Könige als Häuptlinge
[60] Könige als Häuptlinge. Von H. A. Lense.
Als der seit einigen Jahren entthronte König Manuel von Portugal die Regierung angetreten hatte, erschien in Lissabon eine Gesandtschaft aus dem Inneren von Portugiesisch-Ostafrika, die dem neuen Herrscher neben wertvollen Tierfellen und Elefantenzähnen auch die Abzeichen der Würde eines Fürsten von Gouweia überbrachte – ein Leopardenfell, am Rande mit getrockneten Schlangenköpfen verziert, und eine Halskette aus den Krallen und Schnäbeln des großen afrikanischen Geiers. Die Gesandtschaft wurde von König Manuel in feierlicher Audienz empfangen und trug durch einen Dolmetscher ihr Anliegen vor. Der junge Herrscher nahm die ihm zugedachte Ehrung an und wurde so oberster Sikamau (Häuptling) von drei Negerdörfern mit zusammen neunhundert recht spärlich bekleideten und auch in ihren Sitten und Gebräuchen noch recht barbarischen Einwohnern.
Auch König Georg von England hat das Recht, den aus Adlerfedern bestehenden Hauptschmuck eines Indianerhäuptlings zu tragen. Im Frühjahr 1909 versammelten sich nämlich in Brantford in Ontario die sechs Stämme der Mohawkindianer und wählten den damaligen Prinzen von Wales zum obersten Häuptling der Mohawknation, eine Würde, die bis dahin König Eduard von England unter dem Kriegsnamen: „Sohn der weißen Mutter“ besessen hatte. Eine Abordnung, bestehend aus zwölf malerisch gekleideten indianischen Kriegern, [61] langte darauf im Juli 1909 in London an und überbrachte ihrem neuen obersten Häuptling eine vollständige Kriegerausrüstung.
Die Mohawknation zählt noch gegen zweitausend Krieger und dürfte die einzige der großen indianischen Stämme sein, die noch ein vollständiges Jäger- und Nomadenleben in den weiten Wäldern und Ebenen Kanadas führt.
Ebenso ist auch der verstorbene König Leopold von Belgien Fürst eines Negerstammes gewesen. An der äußersten Westgrenze des Kongostaates liegt ein kleines, selbständiges Negerreich, dessen Herrscher durch eine Revolution im Jahre 1899 gestürzt wurde. Den erledigten Thron bot man König Leopold an, und dieser nahm die seltsame Würde auch wirklich an, nachdem er erfahren hatte, daß in Schitu, der Hauptstadt des Ländchens, ungeheure Vorräte von Elfenbein aufgestapelt lägen, die sein Vorgänger dem Volke abgepreßt hatte. Nach einer Mitteilung soll die Fürstenwürde von Schitu König Leopold nahezu zwei Millionen eingebracht haben.