Höchstmerckwürdige Nachricht von einem abscheulichen Drachen
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Es war den 23. August früh um 1. Uhr, als der Nachtwächter zu Gattersleben, 1 ½. Meile von Bernburg gelegen, auf dem dasigen Glockenthurme ein ungewöhnliches Geräusche bemerckte, wobey er zugleich wahrnahm, daß von Zeit zu Zeit blaue Funcken aus denen Schall-Löchern heraus, und in die Höhe fuhren. Er zeigte solches sogleich dem gegen über wohnenden Küster an, welcher aufstund, die Thurm-Schlüssel ergriff, und gerades Weges auf den Glocken-Thurm gehen wollte.
Allein, wie erschrack er nicht, als er den ungewöhnlichen Schall selbst vernahm, und die heraus fahrenden blauen Funcken gewahr ward! Sie weckten alsobald die gantze Nachbarschafft auf, und das Schrecken ward allgemein.
Endlich wagte sich ein alter 67-jähriger Bürger des Orts, Thomas Eisenhut benannt, begehrte die Schlüssel zum Glocken-Thurme, öfnete solchen, und fand zu seinem nicht geringen Entsetzen einen schuppichten, 4. bis 5. Zoll dicken, harnisch-blauen Drachen-Schwantz die Treppe hinunter hangen. Man erkannte sogleich, daß sich ein Drache, aus der ohnweit des Orts gelegenen Drachen-Höhle, vielleicht aus Irrthum, in den Thurm geschlupfet haben müsse.
Inzwischen rückte die Zeit des Morgenlautens herbey, und es [3] wollte und konnte sich doch niemand, des gefährlichen Thieres wegen, denen Glocken nähern.
Endlich gab ein anderer Bürger, Nahmens Melchior Staupitz, welcher als Canonier in den vorigen Kriegen unter denen Holländern in Brabant gedient, den Rath, daß man einen sogenannten Frosch an des Drachen Schwantz binden, ihn anzünden und dadurch vielleicht die schädliche Bestie zum Weichen bringen sollte. Denn man müsse, sagte er, einen Teufel durch den andern austreiben.
Sogleich ward das gantze vorräthige Schieß-Pulver aus der Apotheke des Orts, welches in 2 ½. Pfund bestand, herbey gebracht, und Herr Staupitz verfertigte aus demselben einen ziemlich starcken Frosch, band ihn an den herabhangenden Drachen-Schwantz, machte aus dem übrig gebliebenen Pulver ein Brändchen, und zündete den Frosch an dem Schwantze des Drachen damit glücklich an.
Hier ist nun mit keiner Feder zu beschreiben, was der Drache für einen unglaublichen Tumult auf dem Glocken-Thurme angefangen, ehe er sich durch die Schall-Löcher desselben, wodurch er doch hinein gekommen, wieder heraus zwängen können.
Denn weil der Küster sein frisches Fleisch, um der Kühle willen, gemeiniglich Sommers-Zeit hinein zu hängen pflegte, und er diesesmal gerade einen halben Schöps darinnen hangen hatte, so hatte der Drache den Schöps fast gar aufgefressen, und war also um die Helfte dicker geworden.
Endlich brach er jedoch mit einem abscheulichen Gezische durch, schlug mit denen Flügeln noch zu dreymalen an die Glocke, als wenn man Abend zu lauten pfleget, und wandte sich endlich über des Stadt-Richters, Herrn Michael Treuendorfs, Wohnung gerade auf den Weg nach Bernburg zu.
Hier nun wird der geneigte Leser gerne wissen wollen, wie denn der Drache eigentlich ausgesehen. Allein, für großen Entsetzen hat ihn niemand, als der Stadt-Knecht, [4] David Engelbach, welcher, als ein gewesener Soldat, etwas behertzter als die andern gewesen, recht wahrnehmen können.
Dieser nun versichert, daß er so groß, als eine mäßige Kalbe gewesen, feurige Augen, einen 3. bis 4. Ellen langen Schwantz, und Füsse mit zusammen gewachsenen Zehen, wie die Gänse-Latschen, gehabt. Ubrigens sey er blaulicher Farbe, und eines scheußlichen Anblicks gewesen. Ob er Flügel gehabt, könne er so genau nicht sagen, doch sey es daher, daß er sich in die Luft gar geschwinde bewegen können, nicht undeutlich zu schliessen.
Als man endlich den Glocken-Thurm hinauf gekommen, hat man noch Funcken welche sich von einer gewissen zähen Fettigkeit unterhalten, angetroffen, bey deren einem, David Engelbach, als ein verwegener Mensch, seine Pfeife Toback angezündet, und welches höchst merckwürdig, nicht den geringsten widrigen Geschmack davon empfunden.
Obige Nachricht ist aus denen dieserhalb gehaltenen Gerichts-Acten gezogen, wie sich solche zu Gattersleben auf dem Rath-Hause befinden.