Hochgewitter im Wettersteingebirge
[596] Hochgewitter im Wettersteingebirge. (Zu unserer Kunstbeilage.) Hoch und gewaltig in seiner Ausdehnung erhebt sich auf der Grenze von Bayern und Tirol, zwischen Scharnitz- und Fernpaß, das Wettersteingebirge, dessen höchste Erhebung, die Zugspitz, mit ihren 2968 m zugleich die höchste Bergspitze des Deutschen Reichs ist. Ob man bei klarer Witterung aus der Umgebung von Partenkirchen und Garmisch oder vom Barmsee bei Mittenwald aus das Auge an der alpinen
Prachtentfaltung des Massivs mit seinen Fernern und der von ihnen umpanzerten Zugspitz weidet, ob man am Eibsee im tiroler Leutaschthal oder in Lermoos und Ehrwald den Blick über seine schroffen Felsabstürze gleiten läßt, überall ist der Eindruck, den man von ihm empfängt, ein gleich starker, und alle Alpenherrlichkeit findet sich in ihm
vereinigt. Weithin grüßen seine Schneefelder und Gratspitzen ins
Bayerland hinein und in einer Eisenbahnfahrt von wenigen Stunden
sind von München aus die so schön ihm zu Füßen gelegenen Ortschaften
Partenkirchen und Garmisch zu erreichen. Kein Wunder daher, daß
das Wettersteingebirge zu den besuchtesten gehört und daß in jedem
Sommer eine große Zahl rüstiger Söhne und auch Töchter des Vaterlands
es unternimmt, durch die Besteigung der Zugspitz auf Deutschlands
höchstgelegenen Punkt zu gelangen. So gut aber auch der Deutsche
und Oesterreichische Alpenverein dafür gesorgt hat, dieses Unternehmen
möglichst bequem und gefahrlos zu gestalten, so wackere und sichere
Führer die Ortschaften am Fuße des Wettersteingebirgs den Touristen
zur Verfügung stellen – fast in jedem Jahr fordert der Wetteifer
unserer Bergsteiger auch in diesen Revieren seine Opfer. Denn
gerade dies so bestechende Alpenmassiv wird auch besonders stark
von allen Unbilden der Witterung heimgesucht, welche den Aufenthalt
in der Welt des ewigen Schnees zu einem so gefahrvollen machen.
Kann der Ausbruch eines Gewitters schon in der Ebene genug des
Unheils anrichten und seine verheerende Wirkung furchtlose Männerherzen
erbeben machen, so steht im Hochgebirge der Mensch den entfesselten
Elementen geradezu hilflos gegenüber. Schon die Wolkenmassen,
wenn sie sich in den Schründen und Klüften festhalten oder von
oben her die Felsen und Ferner umhüllen, machen das Vorwärtsdringen
schier unmöglich, und der jähe Temperaturwechsel, welcher zumeist eine
Folgeerscheinung der Gewitter ist, und seine Wirkung auf Firn und
Eis bereitet dem Alpenbesteiger aber noch weit verhängnisvollere Gefahren;
diejenigen jedoch, welche ein solches Hochgewitter in den Alpen
glücklich, überstanden, schildern es als ein Schauspiel von ergreifender
Großartigkeit. Lange währt oft der Kampf zwischen Licht und Finsternis,
bis alle Gipfel von den heranfegenden Wolken umhüllt sind, und der
Anblick dieses Kampfes der Himmelsmächte unter Donner und Blitz ist
von dämonischem Zauber. Zeno Diemers fesselndes Bild veranschaulicht
uns dieses Schauspiel, die noch freiliegenden Felsenschrofen vorn
auf dem Bild sind die beiden Plattspitzen, die 2678 und 2681 m hoch
sind und an denen der Weg von Ehrwald zur Zugspitz vorbeiführt.