Höhlenclub
[188] Höhlenclub. In Wien hat sich Anfangs dieses Jahres ein Verein von Alpenfreunden, in Verbindung mit wissenschaftlichen Capacitäten, constituirt, welcher sich die Aufgabe stellt, den unzähligen Höhlen und unterirdischen Naturgängen der weiten österreichischen Hochgebirge eine planmäßig geleitete, aus wissenschaftlicher Basis gründlich durchgeführte Untersuchung angedeihen zu lassen.
Wir begegnen an der Spitze dieses in seiner Art bisher wohl einzig dastehenden Unternehmens Namen wie: Franz von Hauer, Director der kaiserlich königlichen geologischen Reichsanstalt, und zahlreichen Celebritäten auf dem Gebiete der praktischen Alpenkunde, in Summa Männern, von deren tatkräftigem und umsichtigem Bemühen in der geplanten Richtung sich mit Zuversicht günstige Resultate erwarten lassen.
Es ist eine bekannte und von der Naturwissenschaft vielfach gewürdigte Thatsache, daß das Innere der österreichischen Hochgebirge, namentlich im Gebiete der sogenannten Kalkalpen, in ganz abnormer Weise zerrissen ist. Besonders ist es die Bergwelt Krains, welche massenhaft unterirdische Zerklüftungen in sich birgt, wie sie in solcher Ausdehnung und Mannigfaltigkeit kaum wieder auf unserem Erdteil vorkommen dürften. Ebenso aber ist es Thatsache, daß die wenigsten dieser unterirdischen Räume bis jetzt gekannt, geschweige denn wissenschaftlich durchforscht worden sind. Wie das in einigen Gebieten Mährens in kleinem Maßstabe der Fall ist, folgen die wild einherstürmenden Alpengewässer Krains in vielen Fällen nicht dem natürlichen Laufe der Thalbildungen, sondern ergießen sich vielfach quer durch die Schluchten aus einer Thalwand in die andere, sodaß manche Gebirgsgegenden wie unterminirt erscheinen. Hier ist eine geheime, noch des Aufschlusses harrende Welt vorhanden, welche in ihrem Innern manchen hochinteressanten historischen Fund bergen dürfte.
Erwägt man ferner, daß, nach in den jüngst verflossenen Jahren gemachten, rein zufälligen Entdeckungen, die Kalkhöhlen der julischen Alpen vereinzelt von einem menschlichen Urgeschlechte bewohnt worden sind, welches in die grauesten Perioden der Steinzeit hinaufreicht – einer Epoche, die überhaupt erst seit drei Jahrzehnten wissenschaftlich erwiesen ist und über welche unsere derzeitige Kenntnisse noch ungemein lückenhaft sind –, so sind wir doppelt berechtigt, an das in Rede stehende Vorhaben für die Gebiete der Alterthumskunde Hoffnungen auf reiche Aufschlüsse über die Vergangenheit nicht nur dieser Länder zu knüpfen. Wer die Bedeutung würdigen kann, welche Entdeckungen wie diejenige der Höhlen von Aurignac in den französischen Pyrenäen, von Lüttich und der im Neanderthale bei Düsseldorf, für die Wissenschaft erlangt haben, und die offenen Fragen kennt, welche, durch jene Entdeckungen angeregt, der Lösung harren, wird diese Mittheilung mit besonderem Interesse begrüßen.