Jahr und Leben
Der Mensch legt unter Frühlingsfäden
Die Hoffnung in der Erde Schooß,
Er will mit Liebe sie bereden,
Daß sie sie heg und pflege groß.
Die tausend Augen zu der Welt,
Da müssen die hebenden Lüfte es tragen,
Die sind ihm zu ewigen Hütern bestellt.
Und unter Wolkenthränen blühet,
Im grünen Herzen still erglühet,
Und aus der Thrän’ den Halm ausstreckt.
Da denkt der Säer Frühlingslieder,
Es hebt sich in der dunklen Brust,
Und schlägt das Herz um seine Lust.
Und in des Liebchens Himmelsauge
Steigt auf die Welt, die in ihm lag,
Ob sie sich neig, ob sie ihm tauge,
So frägt er nachts die hohen Sterne,
Die ernst gewiegt ihm sein Geschick,
Daß es sich senk aus ew’ger Ferne
Und in ihm ruh zu ew’gem Glück.
Zu ihrem Auge vor ihm auf,
Da blühet aus der Sehnsucht Schmerzen
Die Welt, das Glück, die Lieb ihm auf.
Denn in dem Spiegel einer Zähre,
Ob sie entweich, sich ihm gewähre,
Ist zweifelhaft ihm noch gestellt.
O trink sie von der Wimper Saume,
Du Zecher so lang’ sie dir noch glüht,
Der tief das Herze dir durchzieht.
Die Sonn’ hebt von der Erd’ die dunklen Schleier
Und strahlet durch der hohen Halme Spitzen,
Die Schatten spielen aus dem stillen Weiher
Mit Funken die mit Beben drüber blitzen,
Und sieht hinauf des Lebens Mittag ziehn.
Der Mensch hat alle Blüthen nun gefühlet,
Die Frucht hängt nahe über seinem Herzen,
Da ist es innerlich so recht gekühlet
Die Blüth’ zur Erde um die Frucht zerfiel,
Die Lieb versank im Leben, ihrem Ziel.
Doch daß der Geist nicht ganz zur Erde blicke
Rauscht mit den Flügeln um ihn her der Himmel,
Wiegt ihre Kraft er nun im Sturmgetümmel,
Die Blitze schwimmen durch die Wolken-Fluth,
In ihrem Augenblick das Glücke ruht.
Im Sturm fährt streng der Donner durch die Lüfte,
Des Menschen Zukunft steht auf dunkle Grüfte,
Daß sie nicht sink’, muß seine Kraft ihr wehren,
Verlohren ist ihm schon des Lieben viel,
Da hebt am Himmel sich vor ihn das Ziel.
Der siebenfarbig alten Glückes Zeichen,
Der Liebe Pfeil ist von der Sonn’ geflogen
Und trifft das Herz, da muß der Schmerz entweichen,
Das ird’sche Glück sank in des Unglücks Schooß
Im engen Kreislauf ist zur Wage
Abwärts wendend die Sonn’ getreten,
Schwer ist der Herbst zur Erd’ gesunken
Hat in der Wag’ den Sommer aufgezogen.
Verläßt das Blut,
Stumm wird irdische Klage!
Weil drüben die Wolken sich röthen,
Umspielt von des Abendlichts Funken!
In des Himmels tiefes Meer!
Erdenketten so schwer,
Erdenleben so leer,
Drüben
Müder
Schlagen die Lider
Die matten Augen
Nieder.
Die er durch’s Leben sich gewann für’s Sterben.
Im Innern hat das Haus er voll getragen,
Die Erde hat ihn eingesetzt zum Erben,
Doch mit dem Leben ist er ihr verfallen
Er tritt hervor in tiefer nächt’ger Stille,
Der Mond liegt wiegend sich auf ferner Höhe
Und schaut ihn an durch nackter Zweige Hülle,
Als ob nochmal die Jugend ihn ansehe.
Die einst ihn in der Jugendsonn’ durchglühten!
„Wie, Mond, nur hast das Licht, nicht Gluth der Sonne?
Wie, Herbst, nur hast die Farb’, nicht Gluth der Blüthe?
So liegt das Abbild nur von jener Wonne.
Du Lieb’ die du mich knüpftest einst ans Leben
Das Leben must du nun dem Himmel geben.“
Er wendet sich, das Haus liegt vor ihm trübe.
„Wie wird es klein, wenn es zum Sarg sich enget!
Lust, Freude, Leid, zusammen still gedränget!
Das steigt empor! im Sarge bleibt die Hülle -
Da droben Licht! hier unten Schatten - Stille.“
Ueber den stillen See
Schwimmen verwehete Blätter umher,
Leicht schwingt das Wellchen der Welle sie zu
Um Schilfs Halm finden sie endliche Ruh.
Wie senkt’s die erblaßten Spitzen so schwer
Und immer mehr Blätter im Zirkelchen nieder
Sie fallen, flüsternd die Todtenlieder;
Da senken die Sterne die Nacht hernieder
Und tauchen aus Wolken die Strahlen-Glieder;
Die in den unruhigen Wellen versunken,
Wo matt das letzte Leben sich regt,
Bis im Eise todt es sich niederlegt.
Im Hause liegt die ganze Frucht des Lebens,
Die Halme die die ird’sche Frucht des Lebens
Getragen, sind dem Himmel zugestrecket,
Aus jedem Halm ein Sternlein aufgegangen,
Des Hauses Dach vom Sternenkranz umfangen.
Die Lichter sind schon angezündet,
Das Licht das an die Erd ihn bindet,
Es ist verlöscht, weil sie zu karg.
Der Schnee liegt über alles Feld,
Im heißen Strahl es bald aufgehet
Wenn Frühling neu aufschlägt die Welt.
Das, was im Innern er gepflanzt,
Im blauen Feld ist’s aufgegangen,
Wo wir vom Wolkenlicht umtanzt.
So hat sich denn das Leben ganz geschlossen,
Der Anfang hat das Ende vorgedeutet,
Die Frucht, die in der Erde war verschlossen
Das Grünen, Blühen, Reifen, Sinken
Wieg, Lieb und Leben, Sarges still Versinken!