Herman Grijn’s Kampf mit dem Löwen
Zu Köln am Domhof saßen
Die würdigen Herren vom Stift,
Verdrossen über die Maßen
Vor lauter Gall’ und Gift;
Auf sie zu sprechen sein,
Als Grijn, der Bürgermeister
Der reichsgetreu’sten Stadt am Rhein.
Der wahrte jedem Bürger
Daß auch der ärmste Schürger
Nicht würd’ ein Pfaffenknecht;
Deß bosten sich am meisten
Ein Knünch[1] und ein Kaplan;
Doch gar zu gern ein Leids gethan.
Am Domhof lag im Zwinger
Ein Löwe grauenhaft,
Dem kein Athlet und Ringer
Den plagten sie mit Fasten
Und luden gleißnerisch
Den Mann, den bestgehaßten,
Auf guten Imbiß ein zu Tisch.
Und als er am Dom erschien,
Da hieß es: „Schön willkommen
Seid Ihr, Herr Herman Grijn!“
Doch als er stand im Saale
Da brach mit einem Male
Das Löwenungethüm herein.
„Ha! Bin ich so zu Gaste
Geladen an diesen Heerd?“
Sein doppelschneid’ges Schwert.
„Daß man sich so maskire,
Ist das am Dom erlaubt?“
Er rief’s und warf dem Thiere
Und eh’ der Leu begriffen,
Den kölnischen Maskenscherz,
Da fuhr ihm scharfgeschliffen
Der Stahl schon tief in’s Herz.
Getroffen auf den Tod;
Da lag, von der seidenen Hülle
Bedeckt, das arge Gastgebot.
Und als nun tief erschrocken
„Ihr hofftet zu frohlocken“ –
So sprach Herr Herman Grijn;
„Ihr hattet mich dem Leuen
Als Imbiß zugedacht.
Ihr sollt noch sterben diese Nacht.“
Da half kein Dräu’n und Bitten;
Bald war der Spruch gethan,
Den Henkertod erlitten
Am Rathhaus sieht man heuer
Gemeißelt noch in Stein
Das Löwenabenteuer;
Zur Lehre soll’s dem Enkel sein. –
Vom Löwenkampf am Dom;
Drum gilt noch heutzutage
Das Wort am deutschen Strom:
Ob süß es fall’, ob sauer,
Halt fest, du kölnischer Bauer,
Halt fest am Kaiser und am Reich!
- ↑ Knünch, contrahirt aus Canonicus (wie Münch aus Monachus), ist die von Alters her in den Rheinlanden und in den oberdeutschen Gegenden noch heute volksübliche Bezeichnung der Stifts- und Domherren.