Grubenexplosionen
Die sich trotz aller Vorsichtsmaßregeln mit erschreckender Regelmäßigkeit wiederholenden Grubenexplosionen, d. h. Explosionen in Bergwerken, erregen immer aufs neue besonders deswegen das öffentliche Interesse, weil durch sie in den meisten Fällen Massenunglücke hervorgerufen werden. Explosionen in Kohlenbergwerken – andere Bergwerke sind fast gar nicht ähnlichen Gefahren ausgesetzt – werden durch zwei Ursachen veranlaßt, einmal durch das Auftreten schlagender Wetter und dann durch Entzündungen von Kohlenstaub. Bei größeren Grubenexplosionen können auch beide Gefahrenquellen gemeinsam wirken. Unter schlagenden Wettern versteht man das Grubengas (Methan CH.), das sich bei Vermoderung organischer Stoffe unter Luftabschluß entwickelt, und dann in den Steinkohlenflötzen so lange aufgespeichert bleibt, bis diese durch den Bergbau aufgeschlossen werden und es so aus der Kohle austreten kann. Diese Entgasung der Kohlen findet fortwährend statt. Das Gas, leichter als die Luft, steigt nach oben an die Decke der Gänge (= Stollen) und wird dort bei gutgeleiteten Bergwerken durch den, auf maschinellem Wege ununterbrochen hergestellten Luftzug an die Oberfläche der Erde getrieben. Auf diese Weise verhindert man größere Ansammlungen von schlagenden Wettern. Findet nun durch besondere Umstände diese Beseitigung des Grubengases nicht statt, und sammelt es sich in größeren Mengen an, so entsteht durch Vermengung mit dem Sauerstoff bezw. Luft ein gefährliches,
[100] leicht explodierendes Gemisch, das durch jede geringfügige Ursache zur Entzündung gebracht werden kann. Hierbei spielen die Bergmannslampe sowie das unvorsichtige Umgehen mit Sprengstoffen, durch die man größere Mengen Kohle freizulegen pflegt, eine große Rolle. Kommt es zu einer Explosion der schlagenden Wetter, so hängt deren Gefährlichkeit lediglich von der Menge des angesammelten Gases ab. Erfüllt dieses mehrere benachbarte Stollen, so pflanzt sich die Explosion auch weiterhin fort. Bei der regelmäßigen Entwicklung der schlagenden Wetter kennt man die Gefahr und kann Verhütungsmaßregeln durch einen fortwährenden, die Stollen durchfließenden Luftstrom treffen, nicht aber bei plötzlichen Gasausbrüchen. Der Bergmann arbeitet ahnungslos mit der Spitzhacke an der Kohlenwand. Da, nach einem neuen Hiebe, gerät die Wand plötzlich in Bewegung. Ungeheure Mengen des Grubengases, bisher in einem großen Hohlraume inmitten der Kohlen unter gewaltigem Druck festgehalten, haben einen Ausweg gefunden, sprengen das Gestein und brechen, vermischt mit undurchdringlichen Staubwolken, in die Grubenräume ein. Die Flucht ist bei Erscheinungen dieser Art nicht möglich. Der Gasstrom erstickt alles Lebendige, entzündet sich dann auch noch meist auf seinem Wege, und führt so zu den schwersten Katastrophen, die bedeutend gefährlicher sind wie die Explosionen des allmählich angesammelten Gases.
Die andere Ursache zu den häufigen Grubenexplosionen bildet der sich in den Bergwerksräumen ansammelnde feine Kohlenstaub. Dieser, der in der chemischen Beschaffenheit ebenso wie die Steinkohle selber wechselt, lagert überall an ruhigen Stellen, auf vorspringenden Kanten und den Holzteilen der Stollenzimmerung, in oft fingerdicken Lagen. Bei Erschütterung durch einen plötzlichen Luftstoß, z. B. durch einen Sprengschuß oder eine Schlagwetterexplosion, rieselt er hernieder und erfüllt die Luft mit förmlichen Wolken. Jeder aufgewirbelte Kohlenstaub kann nun Explosionen veranlassen, da jeder Funke und jede schlecht gehütete Flamme einer Bergmannslampe ihn zur Entzündung bringt. Einmal eingeleitet, [101] pflanzt sich eine Kohlenstaubexplosion ebenso wie eine Schlagwetterexplosion auf unbegrenzte Entfernungen hin fort, solange sie eben Nahrung auf ihrem Wege findet.
Die Wirkungen der Grubenexplosionen sind stets dieselben. Ist durch irgendeinen Anlaß die Zündung von Schlagwettern oder einer Kohlenstaubwolke eingetreten, so erfüllt die Flamme plötzlich den ganzen Raum, erlischt aber sofort wieder, weil der Sauerstoff zum Unterhalt des Feuers in dem engen Stollen fehlt. Kleinere Explosionen ohne weite Ausdehnung verlaufen für die Beteiligten in der Regel ohne schwere Verletzungen. Diese bestehen in oberflächlichen Verbrennungen der entblößten Körperteile. Deshalb ist den Bergleuten in Schlagwettergruben verboten, mit nacktem Oberkörper zu arbeiten. Regelmäßig aber kommt es zu einem verlustreichen Unglück, sobald die einmal entstandene Flamme in den benachbarten Gängen durch Anwesenheit von Schlagwettern oder von Kohlenstaub weitere Nahrung findet. Dann schlägt sie weiter, und treibt mit starker Gewalt glühenden Staub in einem Feuerregen vor sich her. Die Luft dehnt sich infolge der großen Erwärmung plötzlich aus, es entsteht ein sog. Luftstoß (= Schlag) und macht sich weithin bemerkbar. Leute, die größere Grubenexplosionen mitgemacht haben, verspürten diesen Luftstoß regelmäßig und wurden dadurch sogar zu Boden geworfen. Ein Fluchtversuch aus den von einer größeren Explosion betroffenen Stollen gelingt in den seltensten Fällen. Denn wo früher atmosphärische Luft war, finden sich jetzt die Nachschwaden, ein rauchiges Gemenge von giftigem Kohlenoxydgas, das alles Lebendige vernichtet. Das beste Mittel zur Verhütung von schlagenden Wettern ist, wie schon erwähnt, gute Luftzuführung und möglichst vorsichtiges Umgehen mit Feuer. Das letztere kommt auch bei der Bekämpfung der Kohlenstaubexplosionen in Betracht, die man besonders durch Berieselung der Stollengänge, wodurch das leichte Aufsteigen des Staubes verhindert wird, zu verhüten sucht.