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Hyperion an Bellarmin VII

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Autor: Friedrich Hölderlin
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Titel: Hyperion – Hyperion an Bellarmin VII
Untertitel: oder der Eremit in Griechenland – Erster Band
aus: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1797; S. 38–68
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: o. A.
Erscheinungsdatum: 1797
Verlag: J. G. Cotta'sche Buchhandlung;
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: www.hoelderlin.de
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[38-39]

HYPERION AN BELLARMIN.

     Smyrna war mir nun verlaidet. Überhaupt war mein Herz allmählig müder geworden. Zuweilen konnte wohl der Wunsch in mir auffahren, um die Welt zu wandern oder in den ersten besten Krieg zu gehn, oder meinen Adamas aufzusuchen und in seinem Feuer meinen Mismuth auszubrennen, aber dabei blieb es, und mein unbedeutend welkes Leben wollte nimmer sich erfrischen.

     Der Sommer war nun bald zu Ende; ich fühlte schon die düstern Regentage und das Pfeifen der Winde und Tosen der Wetterbäche zum voraus, und die Natur, die, wie ein schäumender Springquell, emporgedrungen war in allen Pflanzen und Bäumen, stand jezt schon da vor meinem verdüsterten Sinne, schwindend und verschlossen und in sich gekehrt, wie ich selber.

     Ich wollte noch mit mir nehmen, was ich konnte, von all’ dem fliehenden Leben, alles, was ich draussen liebgewonnen hatte, wollt’ ich noch hereinretten in mich, denn ich wusste wohl, dass mich das wiederkehrende Jahr nicht wieder finden würde unter diesen Bäumen und Bergen, und so gieng und ritt ich jezt mehr, als gewöhnlich, herum im ganzen Bezirke.

     Was aber mich besonders hinaustrieb, war das geheime Verlangen, einen Menschen zu sehn, der seit einiger Zeit vor dem Thore unter [40-41] den Bäumen, wo ich vorbei kam, mir alle Tage begegnet war.

     Wie ein junger Titan, schritt der herrliche Fremdling unter dem Zwergengeschlechte daher, das mit freudiger Scheue an seiner Schöne sich waidete, seine Höhe mass und seine Stärke, und an dem glühenden verbrannten Römerkopfe, wie an verbotner Frucht mit verstohlnem Blikke sich labte, und es war jedesmal ein herrlicher Moment, wann das Auge dieses Menschen, für dessen Blik der freie Aether zu enge schien, so mit abgelegtem Stolze sucht’ und strebte, bis es sich in meinem Auge fühlte und wir erröthend uns einander nachsahn und vorüber giengen.

     Einst war ich tief in die Wälder des Mimas hineingeritten und kehrt’ erst spät Abends zurük. Ich war abgestiegen, und führte mein Pferd einen steilen wüsten Pfad über Bäumwurzeln und Steine hinunter, und, wie ich so durch die Sträuche mich wand, in die Höhle hinunter, die nun vor mir sich öffnete, fielen plözlich ein paar Karabornische Räuber über mich her, und ich hatte Mühe, für den ersten Moment die zwei gezükten Säbel abzuhalten; aber sie waren schon von anderer Arbeit müde, und so half ich doch mir durch. Ich sezte mich ruhig wieder aufs Pferd und ritt hinab.

     Am Fusse des Berges that mitten unter den Wäldern und aufgehäuften Felsen sich eine kleine Wiese vor mir auf. Es wurde hell. Der Mond war eben aufgegangen über den finstern Bäumen. In einiger Entfernung sah ich Rosse auf dem Boden ausgestrekt und Männer neben ihnen im Grase.

     Wer seyd ihr? rief ich.

     Das ist Hyperion! rief eine Heldenstimme, freudig überrascht. Du kennst mich, fuhr die Stimme fort; ich begegne Dir alle Tage unter den Bäumen am Thore.

     Mein Ross flog, wie ein Pfeil, ihm zu. Das Mondlicht schien ihm hell in’s Gesicht. Ich kannt’ ihn; ich sprang herab.

     Guten Abend! rief der liebe Rüstige, sah mit zärtlich wildem Blikke mich an und drükte mit seiner nervigen Faust die meine, dass mein Innerstes den Sinn davon empfand.

     O nun war mein unbedeutend Leben am Ende!

     Alabanda, so hiess der Fremde, sagte mir nun, dass er mit seinem Diener von Räubern [42-43] wäre überfallen worden, dass die beiden, auf die ich stiess, wären fortgeschikt worden von ihm, dass er den Weg aus dem Walde verloren gehabt und darum wäre genöthigt gewesen, auf der Stelle zu bleiben, bis ich gekommen. Ich habe einen Freund dabei verloren, sezt’ er hinzu, und wies sein todtes Ross mir.

     Ich gab das meine seinem Diener, und wir giengen zu Fusse weiter.

     Es geschah uns recht, begann ich, indess wir Arm in Arm zusammen aus dem Walde giengen; warum zögerten wir auch so lange und giengen uns vorüber, bis der Unfall uns zusammenbrachte.

     Ich muss denn doch Dir sagen, erwiedert’ Alabanda, dass du der Schuldigere, der Kältere bist. Ich bin dir heute nachgeritten.

     Herrlicher! rief ich, siehe nur zu! an Liebe sollst du doch mich nimmer übertreffen.

     Wir wurden immer inniger und freudiger zusammen.

     Wir kamen nahe bei der Stadt an einem wohlgebauten Khan vorbei, das unter plätschernden Brunnen ruhte und unter Fruchtbäumen und duftenden Wiesen.

     Wir beschlossen, da zu übernachten. Wir sassen noch lange zusammen bei offnen Fenstern. Hohe geistige Stille umfieng uns. Erd’ und Meer war selig verstummt, wie die Sterne, die über uns hiengen. Kaum, dass ein Lüftchen von der See her uns in’s Zimmer flog und zart mit unserm Lichte spielte, oder dass von ferner Musik die gewaltigern Töne zu uns drangen, indess die Donnerwolke sich wiegt’ im Bette des Aethers, und hin und wieder durch die Stille fernher tönte, wie ein schlafender Riese, wenn er stärker athmet in seinen furchtbaren Träumen.

     Unsre Seelen mussten um so stärker sich nähern, weil sie wider Willen waren verschlossen gewesen. Wir begegneten einander, wie zwei Bäche, die vom Berge rollen, und die Last von Erde und Stein und faulem Holz und das ganze träge Chaos, das sie aufhält, von sich schleudern, um den Weg sich zu einander zu bahnen, und durchzubrechen bis dahin, wo sie nun ergreiffend und ergriffen mit gleicher Kraft, vereint in Einen majestätischen Strom, die Wanderung in’s weite Meer beginnen.

     Er, vom Schiksal und der Barbarei der Menschen heraus, vom eignen Hause unter Fremden hin und her gejagt, von früher Jugend [44-45] an erbittert und verwildert, und doch auch das innere Herz voll Liebe, voll Verlangens, aus der rauhen Hülse durchzudringen in ein freundlich Element; ich, von allem schon so innigst abgeschieden, so mit ganzer Seele fremd und einsam unter den Menschen, so lächerlich begleitet von dem Schellenklange der Welt in meines Herzens liebsten Melodien; ich, die Antipathie aller Blinden und Lahmen, und doch mir selbst zu blind und lahm, doch mir selbst so herzlich überlästig in allem, was von ferne verwandt war mit den Klugen und Vernünftlern, den Barbaren und den Wizlingen - und so voll Hoffnung, so voll einziger Erwartung eines schönern Lebens -

     Mussten so in freudig stürmischer Eile nicht die beiden Jünglinge sich umfassen?

     O du, mein Freund und Kampfgenosse, mein Alabanda, wo bist du? Ich glaube fast, du bist in’s unbekannte Land hinübergegangen, zur Ruhe, bist wieder geworden, wie einst, da wir noch Kinder waren.

     Zuweilen, wenn ein Gewitter über mir hinzieht, und seine göttlichen Kräfte unter die Wälder austheilt und die Saaten, oder wenn die Wogen der Meersfluth unter sich spielen, oder ein Chor von Adlern um die Berggipfel, wo ich wandre, sich schwingt, kann mein Herz sich regen, als wäre mein Alabanda nicht fern; aber sichtbarer, gegenwärtiger, unverkennbarer lebt er in mir, ganz, wie er einst dastand, ein feurig strenger furchtbarer Kläger, wenn er die Sünden des Jahrhunderts nannte. Wie erwachte da in seinen Tiefen mein Geist, wie rollten mir die Donnerworte der unerbittlichen Gerechtigkeit über die Zunge! Wie Boten der Nemesis, durchwanderten unsre Gedanken die Erde, und reinigten sie, bis keine Spur von allem Fluche da war.

     Auch die Vergangenheit riefen wir vor unsern Richterstuhl, das stolze Rom erschrökte uns nicht mit seiner Herrlichkeit, Athen bestach uns nicht mit seiner jugendlichen Blüthe.

     Wie Stürme, wenn sie frohlokkend, unaufhörlich fort durch Wälder über Berge fahren, so drangen unsre Seelen in kolossalischen Entwürfen hinaus; nicht, als hätten wir, unmännlich, unsre Welt, wie durch ein Zauberwort, geschaffen, und kindisch unerfahren keinen Widerstand berechnet, dazu war Alabanda zu verständig und zu tapfer. Aber oft ist auch die mühelose Begeisterung kriegerisch und klug.

     [46-47] Ein Tag ist mir besonders gegenwärtig.

     Wir waren zusammen auf’s Feld gegangen, sassen vertraulich umschlungen im Dunkel des immergrünen Lorbeers, und sahn zusammen in unsern Plato, wo er so wunderbar erhaben vom Altern und Verjüngen spricht, und ruhten hin und wieder aus auf der stummen entblätterten Landschaft, wo der Himmel schöner, als je, mit Wolken und Sonnenschein um die herbstlich schlafenden Bäume spielte.

     Wir sprachen darauf manches vom jezigen Griechenland, beede mit blutendem Herzen, denn der entwürdigte Boden war auch Alabanda’s Vaterland.

     Alabanda war wirklich ungewöhnlich bewegt.

     Wenn ich ein Kind ansehe, rief dieser Mensch, und denke, wie schmählich und verderbend das Joch ist, das es tragen wird, und dass es darben wird, wie wir, dass es Menschen suchen wird, wie wir, fragen wird, wie wir, nach Schönem und Wahrem, dass es unfruchtbar vergehen wird, weil es allein seyn wird, wie wir, dass es - o nehmt doch eure Söhne aus der Wiege, und werft sie in den Strom, um wenigstens vor eurer Schande sie zu retten!

     Gewiss, Alabanda! sagt’ ich, gewiss es wird anders.

     Wodurch? erwiedert’ er; die Helden haben ihren Ruhm, die Weisen ihre Lehrlinge verloren. Grosse Thaten, wenn sie nicht ein edel Volk vernimmt, sind mehr nicht als ein gewaltiger Schlag vor eine dumpfe Stirne, und hohe Worte, wenn sie nicht in hohen Herzen wiedertönen, sind, wie ein sterbend Blatt, das in den Koth herunterrauscht. Was willst du nun?

     Ich will, sagt’ ich, die Schaufel nehmen und den Koth in eine Grube werfen. Ein Volk, wo Geist und Größe keinen Geist und keine Grösse mehr erzeugt, hat nichts mehr gemein, mit andern, die noch Menschen sind, hat keine Rechte mehr, und es ist ein leeres Possenspiel, ein Aberglauben, wenn man solche willenlose Leichname noch ehren will, als wär’ ein Römerherz in ihnen. Weg mit ihnen! Er darf nicht stehen, wo er steht, der dürre faule Baum, er stiehlt ja Licht und Luft dem jungen Leben, das für eine neue Welt heranreift.

     Alabanda flog auf mich zu, umschlang mich, und seine Küsse giengen mir in die Seele. Waffenbruder! rief er, lieber Waffenbruder! o nun hab’ ich hundert Arme!

     [48-49] Das ist endlich einmal meine Melodie, fuhr er fort, mit einer Stimme, die, wie ein Schlachtruf, mir das Herz bewegte, mehr braucht’s nicht! Du hast ein herrlich Wort gesprochen, Hyperion! Was? vom Wurme soll der Gott abhängen? Der Gott in uns, dem die Unendlichkeit zur Bahn sich öffnet, soll stehn und harren, bis der Wurm ihm aus dem Wege geht? Nein! nein! Man frägt nicht, ob ihr wollt! Ihr wollt ja nie, ihr Knechte und Barbaren! Euch will man auch nicht bessern, denn es ist umsonst! man will nur dafür sorgen, dass ihr dem Siegeslauf der Menschheit aus dem Wege geht. O! zünde mir einer die Fakel an, dass ich das Unkraut von der Haide brenne! die Mine bereite mir einer, dass ich die trägen Klöze aus der Erde sprenge!

     Wo möglich, lehnt man sanft sie auf die Seite, fiel ich ein.

     Alabanda schwieg eine Weile.

     Ich habe meine Lust an der Zukunft, begann er endlich wieder, und fasste feurig meine beeden Hände. Gott sey Dank! ich werde kein gemeines Ende nehmen. Glüklich seyn, heisst schläfrig seyn im Munde der Knechte. Glüklich seyn! mir ist, als hätt’ ich Brei und laues Wasser auf der Zunge, wenn ihr mir sprecht von glüklich seyn. So albern und so heillos ist das alles, wofür ihr hingebt eure Lorbeerkronen, eure Unsterblichkeit.

     O heiliges Licht, das ruhelos, in seinem ungeheuren Reiche wirksam, dort oben über uns wandelt, und seine Seele auch mir mittheilt, in den Stralen, die ich trinke, dein Glük sey meines!

     Von ihren Thaten nähren die Söhne der Sonne sich; sie leben vom Sieg; mit eignem Geist ermuntern sie sich, und ihre Kraft ist ihre Freude. -

     Der Geist dieses Menschen fasste einen oft an, dass man sich hätte schämen mögen, so federleicht hinweggerissen fühlte man sich.

     O Himmel und Erde! rief ich, das ist Freude! - Das sind andre Zeiten, das ist kein Ton aus meinem kindischen Jahrhundert, das ist nicht der Boden, wo das Herz des Menschen unter seines Treibers Peitsche keucht. - Ja! ja! bei deiner herrlichen Seele, Mensch! Du wirst mit mir das Vaterland erretten.

     Das will ich, rief er, oder untergehn.

     [50-51] Von diesem Tag an wurden wir uns immer heiliger und lieber. Tiefer unbeschreiblicher Ernst war unter uns gekommen. Aber wir waren nur um so seliger zusammen. Nur in den ewigen Grundtönen seines Wesens lebte jeder, und schmuklos schritten wir fort von einer großen Harmonie zur andern. Voll herrlicher Strenge und Kühnheit war unser gemeinsames Leben.

     Wie bist du denn so wortarm geworden? fragte mich einmal Alabanda mit Lächeln. In den heissen Zonen, sagt’ ich, näher der Sonne, singen ja auch die Vögel nicht.

     Aber es geht alles auf und unter in der Welt, und es hält der Mensch mit aller seiner Riesenkraft nichts fest. Ich sah’ einmal ein Kind die Hand ausstreken, um das Mondlicht zu haschen; aber das Licht gieng ruhig weiter seine Bahn. So stehn wir da, und ringen, das wandelnde Schiksal anzuhalten.

     O wer ihm nur so still und sinnend, wie dem Gange der Sterne, zusehn könnte!

     Je glüklicher Du bist, um so weniger kostet es, Dich zu Grunde zu richten, und die seligen Tage, wie Alabanda und ich sie lebten, sind wie eine jähe Felsenspize, wo dein Reisegefährte nur Dich anzurühren braucht, um unabsehlich, über die schneidenden Zaken hinab, Dich in die dämmernde Tiefe zu stürzen.

     Wir hatten eine herrliche Fahrt nach Chios gemacht, hatten tausend Freude an uns gehabt. Wie Lüftchen über die Meeresfläche, walteten über uns die freundlichen Zauber der Natur. Mit freudigem Staunen sah einer den andern, ohne ein Wort zu sprechen, aber das Auge sagte, so hab’ ich dich nie gesehen! So verherrlicht waren wir von den Kräften der Erde und des Himmels.

     Wir hatten dann auch mit heitrem Feuer uns über manches gestritten, während der Fahrt; ich hatte, wie sonst, auch diessmal wieder meines Herzens Freude daran gehabt, diesem Geist auf seiner kühnen Irrbahn zuzusehn, wo er so regellos, so in ungebundner Fröhlichkeit, und doch meist so sicher seinen Weg verfolgte.

     Wir eilten, wie wir ausgestiegen waren, allein zu seyn.

     Du kannst niemand überzeugen, sagt’ ich jezt mit inniger Liebe, Du überredest, Du bestichst die Menschen, ehe Du anfängst; man kann nicht zweifeln, wenn Du sprichst, und wer nicht zweifelt, wird nicht überzeugt.

     [52-53] Stolzer Schmeichler, rief er dafür, Du lügst! aber gerade recht, dass Du mich mahnst! nur zu oft hast Du schon mich unvernünftig gemacht! Um alle Kronen möcht’ ich von Dir mich nicht befreien, aber es ängstiget denn doch mich oft, dass Du mir so unentbehrlich seyn sollst, dass ich so gefesselt bin an Dich; und sieh, fuhr er fort, dass Du ganz mich hast, sollst Du auch alles von mir wissen! wir dachten bisher unter all’ der Herrlichkeit und Freude nicht daran, uns nach Vergangenem umzusehen.

     Er erzählte mir nun sein Schiksal; mir war dabei, als säh’ ich einen jungen Herkules mit der Megära im Kampfe.

     Wirst Du mir jezt verzeihen, schloss er die Erzählung seines Ungemachs, wirst Du jezt ruhiger seyn, wenn ich oft rauh bin und anstössig und unverträglich!

     O stille, stille! rief ich innigst bewegt; aber dass du noch da bist, dass Du dich erhieltest für mich!

     Ja wohl! für Dich! rief er, und es freut mich herzlich, dass ich Dir denn doch geniessbare Kost bin. Und schmek’ ich auch, wie ein Holzapfel, Dir zuweilen, so keltre mich so lange, bis ich trinkbar bin.

     Lass mich! lass mich! rief ich; ich sträubte mich umsonst; der Mensch machte mich zum Kinde; ich verbarg’s ihm auch nicht; er sah meine Thränen, und weh ihm, wenn er sie nicht sehen durfte!

     Wir schwelgen, begann nun Alabanda wieder, wir tödten im Rausche die Zeit.

     Wir haben unsre Bräutigamstage zusammen, rief ich erheitert, da darf es wohl noch lauten, als wäre man in Arkadien. - Aber auf unser vorig Gespräch zu kommen!

     Du räumst dem Staate denn doch zu viel Gewalt ein. Er darf nicht fordern, was er nicht erzwingen kann. Was aber die Liebe giebt und der Geist, das lässt sich nicht erzwingen. Das lass’ er unangetastet, oder man nehme sein Gesez und schlag’ es an den Pranger! Beim Himmel! der weiss nicht, was er sündigt, der den Staat zur Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte.

     Die rauhe Hülse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen.

     [54-55] Aber was hilft die Mauer um den Garten, wo der Boden dürre liegt? Da hilft der Regen vom Himmel allein.

     O Regen vom Himmel! o Begeisterung! Du wirst den Frühling der Völker uns wiederbringen. Dich kann der Staat nicht hergebieten. Aber er störe dich nicht, so wirst du kommen, kommen wirst du, mit deinen allmächtigen Wonnen, in goldne Wolken wirst du uns hüllen und empor uns tragen über die Sterblichkeit, und wir werden staunen und fragen, ob wir es noch seyen, wir, die Dürftigen, die wir die Sterne fragten, ob dort uns ein Frühling blühe - frägst Du mich, wann diess seyn wird? Dann, wann die Lieblingin der Zeit, die jüngste, schönste Tochter der Zeit, die neue Kirche, hervorgehn wird aus diesen beflekten veralteten Formen, wann das erwachte Gefühl des Göttlichen dem Menschen seine Gottheit, und seiner Brust die schöne Jugend wiederbringen wird, wann - ich kann sie nicht verkünden, denn ich ahne sie kaum, aber sie kömmt gewiss, gewiss. Der Tod ist ein Bote des Lebens, und dass wir jezt schlafen in unsern Krankenhäusern, diess zeugt vom nahen gesunden Erwachen. Dann, dann erst sind wir, dann ist das Element der Geister gefunden!

     Alabanda schwieg, und sah eine Weile erstaunt mich an. Ich war hingerissen von unendlichen Hoffnungen; Götterkräfte trugen, wie ein Wölkchen, mich fort -

     Komm! rief ich, und fasst’ Alabanda beim Gewande, komm, wer hält es länger aus im Kerker, der uns umnachtet?

     Wohin, mein Schwärmer, erwiedert’ Alabanda troken, und ein Schatte von Spott schien über sein Gesicht zu gleiten.

     Ich war, wie aus den Wolken gefallen. Geh! sagt’ ich, Du bist ein kleiner Mensch!

     In demselben Augenblikke traten etliche Fremden in’s Zimmer, auffallende Gestalten, meist hager und blass, so viel ich im Mondlicht sehen konnte, ruhig, aber in ihren Mienen war etwas, das in die Seele gieng, wie ein Schwert, und es war, als stünde man vor der Allwissenheit; man hätte gezweifelt, ob diess die Aussenseite wäre von bedürftigen Naturen, hätte nicht hie und da der getödtete Affekt seine Spuren zurükgelassen.

     Besonders einer fiel mir auf. Die Stille seiner Züge war die Stille eines Schlachtfelds. [56-57] Grimm und Liebe hatt’ in diesem Menschen gerast, und der Verstand leuchtete über den Trümmern des Gemüths, wie das Auge eines Habichts, der auf zerstörten Pallästen sizt. Tiefe Verachtung war auf seinen Lippen. Man ahnete, dass dieser Mensch mit keiner unbedeutenden Absicht sich befasse.

     Ein andrer mochte seine Ruhe mehr einer natürlichen Herzenshärte danken. Man fand an ihm fast keine Spur einer Gewaltsamkeit, von Selbstmacht oder Schiksal verübt.

     Ein dritter mochte seine Kälte mehr mit der Kraft der Überzeugung dem Leben abgedrungen haben, und wohl noch oft im Kampfe mit sich stehen, denn es war ein geheimer Widerspruch in seinem Wesen, und es schien mir, als müsst’ er sich bewachen. Er sprach am wenigsten.

     Alabanda sprang auf, wie gebogner Stahl, bei ihrem Eintritt.

     Wir suchten Dich, rief einer von ihnen.

     Ihr würdet mich finden, sagt’ er lachend, wenn ich in den Mittelpunkt der Erde mich verbärge. Sie sind meine Freunde, sezt’ er hinzu, indess er zu mir sich wandte.

     Sie schienen mich ziemlich scharf in’s Auge zu fassen.

     Das ist auch einer von denen, die es gerne besser haben möchten in der Welt, rief Alabanda nach einer Weile, und wies auf mich.

     Das ist Dein Ernst? fragt’ einer mich von den Dreien.

     Es ist kein Scherz, die Welt zu bessern, sagt’ ich.

     Du hast viel mit einem Worte gesagt! rief wieder einer von ihnen. Du bist unser Mann! ein andrer.

     Ihr denkt auch so? fragt’ ich.

     Frage, was wir thun! war die Antwort.

     „Und wenn ich fragte?“

     So würden wir Dir sagen, dass wir da sind, aufzuräumen auf Erden, dass wir die Steine vom Akker lesen, und die harten Erdenklöse mit dem Karst zerschlagen, und Furchen graben mit dem Pflug, und das Unkraut an der Wurzel fassen, an der Wurzel es durchschneiden, samt der Wurzel es ausreissen, daß es verdorre im Sonnenbrande.

     Nicht, dass wir erndten möchten, fiel ein andrer ein; uns kömmt der Lohn zu spät; uns reift die Erndte nicht mehr.

     [58-59] Wir sind am Abend unsrer Tage. Wir irrten oft, wir hofften viel und thaten wenig. Wir wagten lieber, als wir uns besannen. Wir waren gerne bald am Ende und trauten auf das Glük. Wir sprachen viel von Freude und Schmerz, und liebten, hassten beide. Wir spielten mit dem Schiksal und es that mit uns ein Gleiches. Vom Bettelstabe bis zur Krone warf es uns auf und ab. Es schwang uns, wie man ein glühend Rauchfass schwingt, und wir glühten, bis die Kohle zu Asche ward. Wir haben aufgehört von Glük und Misgeschik zu sprechen. Wir sind emporgewachsen über die Mitte des Lebens, wo es grünt und warm ist. Aber es ist nicht das Schlimmste, was die Jugend überlebt. Aus heissem Metalle wird das kalte Schwert geschmiedet. Auch sagt man, auf verbrannten abgestorbenen Vulkanen gedeihe kein schlechter Most.

     Wir sagen das nicht um unsertwillen, rief ein anderer jezt etwas rascher, wir sagen es um euertwillen! Wir betteln um das Herz des Menschen nicht. Denn wir bedürfen seines Herzens, seines Willens nicht. Denn er ist in keinem Falle wider uns, denn es ist alles für uns, und die Thoren und die Klugen und die Einfältigen und die Weisen und alle Laster und alle Tugenden der Rohheit und der Bildung stehen, ohne gedungen zu seyn, in unsrem Dienst, und helfen blindlings mit zu unsrem Ziel - nur wünschten wir, es hätte jemand den Genuss davon, drum suchen wir unter den tausend blinden Gehülfen die besten uns aus, um sie zu sehenden Gehülfen zu machen - will aber niemand wohnen, wo wir bauten, unsre Schuld und unser Schaden ist es nicht. Wir thaten, was das unsre war. Will niemand sammeln, wo wir pflügten, wer verargt es uns? Wer flucht dem Baume, wenn sein Apfel in den Sumpf fällt? Ich hab’s mir oft gesagt, du opferst der Verwesung, und ich endete mein Tagwerk doch.

     Das sind Betrüger! riefen alle Wände meinem empfindlichen Sinne zu. Mir war, wie einem, der im Rauch erstiken will, und Thüren und Fenster einstösst, um sich hinauszuhelfen, so dürstet’ ich nach Luft und Freiheit.

     Sie sahn auch bald, wie unheimlich mir zu Muthe war, und brachen ab. Der Tag graute schon, da ich aus dem Khan trat, wo wir waren beisammen gewesen. Ich fühlte das Wehen der Morgenluft, wie Balsam an einer brennenden Wunde.

     [60-61] Ich war durch Alabanda’s Spott schon zu sehr gereizt, um nicht durch seine räthselhafte Bekanntschaft vollends irre zu werden an ihm.

     Er ist schlecht, rief ich, ja, er ist schlecht. Er heuchelt gränzenlos Vertrauen und lebt mit solchen - und verbirgt es dir.

     Mir war, wie einer Braut, wenn sie erfährt, daß ihr Geliebter insgeheim mit einer Dirne lebe.

     O es war der Schmerz nicht, den man hegen mag, den man am Herzen trägt, wie ein Kind, und in Schlummer singt mit Tönen der Nachtigall!

     Wie eine ergrimmte Schlange, wenn sie unerbittlich herauffährt an den Knieen und Lenden, und alle Glieder umklammert, und nun in die Brust die giftigen Zähne schlägt und nun in den Naken, so war mein Schmerz, so fasst’ er mich in seine fürchterliche Umarmung. Ich nahm mein höchstes Herz zu Hülfe, und rang nach grossen Gedanken, um noch stille zu halten, es gelang mir auch auf wenige Augenblike, aber nun war ich auch zum Zorne gestärkt, nun tödtet’ ich auch, wie eingelegtes Feuer, jeden Funken der Liebe in mir.

     Er muss ja, dacht’ ich, das sind ja seine Menschen, er muß verschworen seyn mit diesen, gegen dich! Was wollt er auch von dir? Was konnt’ er suchen bei dir, dem Schwärmer? O wär’ er seiner Wege gegangen! Aber sie haben ihren eigenen Gelust, sich an ihr Gegentheil zu machen! so ein fremdes Thier im Stalle zu haben, lässt ihnen gar gut! -

     Und doch war ich unaussprechlich glüklich gewesen mit ihm, war so oft untergegangen in seinen Umarmungen, um aus ihnen zu erwachen mit Unüberwindlichkeit in der Brust, wurde so oft gehärtet und geläutert in seinem Feuer, wie Stahl!

     Da ich einst in heitrer Mitternacht die Dioskuren ihm wies, und Alabanda die Hand auf’s Herz mir legt’ und sagte: Das sind nur Sterne, Hyperion, nur Buchstaben, womit der Name der Heldenbrüder am Himmel geschrieben ist; in uns sind sie! lebendig und wahr, mit ihrem Muth und ihrer göttlichen Liebe, und Du, Du bist der Göttersohn, und theilst mit deinem sterblichen Kastor deine Unsterblichkeit! -

     Da ich die Wälder des Ida mit ihm durchstreifte, und wir herunterkamen in’s Thal, um da die schweigenden Grabhügel nach ihren Todten zu fragen, und ich zu Alabanda sagte, dass unter den Grabhügeln einer vielleicht dem [62-63] Geist Achills und seines Geliebten angehöre, und Alabanda mir vertraute, wie er oft ein Kind sey und sich denke, dass wir einst in Einem Schlachtthal fallen und zusammen ruhen werden unter Einem Baum - wer hätte damals das gedacht?

     Ich sann mit aller Kraft des Geistes, die mir übrig war, ich klagt’ ihn an, vertheidigt’ ihn, und klagt’ ihn wieder um so bittrer an; ich widerstrebte meinem Sinne, wollte mich erheitern, und verfinsterte mich nur ganz dadurch.

     Ach! mein Auge war ja von so manchem Faustschlag wund gewesen, fieng ja kaum zu heilen an, wie sollt’ es jezt gesundere Blikke tun?

     Alabanda besuchte mich den andern Tag. Mein Herz kochte, wie er hereintrat, aber ich hielt mich, so sehr sein Stolz und seine Ruhe mich aufregt’ und erhizte.

     Die Luft ist herrlich, sagt’ er endlich, und der Abend wird sehr schön seyn, lass uns zusammen auf die Akropolis gehn!

     Ich nahm es an. Wir sprachen lange kein Wort. Was willst Du? fragt’ ich endlich.

     Das kannst Du fragen? erwiederte der wilde Mensch mit einer Wehmuth, die mir durch die Seele gieng. Ich war betroffen, verwirrt.

     Was soll ich von Dir denken? fieng ich endlich wieder an.

     Das, was ich bin! erwiedert’ er gelassen.

     Du brauchst Entschuldigung, sagt’ ich mit veränderter Stimme, und sah mit Stolz ihn an, entschuldige Dich! reinige Dich!

     Das war zuviel für ihn.

     Wie kommt es denn, rief er entrüstet, dass dieser Mensch mich beugen soll, wie’s ihm gefällt? - Es ist auch wahr, ich war zu früh entlassen aus der Schule, ich hatte alle Ketten geschleift und alle zerrissen, nur Eine fehlte noch, nur eine war noch zu zerbrechen, ich war noch nicht gezüchtiget von einem Grillenfänger - murre nur! ich habe lange genug geschwiegen!

     O Alabanda! Alabanda! rief ich.

     Schweig, erwiedert’ er, und brauche meinen Namen nicht zum Dolche gegen mich!

     Nun brach auch mir der Unmuth vollends los. Wir ruhten nicht, bis eine Rükkehr fast unmöglich war. Wir zerstörten mit Gewalt [64-65] den Garten unsrer Liebe. Wir standen oft und schwiegen, und wären uns so gerne, so mit tausend Freuden um den Hals gefallen, aber der unselige Stolz erstikte jeden Laut der Liebe, der vom Herzen aufstieg.

     Leb wohl! rief ich endlich, und stürzte fort. Unwillkührlich musst’ ich mich umsehn, unwillkührlich war mir Alabanda gefolgt.

     Nicht wahr, Alabanda, rief ich ihm zu, das ist ein sonderbarer Bettler? seinen lezten Pfenning wirft er in den Sumpf!

     Wenn’s das ist, mag er auch verhungern, rief er, und gieng.

     Ich wankte sinnlos weiter, stand nun am Meer’ und sahe die Wellen an - ach! da hinunter strebte mein Herz, da hinunter, und meine Arme flogen der freien Fluth entgegen; aber bald kam, wie vom Himmel, ein sanfterer Geist über mich, und ordnete mein unbändig leidend Gemüth mit seinem ruhigen Stabe; ich überdachte stiller mein Schiksal, meinen Glauben an die Welt, meine trostlosen Erfahrungen, ich betrachtete den Menschen, wie ich ihn empfunden und erkannt von früher Jugend an, in mannigfaltigen Erziehungen, fand überall dumpfen oder schreienden Mislaut, nur in kindlicher einfältiger Beschränkung fand ich noch die reinen Melodien - es ist besser, sagt’ ich mir, zur Biene zu werden und sein Haus zu bauen in Unschuld, als zu herrschen mit den Herren der Welt, und wie mit Wölfen, zu heulen mit ihnen, als Völker zu meistern, und an dem unreinen Stoffe sich die Hände zu befleken; ich wollte nach Tina zurük, um meinen Gärten und Feldern zu leben.

     Lächle nur! Mir war es sehr Ernst. Bestehet ja das Leben der Welt im Wechsel des Entfaltens und Verschliessens, in Ausflug und in Rükkehr zu sich selbst, warum nicht auch das Herz des Menschen?

     Freilich gieng die neue Lehre mir hart ein, freilich schied ich ungern von dem stolzen Irrtum meiner Jugend - wer reisst auch gerne die Flügel sich aus? - aber es musste ja so seyn!

     Ich sezt’ es durch. Ich war nun wirklich eingeschifft. Ein frischer Bergwind trieb mich aus dem Hafen von Smyrna. Mit einer wunderbaren Ruhe, recht, wie ein Kind, das nichts vom nächsten Augenblikke weiss, lag ich so da auf meinem Schiffe, und sah die Bäume und Moskeen dieser Stadt an, meine grünen Gänge [66-67] an dem Ufer, meinen Fusssteig zu’r Akropolis hinauf, das sah ich an, und liess es weiter gehn und immer weiter; wie ich aber nun auf’s hohe Meer hinauskam, und alles nach und nach hinabsank, wie ein Sarg in’s Grab, da mit einmal war es auch, als wäre mein Herz gebrochen - o Himmel! schrie ich, und alles Leben in mir erwacht’ und rang, die fliehende Gegenwart zu halten, aber sie war dahin, dahin!

     Wie ein Nebel, lag das himmlische Land vor mir, wo ich, wie ein Reh auf freier Waide, weit und breit die Thäler und die Höhen hatte durchstreift, und das Echo meines Herzens zu den Quellen und Strömen, in die Fernen und die Tiefen der Erde gebracht.

     Dort hinein auf den Tmolus war ich gegangen in einsamer Unschuld; dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner glüklichen Jugend und Teos und Milet, dort hinauf in’s heilige trauernde Troas war ich mit Alabanda gewandert, mit Alabanda, und, wie ein Gott, hatt’ ich geherrscht über ihn, und, wie ein Kind, zärtlich und glaubig, hatt’ ich seinem Auge gedient, mit Seelenfreude, mit innigem frohlokkendem Genusse seines Wesens, immer glüklich, wenn ich seinem Rosse den Zaum hielt, oder wenn ich, über mich selbst erhoben, in herrlichen Entschlüssen, in kühnen Gedanken, im Feuer der Rede seiner Seele begegnete!

     Und nun war es dahin gekommen, nun war ich nichts mehr, war so heillos um alles gebracht, war zum ärmsten unter den Menschen geworden, und wusste selbst nicht, wie.

     O ewiges Irrsaal! dacht’ ich bei mir, wann reisst der Mensch aus deinen Ketten sich los?

     Wir sprechen von unsrem Herzen, unsern Planen, als wären sie unser, und es ist doch eine fremde Gewalt, die uns herumwirft und in’s Grab legt, wie es ihr gefällt, und von der wir nicht wissen, von wannen sie kommt, noch wohin sie geht.

     Wir wollen wachsen dahinauf, und dorthinaus die Äste und die Zweige breiten, und Boden und Wetter bringt uns doch, wohin es geht, und wenn der Bliz auf deine Krone fällt, und bis zur Wurzel dich hinunterspaltet, armer Baum! was geht es dich an?

     So dacht’ ich. Ärgerst du dich daran, mein Bellarmin! Du wirst noch andere Dinge hören.

     Das eben, Lieber! ist das Traurige, dass unser Geist so gerne die Gestalt des irren Herzens annimmt, so gerne die vorüberfliehende Trauer festhält, dass der Gedanke, der die [68] Schmerzen heilen sollte, selber krank wird, dass der Gärtner an den Rosensträuchen, die er pflanzen sollte, sich die Hand so oft zerreisst, o! das hat manchen zum Thoren gemacht vor andern, die er sonst, wie ein Orpheus, hätte beherrscht, das hat so oft die edelste Natur zum Spott gemacht vor Menschen, wie man sie auf jeder Strasse findet, das ist die Klippe für die Lieblinge des Himmels, dass ihre Liebe mächtig ist und zart, wie ihr Geist, dass ihres Herzens Woogen stärker oft und schneller sich regen, wie der Trident, womit der Meergott sie beherrscht, und darum, Lieber! überhebe ja sich keiner.