Haenel Kostbare Waffen/Tafel 16
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KURFÜRST CHRISTIAN II. VON SACHSEN (1583–1611)
VON HEINRICH KNOPF, NÜRNBERG, 1606
[32] Eisen, z. T. geätzt und vergoldet, die ornamentalen Teile getrieben und ziseliert. – Kragen 4mal geschoben, Brust mit leicht angedeutetem Gansbauch, Bauchreifen, Rücken flach, mit einem Gesäßreifen. Achseln, mit breiten Flügen, 7mal geschoben, ganzes Armzeug, Armkacheln mit ganzen Muscheln, Handschuhe gefingert, mit langen Stulpen, Beintaschen 7mal geschoben, Diechlinge, Kniebuckel mit Muscheln, Beinröhren, Schuhe mit 4 Rist- und 5 Ballengeschüben. Helm, im Kragen umgehend (bourgignon), mit hohem Kamm, Stirnstulp mit vorgetriebenem Sehspalt, spitzem Visier. – Roßharnisch: Stirn, mit gegitterten Augendächern und Stachel, Kanz, 13mal geschoben (eine Folge fehlt), Fürbug aus drei Platten, Flankenbleche, Gelieger aus 10 Platten und der Schwanzröhre. Kürißsattel mit dreiteiligem, in der Mitte geschwungenem Vorderbug und rundem Hinterblech. – Der Grund des Harnischs ist in einem sehr reichen, die Fläche völlig deckenden Muster spiraliger Blattranken geätzt. Darüber getrieben: große weit ausschwingende Ranken mit Blütenkronen, Schoten, Dolden, darauf allerhand Getier, Schmetterlinge, Schnecken, Vögel, Schlangen, Delphine, an Bändern hängende Früchtegruppen, Waffenstücke, dazwischen karyatidenartige Meerweiber mit Bandschleifen in den Händen, Halbfiguren kämpfender Männer, musizierende Putten, Sphinxe, Greifen, Masken. In runden und ovalen Rahmen, von reichem Rollwerk umgeben, bildliche Darstellungen: auf dem Mannesharnisch acht Szenen aus dem Trojanischen Krieg und der Argonautensage, auf dem Roßharnisch vierzehn aus der Geschichte des Herakles. – Um den Rand des Roßharnischs läuft eine Kante, Lorbeerranken in einem mäanderartigen Zackenband; eine ähnliche um die Hauptteile des Harnischs, Brust, Rücken, Flüge, Diechlinge; schmaler Schnurenrand. Die Satteldecken roter Samt, schwer mit Gold gestickt. Der Federbusch ursprünglich rot und gelb.
- Ges. Inventar 1606, S. 179 (Nachtrag). Ein neuer eiserner Küris mit schöner kunstreicher getriebener Arbeit, in felder weise, von undschidlichen heidnischen Heldenthaten und wundern, die feld weiß oder blank; das andre aber vergult. Dazu gehöret ein Helmlin, Kragen, Brust, spangeröl und armzeug samt Handschuh, kurze Beinteschlein, lange Kniebuckeln, ganze beinschienen mit sporen … auch ein ganz geliger, mit dem vorgeboge, Roßstirn mit einem Kamp …
Nachdem durch Hettner schon 1871 (Hettner-Büttner a. a. O. Blatt 71–80) der Nürnberger Goldschmied Heinrich Knopf aus Münster i. W. als Verkäufer der Garnitur festgestellt wurde, und Nordhoff (Z.f.b.K. 1875) diesen Meister auch als Schöpfer des Harnischs in Anspruch nahm, konnten die noch darnach mannigfach auftauchenden Zuschreibungen an verschiedene süddeutsche Plattner, wie Peffenhauser, Desiderius Colman, Franz Großschedel, als gegenstandslos gelten. Geisberg hat 1907 in einer weitgreifenden Studie (Die Prachtharnische des Goldschmiedes Heinrich Cnoep aus Münster i. W.) die gesamte, sehr ausgiebige Literatur über den Meister und die archivalischen Quellen geordnet, ohne dabei die durch Erbstein begonnene Verwechslung der Inventarangaben völlig zu klären, und vor allem ohne die Frage nach der Trennung der Plattner- und der Goldschmiedearbeit, nach dem Umfang der zunftmäßigen Bindungen überzeugend zu lösen. Beglaubigte Tatsache bleibt Folgendes: 1606–1609 hat Christian II. 8800 Gulden für „einen gantzen Küraß auf Man und Roß“ an Heinrich Knopf aus Nürnberg bezahlt. Dieser, geboren um 1560 zu Münster, seit 1599 in Nürnberg als Goldschmied tätig, arbeitete für den Kurfürst von Sachsen und den König Karl IX. von Schweden, lebte später in Bamberg und Münster, starb 1630 in Frankfurt, wo er 1614 die Patriziertochter Elisabeth Mengershausen geheiratet hatte. Im künstlerischen Stil seiner dekorativen Komposition von den Ornamentisten seiner Zeit, besonders von Frans Floris, abhängig, zeigt er in der Gliederung seiner Arbeiten eine Selbständigkeit, die, getragen von der vollendetsten Technik, seine Harnische zu den heute anerkanntesten Meisterwerken der Spätrenaissancekunst auf dem Gebiete des künstlerisch durchgereiften Handwerks macht.
Einzelne Teile des Roßharnischs scheinen von dem sehr verwandten Harnisch Karls IX. in Stockholm zu stammen (Geisberg, S. 42). Die schleifenhaltenden weiblichen Flügelgestalten als Wiederholungen der Hauptfigur aus Knopfs redendem Wappen (Knopf, Cnoep, Knüpf) anzusprechen, und durch sie die Harnische gleichsam für signiert anzusehen, wie Geisberg vorschlägt, ist unmöglich; vor allem weil die Knoten in den Händen des Wappenmännchens in Wirklichkeit die Spitzen seines zu beiden Seiten hinaufragenden Fischschwanzes sind. Ähnliche Schleifen und Knoten finden sich in den ornamentalen Entwürfen der Renaissance in den verschiedensten Verwendungen.
Der Harnisch ist bei dem Begräbnis des Kurfürsten 1611 von dem Kammerjunker Hans von Drandorf als „Freudenküriss“ getragen worden. (FHM. E 7.)