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Kalewala, das National-Epos der Finnen/Dreißigste Rune

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aus: Kalewala, das National-Epos der Finnen
Seite: 187–192
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[187]
Dreißigste Rune.


     Ahti, dieser einz’ge Bursche,
Er, der muntre Lemminkäinen,
Geht des Morgens in der Frühe,
Zu der Zeit der ersten Dämmrung
Zu der Schiffe Lagerstätte,
Zu dem Stapelplatz der Böte.
     Dorten weint das Boot aus Brettern,
Stöhnt der Eisenhakennachen:
„Muß, o Ärmster, hier nun liegen,

10
Muß gar elend hier vertrocknen:

Ahti rudert nicht zum Kriege,
Nicht im Lauf von sechzig Jahren,
Sollte er auch Lust nach Silber
Und nach Gold Verlangen haben.“
     Schlug der muntre Lemminkäinen
Auf das Boot mit seinem Handschuh,
Mit dem schönverbrämten Handschuh,
Redet selber diese Worte:
„Sorge nicht du Tannenreiche

20
Mit den leistenreichen Seiten,

Wirst schon noch zum Kriege ziehen,
Zu dem Kampfe dich bewegen,
Bist vielleicht schon voll von Kriegern
Bei des nächsten Tages Ende.“
     Ging nun hin zu seiner Mutter,
Redet selber diese Worte:
„Weine, nicht, o liebe Mutter,
Sorge nicht, o theure Alte,
Wenn ich jetzt von dannen gehe,

30
Zu dem Kampfplatz mich bewege;

Meinen Sinn erfaßt der Einfall,
Mein Gehirn faßt der Gedanke,
Daß des Nordens Volk ich tilge,
An den Schlechten Rache nehme.“
     Abzuhalten sucht die Mutter,
Warnet ihren Sohn die Alte:
„Gehe nicht, mein liebes Söhnchen,
Zu dem Kampfe nach Pohjola!
Dorten könnte Tod dich treffen,

40
Könnt’ Verderben dich ereilen.“

     Wenig achtet’s Lemminkäinen,
Dachte nur daran zu gehen
Und gelobte aufzubrechen,
Redet Worte solcher Weise:
„Woher fänd’ ich einen andern,
Einen Mann sammt seinem Schwerte
Mir zur Hülfe in dem Kampfe,
Mir, dem Kräftigen, zum Beistand?“
     „Hab’ von Tiera wohl gehöret,

50
Hab’ von Kuura wohl vernommen,

Diesen nehme ich als andern,
Diesen Mann mir sammt dem Schwerte,
Mir zur Hülfe in dem Kampfe,
Mir, dem Kräftigen, zum Beistand.“
     Wandert’ durch die Dörferreihe
Hin am Weg’ zum Hof Tiera’s,
Sprach, als er dorthin gekommen,
Redet, als er dort erschienen:
„Tiera, du mein Herzensfreundchen,

60
Mein Geliebter, du mein Theurer!

Denkst du noch an alte Zeiten,
Was wir beide einst erlebten,
Als wir zogen in Gemeinschaft
Auf die großen Kampfgefilde;
Gab da wohl nicht eins der Dörfer,
Wo nicht zehn der Höfe waren,
War dort wohl der Höfe keiner,
Wo nicht zehn der Helden waren,
Gab dort wohl der Helden keinen,

70
Keinen von den starken Männern,

Den wir beide nicht getödtet,
Den wir nicht gestürzet hätten.“
     An dem Fenster saß der Vater,
Schnitzte dort am Schaft des Speeres,
Auf der Kammer Schwell’ die Mutter,
Lärmte mit dem Butterfasse,
An der Pforte war der Bruder,
Zimmerte an einem Schlitten,
An der Brücke End’ die Schwestern,

80
Wuschen dort verschiedne Tücher.
[188]

     Sprach der Vater von dem Fenster,
Von der Schwelle her die Mutter,
Von der Pforte her die Brüder,
Von der Brücke so die Schwestern:
„Tiera hat nicht Zeit zum Kämpfen,
Seine Lanze nicht zum Kriegen;
Tiera schloß nun großen Handel,
Einen Kauf er auf sein Leben,
Nahm so eben sich ein Weibchen,

90
Eine Wirthin für sich selber,

Unberührt sind noch die Brüste,
Ungedrücket noch der Busen.“
     Tiera lag dort auf dem Ofen,
Kuura auf dem Rand des Ofens;
Einen Fuß beschuht er oben,
Auf der Ofenbank den andern,
Nimmt den Gürtel bei der Pforte,
Schnallt sie zu erst weiter draußen;
Tiera greift nach seinem Speere,

100
Nicht gehört er zu den größten,

Keineswegs auch zu den kleinsten,
Hat nur eine Mittelgröße:
An dem Rande stand ein Rößlein,
Auf der Fläche lief ein Füllen,
An der Fügung heulten Wölfe,
An dem Ringe brummten Bären.
     Schüttelte nun seine Lanze,
Schüttelt sie und schwingt dieselbe,
Wirft den Schaft dann einen Klafter

110
In den thonumsäumten Acker,

In den festen Wiesenboden,
In die hügelleere Erde.
     Tiera stieß da seine Lanze
Mitten in die Lanze Ahti’s,
Ging sodann und stürmt voll Eile
Als des Ahti Streitgenosse.
     Schiebt der Inselländer Ahti
Seinen Nachen in die Fluthen,
Gleich der Schlange in den Stoppeln,

120
Gleich der Natter voller Leben

Segelt es nun hin nach Nordwest
Zu dem Meere von Pohjola.
     Da entsandt’ des Nordlands Wirthin,
Läßt den bösen Frost sie ziehen
Zu dem Meere von Pohjola,
Zu den weitgedehnten Öden,
Redet selber diese Worte,
Giebt ihm Weisung dieses Inhalts:
„Frost, mein liebes, kleines Söhnchen,

130
Kleiner, den ich schön erzogen,

Gehe hin, wohin ich schicke,
Ich dich schicke und entsende,
Laß des Burschen Boot erfrieren,
Lemminkäinen’s schnellen Nachen
Auf des Meeres klarem Rücken,
In der weitgedehnten Öde!
Mach’, daß auch der Wirth erfrieret,
In dem Boote er, der Muntre,
Daß er nimmer dort entrinnet,

140
Nicht entkommt, solang’ du lebest,

Wenn ich selber ihn nicht löse,
Und ihn selber nicht befreie!“
     Frost, der Sohn aus schlechtem Stamme,
Er, der Jung’ mit schlechten Sitten,
Ging das Meer nun kalt zu machen,
Ging die Fluthen fest zu bannen;
Während er zur Stelle schreitet,
Auf dem Lande hin erst wandert,
Nimmt er alles Laub den Bäumen,

150
Nimmt die Fasern er den Gräsern.

     Als er darauf hingekommen
Zum Gestad’ des Nordlandmeeres,
Zu den Ufern ohne Ränder,
Läßt er in der Nächte ersten
Buchten dort und Seen erfrieren,
Läßt des Meeres Strand erstarren,
Noch nicht selbst das Meer erfrieren,
Ungebannet noch die Fluthen;
Ist ein Finklein auf dem Rücken,

160
Ist ein Wippsterz auf den Wogen,

Nicht erfroren sind die Klauen,
Nicht erstarrt das kleine Köpfchen.
     Drauf erst in der Nächte zweiten
Fängt er an sich breit zu machen,

[189]

Wird er übermäßig schamlos,
Wächst er an zu großer Frechheit;
Ließ es da in Fülle frieren,
Brachte Frost in vollem Maaße,
Fror das Eis zu Ellendicke,

170
Sandte Schnee von Klafterhöhe,

Ließ des Muntern Boot erfrieren,
Ahti’s Fahrzeug in den Wogen.
     Wollte Ahti selbst im Froste,
In dem Eis erfrieren lassen;
Bat bereits um seine Finger,
Forderte schon seine Zehen;
Böse ward da Lemminkäinen,
Böse ward er und verdrießlich,
Drängt den Frost da in das Feuer,

180
Stößt ihn in die Eisenesse.

     Hielt den Frost mit seinen Händen,
Faßt den Bösen mit den Fäusten,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Frost, du böser Sohn des Nordwinds,
Du gewalt’ger Sohn des Winters,
Laß die Finger mir nicht frieren,
Meine Zehen nicht erstarren,
Packe du nicht meine Ohren,

190
Laß den Kopf mir nicht erfrieren!“

     „Hast genug um kalt zu machen,
Vieles kannst du frieren lassen,
Laß der Menschen Haut in Ruhe
Und den Leib der Mutterkinder,
Sümpfe laß und Land erstarren,
Laß die kalten Steine frieren
Und die Weiden in dem Wasser,
Laß die Espen lieber bersten,
Schäle ab der Birken Rinde,

200
Und zersause du die Fichten,

Aber nicht die Haut der Menschen,
Nicht das Haar der Schöngeschaffnen!“
     „Wenn dir dieß genug nicht scheinet,
Laß du Andres noch erfrieren,
Laß die heißen Steine frieren
Und die gluthenreichen Blöcke,
Starke Eisenfelsen frieren,
Berge, die mit Stahl gefüllet,
Laß den Wuoksen du erstarren,

210
Laß den Imatra verstummen,

Stopfe du des Strudels Kehle,
Laß du seinen Gischt erstarren!“
     „Soll ich deinen Ursprung sagen,
Deine Herkunft ich verkünden?
Kenne deinen Ursprung sicher,
Weiß gar wohl, wie du gewachsen:
Auf den Weiden ward die Kälte,
An der Birk’ der Frost geboren,
An dem Rand vom Haus Pohjola’s,

220
An des Düsterlandes Stube

Von dem Vater voller Frevel,
Von der Mutter voller Schande.“
     „Wer hat wohl den Frost gesäuget,
Hat dem Harten Kraft gegeben,
Da die Mutter Milch nicht hatte,
Ihr die Brüste gänzlich fehlten?“
     „Nattern haben ihn gesäuget,
Schlangen haben ihn gesättigt
Mit den Warzen ohne Spitze,

230
Mit den Eutern ohne Frische;

Wiegen mußt’ den Frost der Nordwind,
Rauhes Wetter bracht’ zum Schlafen
Ihn in schlechten Weidenteichen,
In den nimmerstillen Quellen.“
     „Schlecht geartet ward der Knabe,
Ward erfüllt von bösem Sinne,
War kein Name noch gegeben
Diesem schlechtgesinnten Knaben,
Ward ein Name ihm gegeben,

240
Ihm der Name Frost verliehen.“

     „Lebte darauf an den Zäunen,
Weilte stets in den Gesträuchen,
Sommers wiegt’ er sich in Quellen,
Auf des Moores weitem Rücken,
Winters lärmt’ er in den Tannen,
Stürmt’ er in den Fichtenhainen,
Tobt’ er in den Birkenwäldern,
Wüthet’ er in Erlenbüschen,

[190]

Ließ dort Baum und Kraut erfrieren,

250
Machte alle Fluren eben,

Biß die Blätter von den Bäumen,
Nahm den Kräutern ihre Blüthen,
Biß die Rinde von den Fichten,
Löst’ die Borke von den Tannen.“
     „Bist du schon zu groß geworden
Und bereits zu hoch gewachsen,
Willst du selber mich erstarren,
Meine Ohren schwellen lassen,
Willst die Füße du mir nehmen,

260
Meine Fingerspitzen rauben?“

     „Laß du mich ja nicht erstarren,
Mich gar jämmerlich erfrieren:
Werde Feuer in die Strümpfe,
In die Schuhe Brände stecken,
Kleine Kohlen in die Säume,
Pfannen leg’ ich an die Schnüre,
Daß der Frost mich nicht erfasse,
Mich die Kälte nicht berühre.“
     „Dorthin werd’ ich dich nun bannen,

270
Zu des Nordens weiter Gränze;

Bist dahin du angekommen,
In die Heimath du gelanget,
Laß die Kessel dort erkalten,
Auf des Ofens Herd die Kohlen,
In dem Teig der Weiber Hände,
Auf des Weibes Schooß den Knaben,
Alle Milch du bei den Schaafen,
In der Stute Leib das Füllen!“
     „Solltest du auch dieß nicht achten,

280
Werde ich von hier dich bannen

In des Hiisi Kohlenhaufen,
Zu dem Ofenherd des Lempo;
Dringe du dort in das Feuer,
Setze du dich auf den Amboß,
Daß der Schmied dich mit dem Hammer,
Mit dem Klöpfel tüchtig walke,
Mit dem Hammer kräftig schlage,
Mit dem Klöpfel dich zermalme.“
     „Solltest du auch dieß nicht achten,

290
Und nicht im geringsten weichen,

Kenn’ ich eine andre Stelle,
Weiß von einem Aufenthalte:
Führe deinen Mund zum Sommer,
Zu dem warmen Haus die Zunge,
Daß du lebenslang gefangen
Nie von dorten dich befreiest,
Wenn ich selber dich nicht löse,
Selbst nicht zu befreien komme.“
     Endlich merkt der Sohn des Nordwinds,

300
Er, der Frost, daß Unheil nahet,

Bittet selber jetzt um Gnade,
Redet Worte solcher Weise:
„Wollen wir uns so vergleichen,
Daß der eine nicht dem andern
Schade in dem Lauf der Zeiten,
Nicht solang’ das Mondlicht glänzet.“
     „Hörst du, daß ich Kälte brachte
Oder anderswie geraset,
Stoße dann mich in das Feuer,

310
Dränge du mich in die Flammen,

Zwischen heiße Schmiedekohlen,
In die Esse Ilmarinen’s,
Führe meinen Mund zum Sommer,
Meine Zung’ zum warmen Hause,
Daß ich lebenslang gefangen,
Nie von dort befreiet werde!“
     Ließ der muntre Lemminkäinen
In dem Eise seinen Nachen,
Dort in Stich das Kriegesfahrzeug,

320
Wandert selber fort des Weges;

Tiera folgte als Gefährte
Seines muntern Freundes Spuren.
     Ging nun auf dem ebnen Eise,
Schritt behende auf der Glätte;
Schreitet einen Tag, den zweiten,
Endlich an dem dritten Tage
Kommt die Hungerspitz’ zum Vorschein,
Wird das schlimme Dörflein sichtbar.
     Schreitet zu der Burg der Spitze,

330
Redet Worte solcher Weise:

„Giebt’s wohl Fleisch in diesem Schlosse,
Fische hier auf diesem Hofe

[191]

Für die Helden, die ermüdet,
Für die Männer, die ermattet?“
War kein Fleisch dort in dem Schlosse,
Fische nicht auf diesem Hofe.
     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Feuer mag die Burg verzehren,

340
Wasser sie von dannen führen!“

Ging dann selber immer weiter,
Schreitet muthig durch die Waldung
Auf ganz unbebauten Wegen,
Auf gar unbekannten Stegen.
     Schor der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli,
Weiche Wolle von den Steinen,
Schnitt sich Fasern von den Felsen,
Flocht sie sich zurecht zu Strümpfen,

350
Macht’ sich Schuhe draus behende

In des Frostes weiten Sitzen,
Bei der Kälte argem Wüthen.
     Ging den Weg nun zu erkunden
Und die Richtung aufzusuchen;
Zu dem Walde ging die Richtung,
Führte ihn die Bahn des Weges.
     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„O du Tiera, mein Geliebter!

360
Kamen doch schon irgendwohin,

Da wir Monde, Tage wandern
Immerfort im Raum der Lüfte.“
     Tiera redet diese Worte,
Läßt sich selber also hören:
„Sind zur Rache, ach! wir Armen,
Zur Vergeltung, Unglücksvolle,
In den großen Krieg gezogen
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Um die Seele dort zu lassen,

370
Selbst auf immer zu vergehen

Auf den allerschlimmsten Stellen,
Auf den unbekannten Wegen.“
     „Können es ja nimmer wissen,
Nimmer wissen es und sagen,
Welcher Weg uns führen könnte,
Welcher Fußsteig uns geleiten
An des Waldes Rand zu sterben,
Auf den Flächen umzukommen,
In dem Heimathland der Raben,

380
Auf der Krähe Ackerfeldern.“

     „Fleißig schleppen hier die Raben,
Tragen Vögel Fleisches Stücke,
Fleisch erhaschen hier die Vöglein,
Heißes Blut die gier’gen Krähen,
Ihren Schnabel tauchen Raben
In den Leichnam von uns Armen,
Tragen das Gebein auf Steine,
Tragen es zu stein’gen Klippen.“
     „Ach! nicht weiß die arme Mutter,

390
Sie, die mühvoll mich getragen,

Wo ihr Fleisch sich jetzt befindet,
Wo ihr Blut sich jetzt beweget,
Ob in großen Sumpfesflächen,
Ob im Kampf mit gleichen Köpfen,
Oder auf des Meeres Rücken,
Auf den schönbekränzten Fluthen,
Oder bei dem Hopfenberge,
Auf dem Wege zu dem Busche.“
     „Gar nichts kann die Mutter wissen

400
Von dem ärmsten ihrer Söhne,

Denket nur, daß er gestorben,
Meinet, daß er umgekommen;
Also weinet da die Mutter,
Klaget so die greise Alte:
„„Dort nun ist mein armes Söhnchen,
Dort mein Liebling, o ich Arme,
Säet aus die Saat Tuoni’s,
Egget bei den Häusern Kalma’s,
Wohl erhält von meinem Sohne,

410
Wohl von meinem Kind, ich Arme,

Volle Ruhe nun der Bogen,
Daß die schöne Waffe trockne,
Schön kann sich der Vogel mästen,
In dem Laub das Feldhuhn flattern,
Bären nun gemächlich leben,
Auf dem Feld das Rennthier spielen.““

[192]

     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Also ist es nun, o Mutter,

420
Ärmste, die du mich getragen!

Hast der Hühner Schaar erzogen,
Ganze Schwärme du von Schwänen,
Kam der Wind, zerstreut dieselben,
Lempo, um sie zu zersprengen,
Eins hierher, dorthin das andre,
Und das dritte irgendwohin.“
     „Denke wohl an frühre Zeiten,
Denke sehr an bess’re Tage,
Wanderte da gleich der Blume,

430
Gleich der Beere in der Heimath,

Mancher sah auf unsern Körper,
Schaute, wie wir schön gewachsen,
Anders als in dieser Stunde,
Als in dieser Zeit voll Unheil:
Da den Wind allein wir kennen,
Und die Sonne früher schauten,
Die die Wolken jetzt verhüllen
Und der Regen uns verdecket.“
     „Haben uns nicht sehr gekümmert,

440
Nicht gekümmert voller Sorgen,

Ob die Mädchen freudig lebten,
Ob die Schöngelockten lärmten,
Ob die Weiber voller Lachen,
Süßgestimmt die Bräute wären,
Ohne Thränen bei der Sehnsucht,
Ohne Schwächung bei den Sorgen.“
     „Noch sind wir hier nicht verzaubert,
Nicht verzaubert und verhexet,
Auf den Wegen hier zu sterben,

450
Auf der Reise hinzusinken,

In der Jugend hinzustürzen
Und so frisch noch umzukommen.“
     „Wen die Zauberer bezaubern,
Wen die Hexer kräftig bannen,
Mögen sie nach Hause schaffen,
In der Heimath niederlegen,
Mögen selber sich bezaubern,
Ihre Kinder sie behexen,
Ihr Geschlecht zum Tode bringen,

460
Zu Verderben die Verwandtschaft!“

     „Niemals hat mein Vater früher,
Niemals er, der greise Alte,
Einem Zaubrer je willfahret,
Einem Lappensohn gefröhnet.
Also redete mein Vater,
Also rede ich auch selber:
„Schirme du, o starker Schöpfer,
Hüte du, o Gott voll Schönheit,
Schütz’ mit deinen Gnadenarmen,

470
Du mit deinen großen Kräften,

Du der Männer Sinnes Richtung,
Die Gedanken du der Weiber,
Das Gespräch der Bartgeschmückten,
Das Gespräch der Bartberaubten!
Sei du uns zu ew’ger Hülfe,
Uns ein zuverläss’ger Hüter,
Daß ein Kind nicht fortgerathe,
Sich der Mutter Kind verliere
Von dem Wege seines Schöpfers,

480
Von der Bahn, die Gott gewiesen!“

     Schuf der muntre Lemminkäinen,
Selbst der schöne Kaukomieli,
Dann aus Sorgen rasche Rosse,
Schwarze Pferde aus dem Kummer,
Zügel aus den bösen Tagen,
Sattel aus geheimem Schaden;
Hob sich auf des Rosses Rücken,
Auf das Kreuz des Weißbestirnten,
Macht’ sich schweren Schritts von dannen,

490
An der Seite seines Tiera,

Jagt’ am Strande gar beschwerlich
In dem Sande voller Mühe
Hin zu seiner lieben Mutter,
Hin zu ihr, der greisen Alten.
     Lasse nun den Kauko länger
Fort aus meinem Liede bleiben,
Weise Tiera auf die Wege,
Daß er nach der Heimath komme,
Selber will den Sang ich wenden,

500
Ihn auf andre Pfade führen.