Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: George Bähr
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[32] Nr. 34. Bähr, George, 1666–1738, Erbauer unserer Frauenkirche. Der Lebensgang dieses genialen Mannes war ganz einfach. Geboren im Dorfe Fürstenwalde bei Lauenstein, lernte er das Zimmerhandwerk, kam später nach Dresden und erhielt hier nach längerer Tätigkeit das Amt des Ratszimmermeisters übertragen, das er bis zu seinem Tode bekleidete. Reisen ins Ausland hat er nie unternommen, nicht einmal die Grenzen Sachsens überschritten. – Von Dresdner Wohngebäuden soll B. nur das heutige Palais de Saxe, jetzt Moritzstraße 1b gebaut haben, vielleicht rührt von ihm auch der Plan für die 1710–1715 am Jüdenteich, jetzt Georgplatz, errichtete erste Waisenhauskirche her, die 1760 völlig zerstört und später durch ein neues Gotteshaus ersetzt wurde. Bei dem Bau der heutigen Dreikönigskirche, der nach Pöppelmanns, von B. zum Teil abgeänderten Entwürfen ausgeführt wurde und wegen Geldmangels die Zeit von 1732–1759 beanspruchte, war der letzterwähnte Baukünstler der eigentliche Leiter. Sein Hauptwerk ist unsere herrliche Frauenkirche mit ihrer monumentalen Kuppel. Ihr Bau, 1726 begonnen, stieß auf ernste Hindernisse und wurde infolgedessen erst 1745 mit der Aufsetzung der steinernen Laterne vollendet, obgleich die Weihe des Gotteshauses bereits Ende Februar 1734 stattgefunden hatte. Der Verein für Geschichte Dresdens ließ dem großen Meister der Baukunst 1897 in seinem Geburtsorte eine reichlich vier Meter hohe Spitzsäule aus Sandstein und mit Inschrift errichten. Schon 1887 hatte der genannte Verein am Hause Seestraße 12, durch Verlegung der Haustür An der Mauer 2 (O.-Nr. 465) eine metallene Gedenktafel anbringen lassen. Sie trug folgende Inschrift: „Hier wohnte seit 1711 und starb am 15. März 1738 George Bähr, der Erbauer der Frauenkirche, geboren zu Fürstenwalde am 15. März 1666.“ Leider wurde diese Tafel beseitigt, als man 1910 ohne zwingenden Grund und trotz des von mehreren maßgebenden Kreisen erhobenen berechtigten Einspruches das geschichtlich denkwürdige Wohnhaus B's. abbrach und an seiner Stelle einen Neubau aufführte, um in dessen sehr geräumigem Erdgeschoß eine Automatenschenke einrichten zu können! Die Tafel ist seitdem verschwunden.
Bereits die Worte der erwähnten Gedenktafel: „Hier wohnte und starb ...“ widerlegen das im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts aufgekommene und bis in die 1890er Jahre selbst von Männern der Wissenschaft als feststehende Tatsache anerkannte Dresdner Gerücht, B. habe durch einen vielleicht sogar freiwilligen Sturz von dem damals noch vorhandenen Teile des Baugerüstes der Frauenkirche seinen Tod gefunden. Dem ist zunächst der auch von mir eingesehene Eintrag auf dem Kirchenzettel aus dem Jahre 1758 entgegenzuhalten. Dort heißt es unterm [33] 20. März wörtlich: „H. George Bähr, E. Hoch Edl. Raths Baumeister, ein Ehem. 72 Jahr, an Steckfl. und Verzehrung, See G. in eigen Hause. – St. Joh.“ Übrigens hat Ratsarchivar Dr. O. Richter, gestützt auf diesen von ihm zuerst aufgefundenen Totenzetteleintrag sowie auf völlig einwandfreie Aktenunterlagen in einem Aufsatze über „Meister George Bährs Tod“ (Dresdner Geschichtsblätter 1896, Nr. 4, Seite 281–283) den vollen Nachweis erbracht, daß jene in der Dresdner Bevölkerung und in Büchern sich so lange haltende Erzählung von dem Todessturze B's. durchaus ins Reich der Fabel gehört und deshalb gänzlich verstummen muß.
Über B's. Wohn- und Sterbehaus sei folgendes mitgeteilt. Es war zwischen 1686 und 1705 von dem Wagner Martin Schütze an der Stelle eines anderen erbaut worden, das er in dem erstgenannten Jahre in einer Zwangsversteigerung erstanden hatte. Von dessen Sohne, dem Wagner Johann Georg Schütze, ging der Neubau 1711 durch Kauf an den Ratszimmermeister George B. über, der höchstwahrscheinlich das Haus im Innern umbaute und dadurch seinen Wert erhöhte. Nach seinem Tode gelangten seine Witwe mit ihren sechs unmündigen Kindern in den Besitz des Gebäudes, das von den Erben 1750 an den damaligen Hofzimmermeister Johann George Schmidt (s. Nr. 93) verkauft wurde, der sich mit B's. Witwe verheiratet hatte. Die B'schen und Schmidt'schen Erben besaßen das Haus noch bis 1801. (Vergl. C. Hollstein: Zur Geschichte des George Bähr-Hauses. Dresdner Geschichtsblätter 1910, Nr. 4, Seite 124–126.)