Kämpferloos
Seit aus der Kindheit unbestimmtem Dämmern
Ich in die Klarheit der Erkenntnis trat,
Seit ich geschaut mit junger Schläfe Hämmern,
Von Gram durchbebt, die finstre Sphinx, den Staat,
Seit Farben ich und Fahne mir gewählt,
Floh, wie in Angst, mich Tag und Nacht der Friede,
Dem sich so gern die Seele doch vermählt.
Er ward zum Traum, zum Luftschloß goldenzinnig,
Ein Zukunftsbild, wie ahnungsvoll und sinnig
Ein Mädchen es beim Abendläuten schaut,
Ein Spuk, der spottend uns an Lagerfeuern
Mit unsrer Heimath Lieblingsplätzen neckt,
Uns rauh und streng mit Trommelwirbeln weckt.
Wenn rasch und kräftig deines Herzens Schlag,
Wenn dich der Aermsten bittre Noth zu rühren,
Wenn dich’s bei eines Freiheitsliedes Weisen
Wie wilder Rosen linder Duft umweht,
Wenn still und klar auf deinen Lebensreisen
Der Stern der Wahrheit dir zu Häupten steht.
Die ihren Strahl nach deinem Herzen sprühn,
Es heißt zugleich zur Minderheit gehören,
Es heißt zugleich, für „Wahngedanken" glühn;
Es heißt zugleich, auf sich die Flüche laden
Es heißt zugleich, bei dem gerad sich schaden,
Dem man den Weg in schönre Lande weist.
Was du auch thust, du wirst, du kannst der Hetze
Der Bosheit und der Dummheit nicht entgehn;
In Bann und Acht wirst du vereinsamt stehn,
Und wenn um dich den rothen Mantel schlagen
Des Scheiterhaufens Flammen, wird zum Schluß
Herbei ihr Scheit die fromme Einfalt tragen
Du wirst an hohen Fest- und Freudentagen,
Wenn Fahnen rings und Laubgewinde wehn,
Dich achselzuckend in die Büsche schlagen –
Du wirst dein Volk, es wird dich nicht verstehn.
Verschränkten Arms und in Gedanken drein,
Du möchtest nicht für alles Gold der Erde
Ein Glied der Masse, die da jubelt, sein.
Du hast nur wenig Freunde und Genossen,
Du hast kein Heim für deine zarten Sprossen
Und, geht es schlimm, sogar kein Vaterland.
Du bist der Welt ein warnendes Exempel,
Und jeder Gimpel ohne Herz und Hirn
Das Kainszeichen selbst auf deine Stirn.
Der zarte Strauß, den in geweihten Stunden,
Vom grünen Eichwald feierlich umbraust,
Aus wilden Blumen sinnend du gewunden,
Laß immerhin in dir Gedanken reifen,
Wie nur der Reinsten Hand der Zeit sie bot –
Die edelsten der Lichtgedanken schleifen
Sie johlend doch und pfeifend durch den Koth.
Der Menge wird mit Zetern doch gelehrt,
Du seist verderbt im Denken wie im Handeln,
Von scheelem Neid und wilder Gier verzehrt.
Und die es noch am besten mit dir meinen,
Sie sagen bittend: „Werft doch nicht mit Steinen –
Er ist ein harmlos-träumender Phantast!"
Es hat mein Herz an Kleinmuth nie gekrankt.
Doch hab’ ich nie gezaudert und geschwankt.
Ja schüfe selbst ein ehern Schicksalswalten
Verewigung des Unrechts und der Noth –
Ich würde doch zu meiner Fahne halten
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- Der Wahre Jacob. Nr. 68 (1889), S. 537.
- Lavant, Rudolf (d. i. Richard Cramer): Gedichte. Hrsg. v. Hans Uhlig. Berlin, Akademie Verlag 1965 (Seite 22).