Im goldenen Antipodenlande
Im goldenen Antipodenlande.
Mit Illustrationen von Albert Richter nach photographischen Aufnahmen.
Wer als Tourist an den Küsten Australiens landet, der wird nach langer Meerfahrt mit Entzücken die Städte des jüngsten Kontinents in prächtigen Panoramen sich entfalten sehen. Das liebliche Adelaide, dessen Landhäuser an den waldigen Hängen des Mount Lofty emporsteigen bis zum sanft sich rundenden Gipfel, den ein im normannischen Stil erbauter Sommerpalast des Gouverneurs krönt, das reiche Melbourne mit seinen prachtvollen öffentlichen Bauten und dem reizvollen Villenkranz im Grün und Duft exotischer Gewächse, und die Krone aller, das unvergleichliche Sydney mit seinem wundervollen Hafen, besät mit Inseln, zerspalten in Baien und Buchten und überragt von den steil aus dem schmalen Küstensaum emporragenden Blauen Bergen, sie alle bieten in ihren landschaftlichen Schönheiten Bilder, denen sich wenige vergleichen lassen. Wer nicht über diese Metropolen und deren nächstes Hinterland hinausdringt, verläßt den fünften Weltteil wohl in dem Gefühl, eins der lieblichsten Länder unseres Erdballs geschaut zu haben.
Aber wie hinter dem fruchtbaren Nordrande Afrikas die öde Sahara sich breitet, wie in das üppige Nilthal die furchtbare Libysche Wüste hineinstarrt, so treten wir auch in Australien, sobald wir über den schönen Küstensaum hinausgehen, sehr bald in weites, reizloses Präriegebiet, das, je weiter wir westwärts vordringen, desto mehr in trostlose Wüste übergeht. Nahezu die Hälfte dieses Kontinentes gehört dieser traurigen Landgestaltung an. Endlos breiten sich Flächen aus, bedeckt mit widerwärtigem Stachelgras oder mit bald lichtem, bald undurchdringlichem Buschwald, aus dem nackt und öde mächtige Granitkuppen aufragen. Weither schimmern riesige Salzsümpfe und zaubern durch die Fata morgana das Trugbild eines schönen Sees vor, dessen unter den Schwingungen der überhitzten Luft in Wellen sich kräuselnde Fluten dem verschmachtenden Wanderer ersehnte Labung verheißen. Inseln steigen im See empor, an dessen gegenüberliegendem Ufer schwanke Bäume im Wasser sich spiegeln. Aber ach! Das Trugbild weicht, sobald man sich ihm naht. Verbleichende Gebeine mahnen den Irrenden wohl an das Ende, das ein ebenso Getäuschter hier gefunden und das auch ihm erbarmungslos droht.
Doch hat es die Vorsehung so gefügt, daß gerade in solchen Einöden oft die reichsten Schätze schlummern. Welche ungeheuren Werte an Gold und Silber hat nicht das wüste Innere Nordamerikas, welche Reichtümer an Salpeter und Guano nicht die pazifische Küste Südamerikas dem alten Europa zugeführt! Und diese Zufuhr dauert fort bis auf den heutigen Tag. Der Salzvorrat gewisser Punkte der Sahara ist eine seit Jahrhunderten fließende Quelle des Wohlstandes für die dortige Bevölkerung. Mit seinen jüngst erschlossenen Goldschätzen reiht sich das bis vor kurzem bei uns kaum genannte Westaustralien diesen reichen Wüstengebieten würdig an.
Gold wird im fünften Weltteil ja bereits seit nahezu fünfzig Jahren gefunden. Kaum hatte der goldene Strom Kaliforniens begonnen, durch die Felsengebirge in breitem Bett über das erschöpfte Europa sich zu ergießen, da wurden schon bei unseren kaum beachteten Antipoden nicht minder reiche Quellen erschlossen. Ja, so reich und so weit verbreitet waren die Funde, daß eine wahre Völkerwanderung dem gelobten Lande zuströmte. Die Mühsale einer Reise, die unter vielen Fährlichkeiten und Entbehrungen meist vier Monate dauerte, konnte die auf schnellen Reichtum Hoffenden nicht zurückschrecken. Ueberall bekannt war ja die Kunde, von den an das Märchenhafte grenzenden Funden massiger Goldklumpen, deren größter für nahezu 200 000 Mark verkauft wurde – eine Nachbildung dieses sehr passend „Willkommener Fremdling“ getauften „Nuggets“ ist im Verein mit mehreren gleichartigen Genossen im Britischen Museum zu London zu sehen, und auch die im regelmäßigen Betriebe leicht gewonnenen Erträge waren so gewaltig, daß sie in dem ersten Jahre allein in der Kolonie Victoria einen Wert von 252 Millionen Mark erheblich überstiegen! Zu gleicher Zeit wurden bedeutende Funde in dem benachbarten Neusüdwales gemacht, die später von dem nördlicheren Queensland weit überholt wurden. Dann reihten Tasmanien und Neuseeland mit reichen Erträgen sich an, während die Ergebnisse der Nachforschungen in Südaustralien unbedeutend und in dem armen Westaustralien ganz erfolglos blieben.
Mit dem Versagen der Goldgräbereien in den weicheren Schichten der oberen Erdkrume, mit der Notwendigkeit, durch hartes Gestein in große Tiefen hinabzusteigen und an die Stelle der primitiven Schüssel und „Wiege“ zum Waschen der goldhaltigen Erde kostspielige Quarzmühlen und Scheideappatate treten zu lassen, begann für die australische Goldgewinnung die Periode [249] des kapitalistischen Großbetriebs. Der geschulte Bergmann ersetzte den waghalsigen Glücksjäger. Der wandte sich nun neuen Feldern zu. In Trupps von zwei bis vier, ausgerüstet mit Picke, Schaufel und Zinnschüssel, einem blechernen Kochgeschirr und etwas Proviant, wollenen Decken und einem bescheidenen Vorrat an Kleidern, durchzogen die alten Digger das noch unerforschte Land, in der so oft getäuschte Hoffnung, daß auch ihnen endlich einmal das große Los beschert werde. Welche Teile der Welt haben diese unternehmenden Männer nicht erprobt! Sie sind von Australien nach Neuguinea hinübergewandert, sie haben Südafrika durchforscht, mit glänzendem Erfolg, wie man weiß, sie haben auch unsre dortige Kolonie besucht, allerdings ohne ihre Erwartungen erfüllt zu sehen, ja sie haben sich endlich auch dem bisher gemiedenen Westaustralien zugewandt und sind furchtlos in seine entsetzlichen Wüstenlandschaften eingedrungen, um dort reichen Lohn für ihren Wagemut zu finden. Jetzt weiß man, daß Gold in Westaustralien in einem Gebiet sich findet, das von der Süd- bis Nordküste des Kontinents reicht und das 1½ mal so groß ist als das Deutsche Reich. Den vielen schon jetzt bloßgelegten Fundstätten wird eine weit längere Reihe mit der Zeit sich gewiß zugesellen.
Man kann den Australkontinent einem Teller vergleichen, dessen Rand im Westen erheblich niedriger ist als im Osten, Dafür ist er aber im Westen desto breiter. Auf diesem Westrand, dem Gebiet der Goldfunde, zeigt die Karte dichtgesät eine Menge von Seen in allen Größen und Gestalten. Sie lassen dem unkundigen Auge das breite Tafelland als ein reich und schön bewässertes Gefilde erscheinen. Diese Seen sind aber nur nach seltenen, heftigen Regengüssen gestillt und dann nur auf kürzeste Zeit. Danach sinkt das Wasser unter die sandige Oberfläche hinab, leicht durch Nachgraben erreichbar, immer aber ist es salzig. Da muß denn dem Wasser in umfangreichen Destillationsapparaten sein Salzgehalt entzogen werden, um für Menschen und Vieh genießbar zu sein. Aber so „kondensiertes“ Wasser schmeckt fade und will selbst Pferden nicht munden. Dabei kosten vier Liter zu guten Zeiten 25 bis 50 Pfennig, in Zeiten der Trockenheit muß aber wohl auch eine Mark dafür gezahlt werden; denn Quellen trinkbaren Wassers sind äußerst selten, und Versuche, durch Brunnen oder Tiefbohrungen Trinkwasser zu erschließen, sind fast immer fehlgeschlagen. Besseren Erfolg hat man dadurch gehabt, daß man die atmosphärischen Niederschläge von den oft recht umfangreichen Graniterhebungen durch Gräben zu Sammelbecken führte. Auf diese Weise gewinnt man während der Regenzeit einen für mehrere Monate ausreichenden Vorrat von Süßwasser, der von eigens dazu angestellten Wärtern an die Fuhrleute verkauft wird.
Auch das Kamel, das bereits vor mehr als dreißig Jahren durch den um die Erschließung Australiens hochverdienten Großkaufmann und Squatter Sir Thomas Elder eingeführt wurde, findet hier gute Verwendung. Bis zu 80 Stück ziehen diese „Schiffe per Wüste“ in langer Reihe hintereinander schwerbeladen dahin, geleitet von afghanischen Führern, die mit ihnen aus der gemeinsamen Heimat herüberkamen.
Die Entfernungen zwischen den einzelnen Wasserplätzen sind meist ganz gewaltig. Daher führt ein jeder der mächtigen Lastwagen, der hier „mit müder Qual schleicht durch die sandige Heide“, einen großen eisernen Wasserbehälter mit. Und auch der Oberbergrat Schmeißer, der nach seinen Untersuchungen der Goldfelder Transvaals ersucht wurde, die westaustralischen Goldfelder zu bereisen und über deren Wert zu berichten, führte in seinem eigens für eine solche Reise gebauten Wagen einen 20 Liter fassenden Filterbehälter mit sich. Um das jeden Morgen frisch eingefüllte, wenn möglich abgekochte Wasser zu kühlen, wurde dasselbe in einen aus dichtem Drell gefertigten Wassersack gefüllt. Durch die Poren des Stoffes dringt etwas Wasser an die Oberfläche und indem es dort an der trockenen Luft rasch verdunstet, kühlt es den Inhalt des Behälters ab. Ein derartiger Sack fehlt in keinem australischen Haushalte.
Ein solches Reisen im eigenen Gefährt ist in den kaum angesiedelten Teilen Australiens bei weitem das bequemste, denn das Fahren in den australischen Postwagen, wie sie im Innern verkehren, erfordert nicht wenig Mut. Mit ihrem kaum der Weide entnommenen wilden Gespann jagen diese [250] rohen starkgebauten „Marterkasten“ rücksichtslos über gefallene Stämme und Steine, und es gehört eine nicht geringe Unempfindlichkeit gegen Stöße und Püffe dazu, um die tolle Fahrt glücklich zu bestehen, zumal wenn man auf dem vielbegehrten Bock thront, wo es gilt, sich mit aller Kraft anzuklammern, um nicht herabgeschleudert zu werden.
Allerdings führt die Eisenbahn schon ziemlich tief ins Land hinein, doch erreicht sie erst wenige der älteren, südlicheren Goldfelder. Die neueren aber und die weit nach Norden hinausreichenden „Diggings“ liegen sämtlich recht mitten in der Wüste, nicht in kahler, sandiger oder steiniger Ebene, vielmehr inmitten jenes einförmigen und eintönigen Buschwaldes, der aus vereinzelten, meist niedrigen und immergrünen Baumbeständen sich zusammensetzt und mit seinen schmalen Blättern, die stets ihren Rand der Sonne zuwenden, den Charakter fast absoluter Schattenlosigkeit trägt. Dabei wechseln die Bäume statt der Blätter die Rinde, die in langen bandartigen Fetzen von Stamm und Aesten herabhängt. Dazwischen stehen überall abgestorbene Baumleichen, die nackten Totenarme zu dem erbarmungslos glühenden Himmel emporreckend, bis auch sie zu den Gefährten niedersteigen, die in allen Stadien der Verwesung den ausgedörrten Boden bedecken!
Und ringsum in trauriger Harmonie mit dem öden Gesamtbild tiefes, bedrückendes Schweigen! Hier erfreuen keine Laute gefiederter Sänger das lauschende Ohr; das tierische Leben erscheint völlig ausgestorben, selten einmal erfaßt unser Auge ein Känguruh, wie es mit weiten Sprüngen vor uns durch den Buschwald eilt.
Doch ein Tier fehlt nirgends, das ist die Fliege. Entsetzlich ist die australische Fliegenplage!
Da hilft kein Schleier, kein Netz, die zudringlichen Quälgeister finden auch durch sie ihren Weg, um in Augen, Nase, Mund und Ohren hineinzukriechen. Setzt man sich zum bescheidenen Mahle nieder, so versuchen sie in zudringlichster Weise, daran teilzunehmen, und verleiden uns durch ihre rücksichtslose Art, die eigene Existenz daran zu setzen, den einfachsten Genuß. Sie machen Schwimmversuche in den Getränken, in und aus den Speisen krabbeln sie bald zu Hunderten.
Und dabei eine Hitze, die in den Nachmittagsstunden zuweilen bis zu 46° C steigt! Wo aber kann man unter den schattenlosen Bäumen, in den heißen Zelten oder gar in den glühenden Wellblechhäusern – die meisten Unterkunftsplätze sind solcher Art – während der Mittagsstunden irgendwelche Ruhe finden! Denn in der Zeit von 10 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags ist bei derartigen Hitzegraden an ein Reisen nicht zu denken.
Erst der Untergang der Sonne bringt Erlösung. Gott sei Dank fehlt es in diesen Wüsteneien an den noch schlimmeren Plagegeistern Australiens, den blutdürstigen Moskitos. In jenem Himmelsstrich bricht die Nacht schnell herein, erquickende Kühle tritt an Stelle erschlaffender Hitze. Das unter den Horizont herabsinkende Tagesgestirn hüllt den Himmel in wundervolle, zart sich abtönende Farbenpracht, und bald spannt sich über die stille, düstere Waldlandschaft, aus der zahlreiche Lagerfeuer emporleuchten, der wundervolle Sternenhimmel, an welchem Mond, Milchstraße und Südliches Kreuz mit überraschendem Glanze leuchten, dem entzückten Wanderer ein Bild ergreifender Pracht und Ruhe.
Wer vermöchte je einen solchen Abend zu vergessen! Zumal wenn mit dem Nahen des Frühlings die Wolken ihren wenn auch kargen Segen gespendet haben und das bislang grau in grau gefärbte Erdreich mit einem reizenden grünen Teppich von erquickender Frische sich bedeckt, in den überall zartduftende Blümchen, rote, weiße, blaue, gelbe, wie eingewirkt erscheinen. Leider hält das liebliche Bild vor der brennenden Sonne nicht stand; schon nach wenigen Wochen liegt die ausgedörrte Landschaft öde und farblos da wie zuvor.
Das ist die Natur des Dorado Westaustraliens, an die sich die Zukunft der Kolonie klammert. Weithin zerstreut über das weite öde Gebiet sind die vielen Niederlassungen der Goldgräber, einige schon zu achtunggebietender Größe emporgewachsen, die meisten nur aus Wellblech- und Kanevashäusern bestehend, aber doch, selbst wenn sie nur wenige zerfetzte Zelte zählen, stolzen Namen Stadt führend.
Reges Leben herrscht überall in diesen „goldenen Städten“. Am lautesten läßt sich dasselbe vernehmen am Sonnabendabend, wenn der Digger nach saurer Woche ein frohes Fest nach seinem Geschmack in den hellerleuchteten Schenken bei Gin und Brandy feiert. Das ist ja fast die einzige Zeit, um im Austausch gegensseitiger Erfahrungen sich auszusprechen, denn der stille Sonntag ist der gründlichen Reinigung des äußeren Menschen und seiner ihn umgebenden Hüllen sowie der Ausbesserung derselben gewidmet. Glücklich der, dem dann die selten sich einstellende Post eine Botschaft aus der Heimat gebracht hat. Sie versetzt den das frugale Mahl bereitenden Digger für kurze Augenblicke aus der öden Umgebung in den trauten Kreis seiner Lieben!
Der Mittelpunkt aller „Goldstädte“ ist Coolgardie, 589 Kilometer östlich von Perth, der Hauptstadt Westaustraliens. Noch vor drei Jahren suchte man es vergeblich auf der Landkarte; aber als hier ein unternehmender Digger in kürzester Zeit gegen 20 kg Gold zusammenraffte, strömte von allen Seiten golddurstiges Volk herbei, und heute zählt die Stadt bereits 10 000 Einwohner. Die Eisenbahn ist von der Küste bis hierher, ja schön erheblich weiter geführt. Natürlich ist auch diesem Diggingscentrum das Charakteristische des australischen Stadtemporkömmlings aufgeprägt. Die zahlreichen Kirchen wie die noch viel zahlreicheren Wirtshäuser und Schenken sind meist aus Wellblech erbaut, Steinbauten sieht man selten, das Krankenhaus, die an den kleinen Seitenstraßen liegenden Geschäftshäuser, wie die in der Umgebung verstreuten „Villen“ sind einfache Zelte oder mit Kanevas bedeckte Holzgerüste. Angehörige der verschiedensten Nationen, Vertreter aller möglichen Berufsstände haben sich hier zusammengefunden, teils um in harter Arbeit an der Hebung der goldenen Schätze sich zu beteiligen, teils um in müheloser Spekulation mit Bergwerkswerten ein Vermögen zu erwerben. Denn wie überall, wo Gold entdeckt wurde, ist auch hier die Spekulation und mit ihr Betrug und Schwindel thätig. Auch in Westaustralien [251] werden, wie Schmeißer schreibt, „Angehörige aller Berufsarten, ehemalige Seeleute, Offiziere, Aerzte, Apotheker, Kaufleute, Buchhalter, mit überraschender Geschwindigkeit Bergbausachverständige, sobald sie die Luft der Goldfelder atmen und das gelbe Metall auf natürlicher Lagerstätte zu Gesicht bekommen.“ Ja, selbst wenn ihnen nur ausgesuchte Fundstücke vorgelegt werden, vermögen sie ohne weiteres über den Wert des betreffenden Unternehmens ein empfehlendes Urteil abzugeben. Die Aktien steigen und sie selbst fahren nicht schlecht dabei, wohl aber die Käufer, die hängen bleiben! Schon jetzt hat die Reklame der australischen „Sachverständigen“ sehr zweifelhafter Befähigung und Vertrauenswürdigkeit nicht wenig Unheil, auch bei uns, angerichtet und wird sicher noch mehr anstiften. Aber bei der Neigung der Welt, um das goldene Kalb zu tanzen, ist das leider nur zu erklärlich.
Das Gold Westaustraliens findet sich sowohl im Alluvium, im angeschwemmten Lande, als in Quarzgängen. Das leicht zu bearbeitende Alluvium ist so recht das Arbeitsfeld des armen Mannes.
Mit den einfachsten Werkzeugen ausgerüstet, können die Digger hier in Gesellschaft zu drei und vier die leicht mit Picke und Schaufel zu bearbeitende goldhaltige Erde zu Tage fördern. Und gerade hier finden sich die bedeutendsten Klumpen, der schwerste, bis jetzt geförderte wog 10 Kilogramm. Auch viele der goldhaltigen Quarzgänge sind sehr reich, aber hier sind Sprengungen durch Pulver oder Dynamit geboten und Pochwerke, um das harte Gestein zu zerkleinern. Aus diesem wird dann durch Auswaschen und chemische Prozesse das Gold gewonnen. Näheres darüber haben wir bereits in einem Aufsatz über die südafrikanischen Goldfelder (vergl. „Gartenlaube“, Jahrgang 1895, S. 42) mitgeteilt. Die meisten derartigen Anstalten in Australien sind freilich noch recht primitiver Art, wie unsere Abbildung des Goldbergwerkes Londonderry zeigt. Diese Grube bietet ein besonders schroffes Beispiel für das Trügerische der Golderzlagerstätten. Unweit des Schachtes fand man ein Nest von erstaunlichem Reichtum, so daß das Bergwerk rasch zum Werte von mehr als 15 Millionen Mark gegründet wurde. Die Blockhütte der Grube barg zeitweilig Schätze, wie sie selten auf einem Bergwerke lagern. Als aber die neugebildete Gesellschaft daran ging, die wunderbare Lagerstätte in umfangreichen Abbau zu nehmen, da gewahrte man mit Bestürzung, daß das Nest nur geringe Ausdehnung besaß. Noch dreimal fand man ähnliche reiche Nester; die übrigen Gangteile sind arm.
Alluvium wie Quarz sind beide häufig sehr goldreich, und wo gute Verkehrsmittel sich bieten, ist der Abbau reichlich lohnend. Ein Uebelstand ist es aber, daß bei den wenigsten der Goldlagerstätten ausreichendes Wasser für größere Pochwerke sich wird beschaffen lassen. Allerdings kennt die heutige Wissenschaft auch Methoden, durch die eine Scheidung des Goldes aus dem Gestein auf trockenem Wege bewirkt wird. Daß aber auf alle Fälle viele der jetzt bearbeiteten Felder keinen lohnenden Ertrag geben werden, damit wird man ganz sicher zu rechnen haben. Und nach den Untersuchungen unseres genannten fachkundigen Landsmannes wird auch bei mancher jetzt reichen Grube der Gewinn baldigst abnehmen, vielleicht ganz aufhören. Freilich dürften auf dem ausgedehnten Feld auch viele neue wertvolle Fundstätten aufgedeckt werden. Noch ist die Goldausbeute Westaustraliens in beständigem Wachsen begriffen und die stets von sechs berittenen Polizisten geleitete Goldeskorte bringt wöchentlich steigende Mengen des edlen Metalls in die Hauptstadt der Kolonie. So mag auch in diesem trostlosen Wüstengebiet das Glück über gar manchen das Füllhorn seiner Gaben ausschütten, die ihm ermöglichen, unter besseren wirtschaftlichen Verhältnissen in seine Heimat zurückzukehren, denn in diese Oede auf lange Zeit gebannt zu sein, erscheint ein entsetzliches Los. E. J.