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Haugwitz nach der Schlacht bei Austerlitz

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Textdaten
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Autor: Hermann Hüffer
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Titel: Haugwitz nach der Schlacht bei Austerlitz
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 6 (1891), S. 102–104.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[102] Haugwitz nach der Schlacht bei Austerlitz. Selten ist einem Gesandten eine Unterhandlung so sehr zum Tadel, ja zur Schmach angegerechnet worden, als dem Grafen Haugwitz die Ergebnisse jener Reise, die er nach dem Potsdamer Vertrag vom 3. November 1805 in das Hauptquartier Napoleon’s unternahm. Dem Französischen Kaiser sollte er Bedingungen vorschreiben, deren Nichtannahme voraussichtlich den Krieg herbeiführen musste; statt dessen kehrte er zurück mit einem Vertrage, der Preussen mit allen Verbündeten entzweite und dem Willen eines gleichwohl nicht versöhnten Gegners unterwarf. Wie viel Schuld dabei den Minister trifft, was zu seiner Entschuldigung angeführt werden kann, suchte ich vor kurzem in dem Buche über „die Kabinetsregierung in Preussen“ (S. 179 ff.) darzustellen. Einen Punkt möchte ich hier etwas weiter, als dort geschehen konnte, ausführen.

Jeder weiss, dass Haugwitz wenige Tage vor der Schlacht bei Austerlitz, am 28. November, zu Brünn mit Napoleon eine erste, mehrstündige, ergebnisslose Besprechung hatte, und dass die Bedingungen des Vertrages vom 15. December in einer stürmischen Unterredung festgesetzt wurden, welche übrigens nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, am 13., sondern am 14. December in Schönbrunn stattfand[1]. Ausserdem soll aber Haugwitz auch am 7. December in Brünn eine Audienz erbeten und erhalten haben. Bignon, der von Napoleon berufene Geschichtschreiber der kaiserlichen Diplomatie, berichtet darüber: „Le 7 décembre, le comte d’Haugwitz eut, à Brunn, une seconde audience de l’Empereur. S’il était difficile à cet envoyé de ne pas exprimer quelque admiration sur le grand événement qui venait d’avoir lieu, il était naturel que Napoléon répondit: »C’est un compliment dont la fortune a changé l’adresse«“[WS 1]. Bignon erzählt weiter, Napoleon habe zwar Vorwürfe gegen die Preussische Politik nicht zurückgehalten, aber doch den Wunsch gehegt, seine Beziehungen zu Preussen noch als freundliche erscheinen zu lassen. In das Bulletin vom 7. December habe er zwar mit Beziehung auf Preussen die Bemerkung einfliessen lassen: 150 000 Feinde mehr hätten den Krieg nur um einige Zeit zu verlängern vermocht; aber gleich folge dann: alle Intriguen der Russen und Engländer seien machtlos gewesen gegen den verständigen Sinn und die hohe Weisheit des Königs von Preussen[2]. Aehnliche Darstellungen finden sich [103] in späteren Werken; unter manchen nenne ich nur die Mémoires tirés des papiers d’un homme d’Etat (Paris 1835. IX, 45), die wenigstens zum Theil nach Originalquellen sorgfältig bearbeitete Histoire des cabinets de l’Europe von Lefebvre (1845. II, 232) und Häusser’s Deutsche Geschichte (1862. II, 663). Wer sollte bei so vielen übereinstimmenden Angaben die Wahrheit der Thatsache bezweifeln? Und doch lässt sich aus den sichersten Quellen erweisen, dass die Conferenz, welche dem Preussischen Minister durchaus nicht zur Ehre gereichen würde, niemals stattfand. Haugwitz hat freilich aus Wien über seine Erlebnisse nur spärliche Nachrichten gegeben. Aber in dem ausführlichen Bericht, den er gleich nach seiner Rückkehr, am 26. December, für den König verfasste, erzählt er umständlich, wie er nach der ersten Unterredung in Brünn sich auf Napoleon’s Wunsch nach Wien begab, um dort die Ereignisse zu erwarten. „Am Morgen des 5. December“, fährt er fort, „erfuhr ich von Herrn von Talleyrand die Zusammenkunft der beiden Kaiser in Folge der Schlacht bei Austerlitz, und dass der Kaiser Napoleon wünsche, mich bei seiner baldigen Rückkehr in Wien zu finden. Ich blieb mehrere Tage in Wien in Erwartung der Ankunft des Kaisers, und verwandte dieselben, um mich auf die Rolle, die ich auszufüllen hatte, vorzubereiten. Endlich (am 13.) erfolgte sie, und bald nachher wurde ich zur Audienz berufen“[3]. Kann man nach diesen Worten für möglich halten, dass der Minister zwischen dem 5. und dem 13. eine Audienz bei Napoleon in Brünn gehabt und eine so wichtige Thatsache ganz und gar verschwiegen hätte? Dieser gleichzeitigen Darstellung entspricht das Fragment der Memoiren, welches Haugwitz im Greisenalter aufzeichnete oder durch einen – leider wenig befähigten – Vertrauten niederschreiben liess. Nach der Schlacht bei Austerlitz, heisst es darin, wurde Haugwitz officiell eingeladen, die Ankunft Napoleon’s in Wien zu erwarten. Dort fand die erste Zusammenkunft des Siegers mit dem Minister statt[4]. Auch Napoleon bestätigt diesen negativen Beweis des Alibi, wenn er in dem oben erwähnten Brief an Talleyrand vom 13. December schreibt: „Quant à la Prusse, que veut-elle? je n’en sais rien. Il paraît qu’elle envoie une armée en Silésie. Je n’ai pas encore vu M. de Haugwitz“[5].

Ist somit nach übereinstimmendem Zeugniss der beiden Hauptbetheiligten die Zusammenkunft in Brünn am 7. December als eine Fabel zu betrachten, so bleibt doch die Frage: wo liegt die Veranlassung [104] des Irrthums? Auch diese lässt sich mit Sicherheit nachweisen. In dem Bulletin vom 10. December erzählt Napoleon, er habe am selben Tage den Fürsten Repnin, Tags vorher den Friedensboten, Fürst Johann von Liechtenstein empfangen, und sein erster Adjutant Junot habe nach der Abreise des Kaisers Alexander den Kaiser Franz in Holics gesprochen. Weiter heisst es dann in dem Bulletin: „Sa Majesté a reçu à Brünn M. de Haugwitz et a paru très satisfaite de tout ce que lui a dit ce plénipotentiaire“[6]. Daran schliesst sich eine lange Expectoration über Preussen, welche unter anderem die oben mitgetheilten, von Bignon angeführten Aeusserungen enthält. Die von Napoleon zuerst erwähnten Begegnungen ereigneten sich sämmtlich nach der Schlacht und kurz vor Abfassung des Bulletins. Jemand, der mit den Ereignissen nicht genauer bekannt war, konnte desshalb, wenn er unmittelbar darauf von der Audienz des Grafen Haugwitz las, auch diese für ein gleichzeitiges Ereigniss halten. In der That bezieht sich aber Napoleon auf die Unterredung mit Haugwitz in Brünn vom 28. November; die Zeitbestimmung hat er wahrscheinlich desshalb im Dunkeln gelassen, weil ihm daran gelegen war, gerade für die Zeit des 10. December eine freundliche Begegnung mit Haugwitz in den Vordergrund zu stellen. So ist Bignon getäuscht worden. Er begeht aber noch den weiteren Fehler, dass er die Worte über Preussen, welche dem Bulletin vom 10. December angehören, in das Bulletin vom 7. December versetzt, welches nichts dergleichen enthält. Und da nach seiner Auffassung eine Audienz des Grafen Haugwitz unmittelbar vorhergegangen war, so verlegte er eine solche auf den 7. December.

Die beiden Französischen Schriftsteller haben nur die Erzählung Bignon’s wiederholt; deutlich erkennt man es daraus, dass sie gleichfalls die Worte des Bulletins vom 10. December dem vom 7. zuschreiben. Auch Häusser konnte zu einer Zeit, wo vieles von dem, was heute gedruckt vorliegt, nur mühsam in den handschriftlichen Acten zu finden war, einem Schriftsteller folgen, der, im allgemeinen glaubwürdig, nicht selten echten, nur ihm zugänglichen Quellen eigene und richtige Mittheilungen entnommen hat.

Hermann Hüffer.     

Anmerkungen

  1. Napoleon schreibt am 13. December von Wien aus an Talleyrand: „Je n’ai pas encore vu M. de Haugwitz“. Am 14. berichtet er über die „Conférence d’aujourd’hui“; vgl. Corresp. de Napoléon I. XI, 573 u. 581.
  2. Bignon, Histoire de France depuis le 18 Brumaire jusqu’à la paix de Tilsit, Paris 1830, V, 13.
  3. Der Bericht abgedruckt bei Ranke, Denkwürdigkeiten des Fürsten Hardenberg. Leipzig 1877. V, 225.
  4. Minerva, ein Journal von Dr. Fr. Bran, 1837. IV, 10 ff.; 538 f.
  5. Correspondance XI, 573.
  6. Correspondance XI, 568 f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schließendes Anführungszeichen fehlt.