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Grünes Gras

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Textdaten
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Autor: Eva Treu
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Titel: Grünes Gras
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27–28, S. 850–859, 876–880
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[850]

Grünes Gras.

Eine Backfisch-Geschichte von Eva Treu (Lucy Griebel).

So, nun war mein Koffer fertig gepackt! Es war ein großer Koffer, und er enthielt eine ganze Menge Sachen. Beinahe war ich erstaunt darüber, daß ich überhaupt so viele hübsche Dinge besaß; es war mir früher nie so aufgefallen wie jetzt, da einmal alles auf einen Haufen kam. Mutter freilich fand, als sie einen Blick in meine beinahe leere oberste Kommodenschieblade that, in der ich sonst alle meine Kostbarkeiten aufzubewahren pflegte, daß es sehr überflüssig sei, auf eine vierwöchige Reise so viel mitzunehmen.

Wozu ich das Photographiealbum eingepackt hätte, das sicher drei Pfund wöge, fragte sie erstaunt – und wozu das Poesiealbum? Und was ich mit drei oder vier Novellenbüchern, die ich ja doch schon gründlich kannte, auf der Reise beginnen wollte, und was mit meinen sämtlichen Parfümflaschen und allen Handschuhen, Schleifen und Schmucksachen, die ich überhaupt besäße?

Was ich damit wollte? Ja, das konnte ich so in der Geschwindigkeit auch nicht sagen. Aber wozu hat man denn hübsche Sachen, als daß man sie mitnimmt und zeigt, und man kann doch immer nicht wissen, wozu es gut ist. Jedenfalls waren sie nun einmal in meinem Koffer, und zwar ganz unten auf dem Grunde, was ich Mutter mit einem geheimen Triumphgefühl sagte, denn sie konnte doch nicht von mir verlangen, daß ich alles wieder auspacken sollte. So klappte ich den Koffer denn schnell zu und setzte mich mit aller mir zu Gebote stehenden Wucht auf den Deckel, um ihn zuzudrücken, was sonst wohl kaum gelungen wäre. Allerdings war mein Körpergewicht auch nicht übermäßig groß, aber es half doch etwas.

Ich blieb auf meinem Koffer sitzen und schlenkerte mit den Füßen, wobei ich nicht umhin konnte, wieder einmal zu bemerken, daß dieselben doch wirklich recht klein und schmal wären, besonders in diesen zierlichen Spangenschuhen.

Ueberhaupt war ich augenblicklich mit mir und der Welt so recht von Herzen zufrieden, und darüber braucht sich niemand zu wundern, denn ich sollte am nächsten Tage in aller Frühe ganz allein auf eigene Hand eine Vergnügungsreise antreten zu meiner Tante Renate, die mich schon im Frühling eingeladen hatte.

Tante Renate war eine unverheiratete Stiefschwester meiner Mutter, also eine alte Jungfer. Eigentlich klang das ja nicht gerade sehr verlockend, bei einer alten Jungfer auf Besuch gehen zu sollen; Mutter hatte mir aber gesagt, daß Tante gesellig lebte, und überdies sind solche alte Damen ja mitunter recht nett, schenken ihren jungen, hübschen Nichten allerhand Sachen, die wegen ihrer Altmodischkeit jetzt wieder modern sind, und zeigen sich auf andere Weise erkenntlich dafür, daß man ihre einsame Häuslichkeit durch seine Jugend ein bißchen belebt.

Gesehen hatte ich Tante Renate noch nicht, doch hatte sie im vorigen Winter zu meinem ersten Ball ganz aus eigenem Antriebe sehr hübsche Zweige von Heckenrosen geschickt, was ich nett von ihr fand. Ich dachte sie mir so ähnlich aussehend wie Mutter, die ziemlich stark war, deren Haar früher schwarz und dick war, in den letzten Jahren aber dünn und grau geworden ist, die aber ein liebes, gutes Gesicht hat, gerade so, wie ich es mir nur für meine Mutter wünschen kann, obgleich Mutter manchmal recht – na, das ist einerlei und gehört nicht hierher!

„Mutter,“ sagte ich, vergnügt zu ihr emporsehend, wie sie so vor mir dastand, „ist Tante eigentlich so in der Art wie du?“

„Ach bewahre, Kind! Ganz anders! Ich sehe meiner Mutter ähnlich und Renate der ihrigen, wenigstens that sie das früher. Wie sie jetzt aussieht, kann ich, nachdem ich sie seit acht Jahren nicht gesehen habe, freilich nicht wissen.“

„Nein, Mutter, ich meine eigentlich, ob sie im Wesen dir ähnlich ist.“

„Nein, durchaus nicht,“ sagte Mutter wieder. „Unser Lebensgang ist auch so verschieden gewesen, daß es gar nicht möglich wäre.“

Das konnte ich begreifen. Mutter hatte jung geheiratet und immer einen großen Hausstand gehabt. Tante Renate dagegen hatte natürlich als alte Jungfer immer ein sehr bequemes Leben geführt, und gewiß war sie altmodisch und sehr gefühlvoll, obgleich ihre Briefe eigentlich nicht gerade so klangen.

„Mutter,“ fing ich wieder an, „sie ist nett, nicht?“

„Sehr,“ sagte Mutter mit großem Nachdruck, „jedermann hat sie gern. Ich kann nur wünschen, daß du möglichst viel von ihr lernst und ihr recht ähnlich wirst.“

Ich sah erstaunt auf, sagte aber nichts. Es war doch eine absonderliche Zumutung, daß ich mit meinen siebzehn Jahren einer alten Jungfer ähnlich werden sollte. Nach einer Pause fing ich dann doch wieder an:

„Mutter, wie geht es eigentlich zu, daß wir gar kein Bild von Tante Renate haben?“

Mutter lachte ein bißchen. „Wir haben eins gehabt, Kind, eins aus ihrer Jugendzeit. Das hat mir einmal jemand heimlich entführt, der sich damals sehr für sie interessierte. Seitdem haben wir dann keines wieder bekommen. Wenn man älter wird, mein Kind, fühlt man nicht mehr beständig den zwingenden Drang in sich, sein Gesicht vervielfältigen zu lassen. Aus solchen Dummheiten wachsen vernünftige Menschen bald heraus!“

Das sollte natürlich auf mich gehen, und es war ja richtig: ich hatte, seit ich eigenes Taschengeld erhielt, dem Photographen öfter zu verdienen gegeben. Aber, liebe Zeit, wenn man doch gut aussieht und so oft um sein Bild gebeten wird! Es hätte ja allerdings nicht gerade immer Kabinettformat zu sein brauchen, aber der Unterschied im Preise ist ja so gering!

Uebrigens gönnte mir Mutter die Ruhe auf meinem Koffer nicht länger, sondern forderte gebieterisch, daß ich erst mein Zimmer aufräumen und dann für das Abendbrot sorgen sollte, und obgleich mich die eine Beschäftigung ebenso wenig anlockte wie die andere, wußte ich doch, daß kein Entrinnen war, wenn Mutter etwas befahl.

Also räumte ich erst mein Zimmer auf, wozu ich erhebliche Zeit brauchte, sorgte dann für das Abendbrot, trank in aller Geschwindigkeit Thee und schlüpfte darauf noch heimlich aus der Gartenpforte, um Reseda adieu zu sagen. Reseda ist meine allerbeste Freundin! Eigentlich heißt sie Therese, aber ich finde es poetisch, sie Reseda zu nennen. Es hätte wohl im Grunde kein Hindernis vorgelegen, einfach frei durch die Hausthür über die Straße zu ihr zu gehen, doch mich dünkt immer, die kleinen Heimlichkeiten geben der Freundschaft – wenn es nämlich allerbeste Freundschaft ist – ganz besonderen Reiz!

Reseda war aber nicht zu Hause; auch ihre Eltern waren ausgegangen, und nur Wulf, Resis Bruder, saß auf der Bank neben der Hausthür und machte ein schwermütiges Gesicht.

Wulf studierte Forstwissenschaft und war nur auf einige Zeit zu Hause, um seinen kranken Arm zu heilen, den er sich bei einem Sturz vom Fahrrade verletzt hatte und noch in einer Binde trug. Er war sehr hübsch, hatte eine schlanke Figur, braune, gewöhnlich lustige Augen und einen sehr flotten, dunkelblonden Schnurrbart über weißen Zähnen. Als Radfahrer leistete er Vorzügliches, und Karl, mein Bruder, der allerdings vielleicht nicht gerade ein ganz maßgebendes Urteil hatte, behauptete, daß er „phänomenale Kenntnisse“ besäße. „Einfach großartig“, sagte Karl. Davon verstand ich natürlich nichts, und das war auch nicht von mir zu verlangen.

Mich fand Wulf Hegewisch, glaube ich, recht nett, ja, offen gestanden, er fand mich wohl sogar sehr nett.

Doch das wollte ich eigentlich nicht erzählen, es gehört ja auch nicht zur Sache.

„Herr Hegewisch,“ sagte ich teilnehmend, „warum sehen Sie so traurig aus?“

[851] „Fräulein Lafrenz,“ entgegnete er vorwurfsvoll, „können Sie noch fragen?“

„Fragen? ja natürlich, das hören Sie ja! Fehlt Ihnen etwas?“

„Fräulein Lafrenz,“ sagte er und seufzte so tief, daß es mich wirklich rührte, „soll ich vielleicht auch noch Jubellieder singen, wenn Sie morgen in aller Frühe auf so lange verreisen, daß ich Sie ganz gewiß nicht mehr zu sehen bekomme, ehe ich selbst wieder von hier fort muß?“

Jubellieder, nein, da hatte er recht, die brauchte er nicht zu singen. Ich hätte es sogar recht taktlos und unpassend gefunden, wenn er es gethan hätte.

„Ach was.“ sagte ich trotzdem wegwerfend, „das kann Ihnen doch einerlei sein!“

„So?“ Er sah mich an. Es war dumm und lächerlich von mir, aber ich fühlte, daß ich rot wurde.

„Wenn man wenigstens hoffen dürfte, daß Sie manchmal an einen denken, während Sie bei dieser schauderhaften alten Tante sind. Aber darauf ist wohl nicht zu rechnen?“ Er sah mich mit halbgeschlossenen Augen von der Seite an, und ich ärgerte mich, weil das alberne Rot nicht aus meinem Gesichte weichen wollte.

Deshalb kam es auch etwas schnippischer heraus, als ich eigentlich gewollt hatte, nun ich schnell antwortete: „Nein, darauf wird wohl schwerlich zu rechnen sein, und überhaupt –“ und dann wurde ich plötzlich unter seinem Blick verlegen, stotterte etwas von Wiedersehen in den Herbstferien, bis zu denen es ja gar nicht mehr lange hin wäre, machte einen sehr plötzlichen und verunglückten Abschiedsknix und ging davon, ohne ihm die Hand gegeben zu haben.

Als ich hundert Schritte weit gegangen war, wurde mir zu Mute, als wenn ich mich scheußlich benommen hätte, und ich verspürte die größte Lust, wieder umzukehren, irgend etwas sehr Nettes zu sagen und zu thun und – ja, wirklich, einen Augenblick war mir’s so, als möchte ich dem armen Menschen um den Hals fallen und ihm versprechen, daß ich jeden Tag an ihn denken wolle.

Aber natürlich that ich nicht dergleichen. Wie konnte ich denn, Mutters große, wohlerzogene Tochter von siebzehn Jahren! Ich bekämpfte diese ganz unvernünftigen Regungen mit aller mir innewohnenden Vernunft und Seelenstärke und ging meines Weges weiter.

Nein, wie hätte ich denn etwas so Unerhörtes thun können! Ein sonderbares Gefühl freilich war in mir, als wenn es eigentlich sehr hübsch gewesen wäre, ihm um den Hals zu fallen, und als wenn Tante Renate mich wohl auch zu einer anderen Zeit hätte einladen können; aber im Laufe des Abends ging es vorüber, und am nächsten Morgen brachte die Abreise so viel Unruhe mit sich, daß es gar nicht möglich war, an etwas anderes als an diese zu denken.

Reseda brachte eine Tafel Schokolade und einen Rosenstrauß an den Bahnhof. „Von Wulf,“ flüsterte sie heimlich, als sie mir die Blumen gab, und darüber ärgerte ich mich. Wie konnte sie sich da hineinmischen und warum zog er sie ins Vertrauen? Das mochte ich nicht, obgleich Reseda meine allerbeste Freundin war. Darum legte ich die Rosen auch ganz nachlässig und gleichgültig in das Gepäcknetz, und erst, als der Zug in voller Bewegung war, nahm ich sie wieder hervor und roch lange daran. Es waren wirklich sehr schöne Rosen, und es wäre schade gewesen, sie ganz unbeachtet zu lassen.

Die Reise verlief ohne Abenteuer, denn Mutter hatte mich natürlich in eine Damenabteilung hineingestopft, und es war mir also unmöglich, irgend etwas Nennenswertes zu erleben. Die jungen Mädchen in Novellen und Romanen haben wahrscheinlich alle sehr vorurteilsfreie Mütter, denn sie fahren meistens „Nichtraucher“ und erleben auf Reisen immer merkwürdig viel!

Als ich umzusteigen hatte, überlegte ich einen Augenblick, ob ich nicht auch einen solchen Wagen wählen sollte, aber ich weiß nicht, wie es kam: als ich den Fuß schon auf dem Trittbrett hatte, zog ich ihn doch wieder zurück und kroch ganz bescheiden wieder in meine Damenabteilung hinein, in der noch dazu zwei schreiende Kinder saßen, die nachher fast meine ganze Schokolade aufgegessen haben. Das war aber auch alles, was ich auf der ganzen Tagesfahrt erlebte! Doch eins will ich noch bemerken: auf den Bahnhöfen, wo ich stets den Kopf zum Fenster hinausstreckte, wendeten verschiedene Leute sich nach mir um, und mein neuer Hut war ja auch sehr kleidsam zu meinen hellen, krausen Haaren.

Als mein Zug endgültig hielt und ich mit meinem Handgepäck auf den Bahnsteig hinaussprang, spähte ich natürlich sofort nach einer älteren Dame aus. Tante hatte mir nicht geschrieben, woran ich sie erkennen könnte, dagegen hatten wir ihr meinen Reiseanzug geschildert: hellkarrierter Staubmantel und dunkelrot garnierter Rundhut! Ich konnte aber eine tantenhafte und altjüngferliche Dame – halbwegs war ich sogar auf einen mitgebrachten Mops gefaßt gewesen – nirgends entdecken, wenigstens keine, die sich im mindesten um mich gekümmert hätte. Alle Reisenden stiegen aus und eilten dem Ausgang zu, und ich dachte schon, niemand wollte mich in Empfang nehmen.

Da sah ich eine hübsche, schlanke Dame eilig den Bahnsteig betreten und spähend überall umherblicken. Rasch kam sie auf mich zugeschritten, lächelte freundlich und sagte, indem sie mir prüfend ins Gesicht blickte: „Helmi Lafrenz?“

„Ja,“ sagte ich errötend, „die bin ich.“

„Dann bist du also mein erwartetes Nichtchen,“ meinte die Dame und gab mir die Hand, die meine herzlich schüttelnd; „du mußt entschuldigen, liebes Kind, ich bin unterwegs aufgehalten worden und habe mich um ein paar Minuten verspätet. Hoffentlich fühltest du dich nicht schon verlassen!“

Dann winkte sie einem Kofferträger, übergab ihm das größere Handgepäck und machte sich zu Fuß mit mir auf den Heimweg.

Also das war Tante Renate! O, wie ganz, ganz anders war sie, als ich sie mir vorgestellt hatte!

Das Wort „alte Jungfer“ wollte absolut nicht passen; sie sah wirklich nicht aus wie eine solche. Nein – nein, wirklich nicht! Tante Renate sah überhaupt nicht alt aus mit ihrer feinen, schlanken Gestalt, dem klugen, frischen, ovalen Gesichte, den modern, wenn auch ganz einfach frisierten, welligen, dunkelblonden Haaren, den klaren, blaugrauen Augen. Aeltlich gekleidet war sie ebenso wenig wie sehr jugendlich; es schien, als wenn alles, was sie anhatte, gerade so sein müßte, wie es war, und sicher mußte jeder sagen, daß das Ganze entschieden hübsch war.

Komisch, daß ich mir vorher so fest in den Kopf gesetzt hatte, sie müßte ganz anders sein! Ich wußte ja nicht, wie alt Tante war, aber Mutter zählte doch über fünfzig Jahre, und Tante sah nach meinem Dafürhalten aus, als wenn sie etwa ein- oder zweiunddreißig alt sein könnte.

„Du siehst mich so forschend an,“ sagte sie plötzlich lächelnd, „hattest du mich dir anders vorgestellt?“

„Ja, sehr!“ entgegnete ich, ein bißchen verlegen und rot werdend.

„Ja?“

„Aehnlich wie Mutter – wenigstens ähnlich so alt! Du bist ja aber noch –“ ich stockte.

Sie lächelte wieder. „Ach so, du hattest dich auf graue Haare und einen Strickbeutel gefreut, und nun bist du enttäuscht? Das thut mir wirklich leid, Helmi! Ich bin ja aber eine Stiefschwester deiner Mutter und eine ganze Reihe von Jahren jünger als sie. Uebrigens habe ich mir die Welt doch schon eine ziemliche Weile angesehen, Kleine; darüber beunruhige dich nur nicht! Erzähle mir lieber, wie es den Deinen zu Hause geht.“

Das that ich denn, und Tante fragte nach allem so lebhaft interessiert, ging auf alles, was ich erzählte, so freundlich ein, daß ich mich schon ordentlich vertraut mit ihr fühlte, als wir in ihrer Wohnung ankamen.

Hatte etwa noch der letzte Rest einer Vorstellung von einem Altjungfernstübchen in meiner Seele geschlummert, so konnte ich damit jetzt gründlich aufräumen. Tante war ganz modern und sehr hübsch eingerichtet, ganz ohne gehäkelte Schutzdecken und Korblehnstühle, ohne Daguerreotypen an den Wänden und Papierblumen in den Vasen; alles war hell und freundlich mit blühenden Gewächsen in allen Fenstern und zwanglos geordneten Möbeln, [852] viel zierlicher und moderner als bei uns zu Hause, wo manches schon recht verschossen und verblichen war, und dabei war es traulich und heimlich bei ihr! Alles paßte zu Tantes Gesicht, wie ihre Kleider zu demselben paßten.

Als dann Licht angezündet wurde, ich Tante Renate beim Abendbrot gegenüber saß, welches so hübsch angerichtet war wie bei uns nur zu Gesellschaften, und der helle Lampenschein voll auf sie fiel, sah ich dann freilich wohl, daß sich durch die vollen, welligen Haare hier und da ein weißes Fädchen zog, aber nur ganz vereinzelt, und daß quer über die Stirn hin ein paar ganz leichte Fältchen lagen. Aber das alles bemerkte man nur, wenn man recht genau hinsah.

Ueber mein Fremdenstübchen, in welches mich Tante nach dem Abendessen führte, schrie ich fast auf vor Entzücken! Ich weiß nicht, wie Tante es angestellt hatte: eigentlich war der Raum nur eine ganz prosaische Dachkammer mit einem schrägen Fenster, aber mit Hilfe von viel hellem, geblümtem Kattun, weißem Mull und Topfgewächsen hatte Tante etwas ganz Reizendes daraus gemacht, genau das, was man sich bei einem Mädchenstübchen denkt!

Alles in allem gefiel es mir also für den Anfang sehr gut bei Tante Renate, und ich wünschte, sie hätte mich auf etwas länger als vier Wochen eingeladen, was ich auch sogleich auf einer illustrierten Postkarte nach Hause meldete. Ich wollte dasselbe auch an Reseda schreiben, aber zufällig fielen meine Augen dabei auf die Rosen, welche noch recht frisch aussahen, da ließ ich den Nachsatz fort und schrieb nur, es gefiele mir hier ganz gut.

Am nächsten Morgen beim Frühstück fragte Tante mich nach meinen Liebhabereien und Talenten. Nun hatte ich ja sehr vielseitige Interessen, z. B. ich malte, ich sang, ich lief Schlittschuh, ich tanzte, ich würde gern geradelt haben, wenn ich nur ein Rad gehabt hätte, ich las gern, besonders Novellen und Romane, ich ging gern ins Theater, wenn bei uns zu Hause eins gastierte, ich sammelte Ansichtskarten und Autogramme und trieb noch vieles andere mehr. Das zählte ich ihr nun auch alles auf, denn es kam mir ein wenig so vor, als wenn Tante meinte, ich wäre vielleicht hinter meiner Zeit etwas zurückgeblieben, was ich doch in keiner Weise war.

Tante schien auf alles kein rechtes Gewicht zu legen, wenigstens lächelte sie ein bißchen still vor sich hin, während ich erzählte, und nur, als ich sagte, ich malte und zeichnete ziemlich gut, fragte sie lebhaft: „Ach, wirklich? Das ist hübsch. Hast du dein Skizzenbuch mitgebracht, dann zeige es mir doch einmal! Hier ist nämlich mancher sehr schöne landschaftliche Aussichtspunkt, den ich mit dir aufsuchen könnte. Ich selbst habe leider kein Talent für Malerei, aber viel Interesse und wohl auch ein leidliches Auge für Schönheit!“

Skizzenbuch! Was die sich nur dachte! Wer hat denn gleich ein Skizzenbuch? Nach der Natur zeichnen und malen doch nur große Künstler. Vorlagen zum Abzeichnen und Durchpausen hatte ich eine ganze Menge, die genügten doch! Ich sagte darum auch der Wahrheit gemäß, ich male hauptsächlich auf Holz und mit dem Brennstift, und das könne man nur nach Vorlagen, anders ginge es nicht.

Das sah Tante ein. „Ach so,“ sagte sie und lächelte wieder ein bißchen. „Das verstehe ich dann wohl nicht, Helmikind!“

Nein, das verstand sie wirklich nicht!

„Also du zeichnest und malst hübsch. Was kannst du denn noch sonst besonders gut?“

Nun war mir immer gesagt worden, ich hätte eine schöne Stimme, und daß ich sehr fertig Klavier spielte, wußte ich ja selbst. Singunterricht allerdings hatte ich bis jetzt nicht gehabt, aber ich war stets in allen Gesellschaften zu Hause zum Singen aufgefordert worden. Ich antwortete also, besonders hätte ich Talent für Musik, und dabei war keine Prahlerei, das hatte ich wirklich, wie ich denn überhaupt alles Prahlen mit Dingen, die man nicht gründlich kann, sehr häßlich finde!

„Das ist ja sehr hübsch und angenehm,“ sagte Tante wieder erfreut. „Ich bin nämlich selbst etwas musikalisch, besonders singe ich gern, und da ich dir beim Sprechen anhöre, daß du einen ziemlich hohen Sopran hast, ich aber eine Altstimme besitze, werden wir sicher Duette miteinander singen können. Du singst vom Blatt?“

Nein, vom Blatt sang ich nicht; ich mußte sogar immer ziemlich lange üben, ehe ich eine Melodie innehatte. Ich sagte also: nein, daran wäre ich nicht gewöhnt.

Tante nickte freundlich. „Das thut nichts, Helmikind, deshalb kann man doch gut singen, das ist einfach Sache der Uebung und Gewohnheit, wenn man nur sonst Musik in sich hat. Zeit zum Ueben hast du hier ja genug. Ich habe nun im Hause Verschiedenes zu thun, sieh dir inzwischen einmal meinen Notenschrank an, der Schlüssel steckt! Vielleicht findest du etwas, was du schon kannst, oder was dich lockt. Das Klavier steht dir zur Verfügung. Gegen Mittag mache ich dann ein paar Besuche mit dir!“

Damit stand sie auf und ging hinaus, und ich machte mich an den Notenschrank heran.

Nein, was für eine Unmasse Noten Tante Renate hatte! Zahllose Lieder, die mir völlig unbekannt waren, natürlich meist deutsche, aber auch schwedische, dänische, englische und französische, dazu italienische Arien und endlich gar Kirchenmusik, ganz altmodische Kirchenmusik!

Wer singt denn heutzutage so etwas! Dies ist ja gräßlich langweilig. Dann kamen freilich auch Namen, die ich kannte. Ich fand einen Band mit Duetten von Brahms, von dem ich noch nie etwas gesungen hatte, und da er mich lockte, ging ich mit ihm an das Klavier und fing an, mir den Sopran eines Liedes vorzuspielen, um ihn dann nachzusingen.

Eine Weile ging das so. Auf einmal öffnete sich die Thür ein wenig, und Tante steckte den Kopf herein.

Cis,“ sagte sie lächelnd und zog den Kopf zurück.

Ach so, da hatte ich immer gespielt und das Kreuz vergessen. Ich verbesserte den Fehler, übte ein Endchen weiter und fing wieder von vorn an.

Cis, Cis!“ rief es wieder von der Thür her und diesmal streckte die Tante nicht nur den Kopf herein, sondern stand in ganzer Person im Zimmer. „Liebstes Kind, es ist ja kaum zu glauben, daß du das nicht hörst!“

Ich schlug das Notenbuch zu und schloß das Klavier. Ich ärgerte mich, und das war mir doch auch nicht zu verdenken. Dabei fühlte ich ordentlich, was für ein heißes Gesicht ich bekam.

Tante trat an das Klavier heran, dessen Deckel nicht ganz so leise zugeklappt war, wie er eigentlich sollte, strich mir über die Wangen und sagte mit einem Lächeln: „Ist das Helmikind vielleicht ein ganz klein wenig empfindlich? Nicht doch, Kind, wir werden trotzdem noch manches hübsche Duett miteinander einüben! Sieh, ich singe ja schon so viele Jahre länger als du, da lernt man achtgeben.“

Nun ja – ich beschloß, nicht weiter böse zu sein, aber mit dem Ueben mochte ich auch nicht wieder beginnen, sondern verschob es auf eine Zeit, wo Tante nicht zu Hause sein würde.

Uebrigens wußte ich eigentlich gar nicht, wie Tante dazu kam, mich so zu hofmeistern. Sie hatte doch nur eine Altstimme und ich einen Sopran!

Vor Tische machten wir dann mehrere Besuche in Familien, wo junge Mädchen ungefähr von meinem Alter waren. Denn, so erzählte mir Tante unterwegs, sie hätte für die nächste Zeit mehrere Einladungen, und man hätte ihr erlaubt, mich mitzubringen, da müßte sie mich vorher in den Familien bekannt machen. Auch würde gegen das Ende der Woche ein größerer gemeinsamer Ausflug mit Picknick unternommen werden, und Tante wünschte, daß ich mich dabei nicht fremd fühlen sollte.

Im stillen wunderte ich mich aber, daß sie, die doch in der großen Stadt wohnte, nicht einmal wußte, daß es jetzt modern ist, bei Besuchen weiße Handschuhe zu tragen. Ihre eigenen waren ziemlich dunkelbraun, und meine weißen sah sie, wie mir schien, ein bißchen befremdet an. Aber ich ließ mich gar nicht beirren. Mit seiner Zeit fortschreiten muß man, sonst wird man gleich für kleinstädtisch gehalten!

Ich glaube, daß ich in dem hellblauen Sommerkleide sehr vorteilhaft aussah, und daß mich die Familien, welche wir besuchten, sämtlich gern leiden mochten, wenigstens waren sie alle sehr liebenswürdig gegen uns. Besonders auch die jungen Madchen thaten gleich freundlich und bekannt, wodurch sie mir diese [854] Besuchsrunde sehr erleichterten, denn natürlich hatte ich mich doch ein wenig davor gefürchtet, zu den fremden Menschen hinzugehen. Ich war das nicht gewohnt. Bei uns zu Hause kamen die fremden Leute zuerst zu uns, da war es leichter, unbefangen zu sein. Die jungen Mädchen waren aber alle so lustig, freundlich und gar nicht steif, daß ich meine eigne Verlegenheit schnell vergaß. Sie freuten sich sämtlich sehr auf das Picknick und sagten, es würden auch viele nette Herren dabei sein, auch glaubten sie, es würde zuletzt getanzt werden.

Tanzen – himmlischer Gedanke!

Nur etwas war beinahe komisch. Alle der Reihe nach fragten: „Ist es nicht entzückend, bei Fräulein Karstadt zu Besuch sein? Ist sie nicht eine reizende Dame? Bei der wäre ich auch gern einmal Logiergast!“ Es wurde zuletzt fast ein wenig langweilig, immer dasselbe zu hören. Denn Tante Renate war ja reizend in ihrer Art, aber davon braucht man doch nicht immer zu sprechen.

Besonders ein junges Mädchen, ganz in meinem Alter, nicht hübsch, aber sehr nett, gefiel mir. Sie hieß Anna Elisabeth Rösingk und wurde von der Familie Anneliese genannt. Ich will hier nur gleich hinzufügen, daß wir uns schon am dritten Tage bei den Vornamen und Du nannten, und daß Anneliese dann meine zweitbeste Freundin, die gleich nach Reseda kommt, geworden ist.

Rösingks waren sehr reich. Jetzt im Sommer, vor und nach der Reisezeit, bewohnten sie eine wunderhübsche Villa am Strande mit einer Veranda und einem Garten; im Winter hatten sie eine Stadtwohnung.

Bei Rösingks war Tante auch zum nächsten Tage eingeladen, und Frau Rösingk wiederholte noch ganz besonders, sie würde sich sehr freuen, wenn ich mitkäme. Es schien ihr wirklich viel daran zu liegen, und ich hatte natürlich nichts einzuwenden.

Es war eine Nachmittagsgesellschaft, so eine Art Fünfuhrthee für Herren und Damen. Alles war eigentlich ganz wie in einer Kaffeegesellschaft, nur daß wir Thee bekamen und daß Herren zugegen waren. Diese letzteren waren alle nicht mehr ganz jung; es waren etwa fünf oder sechs, und drei von ihnen hatten ziemlich kahle Köpfe. Offen gesagt, fand ich es zuerst ein bißchen langweilig. Es wurde über neue Bücher, die ich nicht gelesen, und über Bilder, die ich nicht gesehen hatte, gesprochen, und niemand kümmerte sich um Anneliese und mich, die wir die beiden einzigen jungen Mädchen waren.

Als von den Bildern die Rede war, schienen sich alle dem Urteil eines Herrn unterzuordnen, der sich neben Tante gesetzt hatte und sie besonders oft anredete. Auch er war nicht mehr jung. Er sah aus, als könnte er schon gegen vierzig Jahre alt sein, aber sein Kopf war nicht kahl, sondern ganz voll ziemlich kurz geschorener, dunkler Haare. Auch sein kurz gehaltener dunkler Vollbart war erst ein klein wenig grau, und in seinen braunen Augen blitzte es manchmal ganz jung. Er hatte eine rasche Art, den Kopf zu wenden und einen plötzlich scharf anzusehen, die gar keinen ältlichen Eindruck machte, und seine Figur war schlank und stattlich. Von allen Herren gefiel er mir am besten. Natürlich war mir sein Name bei der Vorstellung genannt worden, doch hatte ich nicht weiter darauf geachtet.

Merkwürdigerweise schienen er und Tante immer einer Meinung zu sein, das heißt: Tante, die ja selbst sagte, daß sie von Malerei nichts verstände, fragte ihn immer um sein Urteil, und das schien sie dann ohne weiteres jedesmal für maßgebend zu halten, jedoch nur, wenn von Bildern die Rede war, bei anderen Dingen merkte man wohl, daß Tante Renate auch ihre eigne Meinung hatte. Er nahm es ihr auch gar nicht übel, und alt genug war sie ja dazu!

Uebrigens wußte ich immer noch nicht, wie alt Tante Renate eigentlich war. Zwar hatte ich auf meiner illustrierten Postkarte mich bei Mutter danach erkundigt, sie hatte aber gar keine Notiz von meiner Frage genommen, als sie antwortete.

Endlich sah wohl Frau Rösingk, wie schmählich Anneliese und ich uns langweilten; sie fühlte ein menschliches Rühren und schickte uns hinunter in den Garten, wo wir sehr bald ganz bekannt und vertraut miteinander wurden und uns sehr, sehr viel erzählten. Nur von Wulf Hegewisch sagte ich noch nichts, dazu war Anneliese mir doch noch zu fremd.

„Aber wer ist eigentlich der Herr, der so viel mit meiner Tante spricht?“ fragte ich so nebenbei.

„Der?“ rief Anneliese und machte begeisterte Augen – „wissen Sie nicht? Der ist ein berühmter Maler – wirklich berühmt! – Harrang heißt er. O, er malt himmlische Bilder! Noch vor kurzem ist hier eine Sonderausstellung von seinen Sachen veranstaltet gewesen – zu schön! Haben Sie von dem noch nicht gehört? Eigentlich wohnt er in München. Was er hier will, weiß ich nicht recht; seit vierzehn Tagen ist er hier. Wir haben ihn durch Ihre Tante kennengelernt, ich glaube, die kannte er ein wenig von früher her. Sonst ist er schwer zu haben, er liebt Gesellschaften nicht. Finden Sie ihn nicht reizend? Berühmte Leute sind doch immer zu interessant! Unverheiratet ist er außerdem auch.“

Ja, wenn er berühmt war! – Vorher wäre ich eigentlich nicht gerade darauf verfallen, ihn „reizend“ zu finden, sondern höchstens war er mir ganz nett vorgekommen, aber wenn er berühmt war –! Nun, da Anneliese es sagte, fand ich allerdings auch, daß er wirklich einen unbeschreiblich genialen und anziehenden Eindruck machte. Ich hatte immer so sehr gewünscht, einmal einen berühmten Künstler kennenzulernen, und ich empfand sofort den brennenden Wunsch, von ihm beachtet zu werden.

Vielleicht konnte ich ihn um einen Beitrag für meine Autographensammlung bitten, die gar nicht recht über die ersten Anfänge hinaus gedeihen wollte, obgleich ich schon an viele Schriftsteller und Künstler heimlich deswegen geschrieben und ihnen sogar Ansichtspostkarten übersandt hatte.

Nun thaten sich mir durch den Besuch bei Tante Renate ja allerhand ungeahnte Perspektiven auf! Was würden zu Hause meine Freundinnen sagen, wenn sie hörten, daß ich hier mit berühmten Malern verkehre!

Nach längerer Zeit, während welcher wir bald in dieser, bald in jener Laube gesessen oder uns in dem Boot, das unten am Strande angekettet lag und Rösingks gehörte, geschaukelt hatten – loslösen durften wir es nicht! – sagte Anneliese, jetzt würde wohl gleich das Eis gereicht werden, und wenn wir nicht leer ausgehen wollten, müßten wir nun auf die Veranda zurückkehren. Auch hatten wir uns jetzt so viel erzählt, daß es vielleicht uns beiden schien, als wäre es vorläufig nun genug.

Jedoch war es noch nicht spät genug für das Eis. Als wir wieder zu den übrigen zurückkehrten, schien gerade eine Pause im Gespräch eingetreten zu sein, und Frau Rösingk sagte: „Jetzt wäre ein bißchen Musik sehr angenehm,“ und dann so halb beiläufig zu mir: „Sind Sie musikalisch, Fräulein Lafrenz?“

Ich sagte Ja, ich spielte und sänge, und Frau Rösingk meinte, dann machte ich der Gesellschaft vielleicht die Freude, etwas vorzutragen. Nachher würden wir hoffentlich auch Tante Renate noch zu hören bekommen!

Tante Renate erhob einen Augenblick die Augen von ihrer Handarbeit, und fast sah es aus, als wenn sie, indem sie mich ansah, ganz leise den Kopf schüttelte, ich weiß nicht, warum. Doch mußte ich mich darin wohl getäuscht haben, denn sie sagte nichts und ließ mich ruhig mit Anneliese in das an die Veranda grenzende Zimmer gehen, zu dem die Thür offen stand, und in welchem sich das Klavier befand.

Ein Weilchen kramten wir in Anneliesens Noten, und ich entdeckte mehreres darunter, was ich kannte und singen konnte. So sang ich denn drei Lieder, von denen ich selbst fand, daß sie mir recht gut gelangen. Dann dachte ich, es möchte unbescheiden sein, unaufgefordert noch mehr zu singen, und ging auf die Veranda zurück, wo ich alle in lebhafter Unterhaltung begriffen fand.

Zu mir sagte niemand etwas, nur Frau Rösingk nickte mir freundlich zu und meinte: „Sehr hübsch, Fräulein Lafrenz, besten Dank! Sie haben wirklich eine niedliche, frische Stimme.“

„Ich hoffe, Helmi kommt vielleicht später einmal für längere Zeit her,“ sagte Tante Renate, „dann will ich ihr hier Stunden [855] geben lassen. In den ganz kleinen Städten ist guter Unterricht oft schwer zu erlangen.“

Das war alles! Ich war empört. Ich weiß ja, daß ich nicht viel Schule habe, aber es ist mir doch immer gesagt worden, ich hätte eine sehr schöne Stimme – und nun war dies alles!

„Vorläufig, Fräulein Karstadt, müssen Sie Ihr Fräulein Nichte ein wenig in die Schule nehmen, da kann sie schon recht viel lernen,“ meinte eine andere Dame, „es wäre doch schade um die niedliche Stimme, wenn sie nicht weiter ausgebildet würde.“

„Helmi und ich wollen Duette miteinander üben; ich hoffe, daran werden wir beide Freude haben,“ sagte Tante, mich freundlich ansehend.

„O,“ rief Anneliese, „das mögen Sie wohl, Fräulein Lafrenz!“ Es klang beinahe ein bißchen neidisch.

„Aber nun, Fräulein Karstadt, bitte, bitte!“ tönte es von allen Seiten.

„Was soll’s denn sein?“ fragte Tante.

„O, was Sie wollen –wonach Sie gerade gestimmt sind!“

„‚Das Veilchen‘,“ sagte Herr Harrang leise, „oder singen Sie das nicht mehr?“

Komisch – Tante wurde rot, sie wurde wirklich rot. Es stand ihr gut, wie die lichte, feine Farbe so langsam bis an ihr hübsches Haar hinaufstieg – aber warum wurde sie rot? Es lag ja gar kein Grund dazu vor.

„Ich habe es sehr, sehr lange nicht gesungen,“ sagte sie leise und sah an uns allen vorbei in den Garten hinunter. Es war etwas sonderbar Sanftes dabei in ihren Augen.

Aber dann stand sie auf, ging ruhig in das Zimmer hinein und setzte sich an das Klavier, erst nur probierend, ob ihr die Begleitung noch geläufig wäre, und dann sang sie „Das Veilchen“ von Mozart, wie es Herr Harrang gewünscht hatte:

„Ein Veilchen auf der Wiese stand,
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen!“

Es ist ja ein ganz altmodisches Lied, gar nicht auf der Höhe der Zeit. Wenigstens hatte ich das gedacht, als Herr Harrang verlangte, Tante sollte es singen. Ich konnte überhaupt die klassischen Komponisten ebenso wenig ausstehen wie die klassischen Dichter. Aber wie es nun aus dem dämmerigen Nebenraum zu uns herausscholl, meinte ich auf einmal, ein so holdes und anmutiges Lied noch nie gehört zu haben. Ja, hold, das war gerade das richtige Wort, und ich muß es nur gestehen, bei dem letzten wehmütigen:

„Das arme Veilchen!
Es war ein herzigs Veilchen!“

kamen mir Thränen in die Augen.

Was war das nur? War das Lied, welches ich doch gut vorher kannte, an sich allein so entzückend schön, oder war es Tantens Art, zu singen, die es mir auf einmal so neu und lieblich machte? Sicher ist, daß Tante sehr schön sang, ich glaube, so schön wie eine wirkliche Künstlerin. Ich kann nicht sagen, was es war, was einem das Herz so bewegte, nur – es war dasselbe sonderbar Sanfte, was vorhin in ihren Augen gelegen hatte, und das ich nicht verstand.

Dann hörten wir, wie sie den Deckel des Klaviers sachte schloß, aber es dauerte noch ein Weilchen, bis sie zu uns zurückkehrte. Als sie dann kam, sagten alle irgend etwas Schmeichelhaftes, nur Herr Harrang sagte nichts. Ob es ihm nicht gefallen hatte? Ich weiß es nicht. Er saß und sah an uns allen vorbei in den Garten hinab, wie Tante Renate vorhin, und klopfte mit den Fingerspitzen seiner schlanken, kräftigen Hand leise auf die Brüstung der Veranda.

Sie wollten dann alle, Tante sollte noch mehr singen, doch setzte sie sich ohne weiteres wieder auf ihren Platz, und dann kam auch das Eis. Ich aber, – ja, ich fühlte mich für ein paar Minuten ganz klein.

Nachher machten noch alle miteinander einen Spaziergang durch den hübschen Garten, und dann gingen wir nach Hause. Herr Harrang, der sich noch ein wenig Bewegung machen wollte, wie er sagte, begleitete uns, Tante Renate und mich, bis an unsere Thür. Unterwegs sprach er mehrfach mit mir, leider nur ganz unbedeutende Dinge, über das Wetter und dergleichen. Aber er konnte ja noch nicht wissen, daß ich auch andere, tiefere Interessen hatte, z. B. auch selbst malte. Um das Autogramm wagte ich vorläufig noch nicht zu bitten; es eilte ja auch nicht damit. Vielleicht, so dachte ich mir, würde er es mir später von München aus auf einer Ansichtspostkarte schicken, wenn ich mit meiner Bitte wartete, bis wir uns etwas besser kannten.

Beim Abendbrot fragte mich Tante, ob ich mich gut unterhalten hätte, und ich erzählte ihr, wie ich mich freute, nun einen berühmten Maler zu kennen, da ich vorher noch nie einen berühmten Menschen gesehen hätte, ausgenommen einmal Bismarck von der Rückseite – wenigstens glaubte ich, es wäre Bismarck gewesen.

Tante lachte. „Ganz so berühmt wie Bismarck ist Herr Harrang nun allerdings nicht,“ sagte sie und schenkte den Thee ein, „dafür hast du von ihm ja aber auch mehr gesehen als den Rücken.“

„Kennst du ihn schon lange, Tante?“ fragte ich neugierig, „kanntest du ihn schon, als er noch nicht berühmt war?“

„Ja, schon lange – ich kannte ihn ein wenig, als ich jung war, Kind – damals war er nichts weniger als berühmt, und es sind nun viele Jahre vergangen, seit wir uns zuletzt gesehen haben.“

„Findest du ihn nicht auch reizend?“ fragte ich.

Wieder lachte Tante. „Nein, ich finde durchaus nicht, daß das die richtige Bezeichnung für ihn ist, und es kommt mir auch nicht so vor, als wenn er sich dieses Prädikates gerade sehr freuen würde, wenn er es hörte. Indessen, wissen kann man es ja immerhin nicht.“

Dann fing sie an, von etwas anderem zu sprechen, und ich dachte bei mir, sie wäre doch gerade so altmodisch wie Mutter, die auch immer meinte, daß ich zu überschwengliche Ausdrücke gebrauche. Nun ja, über andere Herren ist man vielleicht besser etwas zurückhaltend, aber wenn jemand berühmt ist, da darf man ihn doch wohl reizend finden.

Natürlich sagte ich aber nichts dergleichen zu Tante. Aeltere Leute haben für die Begeisterung der Jugend so oft kein Verständnis!

Sie fragte mich dann noch, wie mir die anderen Gäste gefallen hätten, und als ich erklärte, die kahlen Köpfe und die Brillen der Herren hätte ich scheußlich und die Gespräche langweilig gefunden, sagte sie belustigt: „Das ist nur natürlich. Eine Vorliebe habe ich auch nicht gerade für Brillen und kein Haar. In mehreren von den kahlen Köpfen steckt aber eine ganz anständige Portion Verstand und Witz, Helmikind! Doch es ist wohl kaum zu verlangen, daß du das schon würdigen solltest!“

O, da irrte sie doch! Ich verstand wohl, Geist und Witz zu würdigen, aber ein wenig Beachtung verlangt man doch von den Menschen. –

Uebrigens zeigte Mutter diesmal auffallenderweise für meine Auffassung der Ausnahmenaturen ein merkwürdiges Verständnis. Am nächsten Tage schickte ich nämlich meinen ersten ausführlichen Bericht nach Hause, wobei ich natürlich auch von Herrn Harrang erzählte, wenn auch vorsichtigerweise in sehr gemäßigten Ausdrücken.

Und siehe da, Mutier antwortete umgehend, und Herr Harrang, den sie offenbar auch von früher her kannte, schien sie außerordentlich zu interessieren. Sie fragte nach allem, was ihn betraf, sehr eingehend, z. B., ob er verheiratet wäre, was er nicht war, und sonst noch mehr, was ich gar nicht beantworten konnte. Außerdem erkundigte sie sich sehr beflissen, wie Tante jetzt eigentlich aussähe, worum sie sich doch früher nie im mindesten beunruhigt hatte. Aber Mutter ist manchmal so eigen.

Ein paar Tage später fand das verabredete Picknick wirklich statt und verlief aufs beste. Mehr als dreißig Damen und Herren, junge und alte bunt durcheinander, hatten sich dazu vereinigt. Ich trug mein weißes Kleid mit rosa Schleifen und den runden Strohhut mit dem Feldblumenkranz. Ich bin nicht eitel, aber ich glaube, daß ich sehr vorteilhaft aussah.

[856] Tante trug ein hellgraues Sommerkleid und einen kleinen Kapotthut mit Rosen, und jeder, der mir ein Kompliment machte – und es thaten mehrere – fügte immer gleich hinzu: „Und Ihr Fräulein Tante sieht ja so jung und reizend aus, als wäre sie eine ältere Schwester von Ihnen.“

Ich kann nicht leugnen, das verdroß mich! Tante hatte doch ihre Zeit gehabt, jung und hübsch zu sein; jetzt war sie aber eine ältere Dame, selbst wenn sie nur ein- oder zweiunddreißig Jahre zählen sollte, und brauchte keine Komplimente mehr herauszufordern. Ich sagte so etwas zu Anneliese, mit der ich mich schon duzte, aber sie verstand mich gar nicht, sondern sagte ganz verwundert:

„Das kann uns doch einerlei sein, Helmi, wenn wir uns nur amüsieren!“

Nun ja – meinetwegen! Es ließ sich ja auch nicht leugnen: wir amüsierten uns. Alles, was jung war – wirklich jung, meine ich – rottete sich zusammen, sowohl zuerst bei der Bootfahrt, wie nachher im Walde. Wir bildeten eine eigene Kolonie, als sich alle zum gemeinsamen Mahl auf dem grünen Moose lagerten, und jeder Herr wählte sich eine Dame, deren Dienst er sich ganz weihte, um sie mit allem Nötigen zu versorgen.

Mich bediente ein hübscher junger Student, der Wulf Hegewisch ein wenig ähnlich sah. Er hatte solches Haar und ebenso weiße Zähne, aber nicht so hübsche Augen, war jedoch sehr nett und aufmerksam und sagte, ich wäre „wie eine Blume, so hold, so schön, so rein“, worüber ich natürlich lachte, obgleich ich glaube, daß er es so meinte.

Anneliesens Ritter war gerade der Herr, welchen sie sich heimlich gewünscht hatte, und sie strahlte deshalb vor Glückseligkeit.

In der Kolonie der Alten hatte sich Herr Harrang freundlich meiner Tante Renate angenommen, war aber ein ziemlich träger Ritter und saß gewöhnlich nur plaudernd auf einem abgehauenen Baumstamm neben ihr. Manchmal blickte er zu uns herüber mit seinen schnellen, lebhaften braunen Augen, und ich dachte mir, er wünschte sich vielleicht heimlich, unter der jungen Gesellschaft zu sein, in der so viele niedliche Mädchen waren.

Ich glaube, bei solchen Picknicks verläuft immer alles ziemlich gleichmäßig: Laufspiele, Gesang, Waldpromenade und so weiter. Wir Jungen waren sehr vergnügt, und um die anderen kümmerten wir uns nicht viel. Endlich wanderten wir alle miteinander bis zu einer Försterei, wo man auf Gäste eingerichtet war, und wo nach einem Klavier und einer Harmonika getanzt werden sollte.

Und da geschah etwas, um das mich hoffentlich alle jungen Mädchen beneidet haben.

Als der erste Tanz beginnen sollte, standen Tante Renate und ich plaudernd nebeneinander; Tante heftete mir eine meiner Schleifen ein wenig fester. Da trat Herr Harrang auf uns zu und verbeugte sich vor Tante.

„Tanzen – ich?“ fagte Tante und sah ihn sehr verwundert an. „Nein, da möchte ich doch lieber verzichten! Die Tanzschuhe habe ich längst ausgezogen, Herr Harrang.“ Und das war vernünftig gesprochen.

„Aber dieses eine Mal könnten Sie sie wohl wieder anziehen. Sie werden schon noch passen!“

„Nein, nein,“ sagte Tante und schüttelte ganz energisch den Kopf, „sie kleiden mich nicht mehr. Wenn Sie aber den unbezwinglichen Drang fühlen, zu tanzen – hier steht mein Nichtchen in voller siebzehnjähriger Lebensgröße; es wird sicher nicht Nein sagen.“

Herr Harrang verbeugte sich tief vor mir, tiefer als vorher vor Tante. „Aber mit dem größten Vergnügen, wenn Fräulein Lafrenz mir die Ehre erweisen will. Ich hätte natürlich ohnehin noch darum gebeten.“ Und dann wandte er sich wieder zu Tante: „Aber einen Plaudertanz werden Sie mir nachher doch schenken?“

„Den können Sie bekommen, der verträgt sich mit meiner Tantenwürde,“ sagte Tante lachend, und dann führte Herr Harrang mich fort.

Ich fühlte mich sehr stolz, denn er hatte ja gesagt, er würde mich ohnehin darum gebeten haben, mit ihm zu tanzen, und mit einem berühmten Manne hatte ich noch nie getanzt. Ich wurde ordentlich rot vor Vergnügen. Und wie tanzte er! Gar nicht, als wenn er gegen vierzig Jahre alt sein könnte, sondern so flott und schwungvoll – ganz wie ein berühmter Mensch muß. Wulf Hegewisch tanzte vielleicht noch etwas besser, wenn ich genau vergleichen wollte, aber viel gewiß nicht.

Als er mich dann zu einem Sitz führte, wollte ich schon mit meiner Bitte um ein Autogramm herausrücken, denn nun kannte ich ihn doch gewiß gut genug dazu; da kam von selbst etwas viel, viel Besseres. Er beugte sich nämlich ein wenig zu mir nieder und sagte: „Fräulein Lafrenz, würden Sie sich wohl freundlich erbitten lassen, mir für ein Bild zu sitzen?“

Wie? – was? – was sagte er? – er wollte mich malen – mich, Wilhelmine Lafrenz? – Ich sollte auf eines seiner berühmten Bilder kommen? Mein Herz klopfte auf einmal ganz schnell.

„Ich sollte –“ sagte ich und mochte nicht vollenden. Ich konnte mich ja verhört haben.

„Ich male an einem Bilde, welches ,Frühling‘ heißen soll und in welches Sie mit Ihrer ganzen Erscheinung vorzüglich hineinpassen würden. Es wäre freilich eine sehr, sehr große Freundlichkeit von Ihnen.“

„Aber ich würde ja stolz darauf sein!“ sagte ich eifrig und glücklich.

„Nun, das ist hübsch von Ihnen; ich danke Ihnen bestens. Da hätte ich also nur noch Ihr Fräulein Tante zu bitten, ob ich zu den Sitzungen in ihr Haus kommen darf, und ob sie überhaupt die ganze Sache billigt.“

Nicht erlauben? Das konnte Tante mir nicht anthun! Wir gingen gleich, als der Tanz zu Ende war, zu ihr hin, und nach einigem Zögern sagte sie Ja. Es wurde gleich für den nächsten Morgen die erste Sitzung verabredet.

Herr Harrang blieb dann bei Tante zurück, und ich eilte zu Anneliese und ihren Freundinnen.

O, wie war ich glücklich und stolz, und wie beneideten mich alle, auch die, welche sagten, sie würden nicht eingewilligt haben an meiner Stelle, ja, die gewiß gerade am allermeisten! Und etwas muß ich noch erwähnen. Wir brachen überhaupt bald auf, aber Herr Harrang tanzte den ganzen Abend nicht mehr, nicht ein einziges Mal, nur mich allein hatte er gewählt, sowohl zum Tanz, wie auch für sein Bild! O, wie war ich stolz! Natürlich zeigte ich es nicht, das thut man ja nicht, aber darum empfand ich es nicht weniger. Auch schrieb ich es gleich am nächsten Morgen früh auf Ansichtskarten nach Hause und an Reseda.

Uebrigens kam es mir halb und halb so vor, als wenn der guten Tante die ganze Sache nicht eigentlich recht wäre, und dafür fehlte mir eine ausreichende Erklärung, denn um neidisch zu sein, dachte sie doch gewiß zu vornehm, das traute ich ihr nicht zu. Freilich, sie paßte in ein Frühlingsbild nun einmal nicht hinein, daran ließ sich nichts drehen und deuteln! Jung ist man nur einmal, und ich war es – Hallelujah!

Mein elegantestes Kleid wollte ich am nächsten Morgen anziehen; aber Tante wollte es nicht gestatten, sondern verlangte, daß ich in meinem gewöhnlichen Anzuge bleiben sollte, bis Herr Harrang in Bezug darauf besondere Wünsche geäußert hätte. Auch konnte sie – ach, wie altjüngferlich! – es nicht unterlassen, anzudeuten, daß es besser wäre, wenn ich mir den Kopf durch diese Angelegenheit nicht gar zu sehr verdrehen ließe. Sie sagte es freundlich und lächelnd, aber sie sagte es doch. Als ob ich überhaupt eitel wäre! Aber doch gar nicht!

Als Herr Harrang kam, bat er, im Garten malen zu dürfen. Tante hatte nämlich ein niedliches Gartenfleckchen. Denn, sagte er, auf dem Bilde würde die Mädchenfigur auch im Freien stehen. Vorläufig sei es nur eine Studie, die er später in passender Weise verwenden würde, und da es ihm vor allem auf den Kopf ankam, brauchte ich auch keine besondere Haltung anzunehmen oder ein anderes Kleid anzuziehen. Nur an meiner Frisur wollte er etwas geändert haben, und ich glaube, eigentlich wollte er das selbst machen; Tante führte es dann aber zu seiner Zufriedenheit aus.

Also gingen wir in den Garten hinunter, damit es ein [858] „Freilichtbild“ würde, und Tante ging mit. Offen gesagt, ich fand das überflüssig, und es wäre mir unendlich viel interessanter gewesen, wenn sie nicht wie eine Ehrenwache dabei gesessen hätte. Herr Harrang natürlich bat es sich in seiner Höflichkeit sogar noch als besondere Gunst aus, was er ja auch eigentlich nicht gut unterlassen konnte, da Tante doch die Dame des Hauses war.

So kam es natürlich, daß er während der ganzen Zeit fast nur mit Tante sprach, die mit ihrer Handarbeit neben mir saß. Denn ich mußte selbstverständlich das Gesicht still halten, da wäre es nicht angegangen, sich viel mit mir zu unterhalten. Noch dazu mußte ich den Kopf halb zur Seite wenden, so daß ich nicht einmal beobachten konnte, wie mein Bild fortschritt. Jedoch konnte Tante das wohl auch nicht.

Am meisten sprach Herr Harrang selbst. O, und wie sprach er! Die halbe Welt hatte er gesehen und auf seinen Künstlerfahrten die interessantesten Dinge erlebt, von denen er uns nun erzählte, während er malte. Manchmal drehte ich unwillkürlich den Kopf herum, um ihn ansehen zu können, wie ich das immer so gern mag, wenn jemand erzählt, der so lebhafte Augen hat, die manchmal das Beste dabei thun, und oft ließ Tante ihre Handarbeit sinken, lehnte sich in den Gartenstuhl zurück und sah träumerisch mit ihren klaren Augen in den Himmel hinein.

Ich sah es, denn mein Gesicht war ihr zugewendet, und einmal ertappte ich mich sogar auf dem Gedanken, daß eigentlich auch sie wohl in ein Bild hineinpassen könnte, gerade so, wie sie in solchen selbstvergessenen Augenblicken aussah. Freilich müßte es nicht „Frühling“ heißen, sondern etwa „Spätsommer“, oder „Erinnerung“ oder „September“, oder so ähnlich.

Wenn sie so stille dasaß, das feine, klare Gesicht gegen das Licht emporgewendet, sah man recht, wie reizend sie gewesen sein mußte, als sie jung war, und gerade der leise Zug von Wehmut, der seit ein paar Tagen immer wiederkehrte, stand ihr gut.

Nach längerer Zeit wurde mir das Stillehalten des Kopfes aber doch lästig und ermüdend, und Tante bemerkte es und bat sofort um eine Ruhepause.

„Mit dem größten Vergnügen,“ sagte Herr Harrang. „Es ist ohnehin für heute genug; ich danke den Damen verbindlichst.“

Dabei fing er an, sein Malgerät ganz geschwind zusammenzupacken.

Natürlich sprang ich auf, schüttelte mich an allen Gliedern nach dem ungewohnten langen Stillehalten und wollte das Bild sehen, und auch Tante trat erwartungsvoll hinzu. Herr Harrang wehrte aber lachend mit beiden Händen ab.

„Heute noch nicht, meine Damen. Es ist eine kleine Eigenheit von mir, daß ich nichts zeige, ehe es einen gewissen Grad von Vollendung erreicht hat. Noch ein paar Sitzungen, und Sie werden dann schon besser urteilen können, ob es ähnlich wird.“

Tante beschied sich sofort, wenn auch sichtlich mit Bedauern; ich aber hätte gar zu gern gesehen, wie ich mich auf der Leinwand ausnahm. Da half jedoch kein Bitten und kein Schmollen; Herr Harrang blieb unerschütterlich, und wir bekamen wirklich nichts zu sehen.

Ehe er ging, erkundigte sich dann Herr Harrang noch sehr lebhaft, ob wir schon zusammen musiziert hätten, und als er hörte, das wäre allerdings geschehen, und wir hätten das Brahms’sche Duett geübt, bat er sehr, es ihm doch vorzusingen. Nun fand ich, daß wir dies sehr gut hätten thun können, denn der Sopran lag ausgezeichnet für meine Stimme, und nur an drei oder vier Stellen war ich noch nicht ganz sicher und mußte die Melodie in der Begleitung mitspielen. Tante aber erklärte, auch sie müßte auf einem gewissen Grade der Vollendung bestehen, ehe sie etwas vortrüge, und dann sang sie auf Herrn Harrangs Bitten, der nun einmal durchaus Musik hören wollte, mehreres allein, was er unter ihren Noten aussuchte.

Mir schienen es lauter unmoderne Sachen zu sein, aber freilich, Tante sang sie sehr schön. Ich hatte jedoch, daß ich’s nur offen gestehe, eine unangenehme Empfindung dabei, als wenn ich, die ich doch bei dieser ganzen Zusammenkunft eigentlich die Hauptperson war, von Tante geflissentlich in den Schatten gedrängt würde.

Nachmittags kam Anneliese und holte mich zum Spazierengehen ab. Sie war unbeschreiblich neugierig, wie alles sich zugetragen hätte, und ich erzählte ihr getreulich bis ins kleinste den ganzen Verlauf des Vormittags.

Anneliese wurde ganz still dabei.

„Helmi,“ sagte sie auf einmal, „glaubst du, daß er sich mit dir verloben wird?“

„Was sagst du, Anneliese?“ rief ich erstaunt, „wer soll sich mit mir verloben?“

„Na, wer anders als Herr Harrang? Denn siehst du, Helmi, er interessiert sich doch ganz offenbar für dich. Daß er dich malen will, ist sicher nur ein Vorwand.“

„Aber ich bitte sehr,“ sagte ich beleidigt, „warum soll er mich denn nicht für sein Bild –“

„Es ist neulich allgemein aufgefallen, daß er ein einziges Mal tanzte – und mit dir, nachher nicht mehr. – Weißt du, Helmi, man liest so oft in Romanen davon, daß einen gereiften Mann eine plötzliche Leidenschaft für ein so junges Mädchen überkommt; das ist gar nichts Seltenes! Wenn er dich nun zu seiner Frau haben wollte, würdest du Ja sagen, Helmi?“

Ich war ganz verblüfft. Dergleichen war mir wirklich noch nicht eingefallen! Aber nun, da Anneliese es sagte, kam es mir auf einmal keineswegs ganz unmöglich vor, daß sie recht haben könnte. Schon viel unwahrscheinlichere Dinge waren geschehen. Warum sollte ich denn einem bedeutenden Mann mit ausgeprägtem Schönheitssinn nicht gefallen? Oder vielmehr, warum sollte er sich nicht in mich verlieben? Denn daß ich ihm gefiel, war ja zweifellos.

„Würdest du Ja sagen?“ wiederholte Anneliese.

Ja – mein Gott – das konnte man doch so in der Eile nicht wissen! Es lag ja auch kein zwingender Grund vor, mich sofort darüber zu entscheiden, vorläufig hatte er selbst mich ja noch nicht danach gefragt. Aber ich kann nicht leugnen, eine ganze Reihe von Möglichkeiten stellte sich plötzlich vor mein geistiges Auge.

„Würdest du es thun, Anneliese?“ fragte ich etwas unsicher zurück.

„Ich? Ja, sofort!“ rief Anneliese begeistert. „Denke doch bloß, er ist berühmt! Eine Künstlersfrau zu sein, denke ich mir überhaupt reizend, aber nun gar die Frau von einem berühmten Künstler, der so himmlisch malt! Ja, gleich thäte ich es! Aber mich beachtet er garnicht. Ich bin ja auch eigentlich nicht hübsch,“ fügte sie bescheiden hinzu.

„Meinst du nicht, daß er sehr viel älter ist als ich?“ erwiderte ich zögernd. Denn bisher schwärmte ich ja auch für ihn, aber in dieser neuen Beleuchtung sah ich ihn doch etwas kritischer an. „Ach, Künstler sind nie alt!“ entgegnete Anneliese schwärmerisch. „Das sind ganz kleinstädtische Anschauungen. Es wäre doch lächerlich, wenn man einem Manne von so viel Geist und Bedeutung die paar Jahre anrechnen wollte. Und wie entzückend schon allein, sich mit siebzehn zu verloben, ganz wie in einem Roman! – Im wirklichen Leben kommt es fast nie vor.“

So redete Anneliese noch lange auf mich ein, ohne daß ich viel dazu gesagt hätte, denn der Gedanke, Herr Harrang könne mich heiraten wollen, war zu überwältigend neu, als daß ich mich gleich in ihm hätte zurechtfinden können. Ja, ich mußte sogar zuerst darüber lachen.

Jedoch denken mußte ich auch nachher, als ich wieder zu Hause war, viel daran, und ich hätte fast Lust gehabt, mit Tante Renate darüber zu sprechen. Die halbe Nacht, oder doch gewiß eine Stunde lag ich wach und wiederholte mir alles, was Anneliese gesagt hatte. Und sonderbar, ganz sonderbar war es, allmählich kam es mir gar nicht mehr so unwahrscheinlich vor, daß sie recht haben könnte. Man hatte doch schon von viel seltsameren Dingen gehört. Jedenfalls beschloß ich, von nun an mehr auf Herrn Harrangs Benehmen, wenn er mit mir sprach, acht zu geben.

Ob ich Ja sagen würde, wenn er mich etwa fragte? Ich wußte es noch nicht.

[859] Die Frau eines berühmten Mannes sein, in München wohnen, gewiß jedes Jahr große Reisen machen, auf den herrlichen Künstlerfesten glänzen, bewundert, beneidet, angestaunt werden, was ja natürlich geschehen würde – ja, es schien sehr, sehr verlockend! Ich schwärmte ja auch für Herrn Harrang, natürlich – aber stürmisch klopfte mein Herz doch nicht, wenn ich an ihn dachte.

Das freilich stellte ich mir herrlich vor, wenn er mich leidenschaftlich lieb hätte und vor mir auf den Knieen läge und mich anflehte, seine Frau zu werden, und wenn ich dies alles nachher zu Hause Reseda und den anderen erzählen könnte, denn auf eine Ansichtskarte konnte man natürlich so etwas nicht schreiben! Aber ob ich Ja sagen würde, das wußte ich doch noch nicht.

Irgendwo in nebelhafter Ferne schien ein Paar hübscher, junger Augen zu leuchten, die nicht sein waren. Und während ich dies empfand, schlief ich ein.

[876] Am nächsten Tage machte ich mich aber doch für die Sitzung recht niedlich. Tante merkte es wohl, doch sagte sie nichts. Es geschah dann auch ganz von selbst, daß ich etwas lebhafter und entgegenkommender war als sonst, so daß ich sogar ein paarmal gebeten wurde, den Kopf ruhiger zu halten. Und als Herr Harrang, der uns auch diesmal wieder nicht zeigen wollte, was er gemalt hatte, ging, da fand ich, daß er mich wirklich in sehr deutlicher Weise ausgezeichnet hatte, obschon er natürlich wieder mehr mit Tante sprechen mußte als mit mir. Mir schien, es lag ein so eigener Ausdruck in seinen Augen, wenn er mich ansah.

Ob Tante es auch bemerkte? Mir kam es so vor. Als er fort war, sagte sie mit einem ernsthaften Lächeln: „Du bist ja so aufgeregt heute, Helmikind – warum denn?“

Ich wurde rot. „Ich? o gar nicht, Tante, kein bißchen!“ sagte ich schnell.

Tante sah mich an, als wollte sie etwas sagen, etwa: „Sei es auch lieber nicht, Kleine, das Kokettieren steht dir nicht,“ oder so etwas Aehnliches, aber sie schwieg. Tante hatte manchmal eine sehr beredte Art, zu schweigen, und in mir lehnte sich etwas gegen sie auf. Ich wußte schon selbst, was ich zu thun hatte, und brauchte keine Hofmeisterin.

[878] Nun gerade, nun erst recht wollte ich gegen Herrn Harrang freundlich sein; Tante sollte sehen, daß ich ihm gefiel, Tante, die alles besser wußte, konnte und machte als ich, die immerfort in meiner Gegenwart gelobt und gepriesen wurde, als wenn ich gar nichts wäre! Sie sollte es sehen und merken, daß in einem Dinge ich ihr doch himmelweit überlegen war: ich war jung, und sie konnte es nie wieder werden! Und in mich konnte sich deshalb ein großer Künstler verlieben, in sie nicht – merken sollte sie’s!

Was dann schließlich daraus wurde, darauf kam es ja augenblicklich noch nicht an, und ich brauchte nicht gleich einen Entschluß zu fassen, aber fühlen sollte sie, daß wir Jungen es sind, denen die Welt gehört. Am liebsten sollte sie uns gerade überraschen, wenn Herr Harrang vor mir kniete. Es war mir auf einmal, als ob dieser Triumph fast das beste von der ganzen Sache sein würde, denn dann konnte ich mich niemals wieder klein neben Tante fühlen, wie ich es jetzt zu meinem Aerger so oft that.

In den nächsten Tagen war ich sehr nett gegen Herrn Harrang – sehr! und er gefiel mir immer besser und besser und war sehr aufmerksam gegen mich. Einmal brachte er mir ein Heft Vorlagen für Brandmalerei. An einem anderen Tage bat er wieder um das Brahms’sche Duett, welches wir diesmal auch wirklich sangen, obgleich es noch nicht völlig sicher ging, und zur nächsten Sitzung brachte er mir dann einen Band reizender bayrischer Volkslieder mit Goldschnitt. Zweimal schenkte er mir auch Bonbons in einer eleganten Schachtel und ein anderes Mal eine ganze Menge Ansichtskarten. Kurz, es wurde mir von Tag zu Tag offenbarer, daß Anneliese sich nicht geirrt hatte.

Ich kann es nicht leugnen, ich wurde innerlich sehr aufgeregt. Ich sagte mir, nun müßte ich mich bald entscheiden, ob ich Ja oder Nein sagen wollte, und das war doch nicht so leicht, wie man denken sollte. Aber immer deutlicher sagte es nach und nach in mir: „Ich thu’s!“ – wenigstens bei Tage, wenn die Sonne schien. Nur manchmal in der Nacht, wenn ich unvermutet aufwachte, war es mir auf einmal, als wenn alles weit von mir zurückweiche und nur die anderen jungen Augen aus der Ferne zu mir herübersähen, und ich sagte unwillkürlich laut zu mir: „Nein!“ Und merkwürdig war es, dann fühlte ich mich immer so ruhig und leicht. Anneliese sagte ich nichts davon, denn sie sah ich ja immer nur am Tage, und ihr mußte ich versprechen, daß, wenn ich heiratete, sie mich in München besuchen dürfte, wohin sie immer gern einmal gewollt hatte.

Endlich zeigte uns Herr Harrang auch, was er gemalt hatte. Ich war aber sehr enttäuscht, denn es schien mir unbegreiflich, daß er zu dem Wenigen, was bis jetzt auf der Leinwand stand, so viel Zeit hatte brauchen können. Ich hatte mir vorgestellt, einem großen Künstler ginge die Arbeit schneller von der Hand. Auch Tante schien erstaunt. Doch Herr Harrang sagte, der erste Entwurf wäre mir nicht ähnlich geworden, deshalb hätte er noch einmal neu begonnen. Aehnlich wurde dieses zweite Bild, das sah man, so wenig fortgeschritten es auch bis jetzt war. Nun ging es aber auch schnell damit vorwärts, und er zeigte uns die Arbeit jetzt jeden Tag.

Tante war seltsam in dieser Zeit; sie wurde immer stiller. Manchmal hatte ich sie auf einmal schrecklich lieb. Das war in solchen Augenblicken, wo ihr Gesicht den sonderbar sanften, fast wehmütigen Ausdruck annahm, den es mitunter hatte. Nie tadelte sie mein lebhaftes Wesen, nur mitunter sah sie mich so still an, wenn ich sehr liebenswürdig gegen Herrn Harrang war, aber sobald ich es bemerkte, wandte sie die Augen ab. Ich fühlte wohl, ich gefiel ihr nicht besonders, aber nie sagte sie etwas.

Natürlich mochte es ihr nicht ganz angenehm sein, zu sehen, wie die Jugend triumphierte.

Eines Tages kramte ich in Tantes Bücherschrank, der schrecklich viel langweiliges Zeug enthielt, und da machte ich eine große Entdeckung. Ich fand Tantes Gesangbuch, ein hübsches, in schwarzen Samt gebundenes Buch mit silbernen Beschlägen, und auf dem ersten Blatte stand unter einem Bibelspruch:

„Meiner lieben Renate zur Konfirmation
 von ihrer treuen Mutter.“

Darunter das Datum. Oh! – wer hätte es glauben sollen! nimmermehr wäre ich, so wie Tante aussah, darauf verfallen! Ich rechnete wieder und wieder nach, zweimal, dreimal, aber es war nicht anders möglich, nach der Jahreszahl mußte Tante, wenn sie, wie es Brauch war, mit fünfzehn konfirmiert war, siebenunddreißig Jahre zählen!

Siebenunddreißig – sage und schreibe siebenunddreißig Jahre! Und dabei trug sie Kapotthüte mit Rosen und helle Sommerblusen und – und – ja und sah so aus, als wenn sie einunddreißig wäre!

Ich fand es förmlich empörend, geradezu eine Art von Betrug. Mit siebenunddreißig ist man doch eine alte Jungfer, wenn man dann noch nicht verheiratet ist, und muß sich auch so kleiden; so gehört es sich! Es war lächerlich, sich dann noch so zu gebärden, als wenn man alle möglichen Ansprüche an das Leben zu stellen hätte. Ich war ganz einfach außer mir, und als ich nachher wieder mit Tante zusammen war, schien sie mir auf einmal viel älter und lange nicht so anmutig auszusehen wie sonst. Die einzelnen weißen Fäden in ihrem Haar mußten doch jedem auffallen, der nur sehen wollte, und wenn man recht zusah, bemerkte man auch zwei oder drei Runzelchen, ja man konnte sie gar nicht übersehen, auch wenn man wollte.

„Was siehst du mich so an, Kind?“ sagte Tante freundlich. „ist etwas an mir unordentlich?“ und sie strich sich mit der Hand über das Haar.

„Nein, Tante, ich dachte nur, du hast doch eigentlich schon recht graues Haar.“

„Nun, nun,“ sagte Tante und strich noch einmal über ihren welligen Scheitel, „bis jetzt sind es ja wohl nur erst einzelne Silberfädchen!“

„Aber man sieht sie doch sehr, Tante. Soll ich sie dir ausrupfen?“

Tante schüttelte leise den Kopf. „Laß mich nur in Ehren grau werden, Helmikind, sie würden ja doch wohl wieder nachwachsen. – Ja, jünger wird man leider nicht mit der Zeit,“ und dann seufzte sie, wie unwillkürlich, ganz leise, und der feine Ausdruck von Wehmut kam wieder.

Ich fühlte wohl, es war nicht schön von mir gewesen. das zu sagen, aber ich kann es nun einmal nicht ausstehen, wenn man sich jünger macht, als man ist.

Das war die erste große Entdeckung des Tages. Nachmittags aber kam eine zweite, die war noch viel verblüffender, ja, ich kann wohl sagen, noch empörender. Anneliese kam nämlich, um mich zu einer Bootfahrt abzuholen; durch beharrliches Betteln hatte sie die Erlaubnis erlangt, daß wir selbst rudern durften. Als wir an den Strand kamen, sahen wir jemand dort sitzen und malen, und wir unterschieden schon von ferne, daß es Herr Harrang sein mußte.

„Still,“ sagte Anneliese leise, „er soll uns nicht anreden; ich habe einen so unkleidsamen Hut auf, daß er sich bei seinem fein entwickelten Schönheitssinn darüber entsetzen würde. Laß uns so gehen, daß er uns den Rücken zuwendet. Oder willst du gern mit ihm sprechen?“ und sie sah mich schalkhaft an.

„Ach, bewahre!“ sagte ich wegwerfend, obgleich ich in Wahrheit Anneliese, die uns seit dem Picknick nie wieder zusammen gesehen hatte, sehr gern einmal den Beweis geliefert hätte, daß ich nicht übertriebe, wenn ich sagte, er wäre liebenswürdig gegen mich. „Ach, bewahre – was liegt denn mir daran? Ich sehe ihn oft genug, beinahe zu oft!“

„Du wirst aber schrecklich rot.“

Natürlich wurde ich rot, aber ebenso natürlich leugnete ich es ab. Wir schwiegen also still, damit er nicht aufmerksam auf uns werden möchte, obgleich ich überzeugt war, daß Anneliesens Hut ihm ganz gleichgültig sein würde.

Da der Pfad aber schmal war, mußten wir Herrn Harrangs Rücken fast streifen, und dabei warfen wir selbstverständlich einen Blick auf das Bild, an dem er malte.

In demselben Augenblick entschlüpfte uns beiden gleichzeitig ein Laut der Ueberraschung.

Denn was stellte das Bild dar? Meine Tante Renate, lässig und anmutig – ich kann kein anderes Wort finden, obgleich sie so alt war – in einen Gartenstuhl zurückgelehnt, die Hände leicht verschränkt, den Blick träumerisch, fast wie sehnsüchtig, in die Ferne gleiten lassend, so, ganz so, wie ich sie im Garten hatte sitzen sehen, während Herr Harrang malte und erzählte; in demselben einfachen, hellen Kleide. Nur der Hintergrund war anders. Das Meer bildete ihn, und über das strahlende Wasser hin flogen die weißen Möwen.

[879] Nichts an dem Bilde war fertig; an dem Vordergrunde malte Herr Harrang eben.

Ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, Tantens Erscheinung wäre idealisiert gewesen. Nein, man sah auf dem Bilde, wie im Leben, daß sie nicht mehr jung war, dennoch – ja, ich will die Wahrheit sagen – es war trotzdem ein sehr schönes Bild!

„Aber das ist ja –“ rief Anneliese unwillkürlich laut und blieb, ihren unkleidsamen Hut vergessend, stehen, hielt auch mich am Arme zurück. Ich fühlte mich tief gekränkt. Also Tante hatte Herr Harrang heimlich gemalt in den ersten Tagen, als er uns seine Arbeit nicht zeigen wollte, während er mich hatte glauben lassen, es wäre ihm nur um mich zu thun! Besonders schämte ich mich über die Maßen vor Anneliese, obgleich diese den Zusammenhang offenbar noch gar nicht begriff.

Herr Harrang aber hatte den Ausruf gehört. Er wandte sich schnell um, sah uns, sprang von seinem Feldstuhl empor, und es war, als wenn er die Hand verbergend über das Bild breiten wollte, welches aber viel zu groß war, als daß er es hätte bedecken können. Er grüßte verbindlich, aber ich sah wohl, daß er peinlich überrascht war, und dazu hatte er auch allen Grund, denn sein Betragen gegen mich war doch wirklich ganz unerklärlich gewesen.

„Ja, Fräulein Helmi,“ sagte er und lachte ein bißchen unnatürlich, „nun sind Sie doch hinter mein kleines Geheimnis gekommen! Sie müssen mir schon vergeben und mich vorläufig Ihrer Tante noch nicht verraten; es wird sich besser machen, wenn ich sie selbst um Verzeihung bitte. Ich wußte aber, auf andere Weise würde es mir schwerlich gelingen, sie zu einer Sitzung zu bewegen, so habe ich ein klein wenig Komödie gespielt, um die Damen beide in meinen Besitz zu bringen.“

Steif und beleidigt stand ich da. Ich fühlte, daß ich sehr wenig anziehend aussähe in dem Augenblick, aber es war mir einerlei. Ich war zu sehr verletzt, um mir etwas daraus zu machen, und das konnte ich wohl auch sein!

„Sie dürfen nicht böse sein,“ sagte er, mir die Hand hinstreckend, „wenn ein Maler ein Gesicht für sein Bild braucht, scheint ihm jede List erlaubt.“

„Aber ich bitte Sie, es ist mir doch ganz gleichgültig,“ entgegnete ich, ohne die Hand zu nehmen, frostig. Es war mir durchaus nicht gleichgültig, aber es war nur verdiente Strafe, wenn ich ihn glauben ließ, es wäre so. „Sehr hübsch das Bild, wirklich – es sieht aus, als wenn es gut werden würde,“ fügte ich absichtlich kühl hinzu.

Er lächelte; beinahe sah er aus, als wenn er sich belustigte. „Verbindlichen Dank für das nachsichtige Urteil! Sie verstehen sich ja auf die Sache, da Sie ‚brandstiften‘. Mein ‚Frühling‘ wird Ihnen aber vielleicht noch besser gefallen!“ Er lächelte noch mehr in einer Art, über die ich vor erneutem Aerger rot wurde, obgleich sie sehr liebenswürdig und höflich war. „Aber nun, meine jungen Damen, erlauben Sie vielleicht, daß ich weiter male, das Licht ist gerade günstig.“ Sprach’s, setzte sich ohne weiteres wieder vor seine Staffelei und beachtete uns nicht weiter.

Ich biß mich vor Zorn auf die Lippe und zog Anneliese mit fort. Daß auch gerade sie hatte daneben stehen müssen!

Fragend sah sie mich von der Seite an.

„Du,“ sagte sie nach einem Weilchen ein bißchen flau, „den habe ich mir eigentlich anders gedacht in seinem Verkehr mit dir! Das war ja zuletzt eine sonderbare, herablassende Art zu sprechen. Ist er immer so?“

„Nein,“ sagte ich kurz, „er ist noch niemals so gewesen.“

„Nämlich – weißt du – das klang eigentlich nicht gerade so, als ob – du selbst warst aber auch merkwürdig, Helmi! So spricht man doch nicht mit jemand, den man gern hat!“

„Ich ihn gern?“ sagte ich zornig, „das braucht er sich nicht einzubilden, so wie er gegen mich gewesen ist! Nein, ich denke nicht daran!“

Anneliese lachte, aber es kam nicht so recht unbefangen heraus. „Na, weißt du, was sich liebt, das neckt sich. Nimm dir’s nicht zu Herzen! Was war das aber eigentlich mit dem Bilde? Du sagtest mir doch immer, er malte dich? Dies war doch ein Bild von deiner Tante – und ein reizendes Bild, das muß ich sagen, ganz so, wie sie in Wirklichkeit ist. Malt er dich gar nicht? Wie hängt das zusammen?“

„Ach, natürlich malt er mich, es wird sehr schön,“ sagte ich ungeduldig, „oder doch sehr ähnlich! Die Sache mit Tantens Bild kann ich dir jetzt nicht erklären, es ist ein Geheimnis, ich will es dir später einmal sagen. Du darfst auch nicht davon sprechen, und wenn wir jetzt noch rudern wollen, müssen wir uns beeilen.“

Das thaten wir denn auch. Wir hatten aber eine ziemlich stille und wenig vergnügte Fahrt. Ich blieb verstimmt, und Anneliese meinte, zart mit mir umgehen zu müssen, obgleich sie nicht recht begriff, warum. So waren wir denn beide schweigsam, und doch hatten wir uns auf diese Kahnfahrt lange vorher gefreut.

Am nächsten Morgen, als die Zeit für Herrn Harrangs Sitzung kam, sagte ich zu Tante Renate, ich hätte Kopfschmerzen und könnte heute das lange Stillehalten nicht vertragen. Mir fehlte durchaus nichts, aber in irgend einer Weise wünschte ich ihm mein Mißfallen doch anzudeuten. Wenn ich ihn heiratete – und es schien mir auf einmal äußerst zweifelhaft, ob ich mich dazu verstehen würde – sollte er von vornherein empfinden, daß ich mir Rücksichtslosigkeiten irgend welcher Art nicht gefallen ließ. Davon konnte nicht die Rede sein.

„Wenn du aber Kopfschmerzen hast, wäre es besser gewesen, es früher zu sagen, Helmikind,“ meinte Tante, „jetzt ist es zum Abbestellen zu spät.“

Ich zuckte mit den Schultern, nahm meinen Hut und ging fort. Wahrscheinlich sah Tante, die ja von dem ganzen Zusammenhang nichts ahnte, mir erstaunt nach, aber das ließ mich ganz kalt. Seit gestern hatte sich ein großer, schwerer Groll gegen sie in mir angesammelt. Denn alles kam schließlich doch nur daher, daß sie sich nicht ihrem Alter entsprechend benommen hatte, und kokette alte Jungfern konnte ich nun einmal nicht leiden.

Also begab ich mich angeblich auf den Weg, um Besorgungen zu machen. Als ich aber ein paar Straßen weit gegangen war, fiel mir ein, daß ich eigentlich gar nichts zu besorgen hatte und mir lieber ein Buch holen und an den Strand gehen wollte, um zu lesen.

Gedacht, gethan! Ich kehrte wieder um, fand unsere Etagenthür unverschlossen und erblickte sofort auf dem Flur Herrn Harrangs Hut. Aha – er war also schon da! Leise trat ich in das kleine Eßzimmer, in welchem der Bücherschrank stand, und fing an, geräuschlos darin zu suchen. Nebenan im Wohnzimmer hörte ich Herrn Harrang und Tante Renate sprechen, man war also nicht im Garten. Durch die herabgelassene Portiere verstand ich jedes Wort. Ob er nicht wenigstens bedauerte, daß ich nicht da war? Ich horchte auf.

Eben sagte Tante: „Nein, böse bin ich Ihnen deswegen nicht. Das Kind hätten Sie aber in dieser Weise doch nicht zum Besten halten sollen. Das war nicht hübsch von Ihnen! Ich fürchte, Sie sind nahe daran gewesen, das ohnehin ein wenig eitle Köpfchen ganz zu verdrehen. Auch kann ich gar keinen Grund für diese Heimlichkeiten einsehen. Ich selbst dachte sogar manchmal –“ Da stockte sie.

Ich fühlte, daß ich rot bis an das Haar wurde, obgleich mich niemand sah. „Das ohnehin ein wenig eitle Köpfchen ganz zu verdrehen –.“ So, Tante Renate, das sollst du mir büßen!

„Was sollte ich denn machen?“ hörte ich Herrn Harrang halb lachend sagen. „Einen Weg zu Ihnen finden mußte und wollte ich! Daß Sie mir nicht gestatten würden, hier täglich ein und aus zu gehen ohne einen harmlos scheinenden Grund, der auch Sie täuschte, das einzusehen, dafür kannte ich Sie lange und gut genug. Dem Kinde habe ich doch nur eine Freude damit gemacht, daß ich es malte – was weiter? Auch will ich das niedliche Köpfchen wirklich benutzen; es wird in den ‚Frühling‘ hineinkommen, wie ich sagte, wenn ich das ursprünglich auch nicht beabsichtigt haben mag. Ich mußte aber wissen, ob für Sie tot und begraben sei, was einst lebte, oder ob ich es wieder aufzuwecken vermöchte! Schlimmsten Falles wollte ich mir wenigstens Ihr Bild erobern, wie damals. Renate –“

Wie? – was? – Dieser Auftritt hier sollte sich wohl gar so entwickeln, daß er Tante Renate – meiner Tante Renate – eine Liebeserklärung machte? Das ging zu weit! Ich war so behandelt worden, daß ich meine Rache haben wollte. Vielleicht wußte der Mann auch gar nicht, was er that. Er hielt Tante Renate wahrscheinlich für ein halbes Dutzend Jahre jünger, als [880] sie war; das Ansehen, als wenn sie es wäre, verstand sie sich ja zu geben. Hier mußte etwas geschehen.

Rasch entschlossen griff ich nach dem Gesangbuch, welches ich gestern gefunden hatte, klappte dann die Thür des Bücherschrankes geräuschvoll zu, trat ganz unbefangen durch die Portiere und rief: „O Tante!“ – dann stockte ich, als bemerkte ich Herrn Harrang erst jetzt. Ich begrüßte ihn flüchtig und fuhr dann, eifrig gegen Tante gewendet, fort:

„Tante, nein, das ist doch wohl nicht möglich! Ist dies wirklich dein Gesangbuch? Das kann doch nicht sein!“

„Warum denn nicht?“ sagte Tante erstaunt. Mein plötzliches Erscheinen beglückte sie offenbar nicht übermäßig, „du hast ja gesehen, daß ich es mit in die Kirche nahm!“

„Aber nein, Tante! Dann wärest du ja schon vor zweiundzwanzig Jahren konfirmiert! Sieh, hier steht es! Du kannst doch unmöglich siebenunddreißig Jahre alt sein! Das glaube ich nicht. Können Sie sich das denken, Herr Harrang?“

„Warum sollte ich es mir nicht denken können?“ sagte Herr Harrang ganz unbefangen. „Allerdings kommt es mir nie in den Sinn, aber ich weiß es ja; warum sollte ich es also nicht glauben? Mein verehrtes kleines Fräulein, ich kenne Ihre Tante seit vielen Jahren; wir sind zusammen ganz jung gewesen. Interessiert vielleicht auch mein Alter Sie? Ich bin zweiundvierzig Jahre alt. Uebrigens, wer Ihre Tante sieht, dem kommt wohl schwerlich der Gedanke, nach ihrem Taufschein zu fragen; Ihnen und mir wenigstens ist er gewiß ganz gleichgültig, nicht wahr?“ Dabei blitzten seine braunen Augen mich an, so daß ich die meinen senken mußte.

Tante Renate aber zog meinen Kopf leise zu sich nieder:

„Grünes Gras, was prahlst du so?
Jeder Halm wird endlich Stroh,“

sagte sie mit einem halben Lächeln und sah mir in die Augen. Dann küßte sie mich auf die Stirn und ließ mich los.

„Stroh!“ rief Herr Harrang, „den Ehrgeiz lassen Sie fahren, das werden Sie nie!“

Tante Renate sah ihn an und schwieg; es war ein ernsthafter, beinahe trauriger Blick. Ich nahm mein Buch und ging langsam durch die Portiere wieder dahin, woher ich gekommen war. Im anderen Zimmer stand ich still und schöpfte tief Atem. Nebenan schwiegen beide.

Ich weiß nicht, ob ich mich eigentlich schämte! Ich glaube beinahe. Wenigstens war mir furchtbar unbehaglich zu Mute. Und doch auch wieder fühlte ich fast etwas wie Erleichterung. Im Grunde war es vielleicht doch wohl ebensogut, wenn Herr Harrang mein Onkel wurde. Zweiundvierzig Jahre – und ich zählte siebzehn! Das heißt, ich würde ja auch ohnehin Nein gesagt haben. Eigentlich hatte Anneliese mir die ganze Sache nur eingeredet, und es freute mich jetzt recht, daß ich gestern in ihrer Gegenwart so unfreundlich gewesen war.

Und wenn er nun wirklich vor mir gekniet hätte, wer weiß, ob ich nicht in der Aufregung mich mit ihm verlobt hätte und nachher schauerlich unglücklich geworden wäre? Während ich dastand und mich ärgerte und schämte und doch auch beinahe freute, sah ich plötzlich wieder wie aus nebelhafter, weiter Ferne die jungen Augen, die ich in der letzten Zeit mitunter nachts gesehen hatte, wie im Traum.

Etwas wie Heimweh überkam mich auf einmal. Nach Hause wollte ich – fort!

Die beiden drinnen mochten wohl denken, ich wäre fortgegangen, denn jetzt fing Herr Harrang wieder an.

„Renate!“ – Wie sanft es klang! „Renate – Liebe! Mir lieb und teuer wie einst vor so viel Jahren! Sie und ich wissen, was vor Zeiten zwischen uns trat, wie es damals nicht sein durfte trotz allem und allem! Der Weg liegt jetzt frei und offen vor uns, wir dürfen handeln, wie wir wollen, ohne nach jemand zu fragen! Renate, wir durften nicht das miteinander sein, was die Menschen jung nennen, und doch sind wir es beide auf unsere Art auch jetzt noch. Wollen wir nicht zusammen wandern, treulich Hand in Hand, bis wir alt miteinander werden?“

„Ich bin es ja schon,“ sagte Tante Renate ganz leise; es klang, als wären Thränen in ihrer Stimme. „Ich habe es gerade in der letzten Zeit oft so schwer empfunden. Manchmal dachte ich, es wäre das Kind mit seiner frischen Jugend, was Sie hierher zöge. – Siebenunddreißig – siebenunddreißig! – Ulrich! mein Haar wird grau. Und Sie – nein, es wäre ein Glück mit Furcht und Zittern! Es könnte ein Tag kommen, an dem Sie es bereuten, und das ginge über meine Kraft! Nein, Ulrich, ich bin nicht mehr, was ich war, es ist zu spät geworden.“

Ich atmete kaum. Vergessen war mein Groll. Wie lieb war Tante Renate doch! In dem Augenblick wünschte ich nichts sehnlicher, als daß Herr Harrang nun vor ihr knien möchte. Ich hatte sie lieb! Wie hatte ich je anders gekonnt? Ganz, ganz behutsam schob ich die Portiere ein wenig auseinander und blickte durch die schmale Spalte. Ob er nun kniete?

Nein. Er neigte nur seinen Kopf – es war doch ein schöner, stolzer Kopf, trotz der zweiundvierzig Jahre, und in diesem Augenblicke war er es mehr als je – zu ihr nieder, strich sich mit der Hand über den Bart und sagte: „Sieh, da sind auch weiße Haare!“

Sie antwortete nicht. Sie legte nur leise ihre Hand auf seinen Arm, die Thränen rannen ihr langsam über das Gesicht, aber sie lächelte. Da legte er sanft den Arm um ihre Schultern.

„Du meine lang’ Geliebte – du meine Jugend!“ sagte er leise, „was quälst du dich mit Gespenstern? Sollten wir denn um der wenigen Silberfädchen willen in die alte Einsamkeit zurücksinken? Was kümmern sie uns? Und wenn dein und mein Haar schneeweiß wäre – was ginge es uns an?“ Und er bückte sich und küßte ihr sachte die Thränen von den Wimpern.

Ich aber ließ den Vorhang zusammenfallen und schlich davon. Ich war doch kein Dieb, daß ich so etwas länger hätte belauschen mögen.