sammt dem Inhalt,
Bretterreiche sammt den Kindern,
Heil dir, Mond, Heil dir, o König,

220
Heil dir junges Brautgefolge!

Nicht ist früher hier gewesen,
Weder früher noch auch gestern
Solch ein stattlich Brautgefolge,
Eine Schaar von solcher Schönheit.“
     „Bräutigam, du lieber Bruder,
Streife ab die rothen Binden
Und entfern’ die seidnen Tücher;
Zeig’ dein Marderchen, das liebe,
Das du fünf der Jahr’ gefreiet,

230
Acht der Jahre angeschauet!“

     „Brachtest du dir die Gewollte,
Wolltest einen schönen Kuckuck,
Eine Weiße von dem Lande,
Eine Frische aus dem Wasser?“
     „Doch ich seh’ es, ohn’ zu fragen,
Merk’ es, ohne viel zu forschen,
Hast gebracht den schönen Kuckuck,
Hast die blaue Ent’ geborgen,
Hast das grünste aller Reiser

240
Aus dem schönbelaubten Busche,

Hast den frischsten aller Zweige
Von dem frischen Elsbeerbaume.“
     Saß ein Kindlein auf dem Boden,
Sprach das Kindlein von dem Boden:
„Bruder, was du mit dir schlappest,
Ist ein Theerholzstumpf an Schönheit,
Ist so schlank wie eine Theertonn’,
Hat die Höhe einer Weise.“

[154]

     „Siehst du, Bräutigam, du Lieber,

250
Hast es Lebelang gehoffet,

Meint’st ein Mädchen hundertfachen,
Tausendfachen Werths zu holen;
Hast erlangt von hundertfachem,
Tausendfachem Werth ein Mädchen,
Gleich der Krähe von dem Sumpfe,
Von dem Zaun die flücht’ge Elster,
Von dem Feld die Vogelscheuche,
Aus dem Staub den schwarzen Vogel!“
     „Was hat sie bisher geleistet,

260
Was im Sommer, der verflossen,

Wenn sie Handschuh nicht gestricket,
Wenn sie Strümpfe nicht gewirket!
Leer kam sie in diese Stube,
Ohne Gaben, zu dem Schwäher,
Mäuse lärmten in dem Kasten,
Langgeöhrte in der Kiste?“
     Lokka, sie, die gute Wirthin,
Sie, die schöne Kalewtochter,
Hört die wunderliche Rede,

270
Redet Worte solcher Weise:

„Böses Kind, was redest du da,
Hast gar ehrenlos gesprochen!
Mög’ Verwundrung Andre treffen,
Schmähung Andere berühren,
Niemals aber diese Jungfrau,
Nie das Volk in diesem Hause!“
     „Schlecht genug hast du geredet,
Schlechte Rede wiederholet
Aus dem Mund des nächt’gen Kalbes,

280
Aus dem Kopf des Tageswelpen;

Trefflich ist des Freiers Jungfrau,
Ist die Beste ihres Landes,
Gleicht der reifen Preiselbeere,
Gleicht der Erdbeer’ auf dem Berge,
Gleicht dem Kuckuck auf dem Baume,
Gleicht dem Vöglein in der Esche,
Einem Flattrer auf der Birke,
Einer Weißbrust auf dem Ahorn.“
     „Nimmer hättest du aus Deutschland,

290
Hätt’st aus Ehstland nie erhalten

Eine Jungfrau solcher Schönheit,
Eine Ente solcher Anmuth,
Eine solche Zier ein Antlitz,
Einen solchen Stolz im Wuchse,
Solche Weiße an den Armen,
Einen Nacken solcher Wölbung.“
     „Nimmer leer erschien die Jungfrau,
Pelze hat sie mitgeholet,
Bringt Gewänder uns entgegen

300
Und Gewebe führt sie mit sich.“

     „Ja, gar viel hat diese Jungfrau
Mit der Spindel schon geleistet,
Mit der Spuhle schon geschaffen,
Mit den Fingern schön bereitet,
Kleider von dem schönsten Glanze
Hat im Winter sie entfaltet,
Hat im Frühjahr sie gebleichet,
Hat im Sommer sie getrocknet,
Gute Tücher für die Betten,

310
Gute Kissen drauf zu liegen,

Seidne Binden schön zu fühlen,
Wollne Decken schönen Glanzes.“
     „Gutes Weibchen, schönes Weibchen,
Weibchen mit der frischen Farbe,
Warst zu Hause sehr gerühmet,
In dem Vaterhaus als Tochter,
Sei nun immer hier gerühmet
Bei dem Mann als Schwiegertochter!“
     „Wolle nimmer Sorgen haben,

320
Dich dem Kummer nicht ergeben;

Bist nicht in den Sumpf geführet,
Nicht zum Lauf des Bachs geleitet,
Bist geführt aus reichem Boden,
Bist geführt zu vielfach reicherm,
Bist geführt aus Bieresstuben
Zu weit größrer Bieresfülle!“
     „Gute Jungfrau, schönes Weibchen,
Dieß nur will ich von dir fragen:
Sahst du als du hergekommen

330
Schöngespitzte Korneshaufen,

Roggenmiethen schöngewipfelt,
Sie gehören diesem Hause,

[155]

Wohl geackert hat dein Gatte
Dort geackert und gesäet.“
     „Theures Mädchen, liebe Jungfrau,
Will dir dieses jetzo sagen:
Wußtest du in’s Haus zu kommen,
Wisse nun im Haus zu bleiben,
Ist gar gut hier für ein Weibchen,

340
Schön für eine Schwiegertochter,

Dir zur Hand die Milchgeschirre
Und das Butterfaß zu Diensten!“
     „Ist gar gut hier für das Mädchen,
Schön dem Hühnchen zu gedeihen,
Sind hier breite Badstubbretter
Und gar weite Stubenbänke,
Hier der Wirth gleich deinem Vater,
Muttergleich hieselbst die Wirthin,
Gleich dem Bruder hier die Söhne,

350
Gleich der Schwester hier die Töchter.“

     „Sollte je die Lust dir kommen,
Du Verlangen je verspüren
Nach den Fischen deines Vaters,
Nach des Bruders Haselhühnern,
Frage sie nicht von dem Schwager,
Keineswegs auch von dem Schwäher,
Bitte sie von deinem Gatten,
Lasse du den Mann sie schaffen!
Giebt in diesem großen Walde

360
Keins der Thiere auf vier Füßen,

Keinen Vogel in den Lüften,
Keinen Schwinger von zwei Flügeln,
Giebt auch keine in dem Wasser
Von den besten Fischesschwärmen,
Die dein Gatte nicht zu fangen,
Die dein Mann zu schaffen wüßte.“
     „Ist gar gut hier für das Mädchen,
Schön dem Hühnchen zu gedeihen,
Braucht den Mühlstein nicht zu drehen,

370
Nicht den Mörser zu bestellen,

Wasser mahlet hier den Weizen,
Für den Roggen schäumt die Strömung,
Schon die Fluth wäscht die Gefäße
Und der Meeresschaum bespült sie.“
     „O du wunderschönes Dörflein,
Du, der schönste Fleck der Erde!
Rasen unten, oben Felder,
In dem Zwischenraum das Dörflein,
Unten an dem Dorf der Meerstrand,

380
An dem Strand das liebe Wasser,

Wo die Enten gerne schwimmen
Wasservögel gern verweilen.“
     Darauf ward die Schaar gespeiset,
Sie gespeiset und getränket
Mit den vollsten Fleischesbissen,
Mit den allerschönsten Bröten,
Mit dem Bier aus schöner Gerste,
Mit der schönsten Weizenwürze.“
     War in Masse dort zu essen,

390
Viel zu essen, viel zu trinken

In den rothgefärbten Schüsseln
In den wunderschönen Mulden,
Kuchen dorten zu zerbrechen,
Butterbissen zu vertheilen,
Schnäpel dorten zu zerstückeln,
Schöne Lachse zu zerschneiden
Mit den silberreichen Messern,
Mit den goldgeschmückten Schneiden.
     Biere strömten unbezahlbar,

400
Honigtrank mit Geld nicht kaufbar,

Biere von der Sparren Ende,
Honigtrank dort aus dem Holzpflock,
Biere zu der Lippen Netzung,
Honigtrank zur Sinnerquickung.
     Wer wohl sollte dorten singen,
Wer zum Sänger dort wohl taugen?
Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Er, der ew’ge Zaubersprecher,
Fing dort selber an zu singen,

410
Machte sich an’s Werk der Lieder,

Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Goldne Brüder, meine Theuren,
Ihr, Verwandte, reich an Worten,
Ihr Gefährten sprachbegabet,
Höret was ich jetzo sage!

[156]

Selten stehn die Gäns’ beisammen,
Selten Schwestern gegenüber,
Selten Brüder sich zur Seite,

420
Einer Mutter Kinder selten

In den unglücksel’gen Gränzen,
In dem armen Land des Nordens.“
     „Sollen wir zum Sange schreiten,
An das Werk der Lieder gehen?
Singen kann ja nur der Sänger,
Rufen nur der Frühlingskuckuck,
Färben nur der Bläue Göttin,
Weben nur die Webegöttin,
     „Singen selbst der Lappen Kinder,

430
Fröhlich diese Grasbeschuhten,

Wenn das grobe Fleisch des Elenns,
Eines Rennthiers sie gespeiset;
Weßhalb sollte ich nicht singen,
Nicht auch unsre Kinder singen
Von der roggenreichen Speise,
Von dem mehlgefüllten Munde?“
     „Singen selbst der Lappen Kinder,
Lärmen sie, die Grasbeschuhten,
Eine Schaale Wasser trinkend,

440
Bittre Tannenrinde kauend,

Weßhalb sollte ich nicht singen,
Nicht auch unsre Kinder singen
Von dem schönen Gerstentranke,
Von dem gutgebrauten Biere?“
     „Singen selbst der Lappen Kinder,
Lärmen sie, die grasbeschuhten,
Wenn sie an dem ruß’gen Feuer,
An des Heerdes Kohlen liegen,
Weßhalb sollte ich nicht singen,

450
Nicht auch unsre Kinder singen

Unter diesen schönen Balken,
Unter hübschgebautem Dache?“
     „Ist gar gut hier für die Männer,
Lieblich für die Frau’n zu weilen
In dem Schooß der Biergeschirre,
Bei dem Zinngefäß des Methes,
Unfern von dem Schnäpelsunde,
Bei dem Netzzug von den Lachsen,
Wo die Speise nimmer fehlet,

460
Niemals sich der Trank verringert.“

     „Ist gar gut hier für die Männer,
Lieblich für die Frau’n zu weilen,
Nicht mit Sorgen hier zu essen,
Ohne Kummer hier zu leben,
Ungekümmert hier zu essen,
Sorgenlos hieselbst zu leben
Bei dem Leben dieses Wirthen
Und so lang’ die Wirthin lebet.“
     „Wen soll ich zuerst nun preisen,

470
Erst den Wirthen, dann die Wirthin?

Immer loben erst die Helden,
Früher stets den Wirth die Männer,
Der das Haus im Sumpf geschaffen,
Aus dem Walde es errichtet,
Tannen mit dem Stamme holte,
Mit dem Wipfel schlanke Fichten,
Sie an gute Stellen brachte,
Sie gar schön zusammenfügte
Zu dem großen Haus des Stammes,

480
Zu dem schönen Wohngebäude,

Wände aus dem Walde schaffte,
Balken von dem großen Berge,
Sparren aus des Busches Dickicht,
Bretter von den Beerenfluren,
Rinde vom dem Faulbaumberge,
Endlich Moos vom flüss’gen Moore.“
     „Gut gebauet ist die Stube,
An der Stelle steht das Schutzdach,
Hundert Männer hatten Arbeit,

490
Tausend standen auf dem Dache,

Als sie diese Stube bauten,
Als sie diese Bretter fügten.“
     „Wohl hat dieser gute Hauswirth,
Als er diese Stube baute,
Vieles Haar im Sturm verloren,
Ist vom Wetter viel zersauset,
Oftmals hat der gute Hauswirth
Handschuh auf dem Stein gelassen,
Seinen Hut oft auf den Ästen,

500
In den Sumpf gesenkt die Strümpfe.“
[157]

     „Oftmals hat der gute Hauswirth
Schon zur Zeit des frühsten Morgens
Eh’ die andern sich erhoben,
Von dem Dorfe ungehöret
Von dem Feuer sich erhoben,
Aus der Reiserhütte tretend,
Zweige kämmten ihm die Haare,
Thau wusch ihm die hübschen Augen.“
     „So erlangt der gute Hauswirth

510
Freunde zu sich in die Stube,

Seine Bänke voll von Sängern,
Seine Fenster voll von Freud’gen,
Seinen Boden voll von Sprechern,
Die Verschläge voll von Lärmern,
Seine Wände voll von Stehern,
Seine Zäune voll von Wandrern,
Seinen langen Hof voll Geher,
Voll Durchschreitender das Grundstück.“
     „Früher mußt’ den Wirth ich preisen,

520
Darauf erst die liebe Wirthin,

Die die Speisen angefertigt,
Die den langen Tisch gefüllet.“
     „Dicke Bröte hat gebacken,
Kräft’gen Brei sie uns geklopfet
Mit den leichtbewegten Armen,
Mit der Zehnzahl ihrer Finger,
Ließ gar schön die Bröte steigen,
Speiste ihre Gäste reichlich
Mit des Schweinefleisches Fülle,

530
Mit dem schönen Schmandschaumkuchen,

Krummgebogen ward die Schneide,
Abgedrückt der Schaft des Messers,
Als die Lachsesköpf’ zerstückelt,
Bei der Hechtesköpfe Spalten.“
     „Oftmals ist die gute Wirthin,
Ist die Hausfrau voller Umsicht
Vor dem Hahne aufgestanden,
Vor der Henne Sohn geeilet,
Um zur Hochzeit anzurichten,

540
Um die Arbeiten zu machen,

Um den Hefen zu bereiten,
Um die Biere gut zu brauen.“
     „Trefflich hat die gute Wirthin
Hat die Hausfrau voller Umsicht
Dieses Bier für uns bereitet,
Ließ den süßen Trank sie fließen
Aus dem keimereichen Korne,
Aus dem süßgewürzten Malze,
Das sie nicht mit Holz gerühret,

550
Mit der Stange nicht durchwühlet,

Sondern mit der Hand gewendet,
Umgekehret mit den Armen
In der raucherfüllten Badstub’,
Auf den gutgekehrten Brettern.“
     „Auch nicht ließ die gute Wirthin,
Sie, die Hausfrau voller Umsicht,
Diese Keim’ zum Aufbruch kommen,
Nicht das Malz nach Erde schmecken,
Ging gar oftmals in die Badstub’,

560
Um die Mitternacht alleine,

Hatte vor dem Wolf kein Bangen,
Fürchtet’ nicht des Waldes Raubthier.“
     „Hab’ gelobet nun die Wirthin,
Werde nun den Werber loben!
Wer wohl ward gewählt zum Werber,
Wer gewählt den Weg zu weisen?
Werber ist im Dorf der Beste,
Wie des Dorfes Glück der Führer.“
     „Unser Werber ist bekleidet

570
Mit dem Rocke aus der Fremde,

Schließet eng ihm an den Armen,
Sitzet trefflich an dem Leibe.“
     „Unser Werber ist bekleidet
Mit dem engen Oberrocke,
Schleppet mit dem Saum im Sande,
Mit der Schleppe auf den Fluren.“
     „Etwas kommt das Hemd zum Vorschein,
Blickt verstohlnen Blicks nach außen,
Ist wie von der Mondestochter

580
Mit dem Zinnesschmuck gewebet.“

     „Unser Werber ist bekleidet
Um den Leib mit wollnem Gürtel,
Den gewebt der Sonne Tochter,
Sie gewirkt mit schönen Fingern

[158]

Zu den feuerlosen Zeiten,
Als das Feuer man nicht kannte.“
     „Unser Werber ist bekleidet
An dem Fuß mit seidnen Strümpfen,
An den Strümpfen seidne Bänder,

590
Schöngestreifte Binderiemen,

Die mit Gold gar hübsch gewirket
Und mit Silber reich besetzet.“
     „Unser Werber ist bekleidet
Mit gar guten deutschen Schuhen,
Wie die Schwäne in den Flüssen,
Wie das Wasserhuhn am Ufer,
Wie die Gänse auf den Zweigen,
Wandervögel im Gestrüppe.“
     „Unser Werber ist geschmücket

600
Mit den goldgelockten Haaren,

Schöngeflochten ist sein Goldbart,
Auf dem Kopfe sitzt die Mütze,
Ragt empor bis an die Wolken,
Dringet durch des Waldes Wipfel,
Nicht erhält man sie für hundert,
Nicht für tausend Mark die Mütze.“
     „Habe nun gelobt den Werber,
Muß der Braut Gespielin loben!
Woher kam der Braut Gespielin,

610
Woher nahm man die Beglückte?“

     „Daher kam der Braut Gespielin,
Ward geholet die Beglückte,
Jenseits von dem Schloß Tanika’s
Von der Gegend hinter Neuschloß.“
     „Ist von dort nicht hergekommen,
Nicht im mindesten von dorten;
Daher ist der Braut Gespielin,
Ist geholet die Beglückte
Vom Gewässer ob der Dwina,

620
Von den weitgedehnten Buchten.“

     Nicht ist sie von dort gekommen,
Nicht im mindesten von dorten,;
Wuchs ein Erdbeerlein im Lande,
Auf der Flur die Preiselbeere,
Auf dem Feld das hübsche Kräutchen,
In dem Hain die goldne Blume,
Daher ist der Braut Gespielin,
Daher nahm man die Beglückte.“
     „Niedlich ist der Mund der Freundin,

630
Wie das Weberschiff in Suomi,

Ihre Augen schimmern freundlich,
Wie die Sterne an dem Himmel,
Ihre Schläfen strahlen weithin,
Wie das Mondlicht auf dem Meere.“
     „Zierath hat der Braut Gespielin
An dem Halse goldne Ketten,
Auf dem Kopfe goldne Schnüre,
An den Händen goldne Bänder,
An den Fingern goldne Ringe,

640
An den Ohren goldne Perlen,

An den Schläfen goldne Schlingen,
Voll von Perlen ihre Brauen.“
     „Glaubte, daß der Mond schon schiene,
Als die goldne Spange blitzte,
Glaubte, daß die Sonne leuchte,
Als des Hemdes Kragen glänzte,
Glaubte, daß ein Schiff gesegelt,
Als des Kopfes Tuch geflattert.“
     „Lobte so der Braut Gespielin,

650
Will die ganze Schaar nun preisen,

Ist die Schaar bei bester Schönheit,
Sind die Alten gar bedächtig,
Sind die Jungen gar lebendig,
Stattlich wohl der ganze Haufen!“
     „Hab’ die ganze Schaar betrachtet,
Wenn ich sie gleich früher kannte;
Früher ist nie hier gewesen,
Wird sobald auch nicht erscheinen
Eine Schaar von solchem Aussehn,

660
Nie ein Haufe solcher Schönheit,

Alte Leute so bedächtig,
Junge Leute so lebendig;
Weißgekleidet ist der Haufen,
Wie die Waldung bei dem Reife,
Unten gleich der Morgenröthe,
Oben gleich des Tages Dämmrung.“
     „Leicht zu schaffen war das Silber,
Reichlich Gold auch bei den Gästen,

[159]

Geldes Taschen auf den Feldern,

670
Geldes Beutel auf den Gassen

Bei den eingeladnen Gästen,
Zu der Gäste großem Ruhme.“
     Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Er, des Sanges kräf’tge Stütze,
Schwang sich nun in seinen Schlitten,
Fuhr gerade drauf nach Hause;
Sang beständig seine Lieder,
Sang beständig, übte Zauber,
Singet ein Lied, singt ein zweites,

680
Bei dem dritten seiner Lieder

Klingt die Kufe an dem Steine,
Hängt die Leiste an dem Baumstumpf,
Bricht der Schlitten von dem Sange,
Wird die Kufe krumm gebogen,
Kracht die Leiste von einander,
Stürzen nieder breit die Seiten.
     Sprach der alte Wäinämöinen,
Redet’ selber solche Worte:
„Ist wohl hier in dieser Jugend,

690
In dem wachsenden Geschlechte

Oder in der Schaar der Alten,
In dem sinkenden Geschlechte
Einer, der in’s Reich Tuoni’s,
In das Haus von Mana ginge,
Der den Bohrer von Tuoni,
Mir von Mana ihn besorgte,
Daß ich einen neuen Schlitten,
Einen neuen Sitz mir zimmre?“
     Was die jungen Leute sprachen,

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War zugleich der Alten Antwort:

„Nicht ist hier in dieser Jugend,
Auch nicht in der Schaar der Alten,
In dem noch so großen Stamme
Solch ein Held mit diesem Muthe,
Daß er nach dem Reich Tuoni’s,
Nach dem Hause Mana’s ginge,
Um von Tuoni einen Bohrer,
Aus des Mana Haus zu holen,
Daß du einen neuen Schlitten

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Mit dem neuen Sitze zimmerst.“

     Ging der alte Wäinämöinen,
Er, der ew’ge Zaubersprecher,
Wiederum in’s Reich Tuoni’s,
Wandert’ zu dem Hause Mana’s,
Bracht’ den Bohrer von Tuoni,
Holt’ ihn aus dem Hause Mana’s.
     Darauf singet Wäinämöinen
Einen blauen Hain zum Vorschein:
Ebne Eichen in dem Haine

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Und gar schlanke Ebereschen,

Zimmert sie zu seinem Schlitten,
Krümmet sie zu seiner Kufe,
Sucht sie aus zu seinen Leisten,
Wendet sie zu seinem Krummholz,
Bringt den Schlitten so zu Stande,
Einen neuen so in Ordnung,
Spannt das Füllen in’s Geschirre,
Spannt es vor den braunen Schlitten,
Setzt sich selber in den Schlitten,

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Läßt sich in demselben nieder;

Ohne Gerte lief das Rößlein,
Ungeschlagen von der Peitsche,
Zu dem längstgewohnten Futter,
Zu der gutverwahrten Nahrung,
Bracht’ den alten Wäinämöinen,
Ihn, den ew’gen Zaubersprecher,
Zu der eignen Thüre Öffnung,
Hin zu seiner eignen Schwelle.