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Hackelnberg

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Textdaten
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Autor: Johann Karl Christoph Nachtigal
unter dem Pseudonym Otmar
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Titel: Hackelnberg und die Tut-Osel
Untertitel:
aus: Volcks-Sagen, S. 241-250
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1800
Verlag: Wilmans
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Erscheinungsort: Bremen
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Hackelnberg und die Tut-Osel.

„Weit umher zieht in den Gebirgen des Harzes und im Thüringer Walde der wilde Jäger Hackelnberg.“ Doch am liebsten weilt er im Hakel, von dem er auch den Namen hat, besonders in der Gegend der Dummburg. Oft hört man ihn um Mitternacht, wie er im Sturm und Regen, oder im Mondschein bei bewölktem Himmel, mit seinen Hunden die Schatten des einst getödteten Wildes in den Wolken verfolgt. Gewöhnlich geht sein Zug von der Dummburg aus, queer über den Hakel, nach der jetzt wüsten Dorfstätte von Ammendorf[1].

Doch, sehen könne ihn nur wenige Sonntagskinder. Zuweilen begegnet er ihnen als ein einsamer Jäger mit einem Hunde; zuweilen sehn sie ihn in einem Wagen von vier Pferden gezogen und von sechs Jagdhunden begleitet. Aber alle hören sein furchtbares Daherrauschen durch die Lüfte, hören das dumpfe Hundegebell, und das Klatschen seiner Pferde wie im Moorwasser[2], hören seinen Waldruf: „Hu! Hu!“ und sehen seine Begleiterin und Waldhornissin die Tut-Osel.

Einst saßen drei Wanderer in der Gegend der Dummburg. Schon war es tief in der Nacht. Der Mond blickte hier und da durch die sich jagenden Wolken. Rings umher war alles stille. Plötzlich rauscht’ es über ihren Köpfen. Sie sahen auf, und vor ihnen flog eine große Ohreule. Ha, rief der eine Wanderer, da ist die Tut-Osel! nun ist Hackelnberg nicht weit, der wilde Jäger. Laßt uns fliehen, sprach ängstlich der zweite, eh’ uns das Ungethüm ereilt. Entfliehen können wir nicht, sagte der dritte; auch habt ihr nichts zu befürchten, wenn ihr ihn nicht reizt. Legt euch nur still nieder auf den Bauch, wenn er über uns wegfährt. Anreden aber müßt ihr ja Hackelnberg nicht, sonst geht es euch wie jenem Schäfer.

Und die Wanderer legten sich unter das Gebüsch. Bald hörten sie um sich ein Rauschen, wie von einer Meute Hunde, die durch das Gesträuch sich drängen, hörten hoch über sich in den Lüften ein dumpfes Getön, wie von verfolgtem Wild, und von Zeit zu Zeit hörten sie zusammen schaudernd des wilden Jägers furchtbartönendes: Hu! Hu! – Zwei der Wanderer druckten sich fest an die Erde. Aber der dritte konnte der Neugier nicht widerstehen; er schielte seitwärts durch die Zweige in die Höhe, und sah den Schatten eines Jägers, der schnell mit seinen Hunden vorüber eilte.

Jetzt war es plötzlich rings umher still. Die Wanderer erhoben sich langsam und schüchtern, und wollten Hackelnberg nachsehen. Aber – er war verschwunden, und kam nicht wieder.

Wer ist denn die Tut-Osel? fragte nach langer Pause der zweite Wanderer?

In einem fernen Kloster in Thüringen, antwortete der erste, lebte einst eine Nonne, Ursel benannt. Diese plagte schon im Leben, mit ihrer heulenden Stimme, das ihre Mitschwestern, und störte oft den Chorgesang. Darum nannte man sie Tut-Ursel. Aber, viel schlimmer wurde es nach ihrem Tode. Denn von eilf Uhr des Abends an steckte sie den Kopf, durch ein Loch des Thurms, in das Chor der Kirche, und tutete kläglich; und alle Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Chorgesang ein.

Einige Tage ertrugen dies ihre Schwestern mit klopfendem Herzen und bebenden Knien. Aber, als sie den vierten Morgen mit einstimmte, und eine der Nonnen, mit leiser zitternder Stimme, zu ihrer Nachbarin sagte: „Ha – das ist gewiß die Ursel!“ da schwieg plötzlich der Gesang, die Haare sträubten sich auf, und alle Nonnen stürzten aus der Kirche, halblaut schreiend: „Ha! Tut-Ursel! Tut-Ursel!“ – Und keine der gedrohten Bussen und Strafen vermochten eine der Nonnen, die Kirche wieder zu betreten, bis die Ursel aus den Klostermauern verbannt war. Man holte also den berühmtesten Teufelsbanner seiner Zeit, aus einem Capucinerkloster an der Donau; und dieser bannte, durch Fasten und Gebet, die Ursel, in der Gestalt der Ohreule, nach der fernen Dummburg.

Hier traf sie Hackelnberg, den wilden Jäger, und fand an seinem Waidruf: „Hu! Hu!“ eben so großes Behagen, als er an ihrem „U! hu!“ Und so ziehn sie nun, auf immer vereint, auf die Luftjagd aus, er froh, ein Wesen gefunden zu haben seiner Art, sie hocherfreut, nicht mehr eingeschlossen zu seyn in den Klostermauern, und den Wiederhall zu hören ihres Gesanges.

Da haben wir nun die Tut-Osel! – Aber, wie ging es denn jenem Schäfer, der Hackelnberg anredte?

Hört die wunderbare Geschichte, sprach der dritte Wanderer. Ein Schäfer hörte einst den wilden Jäger über seine Hürde wegziehen, hetzte seine Hunde an, und rief ihm nach: Glück auf, Hackelnberg! – Hackelnberg kehrte schnell um, und rief ihm mit dumpfer Donnerstimme: „Hast du mir hetzen geholfen, so sollst du auch Theil haben an dem Fang!“ Der Schäfer verkroch sich zitternd. Aber Hackelnberg warf ihm eine halb verwitterte Pferdelende in seinen Schäferkarren, daß er kaum sich regen konnte, weder vorwärts noch rückwärts.“


Veranlassung zu dem Haupttheil dieser Sage gab vielleicht im Mittelalter ein Jäger, gleich Nimrod, aus dem Geschlecht der Edeln von Hakelberg oder Hackelnberg. Der letzte bekannte Jäger seines Stamms war: Hans von Hakelberg, der im sechszehnten Jahrhundert, in einem Hospital starb, das am Wege unweit des Amtsdorfes Wulperode, nahe bei Hornburg, und an der Gränze des Herzogthums Braunschweig liegt. Seine Asche deckt auf dem dortigen Kirchhofe ein Stein, worauf ein völlig geharnischter Ritter, auf einem Maulthiere[3] abgebildet ist. Sonst bewunderten Durchreisende in Wulperode die dort aufgehangne, schwere ritterliche Rüstung des Hans von Hackelnberg. Jetzt ist nur noch der Helm dort zu sehen; alles übrige von der Rüstung ist jetzt (man weiß nicht, warum?) in Deersheim. – Von seinem sonderbaren Tode hat sich folgende Volks-Sage erhalten.

„Hans von Hackelnberg, herzoglich braunschweigischer Oberjägermeister, lebte nur für die Jagd. Um seine Leidenschaft zu befriedigen, kaufte oder pachtete er mehrere benachbarte Jagden; und so durchzog er, mit seinem Gefolge und seiner großen Meute Hunde, Felder und Gehölze und die Vorgebirge des Harzes, Jahr aus Jahr ein, bei Tag’ und bei Nacht.

Einst übernachtete er in Harzeburg. Da sah’ er im Traum einen furchtbaren Eber, der ihn, nach langem Kampfe überwand. Als er erwachte, stand das schreckliche Traumbild ihm immer noch vor Augen, und keine Vorstellung konnte den Eber ganz verwischen, wenn er auch selbst über seinen Traum lachte.

Einige Tage nachher traf er wirklich im Vorharze einen gewaltigen Eber, ganz dem ähnlich, den er im Traum gesehen hatte, an Farbe, an aufsträubenden Borsten, an Größe, und an Länge der Fänger. Mit Wildheit, Muth und Kraft von beiden Seiten begann der Kampf, der lange unentschieden blieb. Seiner Gewandheit verdankte Hans von Hackelnberg den Sieg, und er streckte seinen furchtbaren Feind glücklich nieder. Als er ihn zu seinen Füßen liegen sah, weidete er seine Augen eine Zeitlang an dem Anblick, und dann stieß er mit dem Fuß nach seinen schrecklichen Hauern, mit dem Ausruf: Du sollst es mir auch noch nicht thun! Aber er stieß mit solcher Gewalt, daß der eine der scharfen Zähne den Stiefel durchdrang, und ihn am Fuße verwundete.

Anfangs achtete er die Wunde wenig, und setzte die Jagd fort, bis es Nacht wurde. Bei seiner Zurückkunft war der Fuß schon so geschwollen, daß der Stiefel abgetrennt werden mußte. Aus Mangel eines sorgsamen Verbandes verschlimmerte sich in einigen Tagen die Wunde so, daß er nach Wolfenbüttel zurück eilte, um Hülfe zu suchen. Aber, jede Erschütterung des Wagens war ihm unerträglich; und nur mit Mühe erreichte er das Hospital bei Wulperode, in dem er bald nachher starb.“


  1. In der Feldmark des magdeburgischen Dorfs Hakeborn, unweit des Städtchens Egeln.
  2. „Hackelnberg fatscht“ sagt das Volk im Mannsfeldischen. Dieser Idiotism bezeichnet das sonderbare schnalzende Getön, welches entsteht, wenn Pferde u. s. w. die Füsse aus zähwerdendem Koth (Fatsch) herausziehen. – Wer physikalische Erklärung dieser Sage sucht, den erinnert vielleicht jener mahlende Provinzialismus an manche schnalzende Töne der Uhu’s.
  3. Oder veranlaßte nur die Ungeschicklichkeit des Meissels diese Deutung?