Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/2. Kapitel
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41. Das ganze Werk unserer Seligkeit soll in diesem ganzen Kapitel ausführlich behandelt werden. Damit aber der christliche Leser auf’s allereinfältigste das Hauptsächlichste fasse, mag er Folgendes kürzlich vernehmen:
Gott hat den Menschen, Adam und Eva, in vollkommener Gerechtigkeit und Heiligkeit geschaffen, in welchem Stande, wenn er Gott mit heiligem Wandel und Gehorsam aller Gebote, die er ihm geben würde, gedienet hätte, Gott ihn wiederum unsterblich hätte erhalten und ihm alle Leibes- und Seelen-Wohlfahrt widerfahren lassen.
42. Nachdem aber der Mensch durch des Teufels Verführung dahin gerathen ist, daß er wider Gottes Verbot von der Frucht des Baumes des Erkenntnisses Gutes und Böses genossen, hat er damit wider den Herrn gesündigt, ist ungerecht und unheilig geworden, hat also die anerschaffene Gerechtigkeit und Heiligkeit verloren, ist in göttliche Strafe gefallen, und in des Satans Dienstbarkeit gerathen.
43. Diesen betrübten Zustand hat er auf seine Nachkommen vererbet; denn weil er und seine Kinder unheilig, und der Sünde und dem göttlichen Fluche unterworfen worden ist, und zwar nicht nur wegen angeerbter Ungerechtigkeit, sondern auch wegen Sünden,| die sie täglich begehen, so ist damit das ganze menschliche Geschlecht unter dem Gericht und Verdammniß Gottes, der seiner Gerechtigkeit halben nicht anders kann, als sie allesammt als Ungehorsame von seinem Angesichte in ewiges Verderben zu stoßen.44. Es hat sich aber Gott in seinem gerechten Zorn des armen menschlichen Geschlechtes erbarmet, sich aus großer unverdienter Liebe und Gnade vorgenommen, demselben wieder zu helfen und es in sein Reich zu versetzen.
45. Solches konnte aber nicht geschehen, wenn nicht der göttlichen Gerechtigkeit ein Genüge geschehe. Aber kein Mensch oder Engel, noch eine andere Creatur im Himmel und auf Erden vermochte, für aller Menschen Sünde der göttlichen Gerechtigkeit genug zu thun. Es konnte also auf anderem Wege ihm nicht geholfen werden, als daß Gott selbst sich in’s Mittel schlug und sich die Menschen wieder versöhnte.
46. Dieses ist denn also geschehen, daß der ewige Sohn Gottes, von dem Vater gesendet, menschliche Natur (jedoch ohne Sünde) an sich genommen hat, an Statt aller Menschen vor das göttliche Gericht getreten ist, den schuldigen Gehorsam, welchen Gott von uns fordert, dem Gesetze geleistet, die Strafe des göttlichen Zornes, die wir verdienet, auf sich genommen, an seinem Leibe auf dem Kreuze alle unsere Sünde geopfert, und für uns mit seinem Blut und Tod bezahlet hat, daß also die Gerechtigkeit Gottes keinen fernern Anspruch der Sünde halber an uns haben kann, sondern wir vor Gottes Gericht so rein und heilig erscheinen, als hätten wir keine Sünde jemals begangen.
| 47. Nun verhält es sich mit diesem Werke der Erlösung nicht anders, als wie mit gefangenen Leuten, deren Erledigung bereits mit Darlegung des Lösegeldes erkauft ist. Wenn diesen ihre Erlösung angekündigt und die Thür’ aufgethan wird, und ihrer etliche nehmen diese Erlösung an, glauben, sie seien also frei gekauft, gehen aus dem Gefängniß, und werden in der That auch frei, so genießen sie dieser Erlösung an Werk und wahrhaftig. Wenn aber die Andern entweder auf die thörichten Gedanken gerathen, als wären sie nicht gefangen, bedürften also keines Erlösers, oder bildeten sich ein, als ob sie sich selbst am besten loshelfen könnten, achteten also nicht, daß ein Anderer für sie bezahlet hätte; oder sie setzten ihr Vertrauen auf andere Leute, die ihnen aus dem Gefängnisse helfen würden, wollten also mit dem Erlöser, der sie los gekauft, nichts zu schaffen haben; oder sie meinten, es könnte ihnen besser nicht geschehen, als wenn sie immerdar in ihrem Gefängnisse blieben, wollten also die Erlösung nicht haben, noch wissen; oder gedächten, obwohl die Erlösung unsrer Etlichen, die bereits aus dem Gefängniß gegangen sind, geschehen sein mag, so gehet sie doch mich ganz und gar nichts an, ich habe mich derselben nicht zu getrösten; oder sie hielten die Botschaft von ihrer Erledigung für lauter Thorheit und Lügen, als hätte man ihnen damit nur eine vergebliche Hoffnung gemacht: so würden diese alle miteinander in dem Gefängnisse sitzen bleiben, darinnen verderben, und auch der Erlösung, die doch völlig geschehen ist, nimmermehr genießen.Dieß ist die Summa des ganzen christlichen Glaubens, darauf unsere ewige Wohlfahrt und Seligkeit beruhet, welche jetzt ausführlicher erklärt werden soll.
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