Zum Inhalt springen

Hans Makart’s „Künstlerheim“

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Franz Wallner
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Hans Makart’s „Künstlerheim“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 569, 570
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[569] Hans Makart’s „Künstlerheim“. Die namhaftesten deutschen Maler haben eine große Vorliebe, ihr Atelier mit allem Aufgebote künstlerischer Mittel und geläuterten Geschmackes zu verzieren. Die Geburtsstätten der Werke eines Professor G. Richter, eines Widder, Henneberg, Piloty etc. sind Merkwürdigkeiten von Berlin, Rom und München.

Wie aber Hans Makart an blendender Farbenpracht seiner Palette und glühender Phantasie die meisten seiner Collegen überragt, so hat er auch sein Atelier in eine farbensprühende, bunte Märchenwelt verwandelt, welche die Wenigen, die zu diesen wunderbaren und wunderlichen Räumen den verborgenen Eingang finden, wie das Gebilde eines mächtigen Zauberers überrascht. Ein Freund Makart’s, einer der namhaftesten und sachverständigsten Kunstindustriellen der Residenz, übernahm es, mich in das geheimnißvolle Künstlerheim einzuführen, welches sich, bei der scheuen Zurückgezogenheit des deutschen Veronese, nur wenigen Begünstigten öffnet.

[570] Ein wohlgepflegter Garten umbuscht das mächtige Gebäude, welches kaiserliche Huld dem Schöpfer der Farbenwunder zur freien Disposition gestellt hat. Auf diesem Grunde, der einst die Stätte war, wo ein namhafter Bildner Werke schuf, welche einen Hauptplatz Wien’s zieren, ein Künstler, dessen Geist jetzt leider umnachtet ist, hat unser Hans Makart sein phantastisches Daheim geschaffen. Durch mächtige Pforten von deren Karnieß in schweren Falten reiche Gobelinvorhänge herab wallen, treten wir in den Malerpalast. Der Herr des Hauses, eine zierliche aber sehnige Gestalt, mit ausdrucksvollen feinen Zügen, glühenden Augen, das schöne Antlitz von schwarzem Vollbart umrahmt, tritt mir entgegen und heißt mich, in Berücksichtigung meines Begleiters, willkommen.

Er stand soeben vor seiner neuesten, dem Publicum noch unbekannten Schöpfung, an welche er die letzte Hand legte. Das Riesenbild nimmt fast die ganze ungeheuere Seitenwand des Ateliers ein und wird durch eine sinnreiche mechanische Vorrichtung mit Leichtigkeit in die Höhe gehoben oder in die Tiefe versenkt und so dem Künstler ohne große Schwierigkeiten nach allen Punkten zugänglich. Den Gegenstand des neuen Meisterwerkes, welches den Blick des Eintretenden sofort unwiderstehlich fesselt, bildet ein „Bacchantenfest am Meeresufer“.

Die Kühnheit seiner Compositionen, welche an die besten Werke von Tintoretto und Paul Veronese erinnert, tritt auch in dem neuesten Werke des deutschen Künstlers in fast bewältigender Weise uns entgegen, so wie die glühende Farbenpracht, die darüber ausgegossen ist, kaum in einem früheren Bilde Hans Makart’s erreicht wurde. Die tolle glühende Ariadne, welche jubelnd im sinnlichsten Uebermuthe als Mittelpunkt des phantastischen Märchenbildes erscheint, ist eine Gestalt voll sprühenden farbenglühenden Lebens; der halbberauschte Bacchus, der stumpfsinnige Silen, welcher begehrliche stechende Blicke nach dem Weibe richtet, die spielenden Bacchanten und Bacchantinnen, von denen die eine sich gewaltsam losreißt aus den gewaltig umschlingenden Armen eines urkräftigen Tritons, der sie in die Wellen zu ziehen sucht, und Pan zum tollen Reigen aufspielend, bilden die hervortretendsten Figuren der mächtigen Gruppe, während die Nebengestalten, ein junger Centaur, von reizenden Weibern in wildem Reigen umtanzt, Kinder mit einem Tiger spielend etc., keineswegs als Beiwerk erscheinen. Die mächtige Phantasie des Künstlers, vereint mit der vollendetsten Technik, allein vermag ein solches Werk zu schaffen. Jede der einzelnen Gestalten erscheint uns als Hauptfigur, wenn wir sie isolirt in’s Auge fassen; eine wilde sprühende Lust, ein bewältigender Farbenglanz ist über das Ganze ausgegossen; überquellende Kraft reißt Alles fort zum Ringeltanze, zu dem sich selbst die schäumenden Wellen des Meeres, mit dem bunten Reichthum der am Ufer verstreuten Riesenmuscheln zu erheben scheinen. Von der Kühnheit dieser Composition kann sich nur der Beschauer einen Begriff machen; meine Feder ist ein gar armer Behelf für die Schilderung aus dem Reiche der Farben und der Töne.

Es dauert lange, ehe wir uns losreißen können von dem phantastischen Feste, welches uns seine Jubelgrüße von der Wand herab entgegen sendet, und ehe wir den gesammelten Blick weiden können an der wunderlichen Zusammenstellung dieses Malerheims. Allüberall tritt uns Ungewohntes, Seltsames entgegen. Hier an dem breiten, in grellen orientalischen Stoffen glänzenden Ruhebett liegt ein theilweise ausgestopftes Tigerfell ausgebreitet. Der Kopf des Unthiers sieht mit glänzenden Augen herab auf seinen Antipoden, einen mächtigen Eisbären, der seine gewaltigen Pranken in den Boden zu krallen scheint; zwischen denselben liegt der wuchtige Kopf des Nordpolbewohners.

Von der Wiener Weltausstellung hat er seinen Weg gefunden in die Kunstausstellung von Hans Makart. Das fast vollendete Brustbild einer jungen Dame, die ihr wunderbar schönes Haar wie ein goldener Mantel einhüllt, hängt an der Staffelei. Aus dem Gedächtniß hat der Künstler die blendend schöne Erscheinung in einem Tage gemalt, sie und ihre Schwester, zwei der reizendsten Damen der Residenz, von denen die eine bald Gott Hymen an die nebligen Ufer der Themse entführen wird. Die Phantasie des Malers hat das Geschwisterpaar in reiche, altvenetianische Gewänder gehüllt, welche zu der charakteristischen Schönheit der jugendlichen Köpfe wie geschaffen scheinen.

Wohin das Auge blickt, sehen wir Neues: hier Costüme in reichem Goldglanze aus dem Reiche der Mitte, aus dem fernen Arabien, dort gestickte, bunte, schillernde Stoffe, welche die geschickten Hände der Haremsfrauen in Brussa fertigen, oder schwere Burnusse, mit Gold durchwirkt, die im fernen Damascus und in Beirut gewebt werden, um die phantastischen Gestalten der Beduinenhäuptlinge zu umwallen. Ein bunter Pfau entfaltet den farbenprächtigen Schwanz und staunt die schillernde Welt um ihn an, die seinem glänzenden Kleide so erfolgreiche Concurrenz macht. Die Mitte des ungeheuren Raumes nimmt bis an die hohe Decke ein schwarzer, reich verzierter Marmorkamin ein, dessen Rand mit Antiquitäten jedweder Art und jedweden Zeitalters belegt ist. Zwischen zwei Sonnenbrennern, deren Gaslicht das phantastische Buntuntereinander phantastisch beleuchten, schwebt mit ausgebreitetem Flügeln ein ausgestopfter mächtiger Adler; ihm gegenüber hängt das seltsame Gebilde einer Seejungfer schwebend in der Luft. Wir sehen große Figurengruppen der werthvollsten Holzschnitzereien aus altvenetianischer Zeit, Schränke von wunderbar schöner Arbeit aus derselben Epoche; ein prachtvoll erhaltener feister Metelluskopf von antiker Bronze findet sich behaglich unter dem weiten Schirme eines Panamahutes, während der Schädel eines Negers von schwarzem Marmor unter einem Eisenhelm uns aus den eingelegten weißen Augen entgegen grinzt. Geharnischte Männer bewachen dieses Künstlerasyl, in welchem gar werthvolle Skizzenbücher, Photographien und unvollendete Kunstwerke zum Diebstahl einladen. Der erste Entwurf einer Vordergardine zu der entschlafenen „Komischen Oper“ in Wien läßt auf’s Tiefste bedauern, daß die Ausführung dieses Projectes der Kosten wegen unterblieb. Etwas mehr Schulden würden das Geschick dieses dem Krach geweihten Institutes doch nicht aufgehalten haben. Nicht unerwähnt darf der im Saale aufgestellte Entwurf eines deutschen Siegesdenkmals bleiben, welches von der Hand des Bildhauers Wachmüller in München ausgeführt wurde. Man bedauert lebhaft, daß dieses Meisterwerk nicht an passender Stelle, als Zierde der Nation, im Großen in’s Leben treten soll.

Wir begeben uns über eine kleine, im trefflichsten Renaissancestile geschnitzte Treppe in einen kleinen abgezweigten Raum, den sich Hans Makart als sein eigentliches „Heim“ vorbehalten und ausgeschmückt hat. An der Decke von eingelegter Holzschnitzarbeit sehen wir Medaillonbilder in altdeutscher Tracht von der Hand des Eigenthümers, darunter das Portrait der reizenden, vor nicht langer Zeit verstorbenen Gattin Makart’s. Ein wuchtiger venetianischer Kronleuchter von Krystall hängt zwischen den Balken; farbensprühende Glasfenster in alter Malerei lassen ein sanftes Licht durch den Garten in diese kleine Welt voll reicher Erinnerung treten. Alte Möbel, mit Elfenbein zierlich eingelegt, altvenetianische Gläser in wunderlichen Formen und Farben, mächtige Kandelaber aus demselben Material, kunstreich in Silber getriebene Platten und Teller, eine Sammlung alter Waffen in reichster Ausschmückung mit Juwelen und edeln Metallen besetzt, ein geschnitztes Bett, von Meisterhand gearbeitet, die vortreffliche Bronzebüste Karl’s des Fünften, zahllose Seltenheiten aus aller Herren Ländern in Krystall, Gold, Silber, Holz und Bronze, aus der ganzen bewohnten Erde hierher geschleppt, Alles dies denke man sich zusammengedrängt auf diesen kleinen Raum, und man wird mir Recht geben, daß eine ähnliche bunte Welt in phantastischer Anordnung sich kaum in einem zweiten Künstlerheim finden dürfte. Und nun denke man sich dieses „in Scene gesetzte Märchen“ an einem der Festtage, zu welchen Hans Makart von Zeit zu Zeit seine Freunde einladet. Man denke sich diese Räume strahlend erhellt, und von einer gewählten Gesellschaft, die zu diesem „Costümball“ gebeten ist, erfüllt.*[1] Nicht nur die Gäste, auch das Orchesterpersonal, die gesammte Dienerschaft, ist nach einem festen Plane in passende malerische Costüme gekleidet. Die Möbel, die Geschirre, die Tafelaufsätze sind in derselben Weise dem Ganzen angepaßt. Sei es, wie bei dem letzten dieser Carnevalsfeste, ein Landsknechtlager, eine Gruppe antiker Griechen, oder eine im altungarischen Costüm, immer erscheint das Arrangement des Ganzen von einer einheitlichen Künstleridee ausgehend und musterhaft durchgeführt. Kein Fürst kann schönere Feste geben; freilich gehören zu solchen auch fürstliche Gastfreundlichkeit und – ein fürstliches Einkommen!

Franz Wallner.

  1. * Die Hauptdecoration bildete bei dem letzten dieser Costümfeste das große, dem Publicum damals noch unbekannte Bild: Catarina Cornaro, welches seit der Zeit eine Triumphfahrt in die deutschen Hauptstädte gemacht hat.