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Hühner-, Elster- oder Krähenauge, Leichdorn

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Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Hühner-, Elster- oder Krähenauge, Leichdorn
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 529–530
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Haut- und Haar-Krankheiten.

I. Hühner-, Elster- oder Krähenauge, Leichdorn.

Wo Dich der Schuh drückt, da merkst Du bald ein Hühnerauge. Denn nur länger anhaltender Druck und Reibung erzeugt diese keilförmige Verdickung der hornartigen Oberhaut, besonders da, wo die Haut dicht und ohne Fettunterlage über einem Knochenvorsprunge liegt. Deshalb hat das Hühnerauge aber auch seinen Hauptsitz auf dem Rücken der Zehen, besonders an der kleinen Zehe und über dem zweiten Zehengelenke, sowie am Ballen der großen Zehe. Doch trifft man dasselbe nicht selten auch zwischen den Zehen und auf der Fußsohle, ja bei Damen, die sich fest schnüren, sogar am obern Rande der Hüfte, und auf dem Kniee bei Solchen, die viel knieen. So wie nun Druck diesen Hornkeil der Haut erzeugte, so verschwindet derselbe ganz von selbst, wenn der Druck, durch den er entstand, aufgehoben wird. Seinen Namen „Hühner-, Elster- oder Krähenauge“ verdankt er seinem dunklem und dichtern-Mittelpunkte, welcher der Pupille eines Vogelauges nicht unähnlich ist. Als Wetterprophet steht aber das Hühnerauge deshalb bei Manchen in Ansehen, weil es durch sein Wehethun schlechtes Wetter verkünden soll. Diese Erscheinung läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß die das Hühnerauge bildende hygroscopische (Wasser aus der Luft anziehende) Oberhaut bei sehr feuchter Luft anschwillt und dann die benachbarten Empfindungsnerven der Haut stärker drückt.

Um den Bau des Hühnerauges genauer kennen zu lernen, muß man sich an die Struktur der Haut und besonders der Oberhaut erinnern (s. Gartenlaube Jahrg. II. Nr. 44). Die äußere Haut wird nämlich aus drei übereinander liegenden Hautschichten zusammengesetzt, von denen die oberste die Oberhaut oder Epidermis, die mittlere die Lederhaut und die unterste die Fetthaut heißt. Die Oberhaut, welche überall die freie Oberfläche der Lederhaut mit ihren Vertiefungen und Erhabenheiten überk1eidet und ganz gefäß- und nervenlos (also unempfindlich und unentzündlich) ist, besteht aus zwei, ziemlich scharf von einander getrennten Schichten, von denen die unterste, jüngste, unmittelbar an die Lederhaut (von deren Blutgefäßen sie erzeugt wird) stößt und Schleimschicht genannt wird, während die obere und ältere den Namen der Hornschicht hat. Die erstere, welche der Hauptsitz der Hautfarbe (des Teint) ist, besteht nur aus kleinen, mit Flüssigkeit prall gefüllten, rundlichen oder länglichen, nach der Hornschicht zu platt und eckig werdenden, kern- und farbehaltigen Bläschen (Epidermiszellen); die letztere wird aus Schichten vier-, fünf- und sechseckiger Horn-Plättchen zusammengesetzt, welche allmälig durch das Plattwerden und Verhornen der Epidermiszellen entstanden sind. Die obersten, ältesten Plättchen der Hornschicht stoßen sich fortwährend los und die unteren jüngeren Plättchen und Zellen rücken immerfort nach, bis auch sie sich endlich an der Hautoberfläche abschuppen.

Das Hühnerauge besteht nur aus Schichten von Hornplättchen der Oberhaut, die aber in größerer Menge fester und dichter, sowie schräg und sogar senkrecht oder auch zwiebelschalenartig (concentrisch) an einer kleinen umschriebenen Stelle neben und um einander herum gelagert sind, während ihre Lagerung in gesunder Oberhaut doch eine horizontale ist. Es läßt sich demnach das Hühnerauge als eine aus harten Hornschüppchen zusammengesetzte Verdickung der Oberhaut bezeichnen, deren Form sich gewöhnlich der keilförmigen oder halbkugligen nähert. In ihrem Mittelpunkte bilden die dichter zusammengedrängten, schräg- oder concentrisch gelagerten Schüppchen eine Art von länglichen, weißlichen und dunklern Kern, dessen oberes und unteres Ende (oder die Wurzel des Hühnerauges) sich etwas zuspitzt; letzteres ragt durch die Schleimschicht der Oberhaut bis in die Lederhaut hinein, wo es einen Eindruck veranlaßt, und durch diesen Druck sogar eine Entartung der Haut (Entzündung mit kleinen Blutaustretungen, Verdickung oder Abmagerung der Lederhaut, Schwund der Haut-Wärzchen und Drüschen) hervorrufen kann. Unter alten Hühneraugen entwickelt sich manchmal auch ein kleines Säckchen (Schleimbeutel), welches sich leicht entzündet und vereitert, wobei dann das Hühnerauge abgestoßen wird. An den Leichdornen zwischen den Zehen sind die Hornschüppchen durch den Schweiß etwas aufgeweicht und weißlich, weniger durchscheinend. – Die Bildung des Hühnerauges geht so vor sich, [530] daß an der gedrückten und gereizten Stelle ein vermehrter Blutzufluß stattfindet, wodurch die Lederhaut zur reichlichen Bildung von Epidermiszellen und Hornplättchen veranlaßt wird. Dieses letzteren thürmen sich auf und scheinen hauptsächlich dadurch die Entstehung des Kernes des Hühnerauges zu vermitteln, daß sie sich im Innern oder im Umkreise eines Schweißkanales anlagern. Die weiße und dunklere Färbung des Kernes hängt wohl von der Art der Lagerung der Hornschüppchen und die dadurch bedingte Lichtbrechung ab, denn ganz feine Schichten des Kernes sind hornartig durchscheinend. Im Kern selbst finden sich zuweilen kleine Klümpchen eingetrockneten Blutes. Bei sehr tiefer Einsenkung der Hühneraugenwurzel in die Lederhaut kann durch heftigern Druck oder Stoß leicht Entzündung und Vereiterung der unter dem Hühnerauge liegenden Haut erzeugt werden.

Fig. 1. Zehe mit einem Hühnerauge; a) mittlerer Theil oder Kern desselben
Fig. 2. Eine längs durchschnittene Zehe mit einem Hünhnerauge in natürlicher Größe.
 a) Mittlerer Theil (Kern) des Leichdorns und b) Seitentheile desselben.
Fig. 3. Ein senkrecht durchschnittenes Hautstück mit einem Hühnerauge, unter dem sich ein
 kleines Säckchen (Schleimbeutel) befindet. a) Kern. b) Schleimbeutel.
Fig. 4. Eine 20malige Vergrößerung eines senkrecht durchschnittenen Hühnerauges.
 a) Kern aus schräg gelagerten Hornschüppchen. b) Seitentheile. c) Oberfläche
 der Lederhaut mit Hautwärzchen. d) Lederhaut. e) Vertiefung in
 der Lederhaut mit Wurzel des Hühnerauges.

Zur Heilung der Hühneraugen ist vor allen Dingen die Aufhebung des Druckes und der Reibung auf der Stelle, wo das Hühnerauge sitzt, nöthig. Deshalb bestelle man bei seinem Schuhmacher, wenn man denselben nicht ganz entlassen will, anders geformte und bequemere Leisten zu einbälligem Schuhwerke. Uebrigens kann man sich auch damit helfen, daß man mittels Schwamm, Leinewand oder Pflaster den Druck vom Hühnerauge abhält, oder daß man nach Entfernung desselben die ganze Zehe mit schmalen Heftpflasterstreifen ziemlich fest umwickelt. Zur Abhaltung des Druckes vom Hühnerauge bettet man dasselbe in eine Vertiefung oder Oeffnung, die man in Wund- oder Feuerschwamm, oder in mit Heftpflaster bestrichene und mehrfach über einander gelegte Leinewand- oder in bepflasterte Lederstückchen geschnitten hat. Gegen Hühneraugen auf der Fußsohle trage man Filzsohlen, die in einem Ausschnitte das Hühnerauge aufnehmen. – Zur Entfernung der Hühneraugen wendet man warme Fußbäder oder irgend ein Pflaster an, um die Hornmasse derselben zu erweichen, worauf sie mit einem stumpfen Instrumente oder dem Nagel herausgehoben werden. Das Ausschneiden der Hühneraugen mit einem scharfen Messer überlasse man nur geschickten Operateuren, da man selbst sehr leicht zu tief schneiden und dadurch ein böses, sogar gefährliches Fußleiden veranlassen kann. Denn bei der Hühneraugenoperation ist der glückliche Erfolg von der Ausschälung der tiefsten trichterförmigen Einsenkung des Kernes in die Lederhaut abhängig. Das Abfeilen der Hühneraugen ist nur von geringem und bald vorübergehendem Vortheil.
(Bock.)