Johann Valentin Andreä
Luther war ein starker Geist, ein wahrer Prophet und Prediger unsres Vaterlandes. Er hat die classische Büchersprache der Deutschen zuerst fixiret; alle seine Schriften sind voll Herz und Muth. Auch seine wenigen Lieder athmen Deutsche Kraft, obwohl seine Uebersetzungen alter Hymnen ziemlich hart sind. Es wäre zu wünschen gewesen, daß, wie in Allem, so auch in dieser Liedersprache sein Geist hätte forterben können; leider aber war das unmöglich. Der einzige Erasmus Alberus, und späterhin wenige andre gingen im Ton der Kirchenpoesie, den Er angegeben hatte, auf seiner Bahn, wie wohl auch mit sehr ungleichen Schritten fort; der Meistersängerton bemächtigte sich des Gesangbuchs der Protestanten, und die kläglichen Zeiten, die bald nach Luther folgten, brachten vor Allem einen klagenden Ton in die Gesänge. Bald nistete sich auch der dogmatische Geist in sie, und zuletzt ward der größeste Theil derselben Machwerk; so daß nach Luther beinah der einzige Paul Gerhard, (und wie spät lebte dieser!) unter den Liedersängern hervorschimmert. 33)[1] Eine poëtische Reformation bewirkte Luther also nicht; (dessen er sich auch nicht anmaaßte;) vielmehr gaben die dogmatischen Streitigkeiten, die durch seine Reformation entstanden, dem Geist der Gelehrten eine ganz andre, ziemlich unpoëtische Wendung. Die lateinischen Schulen, die Melanchthon und andre verdiente Männer beförderten, zogen den etwannigen Genius der Deutschen zur lateinischen Poesie herüber; und da mit dem obersächsischen Dialekt, der durch Luthers Bibelübersetzung und Schriften allgemach zur Büchersprache ward, die Mundarten andrer Provinzen in den Schatten gedrängt wurden: so gingen auch die in ihnen vorhandenen poëtischen Producte des obern und niedern Deutschlands auf eine Zeitlang und für die meisten Provinzen fast in Vergessenheit über. Bodmer hat diesen Schaden sehr beklagt, der in manchem Betracht auch nie ersetzt ward. 34)[2] Einmal für alle war Deutschland durch den Streit über die Reformation zertheilt, und wenn ich so sagen darf, seinem Gemeingeist entrissen; es scheint nicht, daß es zu diesem so bald zurückkehren werde.
Indessen erholte sich allmählich der menschliiche Geist wieder; und es ist sonderbar, daß eben der Winkel, der in ältern Zeiten der Deutschen Sprache die ersten poëtischen Knospen und Blumen gegeben hatte, auch jetzt die ersten Schößlinge zu treiben anfing. Bis auf Opitz waren die ersten glücklichern Versmacher und Dichter Schwaben und Rheinländer; auch die erste Ausgabe Opitzischer Gedichte ward von Zinkgref in Strasburg veranstaltet. 35)[3] Zwei, einander übrigens sehr ungleiche Männer, beide aus dem Wirtembergischen, zeichneten sich in dem damaligen Unwesen der Dinge Deutschlands vor andern an feinerem Geist aus; und es war natürlich, daß beide sich in der Poesie versuchten. Ich lege Ihnen darüber ein paar vor zwölf Jahren gedruckte Briefe bei, die ich nur hie und da nach meiner jetzigen Denckart verändert habe: denn, daß ich mich selbst ausschreibe, muthen Sie mir wohl nicht zu; und wozu sollte es auch in dieser Sache dienen?
Johann Valentin Andreä, gebohren 1586. im Wirtembergischen, ein Enkel des Jacob Andreä, 37)[5] der zur Formula concordiæ sich so geschäftig bezeigte, war in seinem Vaterlande Diakon, Special, Hofprediger, Doctor, Kirchenrath, Abbt, Generalsuperintendent u. f. Er hat vieles und dies meistens in einer sonderbaren Art geschrieben. Es sind nicht Schriften, sondern Schriftchen; nicht große leere Säle, sondern niedliche Wohnzimmer, zum Theil voll seltner, ungesuchter Merkwürdigkeiten; Aufsätze, die der Pöbel seiner Zeit anstaunte, die auch vielen unsrer Zeit zuweilen befremdend, hie und da unverständlich und als Spielzeug vorkommen müssen; die aber alle von der feinen Erfindungs- und Einbildungskraft, vom richtigen Gefühl und scharfen Urtheil, von der ausgebreiteten Kenntniß und dem wiewohl unausgebildeten Dichtergeist des Verfassers zeigen. Alles, was er schreibt, wird Fabel, Gespräch, sinnreiche Einkleidung; er sagt in ihnen Wahrheiten, die wir jezt uns kaum, nachdem wir ein Jahrhundert weiter gerückt sind, zu sagen getrauen; er sagt sie mit so viel Liebe und Redlichkeit als Kürze und Scharfsinn; so daß er in seinem streitenden, verketzernden Jahrhundert, wie eine Rose unter Dornen, noch jezt, neu und frisch dasteht, und in zartem Wohlgeruch blühet. Ich kenne einen Freund, der seine Schriften, so zerstreuet und selten sie zum Theil sind, mit grosser Liebhaberei gesammlet, zum Theil übersezt hat und diesem guten Andreä ein kleines Denkmal zu stiften Willens ist, wie es unsere Zeit fordert. Ihm also nicht vorzugreifen, spreche ich von den Lateinischen Schriftchen dieses Mannes kein Wort mehr und bleibe bei seinen Deutschen Versen, die er unter dem Namen: geistliche Kurzweil Strasb. 1619 in 12. herausgegeben hat, und die nur 8 Bogen betragen.
Erwarten Sie in ihm keinen klassischen Dichter unserer Zeit; die seine und auch der damalige Zustand der Deutschen Sprache litt es nicht. Damals schrieb alles Latein; und auch Er schrieb, was er gefeilt schreiben wollte, in dieser Sprache; fürs Deutsche blieben, wann ich so sagen darf, nur die Haus- und Herzensgeschäfte übrig. Das meiste also, auch in dieser geistlichen Kurzweil, ist für Weib, Kinder, Volk, Freunde; und der Verfaßer sagt am Ende:
Ohn Kunst, ohn Müh und Fleiß ich dicht’:
Drum nicht nach deinem Kopf mich richt.
Bis du schwitz’st, spitz’st und schnitz’st im Sinn,
Hab’ ichs gesetzt und fahr dahin.
Gefällt dirs nicht, wie ich ihm thu,
Machs besser, nimm ein Jahr dazu.
Sie sehen hiemit ohngefähr die Manier seiner Verse. Wir nennen sie jezt Knittelreime, und haben sie zu possirlichen Ideen herabgestossen; damals waren sie das angenommene Lehr- und Erzählungsmetrum; so wie denn auch der schlichte, unermüdliche, gerade Gang dieser Verse, ihre Leichtigkeit und Freiheit sowohl zur Erzählung, als zum gedrängtesten Lehr- und Ermahnungsvortrage recht geschaffen scheinet. Nicht nur der berüchtigte Hans Sachs; auch Burkard Waldis, der Freidank, der Renner und wer nicht? haben sich dieses Sylbenmaasses bedient, daß ichs beinah den Hexameter der alten Deutschen nennen möchte. Die Sprache unsers Dichters ist der schwäbische Dialekt, der ihm zum Gebrauch desselben besondre Vortheile gibt. Er wirft das der, die weg, und setzt ein d’ hin, wie die Engländer: er zieht die Pronomina, einem, einen, die Supina, behütet, geachtet, in eim, ein, behüh, geacht zusammen; die Vorschlagssylben ge, be, zu macht er zum Vorschlage b, g, z, wie der lebendige Dialekt thut – zehn Vortheile mehr, die den Vers so gedrängt und voll, die Sylben und Bilder so leicht und überhinlaufend machen, daß wir mit unserm Sylbenbau, wo jeder Vorschlag, jedes Vorwort, ein unwesentlicher, nur der Flexion wegen hinzukommender Theil der Rede, wie ein grosser Herr langsam einherschreitet, dagegen schlecht bestehen. Dort zieht der Gedanke, oder das Gemälde so leicht vorüber, als man sie spricht; ja auch im Bau und Maas der Sylben erscheint dadurch mehr Proportion und Zusammenordnung. In Lehrstellen, Sentenzen, kurzen Gleichnissen und Gegensätzen ist daher auch unser Andreä besonders glücklich; so wie auch in komischen, witzigen Zügen. Doch ich will Ihrem Urtheil nicht vorgreifen, und wähle also gleich das erste, ein sehr ernsthaftes Stück seiner Sammlung. Es ist auf den Tod einer Freundin geschrieben, theilnehmend und voll edler Dichtung: eine wahre Glorification derselben. Setzen Sie sich in diesen Zustand des Verfassers, wenn Sie es lesen wollen, und nehmen ihm auch seinen kleinen Anstrich von Mystik, so wie den Trost seines Herzens aus geistlichen Liedern nicht fremde: er schrieb aus seiner Seele und nicht für unsre Zeit. So hebt er an:
Wenn wir die Welt mit Fleiß ansehn,
Wie All’s thut durch einander gehn,
Wie der Bös’ herrscht, der Fromme leidt,
Der Narr viel schwätzt, der Weise schweigt,
Der Dieb wohllebt, der Redlich’ fast’t,
Faulheit bringt Lohn, die Arbeit Last,
Frechheit gewinnt, der Sorgsam’ liegt,
Wer viel hat, nimmt; wer nichts hat, giebt:
Und läuft also, in einer Summ,
Die Weltkugel im Cirkel um –
So wird uns unsre Lebenszeit
Zu lauter Pein und Herzeleid,
Zu Kerker, Ketten, Band und Strick,
Und sehnen uns all’ Augenblick,
Wie wir ein’ Luft mögen gewinnen,
Daß wir der Dienstbarkeit entrinnen,
Daß uns so manche Jahr’ und Tag’,
Nicht werden zu ein’r lautern Klag’,
Daß wir in diesem Jammerthal,
Erhalten auch ein klein Labsal.
Drum mancher ihm selbst nimmt die Flucht,
Und nur Ruh in der Wildniß sucht,
Vermeint, was nicht bei Menschenkinden
Woll’ er bei wilden Thieren finden.
Allda kein Hof, kein’ Schul, kein Rath,
Kein Schmeichler, Heuchler, Advokat,
Kein Wuchrer, Künstler und Sophist,
Kein Wirth, Kriegsgurgel und Maulchrist,
Und was dergleichen Werkzeug’ seyn,
Dadurch die Welt ihr macht viel Pein;
Zumal der Mensch sein hoch Herkunft
Macht schnöder denn die Unvernunft:
Denn je die Thier’ in ihrer Art
Mehr Gnüg’ und minder Widerpart
Haben in dem, was Gott beschert,
Wo’s ihnen nur der Mensch nicht wehrt,
Der sie mit seiner List und Pracht
Auch seiner Unruh theilhaft macht,
Daß Unvernunft durch Witz regiert,
Noch mehr ein wildes Leben führt.
Also kam mir neulich zu Sinn,
Daß ich von Menschen lief dahin,
Und sucht mir einen grünen Wald,
Da ich so manch scheußlich Gestalt,
Der Menschen Werk, schlug aus dem G’müth,
Und stillt mein Herz, das in mir wüt,
Erhohlt die Sinn’, die gar verwirrt,
Erforscht mein’ Seel, die sehr verirrt,
Fragt die Natur um ihren Willen,
Sprachet mit Gott, der gern bei Stillen,
Schauet den Dienst der Kreatur,
Und besah mit Fleiß die ganze Uhr
Der großen Welt, wie die regiert,
Mit Weisheit, Lieb’ und Macht geziert:
Das macht mich bald ein’n solchen Herren,
Daß ich all’ Gemeinschaft wollt verschwören,
Und deucht mich: ja, hie wär’ gut seyn,
Da nicht wär’n Löwen, Wölf und Schwein,
Füchs’ und Hund’ in der Menschen Gestalt,
Sondern ein Jedes sein’ Art behalt.
Indem mein’ Seel’ sich so ergetzt,
Mein Leib sich auch in Schatten setzt,
Meine Sinn’ ruhten in sanftem Saus,
Meine Fantasei wollt fliegen aus;
Allgemach mein Haupt sich neigt zur Erd,
Vor Sicherheit kein Sinn sich wehrt,
Die Augen blintzten; Händ’ und Füß’
Mein ganzer Leib seine Nerven ließ.
Ich hört’ und hört nicht, sah ohn’ Gesicht,
Mein Leben war wie ein Gedicht,
Bis daß der ganze Block da liegt,
Und hat der Schlaf an mir gesiegt.
Und sorgt’ nun nicht, was Ost und West
Uns bringen möcht’ für fremde Gäst,
Oder das fünft’ Hauptkönigreich
Glaub’ und Scepter werd’ machen gleich,
Oder wer mach’ den grossen Stein?
Wenn lauf der ewige Haspel fein?
Das alles mich gar nicht verletzt;
Aber ein Traum mich wohl ergetzt.
Mich daucht, wie es fast finster wär,
Viel Nacht und Nebel um mich her,
Auch Schrecken, Furcht und Traurigkeit;
Ein jedes scheint, als trüg’ es Leid.
Manch Vöglein seufzt, manch Täublein kirrt.
Und wurd’ ein kläglich Leben geführt.
Es schien, als wollt die Erd und Himmel,
Einen Zank anheben und Getümmel,
Und jedes Ursach’ hab zu klagen, –
Ich kann es doch nicht alles sagen:
Denn mir in solchem Wunderding’
All Muth und Witz war gar gering’;
Zuletzt hört’ ich ein’ weiblich Stimm:
„Mit Fried und Freud’ fahr’ ich dahin:
O treuer Gott, nach deinem Wort,
Führ mich hin in der Freuden Ort.“
Die Wort hatt’ sie kaum ausgeredt,
Alsbald beweget sich die Stät’,
Und ließ sich merken ein dunkler Schein,
Gleich wenn die Sonn’ schier auf will seyn,
Und faßt die ganze Natur ein Muth,
Hofft, es soll wieder werden gut.
Ach, wie gar mag ich sprechen nicht,
Wie sichs hält, wenn dies Licht anbricht
Und wird dabei gehört ein Gesang,
Wie aller Freuden ein Anfang –
Der lautet: „Wohl dem Menschen, wohl?
Der die Welt kann verlassen!
Und lebet, wie ein Christ thun soll,
Geht auf des Himmels Strassen,
Der wird zuletzt, des Leids ergetzt,
In Freud gesetzt,
Da ihn kein Feind nicht mehr verletzt,
Drum komm hieher, du Gottes Braut,
Dich holet heim, dem du vertraut.“
O Wunder groß! was seh ich hier!
Der Himmel macht eine helle Thür.
Die Sonn muß vielmal heller seyn,
Will sie gleichen dem hohen Schein.
Nun ist das Erdreich ganz erleucht,
All Dunkel, Leid und Kummer weicht.
Mein Herz, das hüpft; ich bin entzündt –
Wer ist die, so mein Gesicht nicht kennt?
Wer ist die weibliche Kreatur,
Die ich dort seh so klar und pur?
Wer ist so grosser Ehren werth,
Daß sich freut Himmel und die Erd? –
Wie ich mich so entsetzet fast
Eine Wolk’ gemach sich niederlaßt,
Von Farb’, gleich wie die Morgenröth,
Von Geruch, als der best Würzgart thät.
Darbei hört man ein’ Musik rein,
Dergleich auf Erd möcht keine seyn:
„Dort beim Ewgen ist der Nutz,
Da ist Freude, da ist Schutz,
Alles kan der bei ihm fassen
Der durch ihn kann alles lassen – –
Ich dacht: o weh dem Menschenkind,
Das da viel sucht, da man nichts findt! –
Indem hat sich die Wolk’ getrennt,
Daß man nunmehr die Musik kennt;
Das waren zwölf Jungfrauen rein,
Je zwo und zwo geschlossen fein:
Ihr Gesicht, Habit und ganze Art,
Zeigt wohl, daß es nichts Menschlichs ward:
Ihr’ Himmlisch Lieb’ und Einigkeit,
Ihr’ göttlich Freud’ und Freundlichkeit,
Die gaben mir den schönen Bericht,
Wies sey, wo Gottes Will geschicht.
Hierauf die Seel nach meinem Sinn
Erhub mit Freud nochmal die Stimm,
Und sprach: „O Herr, ich bin zu g’ring
Deiner Lieb’ und dieser grossen Ding
Doch thu, Herr, wie du hast gesagt,
Hier bin ich, dein’ unwürdig’ Magd.“
Hiemit der ganz’ Jungfräulich Chor
Rings um sie her schwebet empor –
Hier, wo ich nun eben zu schreiben anfangen sollte, hier, wo der Mittelpunkt des Gedichts ist, daß alle Tugenden und Uebungen der Erde, alle Mühe und Verläugnung dort ewigen Werth und Lohn finden, hier – breche ich ab. Die Zwölf Jungfrauen, die erscheinen, sind Glaube, Hoffnung, Andacht, Liebe, Keuschheit, Gehorsam, Freigebigkeit, Duldung, Einfalt, Demuth, Mässigkeit, Arbelt. Alle reden die Ankommende aufs liebreichste an, loben sie, krönen sie mit ewigen Lohne. Die ganze Erfindung ist in Spensers Geist und ihre Worte sind zum Theil Sprüche von ewigem Glanz und Werthe; welcher Ausdruck aber müßte nicht diesem Gegenstande, dieser Vorstellung selbst nachbleiben? Ich übergehe also ihre Reden und der entzückte Seher fährt fort:
Aber was hör’ ich, ich vernimm,
Der ganze Chor singt mit heller Stimm:
„So geh nun ein ins Leben,
Das dir von Anfang’ ist bereit!
Nimm an, was Gott thut geben,
Geneuß der ewgen Freud!
In Ruh, in Freud’, in Wonne,
Tritt ein ins ewge Licht.
Ergetz dich in der Sonne,
Da nun dir nichts gebricht.
Dein warten mit Verlangen,
So in der Freud’ voran;
Und werdens auch empfangen,
Die du auf Erd verlan.“
Dies war also die letzte Stimm
Damit fuhr all’ mein Freud dahin,
Damit theilt sich der Himmel wieder,
Und nahm sie weg; ich blieb hienieder,
Und seufzte, sehnte mich nach ihn’n –
Ach, daß ich noch im Fleische bin!
Ach, daß ich trag so schwer Gewicht,
Daß ich mich mag aufschwingen nicht!
Ach, daß ich noch mit Fleisch und Bein
Mit Stückwerk muß gebunden seyn!
Was andre freut, mich nur betrübt,
Was andre ehrt, mich nur bemüht.
Was andre lehrt, mich nur verwirrt,
Was andre speist, mich nur stets irrt. –
Das zweite Stück enthält eine Pastoraltheologie für junge Kandidaten, voll launiger, komischer Züge, und so wahr, so wahr auch jetzo; es ist aber zu lang und muß auf einen andern Ort warten.[6]
Die folgenden Gedichte sind theils Lieder, theils sehr wohl ausgedruckte moralische Sentenzen; ein paar Proben derselben will ich beifügen.
Andreä hat auch einige Sonnette von Campanella übersetzt, die aber hart sind. Gnug, diese Anzeige soll nichts als einen feinen, dichterischen Kopf bekannt machen, der aber unter dem Geschmack seiner Zeit, und unter andern Geschäften erlag. Seine Deutschen Verse zeigen nur von fern, was er hätte werden können; seine lateinischen Dichtungen zeigen zum Theil, was er wirklich war. Und so lange sein Geist in diesen Schriftchen, noch mehr aber in seinen thätig getroffenen Einrichtungen lebt, wird Nachwelt und Vaterland seinen Namen segnen. War er kein Dichter, so war er etwas bessers, ein ausübender Lehrer der ächten Menschenliebe und Menschenweisheit.
– Spargite humum foliis, inducite fontibus vmbras
Pastores, mandat fieri fibi talia Daphnis.
von
J. V. Andreä.
Wer sich demüthiget vor Gott,
Der Mensch gewiß auch Gaben hat.
Nichts Eitelers als eigne Ehr’;
Der Stolze ist gewiß auch leer.
Wer weise zähmet seinen Mund,
Dem Menschen ist sein Herz gesund.
Nichts schnöder, als Wort ohne That;
Geschwätz ist der Thorheit Verrath.
Wer sich verlobt zu Gottes Dienst,
Der Mensch hat immer, was er wünscht;
Nichts Aermers, als der Welt seyn hold,
Undank und Schande ist ihr Sold.
Wer sich vergnügt mit seinen Gaben.
Der Mensch muß viele Gaben haben.
Nichts Schreienders als leere Töpf,
Suchen ohn’ Zweck macht Schwindelköpf.
Edele Liebe, wo bist du bei uns verstecket,
Daß sich dein Ursprung uns so selten nur entdecket?
Von Gott bist du gebohren,
Gott selbst hat dich erzeugt,
Dem Menschen auserkohren,
Dem die Natur sich beugt.
Liebliche Liebe, wo bist du bei uns verborgen.
Daß wir dein Saft und Kraft nicht schmecken heut noch morgen?
Die Welt thust du erfüllen
mit süßem Honigseim,
das größte Leiden stillen
durch deinen milden Schein.
Innige Liebe, wo bist du bei uns verschlossen,
Daß wir zu deiner Treu uns schicken so verdrossen?
Alles kannst du verbinden,
was irgend ist zerstreut,
In dir ist Alls zu finden,
was Menschenherzen freut.
Stetige Liebe, wo bist du bei uns verlohren,
Daß du, Standhafteste, nie kommst vor unsre Ohren?
Du mußt den Bund erhalten
Den Bund der Menschenpflicht:
Denn Liebe mag nicht alten,
Die Treu kann rosten nicht.
Tröstliche Lieb’, wohin bist du bei uns vertrieben?
Daß uns dein Muth nicht stärkt, wie viel auch
aufgeschrieben.
Du nimmst dem Kreuz sein Gewichte,
Du nimmst dem Kelch die Gall,
Daß sich ein Christ aufrichte,
stärk mit den Brüdern all – u. f.
- ↑ 33) Barth. Ringwalds treuem Eckard u. a. lasse ich auch ihr Recht wiederfahren.
- ↑ 34) In seiner Deutschen Grammatik, in seinen litterarischen Aufsätzen, und sonst.
- ↑ 35) Opitii Deutsche Poëmata. Samt einem Anhange mehrerer Gedichte andrer Deutschen Poeten. Strasburg, 1624.
- ↑ 36) Deutsches Museum 1779.
- ↑ 37) Der Enkel hat das Andenken seines Großvaters auf eine sehr würdige Art zu erneuren gesucht. S. Fama Andreana reflorescens s. Jac. Andrae vitæ, suneris, scriptorum etc. recitatio. Argent. 1630. 12.
- ↑ Ich habe es seitdem den Briefen, das Studium der Theologie betreffend, beigefügt.