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Hans und die Königstochter

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Textdaten
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Autor: Ernst Meier
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Titel: Hans und die Königstochter
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 101-109
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[101]
29. Hans und die Königstochter.

Es war einmal ein reicher Müller und Wirthsmann, der hatte drei Söhne, die gedachte er in die Fremde zu schicken, damit sie in der Welt sich umsehen und etwas Tüchtiges lernen sollten; nur den dritten und jüngsten, welcher Hans hieß, den wollte er nicht mitfortlaßen, denn er meinte, der sei zu dumm, um etwas zu lernen und werde bloß sein Geld verschwenden. Allein Hans ließ dem Vater keine Ruhe, bis er ihm endlich auch die Erlaubniß ertheilte. Da bekam jeder der Brüder fünfzig Gulden Reisegeld und außerdem einen Rohrstock, und so zogen sie mit einander fort.

Als sie nun an den ersten Wegweiser kamen, beschloßen sie, sich zu trennen und jeder eine besondere Straße einzuschlagen, steckten aber ihre Reisestöcke an den Wegweiser, bis sie heimkehren würden, auf daß dann ein jeder, sobald er nur zu dem Wegweiser käme, sogleich erkennen könnte, wer von ihnen zurückgekehrt sei. Und darauf zog der eine zur Rechten, der andre zur Linken und der Hans gieng grad aus.

Nachdem Hans nun einige Tage lang auf seiner Straße fortgewandert war, fieng es an zu regnen und wollte gar nicht wieder aufhören; deshalb setzte er sich in ein Wirthshaus, aß und trank, was er mochte, und weil er endlich lange Weile kriegte, so spielte er und verspielte alsbald all sein Reisegeld. Da wußte er sich nicht mehr zu helfen und wanderte traurig weiter und kam gegen Abend vor ein Schloß, schaute hinauf und dachte: „vielleicht behält man dich hier über Nacht“ und gieng hinein. Der Edelmann [102] gab ihm auch Herberge, fragte ihn aber: was er denn in der Welt so herumlaufe? – „Ich suche Arbeit!“ sagte Hans. – „Wenn das ist, versetzte der Edelmann, so kannst Du bei mir bleiben und meine Schafe hüten; nur mußt Du mir versprechen, daß Du nie in den Wald treiben willst; denn dort sind drei Riesen, und wenn die Dich sähen, so müßtest Du sterben.“ Nein, der Hans sagte, daß er gewiß nicht in den Wald gehen wolle, und hütete im freien Felde und hatte große Freude an der Schäferei.

Eines Sonntags aber, als Hans spazieren gieng, kam er in die Nähe des Waldes, und weil er sich vor Niemand fürchtete, so dachte er: du sollst doch einmal untersuchen, wie es in dem Walde aussieht, und spazierte hinein. – Da kam er an ein Schloß und sah unten im Stalle sechs schöne Schimmel stehen; dann gieng er in das Schloß hinein und spazierte von einem Zimmer in’s andre, konnte aber nirgends einen Menschen gewahr werden. Endlich im obersten Stockwerk, im allerletzten Zimmer, da traf er ein Fräulein, das saß da und fragte ihn ganz verwundert, was er hier wolle? „ich bin spazieren gegangen, sagte Hans, und so bin ich hieher gekommen.“ Da bat ihn aber das Fräulein, er solle doch ja gleich wieder fortgehen; denn wenn die drei Riesen ihn hier anträfen, sagte sie, so würden die ihn umbringen. Allein Hans sagte, er fürchte sich vor Niemand. Darauf schenkte ihm das Fräulein, welches eine verwünschte Prinzessin war, eine Pfeife und sprach: „wenn Du da hineinbläsest, so muß Alles tanzen, was den Ton hört. Nun aber leb wohl, und denke an mich, wenn es Dir gut geht!“

[103] Als Hans nun wieder seines Herrn Schafe hütete, bekam er große Lust, einmal in den Wald zu treiben, weil er so schönes Gras darin gesehen hatte; er wagte es aber nicht recht wegen des Versprechens, das er dem Edelmann hatte geben müßen. Endlich aber dachte er: „was kann’s schaden!“ und trieb seine Schafe hinein und Abends wieder heraus, ohne daß ihm irgend etwas geschehen wäre, und deshalb hütete er von dem Tage an öfters in dem Walde. Von dem guten Grase aber gediehen die Schafe so sichtbar, daß der Edelmann sich nicht genug darüber verwundern und freuen konnte.

Eines Abends aber, als Hans seine Schafe noch spät in den Wald trieb, kam einer der drei Riesen auf ihn zugeschritten und sprach: „was machst Du hier, Du kleiner Erdenwurm?“ Da zog Hans flink seine Pfeife hervor und blies hinein; da fieng der Riese auf der Stelle an zu tanzen und drehte sich immer geschwinder wie ein Kreisel, daß ihm Hören und Sehen vergieng. Darauf nahm Hans einen Stein und warf ihn dem Riesen so heftig an den Kopf, daß er davon todt hinstürzte; dann schnitt er ihm die Zunge ab und stach ihm die Augen aus, und wickelte dieß als Wahrzeichen ein und schob’s in die Tasche; den Leichnam aber wälzte er in’s Gebüsch und gieng heim, und sagte keinem Menschen, was er gethan hatte.

Als Hans am folgenden Tage wieder in dem Walde hütete, kam der zweite Riese und redete ihn ganz grimmig an: „was machst Du hier, Du kleiner Erdenwurm?“ Und wie er nun auf den Hans losschlagen wollte, griff der gleich [104] wieder nach seiner Pfeife und pfiff in Einem fort, daß der Riese an zu tanzen und zu taumeln fieng und gar nicht wußte, wie ihm geschah. Da nahm Hans einen Stein und schleuderte den dem Riesen an den Kopf, so daß er umfiel und todt war; dann schnitt er ihm auch die Zunge ab und stach ihm die Augen aus und wickelte diese Zeichen ein und steckte sie in die Tasche. – Ebenso machte er es am andern Tage dem dritten Riesen und schnitt ihm ebenfalls die Zunge und die Augen heraus und nahm sie mit; die Leichen aber wälzte er in’s Gebüsch und ließ sie im Walde liegen.

Nachdem nun Hans die drei Riesen umgebracht hatte, gieng er in’s Schloß zu der verzauberten Prinzessin und fragte sie: ob bloß drei Riesen da wären? Da schaute sie ihn ganz ernsthaft und verwundert an und sprach: „ja, es sind drei!“ Dann aber sprach sie weiter: „weshalb fragst Du so? sind drei nicht genug?“ Da sagte Hans: „nun, wenn es nicht mehr sind, so ist’s gut; mit den dreien bin ich schon fertig.“ Und dabei zeigte er der Jungfrau die Zungen und Augen der Riesen, und als sie nun sah, daß sie wirklich todt waren, da ward ihr überaus leicht und fröhlich zu Muth und sie bedankte sich, daß Hans sie wirklich erlöst hatte und fragte ihn: ob er sie heirathen und König werden wolle? – Da besann sich Hans nicht lange, denn die Prinzessin war so lieb und schön, daß es gar nicht zu sagen ist, und verlobte sich mit ihr ganz in der Stille; aber einstweilen müße er seine Dienstzeit bei dem Edelmann aushalten, sagte er, und gieng wieder zu ihm hin und hütete ihm die Schafe, während die Prinzessin zu ihren Eltern reiste.

[105] Als Hans nun aber nach längerer Zeit immer noch nicht zu seiner Braut kam, so ließ der König bekannt machen, daß derjenige, welcher die drei Riesen erlegt habe, sich doch bei ihm einfinden möge; denn er wolle ihm seine Tochter zur Gemahlin geben und mit ihr solle er das ganze Königreich erben. Zugleich hatte er den Tag festgesetzt, an welchem der Besieger der Riesen sich bei ihm melden und seine Siegeszeichen vorweisen sollte. – Da hatte Hans keine Ruhe mehr und verrieth es dem Edelmann, daß er die Riesen todt geworfen habe; und weil ihn der Edelmann so sehr plagte, so nannte er ihm sogar den Platz im Walde, wo die Leichen lagen.

Da gedachte der Edelmann den Hans um das Königthum zu betriegen, und ließ heimlich die Leichen holen und schickte seinen Sohn damit zum Könige. Allein Hans war auch nicht zu Haus geblieben; und als nun der Sohn des Edelmanns mit den todten Riesen ankam und die Königstochter haben wollte, da trat er hervor und meinte, es sei eine Kleinigkeit, die todten Leichen hieher zu führen; man solle doch nur nachsehen, diese Riesen hätten ja keine Augen und keine Zungen. Und als dieß so befunden wurde, wußte der junge Edelmann gar nicht, was er sagen sollte. Hans aber hielt ihm seine Arglist vor und zog die Wahrzeichen aus der Tasche und wurde also als der wahre Riesenerleger erkannt, und die Prinzessin bestätigte es endlich noch.

Jetzt wollte Hans die Prinzessin auch heirathen, wie es der König versprochen hatte; allein dem König und seinen Prinzen schien der Hans viel zu gering und sie wollten’s [106] nicht zugeben, es sei denn, daß er auch in einem Ringstechen Sieger bleiben würde. Sie meinten aber ganz gewiß, daß der dumme Schäferbursch hier den Sieg nicht gewinnen werde.

Da begab sich Hans in den Wald zu den Dienern der Riesen, die noch immer in dem Schloße wohnten, und erzählte ihnen, wie es ihm gegangen war. Da gaben sie ihm schöne Kleider und sattelten ihm ein Pferd und sagten ihm, wie er es bei dem Ringstechen machen müße. Dann ritt er hin und wurde von Niemand erkannt, und ließ alle andern Ritter zuerst nach dem Ringe stechen; aber keiner konnte ihn treffen; zuletzt ritt er selbst hin und stach ihn herunter. – Als er aber darauf sich zu erkennen gab und wiederum die Prinzessin verlangte, hatte der König neue Ausreden und sagte: er müße vorher auch erst eine Weile in’s Kloster gehen und etwas lernen, dann solle er König werden.

Das Kloster aber, in welches Hans jetzt geschickt wurde, war ein verwünschtes Schloß, darin trieben dreizehn Teufel alle Nacht einen wilden Lärm und brachten Alles um, was darin sich schlafen legte. Hans gieng nun ganz wohlgemuth in das Kloster, durchsuchte es von unten bis oben und sah nirgends Niemand; nur im allerobersten Stock, im letzten Zimmer, traf er eine Frau, die erschrack als sie ihn sah und fragte: was er da machen wolle? er solle doch ja eilen, daß er wieder hinauskomme; denn Nachts um zwölf Uhr kämen dreizehn Teufel, und die ließen keinen Menschen wieder lebendig fort, sagte sie. – Hans aber sagte: „ich fürchte mich vor keinem Teufel!“ und blieb da.

Als es nun Mitternacht war und eben Zwölf geschlagen [107] hatte, da rasselte und trappelte es in dem Schloß die Treppe herauf, und alsbald gieng die Thür auf und die dreizehn Teufel traten in das Zimmer, wo Hans sich aufhielt; der aber nicht faul, zog sogleich seine Pfeife aus der Tasche und fieng an zu blasen; da mußten sogleich alle dreizehn tanzen und sprangen wie die Narren: je ärger er pfiff, je toller mußten sie sich drehen, das gieng auf Mord und Brand und währte so lang, bis alle dreizehn umfielen und sich rein zu todt getanzt hatten. Dann schlief Hans getrost bis zum Morgen, gieng zum König und sagte: „die dreizehn Teufel liegen im Schloß und sind todt; auch hab’ ich jetzt genug studirt und begehre das, was mir versprochen worden.“ Da wagte es der König nicht länger, den Hans abzuweisen, sondern gab ihm seine Tochter zur Gemahlin und mit ihr ein ganzes Königreich, welches Hans alsdann wohl regierte; und beide junge Eheleute waren sehr froh und glücklich mit einander.

Nach einigen Jahren aber dachte Hans: „ich möchte doch einmal wieder nach Haus und sehen, ob meine Brüder schon da sind und was aus ihnen geworden ist.“ Deshalb legte er seine alten Schäferkleider wieder an, nahm die Schippe in die Hand, verabschiedete sich von seiner Gemahlin und reiste fort. – Als er nun an den Wegweiser kam, wo sie ihre Rohrstöcke mit einander eingesteckt hatten, da war bloß der seinige noch da; den nahm er flink und fröhlich und eilte, daß er damit heimkam zu seinen Brüdern.

Zu Haus aber fragte ihn alsbald der Vater: „Hans, was hast Du denn gelernt?“ „Ich bin ein Schäfer!“ sagte [108] Hans. Ei, das verdroß den Vater gar sehr und er ward böse und sprach: „der eine Bruder ist General geworden, der andre ein Kaufmann, und Du bloß ein Schäfer! Nun so kannst Du künftig unsre Gänse hüten.“ Und wie er gesagt hatte, so geschah es auch. Dazu bekam Hans des Nachts kein ordentliches Bett, sondern mußte unter der Treppe im Gänsestall liegen, kriegte auch so wenig zu eßen, daß er nur eben nicht Hungers zu sterben brauchte. Das Alles aber ließ er sich ganz ruhig gefallen und schmachtete, und wenn er allein war, so unterhielt er sich mit seiner Pfeife und tröstete sich im Stillen mit seiner Königin.

Endlich, nach etwa sechs Wochen, als Hans eines Abends mit seinen Gänsen heimkam, war eine fremde Dame da, die in dem Wirthshaus übernachten wollte, und das war die Königin, die war ausgezogen, um ihren Gemahl zu suchen, ließ aber nicht merken, wer sie war.

Als sie nun Abends die beiden ältesten Söhne des Müllers sah, fragte sie ihn: ob er sonst keine Kinder mehr habe? Er sagte, ja, er habe wohl noch einen Sohn, der sei aber so einfältig, daß er sich ordentlich seiner schäme und ihn nicht sehen laßen könne. Die Dame aber wollte ihn doch gern sehen und ließ nicht eher ab, als bis der Vater versprach, den Hans zu holen. – Wie er nun ankam, erkannte er sogleich seine Gemahlin, verstellte sich aber und machte nichts als Dummheiten vor der Königin, daß der Vater ihn beinah geprügelt hätte; die Dame aber, die ihn ebenfalls sogleich wieder erkannt hatte, ließ es nicht zu und mußte recht herzlich über ihn lachen.

[109] Jetzt sollte zu Nacht gegeßen werden. Der Vater schickte den Hans in die Küche, er sollte die Suppe holen. Hans gieng hin, nahm die Suppenschüßel, trug sie bis in die Thür, und – „patsch, da liegst!“ daß die Suppe in der Stube herumschwamm. Da wurde der Vater ganz wild und ergriff einen dicken Stock, und hätte ihn gewiß grün und blau geschlagen; allein die fremde vornehme Dame litt es nicht. Dann wollte der Vater ihn wenigstens zur Stube hinausjagen; allein auf Bitten der Dame mußte er da bleiben und seine Streiche fortmachen.

Als es nun Schlafenszeit war, wurde dem Hans wieder der Gänsestall unter der Treppe angewiesen; die Königin aber flüsterte ihm heimlich in’s Ohr: „ich laß’ ein Fenster offen!“ und gieng zu Bett. Und wie nun Alles im Hause fest eingeschlafen war, kroch Hans aus seinem Stalle hervor, kletterte auf den Nußbaum, der hinter dem Fenster stand, und stieg von da in’s Fenster und husch! zu seiner Königin hinein.

Da gab’s ein Küssen und Drücken, als sie sich wieder hatten, und schliefen vergnügt beisammen, bis daß der helle Tag anbrach. Dann legte Hans seine königlichen Kleider an, die ihm seine Gemahlin mitgebracht hatte, und gieng an ihrer Seite hinunter in die Wirthsstube und sagte seinem stolzen Vater und den beiden Brüdern rechtschaffen die Meinung, daß sie ihn so gequält hatten. Sein väterliches Erbtheil aber vermachte er den Armen und zog vergnügt mit seiner Gemahlin wieder in die Hauptstadt seines Reiches, wo er sein Lebenlang in Frieden und Freude regiert hat.

Anmerkung des Herausgebers

[306] 29. Hans und die Königstochter. Mündlich aus dem würtembergischen Oberlande. Hier nimmt Hans für kurze Zeit wie der Sohn des Kohlenbrenners Nr. 25, die Stelle eines männlichen Aschenputtel oder Aschenbrödel ein. Der Zug, daß sich der wirkliche Sieger durch die abgeschnittene Zunge ausweist, kommt öfters vor. Vgl. Nr. 58. Hans trennt sich von der Königstochter wie Sigurd, der Drachentödter von der befreiten Brynhild. Ebenso Nr. 58. – Verwandt ist bei Wolf, S. 369, der Hinkelhirt (Hühnerhirt) der auf drei verschiedenen Pferden eine Prinzessin von einem dreiköpfigen Drachen erlöst, dann dreimal in einem Ringstechen siegt und zuletzt an einer Wunde erkannt wird, wie bei mir in Nr. 1, der Schäfer und die drei Riesen. Vgl. bei Grimm Nr. 60. die zwei Brüder. Eine zweite Erzählung aus Bühl hat manches Eigenthümliche:

Ein reicher Bauer hatte drei Söhne; von denen giengen zwei oft in’s Wirthshaus; so oft sie aber etwas sagen wollten, hieß es immer: was wißt denn ihr? ihr seid ja noch nie hinter euers Vaters Brodtisch weggekommen. Darüber ärgerten sie sich so, daß sie endlich ihren Vater baten, er möge sie reisen laßen. Der Vater erlaubt es. Da will auch Hans, der jüngste, mit, obwohl er sonst nie aus dem Hause gekommen war. Sie ziehen mit einander aus, verstecken ihre Rohrstöcke und machen aus, wer zuerst heimkomme, der solle die Stöcke mitnehmen. Die Brüder ziehen zur Rechten und zur Linken, der Hans aber grad aus und kommt durch zwei Königreiche; in dem letztern findet er Arbeit und kriegt die Schaafe des Königs zu hüten. Das verstand [307] er aber so gut, daß er die Schaafe exerciren ließ. Als er nun gegen Abend heimkam und die Schaafe alle aufrecht auf den Hinterbeinen giengen und im Schritt und Takt: „Eins, zwei!“ aufmarschirten, da mußte der König und Alles, was im Schloße war, laut lachen. Der König läßt ihn kommen und fragt ihn, wie er heiße? „Grad so wie mein Vater,“ sagt der Hans. „Wie heißt denn dein Vater?“ fragt der König. „Grad so wie ich,“ sagt Hans, so daß der König lachte und ihn gehen ließ. Nun verbot ihm aber der König einen Garten, darin seien drei Riesen, die würden ihn freßen. Das reizte aber den Hans, daß er gleich am andern Morgen mit seinen Schaafen dorthin marschirte. „Ich bin der Hans-fürcht-di-nit, so g’schieht-dir-nichts! und will doch sehen, wer mir da was thun könnte,“ sagte er. Aber Mittags kam ein großer Riese; Hans stellt sich auf einen Steinhaufen, läßt den Riesen nah kommen und ersticht ihn dann mit seinem kleinen Schwerte und schneidet ihm die Zunge ab. Ebenso macht er es noch zwei andern Riesen, die aber noch größer waren, als der erste. Der letzte hatte ein Bund Schlüßel bei sich; das nimmt Hans und sieht ein Schloß und hört Holz hauen und sägen und arbeiten um das Schloß herum. Das waren die Sclaven der Riesen. In dem Schloß trifft er die Tochter des Königs, die er erlöst hat, schickt die Sclaven nach Haus bis auf einen, der ihm das Schloß hüten muß. Ebenso entläßt er die Prinzeß zu ihrem Vater, während er mit seinen Schaafen heimkehrt. Indes zwingt der Mundschenk die Prinzessin, die er unterwegs trifft, zu sagen, daß er die Riesen erlegt habe. Nun läßt der König bekannt machen, wer in einem Ringstechen Sieger werde, der solle die Prinzessin zur Frau bekommen. Allein Niemand kann es. Hans, der Morgens mit seinen Schaafen exercirend ausgerückt war, geht in das befreite Schloß, läßt von dem Diener sich ein schönes Pferd und einen weißen Anzug bringen und reitet hin und siegt und geht unerkannt wieder fort. Ebenso das zweite Mal in einem blauen Anzuge und das dritte Mal in einem königlichen Kleide. Dann geht er in seiner Schäfertracht zu seinem Vater und muß dort die Gänse hüten. – Eines Abends, wie er mit den Gänsen heimzieht und auf einer Gais wie gewöhnlich hinter drein reitet, kommt der älteste Bruder in einem schönen Wagen daher gefahren. Hans erkennt ihn und grüßt ihn vergnügt; er aber sagt: „Ich habe keinen Gänsehirten zum Bruder,“ und will nichts von ihm wißen. Da ruft Hans: „Hettelse, Hettelse!“ (so lockt man gewöhnlich die Gais oder Hettel,) worauf alle Gänse sich erheben [308] und vor den Wagen fliegen, so daß der stolze Bruder nun langsam bis an sein elterliches Haus hinter den Gänsen her fahren muß, während Hans ganz lustig auf seiner Gais reitet. Ebenso machte er es bald darauf auch dem zweiten Bruder, der aus der Fremde heimkehrte und sich viel vornehmer dünkte, als Hans, der Gänsehirt.

Mittlerweile hatte die Prinzessin sich aufgemacht, um ihren Erretter selbst aufzusuchen und zog von Land zu Land, bis daß sie endlich auch zu Hans kam. Beide erkannten sich sogleich, und die Prinzessin merkte wohl, daß er nur vor den Leuten sich so verstellte und lachte daher über die Maßen bei all den Thorheiten und Tollheiten, die er machte. So warf er mehrmals die Eßschüßeln, die er auftragen sollte, auf den Boden. Als er zur Strafe dafür in den Gänsestall gesperrt wird, schlachtet er alle Gänse; als er darauf in den Keller geworfen wird, öffnet er alle Weinfäßer und läßt sie auslaufen. Dafür bekommt er von den Brüdern einen Buckelvoll Schläge, tröstet sich aber, daß er die Nacht bei der Prinzessin schlafen dürfe. Am andern Morgen erscheint er in seinem königlichen Anzuge, gibt seinem Vater 200 Mann Einquartirung, läßt seinen Brüdern die Schläge heimgeben und zieht dann mit seiner Prinzessin fort und bekommt mit ihr zugleich ein ganzes Königthum.

Die exercirenden Schaafe kommen auch in einem Märchen bei Wolf. S. 327 vor.