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Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon (Der Nürnberger Trichter Nr. 22)

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Textdaten
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Titel: Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon
Untertitel: Schluß
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 22, S. 85–87
Herausgeber: Eduard Kauffer
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Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
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Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon.

Pianist gehört zu dem Geschlechte der Zugvögel und hat nirgend eine bleibende Stätte. Er baut sein Nest in glänzenden Privatzirkeln oder in Concertsälen, wenn er bleich ist und langes schwarzes Haar trägt, auch in den Herzen der Damen. Mit den Dieben hat er lange Finger gemein. Seine Phantasie nährt er mit Opernmelodieen, sich selbst mit Ruhm und Ehre, die ihm oft theuer genug zu stehen kommen. Die einzige Aufgabe seines Lebens ist, sich selbst zu übertreffen, was ihm indeß selten gelingt. In’s Deutsche übersetzt heißt er Pianofortesaiten-Zertrümmerer. Er stirbt mit dem Bewußtsein, den ruhigen Lauf der Weltgeschichte nicht gestört zu haben.

Quacksalber nennt man Jeden, der die Arzneiwissenschaften ausübt, ohne dazu befugt zu sein. Die graduirten und promovirten Aerzte indeß können ihre Kranken beliebig, wie sie wollen und wodurch sie wollen, unter die Erde bringen. Das kommt daher, weil ihre Kranken oft bei ihnen in Rest bleiben und die Aerzte sich dann für befugt halten, ihnen den Rest zu geben. Der letzte Ausdruck schlägt immer in das medizinische Fach. Eine Abart davon ist der politische Quacksalber, welcher in Deutschland in der Paulskirche zu Frankfurt nistet, Reden, Interpellationen, Kaiser, Reichsverweser, Waffenstillstände und Polizeimaßregeln ausbrütet, von Zeitungen, Beifall der Tribüne und seinen Diäten lebt und mit dem Troste von hinnen fährt, die Republik nicht gesehen zu haben.

Reichsversammlung ist das Einzige, worüber gegenwärtig in Deutschland nichts gedacht, gesprochen, geschrieben und gedruckt werden darf, bei Strafe. Wir begnügen uns daher, dem geneigten und ungeneigten Leser die naturgetreue Abbildung eines sogenannten parlamentarischen Streites zu geben und bemerken nur, daß der Mann im langen Barte die Eigenthümlichkeit hat, auf bloßer Erde zu schlafen und sich mit der Stubenthür zuzudecken. Die Figur im Hintergrunde ist ein bekannter Abgeordneter, welcher eben darüber nachdenkt, ob er beim Murmeln bleiben oder einmal eine Rede halten soll. – Auf den Grabstein der Reichsversammlung wird man einst eine Garbe ohne Aehren legen, zum Zeichen, daß sie viel leeres Stroh gedroschen.

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Russe wird im gewöhnlichen Leben ein europäischer Mensch genannt, welcher die Ehre hat, Unterthan Sr. Majestät des Kaisers und Selbstherrschers aller Reussen zu sein. In Sibirien fängt er Zobel, in den Salzbergwerken Grillen. Die Liebe zum angestammten Herrscherhause wird ihm öfters durch die Knute eingeprägt. Des Kaisers Wille ist sein erstes und letztes Gesetz. Außerdem lebt er sehr glücklich und hat das Vorrecht, in der Hoffnung seiner zukünftigen Civilisation zu schwelgen.

Schlafmütze, der Hauptschmuck in Michels Toilette, von dem er sich nimmermehr trennen kann. Sie ist ihm auch sehr nöthig, da sie seine Haare bedeckt, wenn sie ihm bei einer neuen Steuer inkonstitutionell zu Berge stehen. Die Schlafmütze ist gewöhnlich von Wolle, wahrscheinlich um ihren Besitzer daran zu erinnern, daß er sich für seine Schlafmütze scheeren lassen muß. Sie wird über das Ohr gezogen, damit er den Demokraten kein Gehör giebt, oder um ihm weniger Schmerzen zu machen, wenn er von seinen Machthabern über das Ohr gehauen wird. Der Erfinder der Schlafmütze ist unbekannt, weswegen er auch leider noch nicht in die Walhalla aufgenommen werden konnte.

Teufel, Satanas oder Fürst der Hölle, regiert in dem angenehmen Lande, wo Heulen und Zähneklappen ist. An seiner goldenen Krone glänzen, wie an den meisten Kronen von Europa, als Diamanten die Thränen seiner armen Untergebenen. Hauptbeschäftigung: die armen Seelen so zu quälen, daß sie des Teufels werden möchten. In der Oberwelt erscheint er zum größten Leidwesen der Buchstabengläubigen nur in der Gestalt des dummen oder des armen Teufels, und wir wollen des Teufels sein, wenn man den ersten nicht hauptsächlich in der sogenannten vornehmen Welt antreffen sollte. Der letzte ist Zwillingsbruder der meisten Dichter, Schulmeister und Wahrheitsfreunde, auch der Studenten, die insofern Aehnlichkeit mit dem Teufel haben, als sie wie jener citirt werden. Der Ausdruck: „Geh’ zum Teufel!“ hat schon mannichfache Anwendung gefunden. Napoleon sagte es zur französischen Republik, die Franzosen zu Louis Philipp und Fürst Windischgrätz zum Reichscommissarius, der aber nicht zum Teufel, sondern nach Frankfurt zurückgegangen ist.

Tod, ein ganz unparteiischer Patron, der heute einer Majestät den Garaus macht, – dann läutet man vier Wochen lang im ganzen Lande – morgen einen Bettler ins Gras beißen läßt – und dann kräht kein Hahn auf der weiten breiten Welt, wenn auch der Bettler ein Ehrenmann und die allerhöchste Majestät das Gegentheil davon gewesen wäre. Der Tod braucht keinen Stuhl; denn er setzt sich den Leuten auf die Zunge. Die Botanik ist seine schwächste Seite: für ihn ist kein Kraut gewachsen. Der Tod selbst ist nicht fürchterlich, wohl aber das Sterben. Dieses ist die letzte Thorheit, die der Mensch begeht.

Vagabund gehört in das weit verbreitete Geschlecht der Faulthiere. Er wird hinter Hecken, auf Landstraßen, im Gefängniß und in den Verhörzimmern der Gerichtsstuben gefunden. Sein Aeußeres entspricht keineswegs den herrlichen Talenten, die er besitzt. Er ist der unverschämteste Bettler, der genialste Lügner, ein eifriger Anhänger des Communismus. Eine Abart davon ist der literarische Vagabund, der Schrecken aller Buchhändler und Schriftsteller. Er sammelt von Jugend an Subscribenten zu einem Werke, das er noch schreiben will, und nimmt nur Vorausbezahlung an. Auch kleine Geschenke von abgetragenen Beinkleidern, Winterröcken und Stiefeln verachtet er nicht. Die Schulden, die er macht, pflegt er mit Exemplaren seines zukünftigen Werkes zu bezahlen. Er stirbt nicht, sondern verdirbt, leider ohne der erwartungsvollen Welt sein vielbesprochenes Opus zu hinterlassen.

Weib, der Schmuck der Schöpfung, im Gegensatze zu dem Manne, der sich einbildet, deren Herr zu sein. Nach Herrn von Balzac hat jede Frau 37,000 Arten Ja, und eben so viele Arten Nein zu sagen. Doch klingt ihr Ja immer wie ein halbes Nein und ihr Nein immer wie ein halbes Ja. Lachend ist sie öfters gefährlicher als weinend, und ein altes Sprichwort sagt: „Was ist leichter als eine Feder? – Der Staub. – Was leichter als der Staub? – Der Wind. – Was leichter als der Wind? – Die Frau. – Was leichter als die Frau? – Nichts!“ – Eines Weibes ganzes Leben ist die Geschichte der Liebe. Wenn ihre Gefühle Schiffbruch leiden, ist ihr Fall hoffnungslos, denn dies ist ein Bankerott des Herzens.

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Zopf. Wir können unser Lexikon nicht entsprechender beendigen, als wenn wir dem Zopfe, dieser Zierde des deutschen National-Kostüms, noch einige Worte widmen. Mit ihm kommen wir auf die Welt, mit ihm werden wir getauft, in die Schule geschickt, verheirathet, mit ihm essen, trinken, schlafen und sterben wir, er ist überall unser Begleiter. Der Zopf schläft auf dem Throne, arbeitet in der Hütte, bettelt auf der Heerstraße, docirt auf dem Katheder, predigt auf der Kanzel, rechnet auf dem Comptoir … er wächst, so oft man ihn abschneidet, wieder, und vergrößert oder verkleinert sich, wie man es haben will. Sonst rief man bei dem Absterben der französischen Könige: „Der König ist gestorben! Es lebe der König!“ Jetzt, nach der glorreichen Revolution von 1848, rufen die Deutschen vor der Paulskirche: „Der Zopf ist abgeschnitten! Es lebe der Zopf!“ Die Feder entsinkt meinen vor Freude zitternden Händen und mit Rührung stimme ich ein in den allgemeinen Ruf: „Es lebe der Zopf! Hoch! Hoch!“