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Jugendleben und Wanderbilder:Band 1:Kapitel 21

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder
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Einundzwanzigstes Kapitel.

[197] Ihr habt uns tapfer stets gedient, Herr Obrist,
Und billig ist’s, daß ihr im Frieden ruht, –
Wir senden Euch drum zu der Hansestadt,
Um Eures Fürsten Rechte zu vertreten,

5
Daß beiden Theilen Ehre draus erwachse.

Altes Trauerspiel.

Unerachtet ihrer geringen, immer mehr abnehmenden Bedeutsamkeit in der politischen wie in der merkantilischen Welt waren meiner Vaterstadt mit dem Namen und dem Schatten dessen, was sie als freie Hansestadt gewesen, auch alle äußern Ehren geblieben, deren sie in den Tagen ihres jetzt verblichenen Glanzes sich erfreuet hatte. Behalten doch auch Officiere, nachdem sie aus den Reihen der Krieger getreten, noch mit ihrem Range und ihren Uniformen das Anrecht auf alle militairischen Ehrenbezeugungen bei, die Wachen treten nach wie vor ins Gewehr, sobald man sie erblickt, und auch noch nach ihrem Tode erschallt kriegerischer Donner über ihrem friedlichen Grabe, ehe es sich schließt.

[198] So waren denn auch die Abgeordneten auswärtiger Mächte, die früher dort residirten, in Danzig geblieben, keiner derselben war von seinem Hofe zurückberufen worden; obgleich es schwer zu sagen war, worin die Geschäfte eigentlich bestanden, welche ihre Gegenwart nothwendig machten, so schienen die größtentheils dort alt gewordenen Herren sich doch sehr wohl dabei zu befinden, führten, zum Theil mit Frau und Kindern, ein ganz gemächliches Leben und wurden auch von den Einwohnern gern gesehen.

Immer noch, wie seit wenigstens zehn Jahren, zog Herr de Pons auf hohen rothen Absätzen an den Schuhen Visiten machend einher, als käme er frisch von Versailles, vom Lever seines Königs. Die im Weichbilde der Stadt geborne jüngste Tochter des wackern Gascogners war sogar die Pathe derselben, und heißt, wenn sie noch am Leben sein sollte, noch heute Mademoiselle Dansik.

Der englische Konsul, Sir Trevor Correy, trug durch seine brillante Equipage zum Glanze der Stadt, durch seinen pechschwarzen Negerknaben Pharao zur Erheiterung der Straßenjugend das Seinige redlich bei. Einen Residenten, der länger und standhafter auf seinem Posten geblieben, hat die Welt nie gesehen, denn er steht noch jetzt, funfzig Jahre nach seinem [199] Ableben, unbegraben in der großen Pfarrkirche zu Danzig, weil der noble Baronet lebend die deutsche Erde verschmähete, und der Aberglaube der Schiffer diesen nicht erlaubt, ihn nach England überzuführen.

Der dänische, wie der schwedische Konsul und der holländische Resident blieben in ihren Würden und Ehren, der russische Gesandte aber überstrahlte sie Alle zusammen an Rang wie an Glanz.

Unerachtet ihrer Mitwirkung zu der, mit der ersten Theilung von Polen beginnenden, Vernichtung dieses dem Untergange geweiheten Königreichs, behielt die Kaiserin Katharina[1] doch das Ansehen bei, als ob sie, früherer Zeiten sich erinnernd, sowohl dieses Land als den unglücklichen König, den sie selbst auf den wankenden Thron gesetzt, ihrer besondern Werthachtung würdige, indem sie Beide gewissermaßen bevormundete.

Auch Danzig, das wenigstens scheinbar noch unter polnischem Schutze stand, so ohnmächtig derselbe auch zur Zeit der Noth sich gezeigt, erhielt noch zuweilen Beweise, daß die mächtige Selbstherrscherin aller Reussen der hart gekränkten Stadt in Gnaden eingedenk sei.

So ward denn auch der dort im Laufe mehrerer Jahre ganz einheimisch gewordene russische Chargé [200] d’affaires einst plötzlich nach Mohilow versetzt, und ein weit vornehmerer Herr, eine Excellenz, kam als Minister-Resident an dessen Stelle. General P*** war von Geburt ein Deutscher, ein Oesterreicher wie ich glaube; er langte um die Zeit, als ich anfing, für ein erwachsenes Mädchen zu gelten, mit Familie und ziemlich großem Gefolge in Danzig an, und bezog das weitläufige Gebäude, das die russische Krone zu diesem Zwecke in Danzig besaß. Jedes mit Vorhof und Kutscheneinfahrt versehene größere Haus wurde damals in unsern Gegenden ein Palais genannt, und so hieß denn auch dieses, nichts weniger als palastartige Gebäude frischweg das russische Palais.

An Seiner Excellenz selbst ließ sich indessen wenig entdecken, das zu diesem seinem, alles Uebervortreffliche bezeichnen sollendem Prädikat ihn hätte berechtigen können. Alt, vertrocknet, vergelbt, verdrießlich, obendrein hoffärtig bis zur Lächerlichkeit, behangen mit Orden und Sternen, sogar im täglichen häuslichen Leben, war er eine so durchaus widerwärtige Figur, daß man unwillkürlich auf den Gedanken gerathen mußte, seine Kaiserin habe ihn nur deshalb so fern von ihrem Hofe fort befördert, um der Gefahr zu entgehen, ihn vielleicht einmal im Jahr [201] an den Stufen ihres Thrones zufällig von ferne erblicken zu müssen.

In lieblichster Jugendblüthe, voll Geist, voll sorgfältig gepflegten Talents, stand eine ätherische Nymphengestalt dem wenigstens um dreißig Jahre ältern Manne zur Seite. Frau von P*** war die früh elternlos gewordene Tochter eines jener in Petersburg etablirten englischen Bankiers, die dort selten verfehlen, in kurzer Zeit ein bedeutendes Vermögen zu erwerben, und übrigens auch in der Fremde, sowohl bei der Sprache als bei den Gebräuchen ihres Landes standhaft beharren. Sogar in der kolossalen Kaiserstadt konnte eine bezaubernde Erscheinung wie die ihrige nicht unbewundert vorübergehen. Eine Schaar anbetender Verehrer sammelte sich um sie her, an Stand und Reichthum über sie erhaben, so tief sie auch in anderer Hinsicht unter ihr stehen mochten. Glanz, Rang und Titel üben eine gar zu verführerische Gewalt über ein junges verwöhntes, argloses Mädchenherz, sie verlockten die Unerfahrene, ein Eheband zu knüpfen, wie deren noch heute so viele geknüpft werden; ein Mißgriff, für den sie lebenslänglich auf’s härteste büßen mußte, was denn auch heut zu Tage selten auszubleiben pflegt.

Ein wunderschönes Kind war der einzige Trost, [202] die einzige Freude, welche das hart beraubte Leben ihr bot. Armer kleiner Sachy! so nannte seine Mutter ihn, nach dem in Rußland gebräuchlichen Diminutiv seines Namens Alexander; noch seh’ ich ihn, wie er, wenn sein Vater unerwartet in das Zimmer trat, auf Händchen und Füßchen, mit Anstrengung aller seiner Kräfte unter den nächsten Tisch oder hinter die nächste Fensterdrapperie eilends sich verkroch, um sich zu verbergen.

Der Vater haßte den noch nicht zweijährigen Sohn, und der Kleine wußte es, und wurde bleich und zitterte in stummer Angst, wenn er ihn erblickte. Alle Diener im Hause wußten ebenfalls darum und nahmen erbarmend des hülflosen Knaben sich an, den sie ihrem Gebieter aus dem Wege zu bringen suchten, ehe dieser seiner ansichtig werden konnte. Ich stand dabei und staunte, und begriff nichts und nahm anfangs für ein lustiges Spiel, was so bitterer Ernst war.

Durch Miß Cramp, die Schwester der Frau von P***, war ich in diesem Hause gewissermaßen einheimisch geworden, in welchem Alles himmelweit von dem abwich, woran ich von Jugend auf gewohnt gewesen war.

Sally Cramp war ein schönes, fröhliches, liebenswürdiges [203] Mädchen von meinem Alter; sie fühlte sich sehr vereinsamt in der düstern, fremden Stadt, deren Sprache sie nicht verstand, und sehnte sich nach einer Gespielin, mit der sie in ihrer eigenen Muttersprache sich verständigen könne; Jameson, der wohl wußte, was uns Beiden gut sei, führte uns einander zu.

Seiner Fürsprache und Sally’s schmeichelnden Bitten gelang es, von meinen Eltern die Erlaubniß auszuwirken, zuweilen einen Tag bei ihr zubringen zu dürfen, und bald verging keine Woche, in der ich nicht mehr als einmal von dieser Erlaubniß Gebrauch machte. Ich hätte täglich kommen müssen, wäre es nach Sally’s Willen gegangen; wir waren so glücklich, so fröhlich, so einig mit einander. Wir hatten einander so lieb! O Zeit der erblühenden Jugend! goldene Zeit!

In der Mitte dieser Familie, zu der auch ein alter Franzose, Gilard, und Miß Corderoy, Sally’s Hofmeisterin, als sehr bedeutende Mitglieder derselben zu zählen sind, ging es mir ungemein wohl; was ich alles ihren vereinten Bemühungen um mich verdanke, weiß ich kaum in Worte zu fassen. Mit Göthe möchte ich sagen, sie setzten meiner Bildung für die Welt und dem geselligen Leben das noch [204] fehlende Tippelchen auf dem I auf, zu welchem in jener unbeholfenen Zeit zu gelangen, schwer war.

Auch außer meiner Spielgefährtin Sally hatten Alle mich gern, und gaben in Scherz und Ernst sich viel mit mir ab; die alte verdrießliche Excellenz ausgenommen, von der ich nicht einmal gewiß bin, ob sie mein Dasein jedesmal bemerkte. Sie zeigte sich selten anders als bei Tafel, und sprach nur, um ihre Unzufriedenheit mit dieser oder jener Schüssel auszudrücken, oder auch der Dienerschaft streng abgemessene Befehle im Lapidarstyl zu ertheilen.

Frau von P*** war eine sehr talentvolle, eifrige und fleißige Dilettantin im Gebiete der bildenden Kunst; eine Erscheinung, die mir bis jetzt bei meinem Geschlecht noch nicht vorgekommen war. Sie zeichnete meisterhaft, malte Aquarell, modellirte auf Glas oder Schieferplatten allerliebste Figürchen in Wachs. Meine Kunstliebe, ich sollte wohl eigentlicher Kunstsehnsucht sagen, erwachte in ihrer Nähe von neuem mächtiger als je. Endlich war mir nun gewährt, wonach ich Jahre lang vergeblich gestrebt hatte. Frau von P*** lehrte den Zeichenstift mich führen, gab mir Studien nach der Antike, die ich zu Hause kopirte und dann zur Durchsicht ihr überbrachte, bei der sie immer sehr strenge mit mir verfuhr.

[205] Ich erinnere mich eines Kopfes der Tochter der Niobe, den ich fünfmal zeichnete, ehe ich nur einigermaßen ihr genügen konnte, und verdanke es ihr noch jetzt in meinem Herzen.

Alle diese Schwierigkeiten, weit entfernt mich abzuschrecken, machten in Uebung der Kunst mich nur noch eifriger; meine Verehrung und Bewunderung berühmter Künstler wurde aber durch sie bis zum unglaublichsten Enthusiasmus gesteigert. Eines Tages sah ich an der Mittagstafel meiner verehrten Beschützerin einen ganz einfach gekleideten, hagern, kleinen Mann ihr zur Seite sitzen. Sally flüsterte seinen Namen mir zu; es war der damals sehr berühmte Pastellmaler Darbes[2], der auf dem Wege von Petersburg nach Berlin, seine Freundin, auch wohl ehemalige Schülerin besuchte. Vor lauter Ehrfurcht wagte ich nun kaum mich zu regen, ich hatte gehört oder gelesen, daß Frau von der Recke[3] in einer ihrer Schriften ihn den Seelenmaler nannte, und wunderte mich nur, daß ein so großer Mann wie andere gewöhnliche Leute sich benahm, noch mehr aber darüber, daß die übrige Gesellschaft mit ihm umging, mit ihm lachte und scherzte, als ob er ihres Gleichen, und es weiter gar nichts Besonderes mit ihm wäre.

[206] Wachend wie ein schützender Genius über uns Beide, über Sally und mich, stand auf der anderen Seite Miß Corderoy neben uns, stets darauf bedacht, unsere Aufmerksamkeit von dem trostlosen Unfrieden abzulenken, der im Innern die Ruhe dieses Hauses untergrub. Erheiternde Beschäftigung, die keinen andern Gedanken so leicht aufkommen läßt, schien hierzu das Zweckdienlichste zu sein; unter Sally’s Beistand fing Miß Corderoy an, mich in Verfertigung jener kleinen namenlosen Zierlichkeiten zu unterrichten, in welchen junge, frisch aus der Pension kommende Engländerinnen Meisterinnen sind, und die bei uns damals als nie gesehene Wunder angestaunt wurden; allerliebste Sächelchen aus Seide, Pappe, Eierschaalen, besonders aber aus Papier gebildet, gingen in großer Mannigfaltigkeit zu unserm Jubel aus unsern schaffenden Händen hervor. Nebenher ließ Miß Corderoy mit der zartesten Schonung manche Vernachlässigung meiner Haltung mich bemerken, und ermahnte mich, jene Aufmerksamkeit auf die Pflege und Erhaltung meines Aeußern zu verwenden, wie sie damals nur in der größeren vornehmen Welt gebräuchlich war, und an die man in unserer eng bürgerlichen reichsstädtischen Lebensweise wenig dachte. Mir selbst unbewußt, streifte ich jenes [207] etwas gar zu steife, förmliche Wesen allmälig ab, das ich aus Mamsell Ackermanns Societé des jeunes dames mitgebracht hatte, und lernte, wie man leichter und freimüthiger sich in der Gesellschaft bewegen könne, ohne deshalb gegen den Anstand zu sündigen.

Gilard, dieses Musterbild aller trefflichen und liebenswürdigen geselligen Eigenschaften, durch welche im vorigen Jahrhundert die über das vierzigste Jahr hinaus gekommenen Franzosen bis zur sprichwörtlichen Redensart eine Berühmtheit sich erworben, welche nur noch durch Tradition bis auf die jetzt lebende Generation hinabreicht; Gilard nahm einen noch bedeutenderen Platz als Miß Corderoy in diesem Hause ein, ohne jedoch unter irgend einem andern Titel als dem eines Hausgenossen dazu berufen zu scheinen.

Der kleine Sachy war noch viel zu jung, um schon jetzt eines Hofmeisters, wie Gilard mit der Zeit ihm gewiß werden konnte, zu bedürfen, und mit den Geschäften Seiner Excellenz stand der übrigens sehr gewandte und unterrichtete Franzose durchaus nicht in Zusammenhang. Die beiden Legations-Sekretaire wußten ohnehin nicht, was sie mit dem ganzen langen lieben Tag anfangen sollten; abgesondert [208] von den übrigen Hausgenossen bewohnten sie einen Flügel des Palais, und ich bin ihrer nur selten ansichtig worden.

Unbeschränkt in seinem Thun und Lassen, führte Gilard ein anscheinend geschäftsloses Leben, war aber weit davon entfernt, die erniedrigende Rolle eines gefälligen Hausfreundes übernehmen zu wollen, wie man wohl in reichen und vornehmen Häusern sie häufig genug antrifft. Das Gefühl selbstbewußter, wenngleich anspruchsloser Unabhängigkeit, die Niemand anzutasten wagte, bezeichnete sein ganzes Benehmen, sogar der General begegnete ihn mit rücksichtsvoller Achtung, beinahe als wäre der unbetitelte Mann seines Gleichen.

Und doch war Gilard Hausfreund; aber im edelsten Sinne des oft mißbrauchten Worts. Rathend, warnend, beschwichtigend, versöhnend, war es sein eifrigstes Streben, schien es die wichtigste Aufgabe seines Lebens zu sein, in diesem unseligen Hause alles zum Besten zu lenken, und über dem armen Rest von Ruhe und Frieden, welcher sowohl im Innern ihres Gemüths als in ihren äußern Verhältnissen der Herrin desselben noch blieb, mit Argusaugen zu wachen. Alt genug, um ganz bequem [209] für ihren Vater gelten zu können, ohne alle Ansprüche auf persönliche Eleganz mit einem von tiefen Blatternarben furchtbar entstelltem Gesicht durfte er dieses ungescheut; denn ohne sich lächerlich zu machen, konnten selbst der giftigste Neid, die gehässigste Klatschsucht seinem Verhältniß zu der schönen, jungen, eleganten Frau, keine unziemende Auslegung geben.

Mitten durch allen diesen Wirrwarr gingen Sally und ich fröhlichen Sinnes und unangefochtenen Muthes unsern leichten harmlosen Gang, ohne weder zur Rechten noch zur Linken viel um uns zu schauen; doch blieb das zwiefache Elend einer unglücklichen Ehe in den vornehmen Ständen von mir nicht lange unbemerkt, wo Zorn und Mißverstehen nicht, wie ich bei sogenannten gemeinen Leuten es wohl zuweilen gesehen, in rohen Ausbrüchen sich Luft macht, und dann auf einige Zeit verraucht, sondern schweigsam und heimlich, wie ein feines Gift am Leben nagt, bis dieses erlischt. In recht bänglicher Stimmung über Vieles, was ich weder gegen Sally noch gegen Jameson erwähnen mochte, kam ich zuweilen Abends nach Hause, wo schon an der Schwelle alles Glück der zufriedensten bürgerlichen Häuslichkeit mich umfing, und athmete aus [210] froher freier Brust hoch auf, weil ich wieder unter den Meinigen war.

Die zahlreiche Dienerschaft, die Equipagen, die Kammerfrauen, die ganze prunkende Einrichtung jenes vornehmen Hauses, ließen mich eben so unverwöhnt als unverlockt; nie ist auch nur für einen Augenblick in meinem leichten fröhlichen Gemüth der Wunsch, einst ähnliche Herrlichkeiten zu besitzen, erwacht; ich sah zu theuer sie erkauft! Die vielen Livreebedienten, deren Zahl zuweilen die der Gäste, hinter deren Stühlen sie postirt waren, überstieg, schien mir sehr lästig; der über und über vergoldete Jäger hinter dem Sessel Seiner Excellenz, die nie auf die Jagd ging, der elegant, wie zum Ball geputzte Kammerdiener, hinter dem der Frau Generalin, der, glaube ich, lieber die Welt hätte untergehen lassen, ehe er einem Andern als ihr einen reinen Teller gereicht hätte, alles das kam mir beinahe wie eine Theaterposse vor.

Am lustigsten aber war mir die Figur des Mr. Prud’homme, eines ehrlichen Danziger Kleinbürgers von französischer Abkunft, den ich oft im Vorübergehen mit der braunen Schürze und im Kamisol hinter seinem Ladentische hatte stehen sehen, wo er Sardellen, Kappern, Oliven feil hielt, und der jetzt [211] sein Deutsch vergessen zu haben schien, und als maître d’hôtel, im Gallakleide und in weißseidenen Strümpfen paradirend, oft sehr gewöhnliche Gerichte mit unendlicher Gravität vorlegte und herumreichte, als wären es die auserlesensten Seltenheiten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Katharina die Große (* 2. Mai 1729; † 17. November 1796)
  2. Joseph Friedrich August Darbes (* 1747; † 1810)
  3. Elisabeth Charlotte Constanzia von der Recke (* 20. Mai 1754; † 13. April 1833)