Haenel Kostbare Waffen/Tafel 3
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KURFÜRST AUGUST VON SACHSEN (1526–1586)
VON
PETER VON SPEIER D. Ä. 1546
KURFÜRST AUGUST VON SACHSEN (1526–1586)
VON
WOLF VON SPEIER. UM 1567
Schwarz, mit Ätzstreifen. Kragen 4mal, die Spangröls 5mal geschoben. Brust mit tiefsitzendem Tapul, unter den Armen geschoben, Schwebescheiben und Handschuhe, je 3 Bauch- und Gesäßreifen, Beintaschen 7mal geschoben, Helm (Schlaghaube) mit nach hinten gebogener Spitze, nach Art der Birnhelme, zweiteiligem Kinnreff, horizontal vorspringendem Augenschutz (Krempe). Sehr kräftige Schnürenränder.
Die Ätzstreifen zeigen behelmte Kriegerköpfe in Medaillons, Maskarons an aufsteigenden Blattstengeln, Drachengestalten zwischen breitblättrigen Ranken- und Fruchtzweigen. Auf dem Bruststreifen das vierteilige, herzoglich sächsische Wappen (mit Sachsen, Meißen, Thüringen und Pfalz-Sachsen) zwischen liegenden Halbfiguren gewappneter Krieger. Im rechten Brustfeld ein Krieger, vor dem Kruxifix knieend. Im Mittelstreifen des Rückens das Opfer Isaaks, mit Abraham als Geharnischtem; weiter unten ein Seeweibchen. Die Halbfiguren der Männer in den Seitenstreifen mit türkischen Kopfbedeckungen. Auf den Streifen der Sturmhaube seitlich je die Zahl 1546 in einem Schildchen. Auf dem obersten Geschübe der Beintaschen ein getriebenes, lanzettförmiges Dreiblatt, auf dem untersten 5 knopfartige Buckel.
Der Stil des Harnischs und besonders das Dreiblatt kennzeichnen ihn als eine Arbeit des Plattners Peter von Speier d. Ä. in Annaberg.
- Inventar 1606, S. 53. „Ein schwarrzer geetzter Kuris mit langen Beindaschen, einem Kragen mit runden scheubigen und langen Achßeln, armzeugk, gefingerte handtschuhe, Schlagkhauben, einem offnen Gesichte, Alles mit guten schwartzen Sammet belegt … Welches Churfürst Augustus zu Sachßen vor Mühlberg geführt.
Das hier erwähnte Armzeug ist nicht mehr vorhanden; das früher dem Harnisch beigegebene, und auf der Tafel 52 von Hettner-Büttner, Das Kgl. Histor. Museum in Dresden, 1871, abgebildete Armzeug gehört zu dem schwarzen Harnisch für das Realgestech (Tafel 7). Auch Gurlitt (Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner, S. 37) vermutet das; er hat den Harnisch zuerst für den rheinischen Meister, der erst 1559 in Annaberg urkundlich erwähnt wird, in Anspruch genommen, und zwar durch Vergleich mit den für Joachim II. von Brandenburg und den Markgrafen Johann I. von Brandenburg-Küstrin gefertigten Arbeiten. Der Stil der Ätzung ist jedenfalls durchaus verwandt; jener ist 1560, dieser auf der zugehörigen Roßstirn 1553 bezeichnet. Der Dresdner Harnisch tritt danach zeitlich an die Spitze einer Reihe von Harnischen, die sowohl im Bau wie insbesondere in der flotten Zeichnung des Ätzdekors, die stark mit figürlichen Elementen arbeitet, auf eine sehr produktive Werkstatt zurückgehen. Ihr gehören auch mehrere Harnische der Wartburg an, vor allem der Trabharnisch Nr. 74 (Diener-Schönberg, Die Waffen der Wartburg, S. 51). Diese Harnische (Nr. 70–74) sind demnach nicht augsburgisch, wie Diener-Schönberg annimmt, sondern annabergisch; die Ätzmalerei, mit der häufig wiederkehrenden Darstellung des Kruzifixus, Kriegergestalten, Frauen, Tritonen, weist Aldegreversche Motive auf. Gemeinsam ist allen diesen Arbeiten die förmige Biegung der Brust- und oft auch der Rückenstreifen. Gurlitts Annahme, daß die geätzten Buchstaben PVS auf dem Berliner Joachimharnisch P(eter) V(on) S(peier) bedeuten, und daß dieser also auch der Ätzer seiner Plattnerarbeiten sei, ist irrig, und wird auch dadurch, daß Boeheim (Meister der Waffenschmiedekunst, S. 207) sie sich zu eigen macht, nicht überzeugender. – Als Kurfürst August den Harnisch in der Schlacht bei Mühlberg trug, wo er sich an der Seite seines Bruders Moritz durch besonderen Eifer in der Verfolgung des Feindes auszeichnete, muß Peter von Speier schon ein angesehener Meister gewesen sein; denn schon in den zwanziger Jahren ist er in Nürnberg von dem Rat in seiner Kunst bestätigt worden. Unser Harnisch ist, trotz seiner Unvollständigkeit, d. h. des Fehlens des Armzeuges, durch die geschlossene Kraft seines Baues und die fast unversehrte Frische und Schärfe seiner dekorativen Ätzung, die das kecke Leben der Frührenaissance atmet, eines der vollendetsten Erzeugnisse seiner Zeit. – (FHM. E 4.)
Schwarz, mit blanken glatten Fürfeilen. Kragen 4mal geschoben, Brust mit tiefem, geschweiftem Halsausschnitt, schwachem Tapul, unter den Armen geschoben, kurze Achseln, gefingerte Handschuhe mit langen Stulpen, 2 Bauch-, 1 Gesäßreifen, Schöße 5mal geschoben. Sturmhaube mit durchbrochenen Ohrenklappen, hohem Kamm. Schnürenränder. – Vorsteckvisier, zweimal nach oben geschoben, mit Luftgeben von Punkten und Schlitzen. – Auf der rechten Brust geätzt und vergoldet ein Ritter, der vor einem Kruxifix kniet. Auf der Sturmhaube rechts und links je eine geätzte Lilie.
- Inventar 1606, S. 54. „Ein schwarz Trabharnisch, uff der Brust ein geezt Crucifix, darzu ist Rücken und brust, Kragen mit kurtzen Achßeln, Eine Sturmhauben, Kurtze Beintäschlin, gefingerte Handschue, alles mit schwartzem Sammet belegt … welches Churfürst Augustus vor Gotha gefürth.“
Nach mehr als dreimonatlicher Belagerung war Gotha, die Hauptstadt des wegen seiner Beteiligung an den Grumbachischen Händeln geächteten Herzogs Johann Friedrich von Sachsen-Coburg-Eisenach, am 13. April 1567 gefallen. Gurlitt (a. a. O. S. 54) nimmt an, daß ein 1570 erwähnter Trabharnisch, der dem Kurfürsten für die Belagerung von Gotha um 20 fl. von Wolf von Speier geliefert war, mit unserem identisch ist. Jedenfalls entspricht der Stil des Harnischs, mit den ganz kurzen Beintaschen, den Pikenierhandschuhen und der Sturmhaube, sowohl der Zeit um 1570 wie der Brustumfang der stärkeren Figur der vierzigjährigen Fürsten. (Gurlitt hat die Namen Peter und Wolf wiederholt verwechselt; auch S. 54 kann als Empfänger des Vorschusses nur Wolf, nicht Peter in Frage kommen.) Aus einem Vergleich des Harnisches mit dem zwanzig Jahre früher gefertigten (Tafel 2a) geht hervor, daß der Sohn dem Vater an handwerklichem Können nicht nachstand. Die Zeichnung des Kruzifixes verrät die freiere Hand eines schon dem Barock näherstehenden Meisters. Übrigens könnte der Knieende, dessen Sturmhaube am Fuße des Kreuzes liegt, wohl ein Bildnis des Kurfürsten darstellen. – (FHM. G 61.)