Zum Inhalt springen

Herrn Bartholomäus Ziegenbalgs Ausführlicher Bericht/Hoch-Ehrwürdiger Herr Doctor

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Beehrter Leser Herrn Bartholomäus Ziegenbalgs Ausführlicher Bericht (1710)
von Bartholomäus Ziegenbalg
Extract aus der Malabarischen Bibliothec
Die Zwischenüberschriften und Absätze wurden vom Wikisource-Bearbeiter eingefügt.


[6]

Hoch-Ehrwürdiger Herr Doctor,
Hoch zu Ehrender Freund und Gönner,

NAchdem schon vor so langen Jahren viele fromme und Gottselige Theologi unsrer reinen Evangelischen Kirchen beydes schriftlich als auch mündlich geseufzet und verlanget haben, daß doch unsere Christliche Religion auch unter den Heyden möchte fortgepflantzet werden, so hat GOtt endlich ihr Seufzen erhöret,[WS 1] und zu diesen Zeiten das Hertz Unsers Allergnädigsten Königes von Dännemarck Friderici Quarti[WS 2] dahin gelencket, daß es auß erbarmender Liebe Gelegenheit gesuchet, den armen blinden Heyden allhier in Ost-Indien, das Evangelium von Christo JEsu verkündigen zu lassen.      Da denn nun GOtt zur Aufrichtung und Beförderung dieses heiligen und hochlöblichen Werckes, auch Euer Hoch-Ehrwürden gebrauchet, und durch Sie vieles dazu contribuiren[WS 3] lassen; ich aber als der allergeringste unter den Knechten des HErrn von GOtt und Ihro Königl. Majestät gewürdiget worden allhier unter den Heyden der Verkündigung des Evangelii vorzustehen; so hat es meine gegen Euer Hoch-Ehrwürden tragende Kindliche Pflicht und Schuldigkeit erfordert, daß ich in Dedication[WS 4] dieses kleinen Büchleins Bibliotheca Malabarica, zugleich etwas von demjenigen referire, was GOtt bishero unter den Heyden alhier durch uns gethan und verrichtet hat, in Hoffnung, daß viele fromme Seelen dadurch werden können erwecket und zum Lobe GOttes aufgemuntert werden.      Vor allen Dingen muß ich bekennen, daß gleichwie dieses heilige Werck unter grossem Widerstand und unter sehr vielem Creutz und Anfechtung seinen Anfang genommen, es auch bishiehero nicht anders als unter heftigem Widerstand und allerley harten Prüfungen können fortgeführet werden: welches uns aber keines weges verzagt gemacht, sondern nur desto mehr aufgemuntert hat, ie mehr wir auß GOttes-Wort und der eigenen Erfahrung versichert gewesen sind, [7] daß das Evangelium allezeit unter dem Creutz seinen besten Fortgang hat. Die Liebe, so da verursachete, daß wir unser Vaterland und alle unsere Freundschaft verleugneten, und uns einen so weiten und gefährlichen Weg herauß schicken liessen, dieselbige hat bishero uns alle dasjenige leicht gemacht, was andern sehr schwer und fast gantz unmüglich geschienen hat. Sonderlich wurden wir durch solche Liebe zur ämsigen Erlernung der Portugisischen und Malabarischen Sprache getrieben, und brachten es auch in einigen Monaten so weit, daß wir beyderseits in der Portugisischen Sprache catechisiren[WS 5] konten. Weil aber eine iedwede Sprache einen eigenen Menschen erfordern wolte, so resolvirte[WS 6] sich mein lieber und getreuer Mit-Collega Herr Heinrich Plütschau, die Portugisische Sprache insonderheit zu treiben, und ich erwehlete die Malabarische Sprache, darinnen mir GOtt sonderliche Gnade verliehe, so, daß ich in 6. Monaten darinnen zu catechisiren anfangen konnte.      Und nachdem sich unterschiedliche angaben Christen zu werden, so nahmen wir täglich vier Stunden zu deren Information; in zwey Stunden wurde Malabarisch dociret[WS 7], in den übrigen zwey Stunden aber Portugisisch. Die andere Zeit insgesamt wendeten wir an zur Erlernung der Sprachen, und zum discurriren mit den Heyden und Moren oder Mahometanern.      Jemehr sich nun die Zahl der Christen vermehrete, ie mehr vermehrete sich auch unsere Arbeit, und je mehr sich unsere Arbeit vermehrete, ie mehr vermehrete sich auch die Gnade und Kraft GOttes an unser Seele und Leibe, so daß nicht nur allein Christen und Heyden, sondern wir auch selbsten uns verwundern musten, wie wir es doch annoch außhalten könten unter solcher schweren Bürde in der hiesigen ungemeinen Hitze. Alles aber, was wir in dem Namen des HErrn anfingen, das ging glücklich von statten, ob sich gleich viele darwider streubeten. Indem sich denn nun unsere kleine Gemeinde vermehrete, so waren wir bedacht, wie man möchte eine kleine Kirche aufbauen. Aber als der Teufel das merckete, so strebete er mit aller Macht darwider, und wolte solche intention[WS 8] auf allerley Art und Weyse verhindern. Wir ließen uns aber daran nicht stören, sondern wandten dran, was wir hatten, so daß endlich für 250. Perdous eine kleine Kirche mitten unter den Malabaren auferbauet worden, die da den 14. Augusti 1707. mit grosser Solennität eingeweyhet und Neu-Jerusalem genennet wurde. Dieses Jerusalem hat GOtt bishero so gesegnet [8] und mit neuen Christen auß den Heyden erfüllet, daß wir an ietzo fast keinen Raum mehr drinnen finden, welches eine Anzeigung ist, wie GOtt bald werde Hülffe schaffen, daß es könne erweitert werden.      Wir haben aber von dem 14. Aug. Anno 1707. an bis hieher wöchentlich dreymal darinnen geprediget und catechisiret, beydes in Malabarischer und auch in Portugisischer Sprache. Was mich anlanget, so hab ich erstlich über unsere christliche Glaubens-Lehre Sechs und zwantzig Sonntags-Predigten gehalten, da ich denn bey einer iedweden Predigt einen solchen Spruch auß der Heil. Schrift zum Grunde geleget, der sich iedesmal auf die materie am besten schickte. Solche Predigten hab ich einem von meinen Malabarischen Schreibern in den Griffel dictiret, und nachmals von Worte zu Worte auswendig gelernt; welches mir eine grosse Gewißheit und Fertigkeit in dieser Malabarischen Sprache verursachet hat.       Des Freytags predigte ich anfänglich über die Historie JEsu Christi, welche ich auch in 13. Predigten vollendet, so da gleichfals von Wort zu Wort aufgeschrieben sind. Nachdem aber, als ich mich in dieser Sprache wohl habilitiret hatte, und zum concipiren keine Zeit gewinnen konte, so wurde ich genöthiget ex tempore[WS 9] zu predigen, iedoch solcher gestalt, daß ich über alle Worte, die da solten erkläret werden, wohl meditire.      Solcher Gestalt fing ich denn nun an des Sonntags über die gewöhnlichen Sonntags-Evangelia zu predigen[WS 10], und zwar so, daß ich iedes Wort erklärete, und darauß allerley feine Lehren außzoge, mit gehöriger application[WS 11] auf die Zuhörer; wie ich mich denn allezeit nach ihrem Zustand gerichtet, und nur allein dasjenige meistens vrgiret,[WS 12] was ich ihnen zu wissen am nöthigsten erkannt. Auf solche Weyse habe ich mit Explication[WS 13] der Evangelien continuiret[WS 14] bis hieher, und hoffe noch so lange darmit zu continuiren,[WS 15] bis ich etwan einen eigenen Evangelisten anfangen möchte. Des Freytags pflege ich den Catechismum Lutheri[WS 16] zu erklären und darüber zu catechisiren. Solches geschiehet vor dem Altar, da denn meine gantze Malabarische Gemeinde, so wohl alte als junge, auch so wohl Weibs- als Manns-Personen vor den Altar hin knien müssen, und zwar die Mannes-Personen auf der einen Seite, und die Weibes-Personen auf der andern Seite. Alsdann lasse ich erstlich dasjenige Hauptstück der christlichen Lehre her recitiren, welches soll gehandelt werden. Nachmals nehme ich alle Worte besonders und gehe ein iedwedes mit vielfältigen [9] Fragen hindurch, da sie mir denn alle insgesamt nach ihrem eigenen Iudicio[WS 17] antworten müssen.      Geschichts bisweilen, daß sie mir auf diese oder jene Frage keine richtige oder doch unvollkommene Antwort geben, so helffe ich ihnen so bald zu rechte, und sehe darauß einen weit grösseren Nutzen, als wenn ich ihnen lange Fragen außwendig lernen liesse, welche sie doch bald wiederum vergessen würden, da hingegen dasjenige fest im Gedächtniß stehen bleibet, was mit einem judicio angehöret und gefasset wird. Ich führe ihnen aber alles zur Prüfung ihres Hertzens, zeigende, daß es nicht genug sey, diese und jene Wahrheit der christlichen Lehre zu wissen, sondern wie man auch selbige ins Leben verwandeln müsse, sie führende auf diejenigen Mittel, darinnen man selbigen nachkommen könne. Ich hab es endlich so weit gebracht, vermöge Göttlicher Gnade, daß hierinnen die auß den Heyden zu uns getretene Neue Christen viele alte Europäische Christen beschämen, und wünsche, daß GOtt ferner hierzu wolle sein Gedeyen geben. Des Mittwochs repetire[WS 18] ich die gehaltene Sonntags-Predigt, und gehe alles dasjenige catechetice[WS 19] durch, was ich auf der Cantzel exegetice[WS 20] und dogmatice[WS 21] gepredigt habe.      Diese einfältige[WS 22] Art zu predigen und zu catechisiren hat bis hieher nicht nur allein an unser Gemeinde einen grossen Nutzen gehabt, sondern auch an denen annoch in der Blindheit einhergehenden Heyden und Mahometanern[WS 23], von welchen sich allezeit eine grosse Anzahl bey unserem Predigen und catechisiren einfindet, und das Wort Gottes mit grosser attention[WS 24] anhöret. Es hat aber mein lieber Collega in seinem Portugisischen Predigen und catechisiren eben dergleichen Methode als ich, indem wir in einem Geiste wandeln, und in allen Stücken eines Sinnes sind: welches nicht wenige Erleichterung und Fortgang in unserm Amte verursachet hat. Was anlanget unsere Priuat-Information in unsern Häusern, so ist selbige bey mir also eingerichtet. Des Morgens frühe von 6. bis 7. Uhr halte ich mit meinen Kindern,[WS 25] und mit denen, die annoch getaufet werden, eine Sing- Bet- und Lehr-Stunde, darinnen wir erstlich einen Gesang singen, nachmals thue ich ein Gebet, alsdann erkläre ich nach der Ordnung den kleinen Catechismum Lutheri, welches wieder mit einem Gebet und Gesang beschlossen wird.      Dergleichen thue ich auch Nachmittags von 2. bis 3. Uhr, da aber zugleich auch viele getaufte Christen darzu kommen, sonderlich diejenigen so da wollen zum Abendmahl gehen, [10] wie wir denn keinen im Beichtstuhl annehmen, er habe sich denn erst acht Tage vorher bey uns angemeldet, und die acht Tage über stets im Hause das Wort GOttes gehöret, da ihm denn die Beichte und das Hauptstücke des heiligen Abendmahls erkläret wird, nebst den zehen Geboten. Sonsten aber pflege ich gemeiniglich dasjenige Nachmittage zu catechisiren, was ich vormittage erkläret habe.      Was diejenigen anlanget, die da sollen getauft werden, so halte ich ihnen einen eigenen Exegeten[WS 26], der Sie die Hauptstücke der christlichen Lehre außwendig lernen lässet, und von Morgen bis zu Abend mit ihnen zu thun hat; sintemal einige diese, einige aber andere Stunden kommen; je nachdem sie Zeit und Gelegenheit haben können. Eben diese Ordnung hat auch mein getreuer Collega in seinem Hause, mit denen so da Portugisisch verstehen. Hiernebenst so haben wir auch alle Mittwochen Teutsch zu predigen in der Gemeine zu Zion, (welches der Name der Dänischen Kirche ist) und alle Tage in unserm Hause in teutscher Sprache, mit denen Europäern eine Bet-Stunde zu halten.      Was diese Mittwochs-Predigten anlanget, so hat es mit selbigen diese Bewandniß. So bald als wir nur vom Schiffe alhier ankamen, wurden wir von denen vielen Teutschen ersuchet, daß wir doch Teutsch predigen möchten. Wir aber sagten, daß solches zwar nicht eben wider unser Amt lieffe, aber gleichwol hätten wir insonderheit uns um die Heyden zu bekümmern; wolte aber solches der Herr Commendant und die gantze Gemeinde verlangen, so würden wir es nicht abschlagen können, sintemal GOtt schon so viel Kraft darreichen würde, daß wir solches ohne Versäumniß unsers Amtes abwarten könten. Darauf schwiegen wir 4. Monat still, und verhielten uns hierinn gantz passiue.[WS 27]      Als aber immerdar viel Teutschen zu uns kamen, und uns klagten, wie sie die Dänische Sprache noch nicht recht verstünden, und wie GOtt uns sonderlich würde segnen, wenn wir uns ihres Seelen-Heyls ein wenig wolten annehmen, so verstatteten wir ihnen endlich, daß sie des Sonntags nach der Predigt um 4. Uhr, in unsere Erbauung[WS 28] kommen möchten, die wir bisher unter uns gehalten hatten zur Stärckung unserer Seelen.      Es geschahe aber, daß wir eben denselbigen Sonntag vom Hrn. Commendanten zu Gaste genöthiget wurden, als wir hiervon Nachmittags um 4. Uhr den Anfang machen wolten, dahero conferirten wir darüber mit dem Hrn Commendanten, der da sagte: er könte uns dessen nichts verwehren, und wolte es [11] auch nicht thun; aber doch, damit auch andere solchem mit beywohnen könten, so sehe ers lieber, daß es öffentlich in der Kirche geschehe. Wir sagten, daß wir uns dessen gantz nicht wegern wolten, so ferne es solte von der Gemeinde verlanget werden; indessen aber weil es dißmal nicht wieder könte aufgesaget werden, so würde man mit denenjenigen eine kurtze Erbauung halten, die da etwan zu uns kommen möchten. Wir kamen nach Hause, und fanden das Haus voller Leute von Hohen und Niedrigen: Da wir dann nach unser vorigen Gewohnheit, erstlich mit einander ein Lied sungen, darauf ein Gebet thaten, und die Worte Pauli erkläreten, Col. III, 16[WS 29] Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen etc. nachmals wurde solches mit einem Gebet und Liede beschlossen. Die Leute wurden dadurch so erfreuet und erwecket, daß sie selbiges mal unterschiedliche Thaler in die Armen-Büchse einlegten. Solches geschahe den 12. Dec. 1706. Wir überlegten die Sache im Gebet mit GOtt, und befunden, daß dieses ein sehr grosses Mittel zu Beförderung unsers Amtes seyn würde, wenn wir Gelegenheit hätten, durch das Wort GOttes an den blancken[WS 30] Christen zu arbeiten, um sie stets zu vermahnen, wie sie alhier unter den Heyden leben sollen, damit sie mit ihrem Leben uns nicht hinderlich, sondern förderlich seyn möchten zur Bekehrung der blinden Heyden, als welche mehr auf der Christen Wandel, als auf der Christen Lehre sehen, und oftmals auß dem üblen Leben der Christen üble Schlüsse machen, gedenckende, weil das Leben böse, so müsse denn auch die Lehre nicht allzu gut und erbaulich seyn. Diese und andere Ursachen bewegen uns dergleichen Erbauung alle Sonntage fortzusetzen.      Es ließ uns aber hierauf der Herr Commendant durch den Secretair ersuchen, ob wir nicht öffentlich alle Wochen einmal in der Gemeinde zu Zion predigen wolten. Wir liessen ihm sagen, daß wir dergleichen sehr gerne thun wolten, wo es anders mit Bewilligung der Gemeinde, und Hand-Einschlag der Dänischen Herrn Prediger geschehen könte. Darauf wurden wir abermal zu Gaste genöthiget zum Herrn Commendanten nebst den Dänischen Herrn Predigern, und dem Edlen Secret-Rath, da wir dann von ihnen durch Hand-Einschlag in Zion zu predigen angenommen wurden, und zwar solcher Gestalt, daß wir weder von der Compagnie, noch sonsten von der Gemeinde einigen Pfennig dafür nehmen wollten.      Machten also den 29. [12] Dec. 1706. den Anfang alle Mittwochen in Zion teutsch zu predigen: welches wir bis hieher, GOtt Lob! in reichem Segen continuiret haben: aber doch solcher Gestalt, daß wir unsere Predigten nicht concipiren können, als welches die Umstände unsers Amtes nicht zugeben wollen, sondern nur nach der Beschaffenheit unserer Gaben, und nach der Fülle unsers Hertzens, reden müssen, jedoch so, daß alles vorhero mit hertzlichem Gebet meditiret worden ist. Was anlanget unsere tägliche Betstunde im Hause, so hat sie folgender Gestalt ihren Anfang genommen. So bald als uns GOtt glücklich allhier in Ost-Indien angelangen ließ, und die grosse Wichtigkeit unsers Amtes zu erkennen gab, so fingen wir an dieser wegen, alle Tage eine Betstunde unter uns zu halten; wie wir dann auch solches schon die gantze Reise über auf dem Schiffe gethan hatten[WS 31], uns versichernde, daß das liebe Gebet in unserm schweren Amte das allerkräftigste Mittel seyn würde zur Erlangung unsers Endzwecks.      Als wir denn nun solche Betstunde allhier schon über ein Jahr continuiret hatten, so wurden wir von zwey Gottsfürchtigen Personen ersuchet, daß wir sie mit in unsere Betstunde nehmen möchten. Wir als Priester konten ihnen solches nicht wehren, sondern freueten uns noch vielmehr, daß wir noch solche Liebhaber des Gebets allhier in Ost-Indien antraffen. Diese zwey Personen aber, als sie etwas gutes an ihrer Seelen genossen, zogen sie auch andere mit sich hinzu, so daß wir endlich von sehr vielen Personen starck angelauffen wurden, daß wir ihnen doch vergönnen möchten solcher Seelen-Erbauung mit beyzuwohnen.      Wir sagten ihnen, daß es eine grosse Unhöflichkeit von uns seyn würde, wenn wir als Priester einem sollten das Haus verbieten um nicht das Wort GOttes zu hören, sintemal es ja billig wäre, daß Priester-Häuser rechte Bet-Häuser wären: wir hätten auch nöthig, daß viele mit uns um den glücklichen Lauff des Evangelii bitten; Dahero solte es einem jeden frey stehen solcher Erbauung mit beyzuwohnen, jedoch solcher Gestalt, daß alles ordentlich zuginge, und man nichts anders darunter suchete, als die Erbauung seiner Seelen, und die Beförderung göttlicher Ehre. Hierauf so fingen wir das Neue Testament von vornen an zu erklären, mit Bitte, daß ein jedweder die Bibel oder das Neue Testament mitbringen, und auf jedwedes Wort wohl acht geben sollte: welches auch viele thaten und noch thun.      Es wurde aber diese Betstunde gegen Abend von 5 bis 6 Uhr [13] angestellet, und ist folgender massen eingerichtet. Erstlich, so singen wir ein Lied, worzu einem jedweden ein Gesang-Buch mitgetheilet wird; nachmals thun wir ein Gebet. Hierauf wird nach der Ordnung ein Capitel auß dem Neuen Testament gelesen, und alsdann so viel Verse darauß erkläret, als es die Enge der Zeit zulassen will. Endlich wird auf die gehandelte Materie ein Gebet gethan, darinnen sonderlich auch um das Wohlseyn unsers allergnädigsten Königes und seines gantzen hohen Königlichen Hauses gebeten wird: deßgleichen auch um gesegneten Fortgang dieses Werckes unter den Heyden, und um die gantze Christenheit etc. Hierauf wird endlich mit einem Liede geschlossen.      Auf solche Art haben wir dergleichen Betstunden bis hieher täglich in grossem Segen continuiret, und sind in Erklärung des Neuen Testaments gekommen bis auf die Apostel-Geschichte, die aber nunmehro auch bald zum Ende sind. Es ist selbige von vielen stets sehr fleißig besuchet worden, so, daß oftmals kein Raum gewesen zu sitzen. Auch selbsten der Herr Commendant hat selbige unterschiedliche mal besuchet, und davon sehr wohl gesprochen, und sich verwundert, wie wirs doch täglich also außhalten könten. Aber wir können wol mit Warheit sagen, daß wir uns recht freuen, wenn nunmehro 5. Uhr heran nahet, um daß wir uns darinnen ein wenig wieder sammlen und erqvicken können, da man sonsten den gantzen Tag über fast mit lauter Sprachen zu thun, und oftmals lauter solche Sachen zu verrichten hat, die lauter Zerstreuung des Gemüths mit sich führen.      Uberdiß stossen uns fast täglich allerley harte Prüfungen zu, welche aber solcher Gestalt sehr können erleichtert werden, wenn man nicht nur allein für sich, sondern auch in Gegenwart vieler andern das Wort GOttes stets betrachtet, und sich allezeit mit dem Gebet wapnet. Wir haben auch empfunden, daß, je williger wir gewesen mit unsern wenigen Gaben zu wuchern, je mehr Kraft und Gnade uns GOtt mitgetheilet habe. Wie es dann nicht wohl möglich wäre, daß wir unter unsern so vielfältigen Geschäften aushalten, oder bey Leibes-Kräften bleiben könten, wenn nicht der gnädige GOtt uns mit seiner überschwenglichen Kraft und Beystand unterhielte: welches so wohl Christen als auch Heyden und Mahometaner bekennen müssen. Werden wir anders nur GOtt getreu dienen, und in seiner Furcht leben und wandeln; so wird er uns hinkünftig ferner beystehen, und uns in keinem [14] Stück zu schanden werden lassen. Was endlich diejenige Ordnung anlanget, die ich täglich in meinen Amts-Geschäften halte, so bestehet sie in folgenden. Erstlich nach gethanem Morgen-Gebete erkläre ich von 6. bis 7. Uhr den Malabarischen Catechismum Lutheri. Von 7. bis 8. Uhr repetire ich allezeit die aufgeschriebenen und erlerneten malabarischen Vocabula und Phrases. Von 8. bis 12. Uhr lese ich lauter Malabarische Bücher, die ich vorhin noch nicht gelesen habe, in Gegenwart eines alten Poeten und eines Malabarischen Schreibers.      Der Poet muß mir die Zeit und Umstände derjenigen Historie besser und weitläufftiger erzählen, die ich auß diesem oder jenem Buch lese, und wenn in Versen etwas schweres und dunckeles vorkommt, so muß er mir solches erklären. Der Schreiber muß alle diejenigen Vocabula und Phrases aufschreiben, die in Lesung anderer Bücher noch nicht vorkommen sind. Anfänglich hatte ich auch lange einen Translatorem hierbey, Namens Alepla; aber selbigen habe ich nicht mehr von nöthen, weßwegen ihn mein lieber Mit-Collega zu sich genommen hat, um in der Malabarischen Sprache mir ein wenig nachzukommen. Von 12. bis 1. Uhr speise ich, und lasse mir unter währendem Essen auß der Bibel vorlesen. Von 1. bis 2. Uhr ruhe ich ein wenig, sintemal man alsdann vor der ungemeinen Hitze nichts thun kan. Von 2. bis 3. Uhr halte ich eine Catechisation im Hause. Von 3. bis 5. Uhr lese ich wiederum in Malabarischen Büchern. Und zwar habe ich allezeit nur einen gewissen Autorem, den ich durchgehe. Wenn aber solcher wohl durchgangen ist, so fange ich denn wiederum einen andern an. Von 5. bis 6. Uhr halten wir unsere Betstunde. Nach selbiger halten wir eine Stunde conferentz mit einander, da ein jedweder dem andern referiret, was den Tag über in seinen Hause und unter seinen anvertrauten vorgegangen. Dabey man denn auf Rath und Mittel bedacht ist, wie alles in guter Ordnung könne erhalten und im Segen fortgesetzet werden.      Von halb sieben bis 8. Uhr lasse ich mir von einem Malabarischen Schreiber auß Malabarischen Büchern vorlesen; sintemal ich bey Lichte nicht viel lesen darf. Es werden aber zu dieser Zeit sonderlich diejenigen Bücher gelesen, deren stilum ich in allem meinem Reden und Schreiben zu imitiren suche. Dahero ist es geschehen, daß ich oftmals einen dergleichen Autorem zu hundertmal mir vorlesen [15] lassen, so daß kein Wort oder Redens-Art darinnen zu finden, welche ich nicht wüste und imitiren könte. Diese Ubung hat mich in dieser Sprache zu einer grossen Gewißheit und Solidität gebracht.      Von 8. bis 9. Uhr speise ich, und lasse mir abermal auß der Heil. Bibel vorlesen. Nachdem stelle ich ein klein Examen mit meinen Kindern an, auch mit mir selbsten über alle demjenigen, was den Tag über unter Händen gewesen ist, und beschliesse also alle meine Arbeit mit einem Gebet und Gesang. Dieses ist also meine tägliche Ordnung in meinen Amts-Geschäften; worinnen ich aber gestöret werde an allen Kirch-Tagen, so daß ich nicht juste darnach verfahren kan. Uberdiß so habe ich auch fast täglich einen starcken Zuspruch von Malabaren und Mohren, denen ich es niemals abschlagen kan, wenn sie mit mir zu sprechen verlangen, sintemal ich dadurch allenthalben hie herum gantz bekant worden bin, also daß nunmehro oftmals einige Malabarische Poeten von weiten hieher kommen, um mit mir zu discurriren und Bekantschaft zu machen.      Ich selbsten nehme mir auch dann und wann Gelegenheit, unter ihnen diesen oder jenen zu besuchen. Sonderlich befleißige ich mich oftmals in ihre Schulen zu gehen, und auf die herum liegende Städtlein und Dörfer: da ich allenthalben stets eine grosse Menge Malabaren und Moren um mich habe, um ihnen das Evangelium zu verkündigen. Unerachtet aber, daß sie beydes mit ihrer Lehre und Leben in grossen Irrthümern und starcker Finsterniß einher gehen, so muß ich doch gestehen, daß ich auß ihren discursen oftmals zu einem grossen Nachdencken über diese und jene Materie bewogen worden, und also alhier unter den Heyden so wohl in Theologicis als auch Philosophicis vieles erfahren habe, woran ich, oder sonsten andere Gelehrten niemals hätten dencken können.      Ich erinnere mich, daß unterschiedliche Gelehrte in Europa etwas von der Art und Weyse die Heyden zu bekehren, geschrieben haben; aber sie haben gut schreiben gehabt, da sie nur allein mit sich selbst argumentirt haben. Solten sie selbsten unter die Heyden kommen, und ihres Zustandes sich recht erkundigen, so würden sie erfahren, daß solche Heyden auf ein argument oft zehen andere zu machen wüsten. Dahero ist eine grosse Weisheit vonnöthen mit solchen Heyden umzugehen, und sie zu einer rechten Uberzeugung zu bringen, daß ihr Heydenthum falsch, und unser Christenthum wahr sey.

[16] Solche Weisheit kan weder die Logica noch Metaphysica geben, sondern einzig und allein GOtt. Dahero diejenigen, so dessen von nöthen haben, und mit solchen Heyden umgehen sollen, sich immerdar in einem solchen Stande zu leben befleißigen müssen, darinnen der dreyeinige GOtt mit ihnen Gemeinschaft haben kan, und zur Stunde ihnen dasjenige zu wissen thun, was und wie sie reden sollen. Matth. X, 19.[WS 32]      Indessen aber, ob auch schon viele unter dergleichen Heyden zu einer Uberzeugung ihrer Irrwege und zu einigem Erkäntniß der Wahrheit unserer Christlichen Religion gebracht werden; so sind sie doch nicht so bald resolviret[WS 33] ihr Heydenthum zu verlassen und das Christenthum anzunehmen, sondern wissen sehr viele Excusen[WS 34] vorzubringen, und uns Christen weit mehrere Irrthümer in unserm Leben zu zeigen, als wir ihnen wol in ihrer Lehre zeigen möchten: welches denn eine sehr grosse Hinderniß an ihrer Bekehrung giebet, so daß wenn niemals Christen unter ihnen gewesen wären, und sie kein solch ärgerlich Leben gesehen hätten, sondern nur bloß und allein die Christliche Lehre höreten von frommen und gottseligen Personen, sie weit eher, und in einer weit grössern Menge, solten bekehret werden, als nun, da so lange Zeit böse Christen unter ihnen gewohnet, und den Namen Christi durch ihr ärgerliches Leben und Verhalten allenthalben in gantz Ost-Indien bey solchen Heyden verlästert gemacht haben. Jedoch wird GOtt schon noch einige wissen auß ihrer Blindheit zu erretten, ob es gleich ein wenig schwer hergehet, und viele Mühe kostet. Will man aber unter solchen Heyden etwas dauerhaftiges außrichten, so muß man seine meiste Absicht auf die Jugend gerichtet haben. Denn was die Alten anlanget, so siehet man zwar, daß sie die fundamenta[WS 35] unsers Glaubens lernen, auch selbige glauben, und sich nach den Regeln unserer Christlichen Kirche richten: aber gleichwol hält es sehr schwer, daß sie ihre Hertzen dermassen des heiligen Geistes Wirckung übergeben, als wie man wohl wünschte und verlangte. Und unerachtet, daß mannige unter ihnen in einem grossen Eyfer stehen, andere gleichfals mit herzu zu ziehen, so findet man doch noch hier und da in ihrem Leben und Wandel einige Fehler, die ihres Alters wegen nicht so leicht können abgeleget werden. Was aber die Jugend anlanget, so hat man bey ihr hierinnen einen weit grössern Vortheil, und kan dieselbe weit eher und besser zu CHristo geführet werden, als die Alten.      In Ansehung dessen [17] sind wir gleich im Anfang bemühet gewesen fleißig an der Jugend zu arbeiten, worzu auch GOtt seinen sonderbaren[WS 36] Segen gegeben, also, daß die jungen Kinder nunmehro oftmals die Alten bekehren. Wie wir denn beyderseits mit grosser Mühe und Unkosten zwey Schulen angerichtet, und selbige vermittelst göttlicher Gnade im guten Wachsthum bishero unterhalten haben. Mein lieber Collega hält in seinem Hause eine Portugisische Schule, darinnen zugleich auch Dänisch und Teutsch dociret wird. Hierzu haben wir zwey Europäische Personen von der Compagnie Diensten frey gemacht, und zu unseren Praeceptoren angenommen. Der eine ist ein Corporal, der andere aber in Bengalen ein Sergiant gewesen. Nebenst diesen so werden auch noch einige andere gehalten, die hierbey dienen müssen.      Etliche arme Kinder werden auch von uns beständig darinnen unterhalten mit Essen Trincken und Kleidung, die denn nur allein in demjenigen unterrichtet werden, worinnen sie am meisten unserer Kirche dienen können. Ich halte in meinem Hause eine Malabarische Schule mit zweyen Praeceptoribus. Acht Kinder werden täglich darinnen gespeiset und gekleidet. Ich halte folgende Ordnung mit ihnen. Erstlich wenn sie des Morgens aufstehen, müssen sie so bald mit dem einen Praeceptore auf ihre Knie fallen, und ihr Gebet thun; nachmals lernen sie bis halb acht Uhr, da sie denn das erste mal essen, und zwar solcher gestalt, daß sie vor und nach dem Essen auf den Knien beten. Wenn das verrichtet, so lernen sie in der Schule bis 12. Uhr, da sie das andermal essen, und darauf eine Stunde ruhen, wegen der grossen Hitze. Um 2. Uhr fangen sie wiederum an zu lernen, bis halb sieben Uhr, worauf sie das dritte mal essen. Des Abends aber hält der eine Praeceptor eine Repetition mit ihnen, und lässet sie ihr Gebet thun auf den Knien. Darauf ich selbsten mit ihnen ein klein Examen ihres Christenthums anstelle, und sie alsdann schlafen gehen lasse. Ich habe mit meinem Collegen zu der Jugend eine dermassen grosse Liebe, so daß wir beyderseits beschlossen, alle Kinder, so da mit ihren Eltern zu unserer Gemeinde treten möchten, frey zu unterhalten, um daß wir sie desto besser nach unser eigenen Hand erziehen können, und unter ihnen [18] stets solche Leute finden mögen, so da künftig zur Außbreitung der Christlichen Religion können gebrauchet werden. Wir wünschen aber hierbey sehr, daß allhier möchte eine Malabarische und Portugisische Buchdruckerey können angestellet werden, damit man nicht so gar viel Unkosten auf das Abschreiben der Bücher wenden dörfte. Was zwar anlanget die Bücher, so man von den Malabarischen Heyden bekommt, so müssen sie nothwendig nur bloß abgeschrieben werden, wie ich denn auch bishero hierzu 6. Malabarische Schreiber im Hause gehalten habe. Aber diejenigen Bücher, so da von unserer Christlichen Religion in dieser Malabarischen Sprache sind geschrieben worden, und so wohl unserer Gemeinde, als auch denen Heyden communiciret werden sollen, so scheinet es schlechterdings gantz nothwendig zu seyn, daß man selbige drucke, sintemal selbige in Abschreiben über die massen sehr verfälschet werden, auch ungemeine Unkosten verursachen; Welches denn auch die Hinderniß gewesen, daß sie bishero noch nicht haben können unter die Heyden vertheilet werden, außgenommen meine Sonntags-Predigten, die ich zu unterschiedlichen malen abschreiben lassen und selbsten außgetheilet habe.      Hätte ich mir alle diejenigen Malabarischen Bücher sollen abschreiben lassen, die ich in der Malabarischen Bibliothec als in einem Catalogo recensiret habe, so würde es mir viel hundert Thaler gekostet haben: nun aber ich die meisten davon gekauft, so bin ich in etwas näher darzu kommen. Jedoch habe ich derenthalben meine Malabarischen Schreiber viele Tage-Reisen weit ins Land hinein schicken müssen, die allenthalben dergleichen Bücher bey den verwitweten Bramanens Weibern außgeforschet, und selbige von ihnen um einen geringen Preiß gekaufet haben. Es sind aber nebst diesen Büchern annoch viel tausend andere unter den Malabarischen Heyden, die sehr schwer zu bekommen sind. Indessen werde ich mich doch künftig annoch um einige mehrere bekümmern, sintemal ich hoffe, daß ich ihnen ihre Heydnische Abgötterey einmal schriftlich darlegen und auß ihren eigenen Büchern widerlegen werde: da mir denn ihre Bücher sehr zu statten kommen werden, Welches auch anietzo schon geschiehet, da ich stets mündlich mit ihnen discurrire, und ihr heydnisches Wesen widerlege. Meine meiste Sorge aber gehet anietzo dahin, [19] daß die Heil. Schrifft und das liebe Wort Gottes in diese malabarische Sprache möge übersetzet werden als das Fundament der Christlichen Kirche: warum ich auch GOtt täglich anrufe, daß er mich hierzu tüchtig und geschickt machen möge. Es ist zwar diese Malabarische Sprache von allen Europaeischen Sprachen sehr weit unterschieden, aber gleichwol befinde ich, daß das Wort Gottes darein sehr deutlich und verständlich übersetzet werden kan.      Jedoch wird es unmöglich geschehen können, daß man juste bey der einmal eingerichteten versiculation[WS 37] bleibe: Sintemal oftmals der jenige versicul[WS 38] zu letzt gesetzet werden muß, der doch in der Ebräischen und Griechischen Sprache zu erst stehet, und derjenige zu erst, der da zuletzt stehet, und das zwar wegen der sonderbaren construction dieser Sprache. Uberdiß, weil darinnen weder commata, noch semicola, noch puncta gefunden werden; so kan man einen versicul nicht eher schliessen, als bis im teutschen oder andern Sprachen ein punct kommt: Anders würde es von niemand unter den Malabaren verstanden werden. Nun aber findet man gleichwohl in der Bibel so gar sehr viele versicul, die da nur ein oder zwey commata, oder ein semicolon in sich fassen. Dahero denn oftmals in dieser Malabarischen Sprache auß zwey oder drey versiculn nur ein versicul gemacht werden kan. Dabey ich denn einen jedweden versichere, und vor GOtt bezeuge, daß ich hierinnen nicht anders als nach meinem Gewissen verfahren werde, so, als wie ich es dermaleins vor den Richterstuhl JEsu Christi werde verantworten können, hoffende, daß mir hierinnen das Gebet frommer Christen sehr werde zu statten kommen.      Es wird aber solches hohe Werck von mir noch nicht unter zwey Monaten können angefangen werden, wegen der vielfältigen Arbeit, die ich anietzo unter Händen habe, und weil ich resoluiret[WS 39] bin, annoch vorhero diejenigen autores zu repetiren, die in der Malabarischen Sprache den besten und fliessendsten stilum schreiben. In der Ubersetzung selbsten aber gedencke ich gantz allein zu seyn, ohne, daß ich nur einen Malabarischen Schreiber bey mir habe, dem ich alles in den Griffel dictiren könne: Sintemal ich hierinnen eben keine Hülfe von andern nöthig habe, auch solche nicht bekommen könte, wenn ich sie gleich verlangte. Denn es ist alhier weder unter den Christen noch Malabaren einer, so da verstünde nur einen periodum rechtmäßig ohne vitiis zu [20] übersetzen. Und ob zwar unser Translator in vielen Europäischen Sprachen wohl erfahren ist, so hat er mir doch bishero in keinem andern Dinge können behülflich seyn, als in Erlernung der Vocabulen; worinnen er nunmehro auch meinem lieben Collegen sehr dienlich fället.      Was anlanget die Praecepta Grammatica, so hab ich selbige insgesammt auß dem fleißigen Lesen der Malabarischen Bücher gelernet: wie ich denn auch einige vergangenes Jahr mit nach dem Vaterlande geschickt habe, die ihre ungezweifelte Richtigkeit haben. Seit dem aber hab ich noch viel mehrere angemerckt, welche anietzo wegen Enge der Zeit nicht können aufgeschrieben und communiciret werden. Auß diesem allen nun können demnach Euer Hoch-Ehrwürden genugsam schliessen, daß ich nebst meinen treuen Collegen alhier in Ost-Indien nicht müßig gehe; sondern mein Amt nach aller Möglichkeit in acht zu nehmen suche, mich bemühende, daß ich GOTT und meinem Allergnädigsten Könige, einen obwol unvollkommenen, dennoch aber aufrichtigen und willigen Dienst erzeigen möge, in der gewissen Versicherung, daß der GOtt, der mir bishero überschwenglich mit seiner Kraft beygestanden hat, mir auch noch ferner beystehen werde in alle demjenigen, was ich in seinem heiligen Namen anzufangen und fortzusetzen habe.      Wie denn nun Euer Hoch-Ehrwürden sich versichern können, daß wir auf unserer Seiten alhier in diesem heiligen Wercke ämsig begriffen sind, so werden auch sie auf ihrer Seiten daselbsten möglichster massen dahin bemühet seyn, daß alle dasjenige möge dazu contribuiret werden, was da dieses Werck befördern und weiter außbreiten könne.      Wie wir denn über die massen sehr erfreuet worden sind, da wir vernommen, wie Ihre Königl. Majestäten gegen uns, und gegen dieses heilige Werck eine sehr gnädige Intention haben, und zu dessen Beförderung ein ziemliches capital überschicken lassen: daß aber solches verunglücket, und von unsern Augen nicht gesehen worden, solches sehen wir an als eine harte Prüfung GOttes, sonderlich wenn wir betrachten, wie so gar viele gute Anstalten hätten dadurch angerichtet werden können. Indessen aber, wie wir uns dadurch in unsern schweren Amts-Geschäften nicht haben niedergeschlagenes [21] Gemüths machen lassen, sondern dadurch nur destomehr erwecket und aufgemuntert worden sind, unter dem vielfältigen Creutz JESU CHristi dieses Werck unermüdet fortzusetzen; so hoffen wir gleichfals, daß, im Bericht dessen, weder Ihro Königliche Majest. noch Euer Hoch-Ehrwürden, sich in der Liebe Gunst und Wohlgewogenheit zu diesem Wercke stöhren lassen werden; sondern beständig fortfahren, selbiges auf allerley Art und Weyse zu befördern, sich hierbey erinnernde, wie gleichfals zu den Zeiten der heiligen Apostel, die christliche Kirche unter dem Creutze nicht nur allein ihren Anfang, sondern auch ihren Fortgang hatte.      GOtt gebe uns nur Geduld, und lasse uns unter allen Anfechtungen in einem solchen getrosten Muthe beständig verharren. Er segne unsern Anfang, Mittel und Ende, er lasse über das zu seinen Ehren gebauete Jerusalem viel Heyl und Seegen kommen auß dem himmlischen Jerusalem, das da droben, und unser aller Mutter ist; er öffne uns eine Thüre, einzugehen mit dem Evangelio JEsu Christi unter die Heyden; Er begleite alle unsere Worte mit seiner göttlichen Kraft; Er lasse einen starcken geistlichen Regen kommen über dieses sehr dürre Heydnische Land, dadurch viele Seelen mögen erqvicket werden; Er mache zu nichte die Ehre der falschen Götzen, und lasse seine Ehre außgebreitet werden; Er mache eine kräftige Regung und Bewegung beydes unter den Heyden, und auch unter den Mahometanern, daß ein jedweder sich künftig recht ernstlich möge um das Heyl seiner Seelen bekümmern; Er walte mit seiner Güte und Gnade und Barmhertzigkeit über das gesegnete Europa; Er lasse den Thron unsers Allergnädigsten Königes befestiget stehen mit Glück Heyl und Segen; Er lasse das gantze Hohe Königliche Haus Dännemarck ein in der Welt hocherhabenes, mit zeitlichen und ewigen Gütern hochgesegnetes, und von seiner himmlischen und göttlichen Majestät Hochbeseligtes Haus seyn: Er erhalte in erwünschtem Frieden das gantze Königreich Dännemarck, Norwegen, und alle andere Königliche Lande. Er segne darinnen alle Lehrer und Prediger, daß durch sie allenthalben die wahre Gottseligkeit möge angerichtet und erhalten werden. Er lasse auch Euer Hoch-Ehrwürden gesegnet und mit himmlischer [22] Kraft außgerüstet seyn, daß sie ferner daselbsten ihr Amt in grossem Segen führen, und an der Außbreitung des Gnaden-Reiches JEsu CHristi arbeiten mögen; Er segne Dero gantze Hochwertheste Familie, und lasse alle diejenigen Wohlthaten ihr reichlich vergolten werden, die wir ietzt und ehemals von Deroselben genossen haben; Er sey ihr Heyl, und unser Schutz immer und ewiglich: Amen! dieses wünschet von Hertzen

Euer Hoch-Ehrwürden
 
Gegeben in Ost-Indien auf der Küste
Coromandel zu Tranquebar,
den 22. Aug. Anno 1708.
 
Zu Gebet und Liebe
höchlich verbundener
BARTHOLOMAEUS Ziegenbalg,
Diener des Göttlichen Wortes
unter den Heyden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. unterstrichen, Randnotiz „Psal. 12.“, vermutlich bezogen auf Vers 5: »Weil die Elenden Gewalt leiden und die Armen seufzen, will ich jetzt aufstehen«, spricht der HERR, »ich will Hilfe schaffen dem, der sich danach sehnt.« Psalm 12 im Volltext
  2. Friedrich IV. von Dänemark und Norwegen, siehe auch Wikipedia-Artikel
  3. lat.: „beitragen“
  4. dedicatio, lat.: „Widmung“
  5. Religionsunterricht erteilen
  6. entschloss
  7. gelehrt, unterrichtet
  8. Absicht, Vorhaben
  9. aus dem Stegreif
  10. also wohl entsprechend der Predigtordnung für das Kirchenjahr
  11. Anwendung
  12. urgiert, hier: hervorgehoben
  13. Erklärung, Erläuterung
  14. fortgesetzt
  15. fortzufahren
  16. Der kleine Katechismus D. Martin Luthers
  17. iudicium, lat.: Urteil
  18. wiederhole
  19. katechetisch, also persönlich lehrend
  20. exegetisch, also den Text auslegend
  21. dogmatisch, also allgemein lehrmäßig
  22. im damaligen Sprachgebrauch: einfach, klar
  23. Mohamedaner
  24. attentio, lat.: Aufmerksamkeit
  25. Die beiden Missionare haben auch Waisenkinder aufgenommen.
  26. Exegese ist griechisch für Auslegung, Erläuterung.
  27. passiv
  28. Erbauung bedeutet hier Andacht.
  29. Kolosser 3, 16: Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
  30. weißen (von port. blanco)
  31. siehe Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien/Der erste Brieff
  32. Matthäus 10, 19. „Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt.“
  33. entschlossen
  34. Entschuldigungen
  35. Grundlagen, Grundbegriffe
  36. „sonderbaren“ heißt im damaligen Sprachgebrauch „besonderen“
  37. Vers-Einteilung
  38. Vers, Versteil
  39. resolviert, d. h. entschlossen


Geehrter Leser Nach oben Extract aus der Malabarischen Bibliothec
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.