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Gifte im Haushalt

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Textdaten
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Autor: Siegfried Mühsam
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Titel: Gifte im Haushalt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 298–300
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Gifte im Haushalt.
Von Siegfried Mühsam.

Jedes lebende Wesen ist ein chemisches Laboratorium, in welchem die interessantesten chemischen Processe vor sich gehen. Die Zuführung des Materials zu diesen Processen, die bei Thieren und Pflanzen verschieden ist, wird bei beiden „Nahrung“ genannt. Die Nahrungsmittel sind die Grundlage und die Bedingung des Bestehens des Organismus. Wie dieser aber durch Vorenthalten der Nahrungsmittel seiner Auflösung entgegengeht, so ist die Erhaltung desselben von der Auswahl der Mittel und der Menge derselben abhängig. – Im schroffsten Gegensatze zu dem Begriffe Nahrungsmittel steht der Begriff „Gift“. Wir sind aber nicht berechtigt, alle Körper, denen die Eigenschaften der Nahrungsmittel abgehen, als Gifte zu betrachten, ebensowenig wie wir als Nahrungsmittel ansehen dürfen, was nicht ein Gift ist. – Was ist nun aber ein „Gift“? Ja, darüber hat sich schon mancher Gelehrte den Kopf zerbrochen, ohne eine allgemein verständliche Erklärung, die auch gleichzeitig eine wissenschaftliche Berechtigung hat, gefunden zu haben. Bezeichnen wir als Gift einen jeden Körper, der schädlich auf den thierischen Organismus wirkt und ihn zu zerstören geeignet ist, so würden wir hierdurch die mechanisch wirkenden Körper nicht ausschließen. Wir dürfen, wie gesagt, weder die der Eigenschaften der Nahrungsmittel entbehrenden Substanzen als Gifte, noch die mit dem vollen Besitze dieser Eigenschaften ausgestatteten als Nichtgifte bezeichnen; denn selbst unter gewöhnlichen Verhältnissen unschädliche Nahrungsmittel, wie Brod, Fleisch, Kartoffeln etc., die gewiß Niemand in die Kategorie der Gifte zählen würde, können unter Umständen als solche wirken, wenn sie beispielsweise zur Unzeit oder im Uebermaße genossen werden, während andererseits anerkannte sogenannte Gifte oft nicht nur ohne Nachtheil dem Körper zugeführt werden können, ohne schädliche Wirkung zu äußern, sondern geradezu die Nahrung unterstützen helfen, oder, bei gewissen Krankheitserscheinungen, als Arzneimittel und zur Erhaltung des Körpers mit Erfolg angewendet werden. Vergleicht man die vielen sich oft widersprechenden Erklärungen, so gelangt man schließlich zu der Ansicht derer, die da behaupten, daß es keine Substanz gebe, die ein absolutes Gift sei, sondern nur solche Stoffe, die unter gewissen Bedingungen Gifte würden. Festhalten müssen wir jedoch, daß nur Körper als Gifte betrachtet werden dürfen, die durch ihre chemische Eigenschaft störend auf die Verrichtungen des thierischen Organismus wirken. Alle mechanischen Einwirkungen kommen als Vergiftungen nicht in Betracht. Wir wollen also bei solchen Stoffen, deren Genuß oder sonstige Ueberführung in das Blut eine schädliche Wirkung auf das Individuum ausübt und das Leben zu vernichten im Stande ist, die gewöhnliche Bezeichnung „Gift“ beibehalten. Das Gift theilt sich dem Organismus in flüssiger oder Gasform mit; die feste Form geht vor der Wirkung in die flüssige über. Die Vergiftungen sind unvermeidlich, so lange wir auf den Umgang mit Giften angewiesen sind, und diese finden wir in unseren Nahrungs- und Genußmitteln, in denen die schädliche Substanz entweder bereits vorhanden ist und das betreffende Mittel für seine Bestimmung qualificirt – dies sind die eigentlichen Hausgifte – oder welchen sie absichtlich zugesetzt wird, um eine qualitativ oder quantitativ vortheilhafte Veränderung hervorzubringen – dies sind die Verfälschungen. Sodann kommen diejenigen Gifte in Betracht, auf deren Benutzung wir durch ein bestimmtes Gewerbe angewiesen sind, ferner die, denen wir durch Sorglosigkeit und Unvorsichtigkeit begegnen, und schließlich die, welche in Folge der Verwechselung von Nahrungsmitteln mit giftigen Substanzen in’s Haus gebracht werden. Am häufigsten begegnet man den Gewohnheitsvergiftungen, das heißt der Anwendung solcher Gifte, deren specifisch giftiger Charakter nicht bestritten werden kann, an deren Genuß man aber durch den fortgesetzten Gebrauch geringer, sich allmählich steigernder Mengen gewöhnt wird. Nicht nur die Arsenik-Esser in Steiermark bieten hierfür ein interessantes Beispiel, sondern wir haben an uns selbst nur zu oft Gelegenheit, wahrzunehmen, wie sich der Körper mit seinen Feinden ausgesöhnt hat. Wir wissen uns des ersten schüchternen Versuches, eine wirkliche Cigarre regelrecht zu rauchen, zu erinnern. Und welch große Mengen einer giftigen Substanz haben wir seit jener Zeit geschluckt; denn nicht der durch die Verbrennung des Krautes erzeugte Rauch, nicht die im Tabak enthaltenen indifferenten Stoffe sind es, die uns den Genuß des Tabaks so unwiderstehlich machen, sondern einzig und allein ein Gift, ein sehr heftig wirkendes Gift ist es, dessen Genusse wir fröhnen, das uns den Tabak zu einem der beliebtesten Genußmittel gemacht hat. Die Blätter der zu der Classe der Solaneen gehörenden verschiedenen Arten von Nicotiana liefern den allgemein bekannten Tabak. In Amerika zuhause, wird er fast überall cultivirt, um zu Rauch-, Schnupf- oder Kautabak verwendet zu werden, und erfreut sich nun einer Verbreitung über die ganze Erde. Die am häufigsten angebauten Arten Nicotiana tabacum und Nicotiana macrophylla [299] liefern die bekannten Havanna-, Cuba-, Varinas-, Portorico-, holländischen und pfälzer, türkischen und chinesischen Tabake.

Die verschiedenen Species verdanken ihre Wirkung einem vorzüglich in den Blättern der Pflanze enthaltenen flüchtigen ölartigen Körper, dem „Nicotin“, dessen Gehalt in den verschiedenen Arten auch verschieden ist. Das Nicotin, eine organische Base, das heißt eine organische Verbindung, die mit Säuren ein Salz bildet, gehört zu den stärksten und am schnellsten tödtlichen Giften. Es bildet eine wasserhelle oder schwach gelbliche, ölartige, flüchtige Flüssigkeit, die einen penetranten, fast betäubenden Geruch und lange anhaltenden, brennenden Geschmack hat. Im reinen Zustande wirkt es schon in den kleinsten Dosen und recht schnell tödtlich.

Obwohl durch die Gewöhnung an den Gebrauch des Tabaks die Wirkung abgeschwächt wird, finden dennoch bei Gewohnheitsrauchern und -Kauern nach dem Genusse größerer Quantitäten Vergiftungserscheinungen statt. – Es ist gleichgültig, auf welche Weise das Nicotin dem Körper zugeführt wird, die Wirkung ist nicht ausgeschlossen, und deshalb theilen die Schnupfer die Vergiftungsgefahren der Raucher und Primer. Vergiftungserscheinungen bei Schnupfern sind jedoch nicht immer auf Nicotinvergiftung zurückzuführen; häufig hat man es mit einer Bleivergiftung zu thun. Man findet nicht selten Schnupftabak in Bleifolie verpackt; bei längerer Berührung mit dem Tabak oxydirt sich das Metall und geht mit einer im Schnupftabak enthaltenen organischen Säure eine Verbindung ein, die sich dem Tabak mittheilt. Auf diese Weise bringt der Schnupfer eine nicht geringe Menge eines Bleisalzes in seine Nase. Nun sind aber unter den Metallgiften die Blei-Oxyde höchst gefährlich, und man kennt Vergiftungen mit tödtlichem Ausgange in Folge des Schnupfens von Tabak, der in Blei verpackt war und in unmittelbarer Berührung mit den Bleiwänden gestanden hatte. Obwohl die Literatur nicht gerade arm ist an Beispielen von Tabaksvergiftungen mit tödtlichem Ausgange, so stehen dieselben doch in keinem Verhältnisse zu dem außerordentlichen Consum an Tabak und betreffen nur selten absichtliche Vergiftungen.

Eine ähnliche Erscheinung liefert uns der „Alkohol“, der ein gar starkes Gift ist und zu den verbreitetsten Genußmitteln gehört, aber selten zum Zwecke absichtlicher Vergiftung, um den Tod herbeizuführen, benutzt wird. Im reinen Zustande weder Nahrungs- noch Genußmittel, erfreut er sich in seinen verschiedenen Verdünnungen der größten Verbreitung und ruft die häufigsten Vergiftungserscheinungen hervor. Alle sogenannten geistigen Getränke verdanken ihre Benutzung und Wirkung dem Gehalte an Alkohol, der in den verschiedenen Formen seiner Verdünnung, in Wein, Bier, Schnaps etc., den wichtigsten Bestandtheil ausmacht. Der Alkohol, eine farblose, dünne, sehr leicht entzündliche Flüssigkeit, von angenehmem, durchdringendem Geruche und brennendem Geschmacke, kommt in der Natur fertig gebildet nicht vor, sondern tritt als Product der Entmischung gewisser organischer Körper auf, vorzugsweise bei dem Processe der sogenannten geistigen Gährung des Zuckers, wobei derselbe in Alkohol und Kohlensäure zerfällt.

Die giftige Wirkung des Alkohols tritt häufig schon bei dem Genusse einer geringen Menge ein, wird aber in dem Maße gedämpft, als derselbe verdünnt ist, so daß also dieselbe Menge Alkohol, verdünnt, nicht die Wirkung des reinen unverdünnten hervorbringt. Unbekannt dürfte die Wirkung wohl Niemand sein, denn man hat sie entweder selbst empfunden und gern empfunden – denn, wer nie einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann – oder man hat sie empfinden sehen, es sei denn, daß man noch keinen Betrunkenen gesehen hat; sie beruht auf der Eigenschaft des Alkohols, Wasser anzuziehen und Blut, respective Eiweiß gerinnen zu machen. Je nach dem Genuß größerer oder kleinerer Mengen geistiger Getränke tritt die Wirkung in verschiedenen Graden auf, denen der Volksmund gewisse Bezeichnungen gegeben hat, die allgemein verständlich sind und gebraucht werden wie „Spitz“, „Affe“ etc.

Da der Alkoholgehalt der verschiedenen geistigen Getränke ein sehr unterschiedlicher ist, so äußert sich selbstverständlich dieselbe Menge der verschiedenen Flüssigkeiten nicht auch durch dieselbe Wirkung. Wollte man aber die Veranlassung jeder krankhaften Erscheinung nach dem Genusse von Spirituosen dem Alkohol in die Schuhe schieben, so thäte man ihm offenbar Unrecht. Nicht selten wirken Ursachen mit, die mit dem Alkohol nichts zu schaffen haben. Besonders sind die Färbemittel der Liqueure oft nicht ganz unschädlich, ja zuweilen recht gefährlich. Mit diesen wird ein grober Unfug getrieben. Um den Liqueuren ein dem Auge schmeichelndes Aussehen zu geben, werden, ohne Rücksicht auf ihre Schädlichkeit, die verschiedensten Färbemittel angewendet, so das Anilin, verschiedene Kupferfarben, selbst Arsenikfarben etc. In neuerer Zeit kam ein gelbes Pulver in den Handel, das ein Surrogat für den theuren Safran sein soll und unter dem vielsagenden Namen „australischer Safran“ an den Mann gebracht wird, aber mit Ausnahme der Färbefähigkeit nichts weniger als die Eigenschaften des Safrans theilt; denn wie eine vorgenommene chemische Untersuchung gelehrt hat, besteht dieser sogenannte australische Safran (der dem Verfasser zur Untersuchung vorlag) aus Pikrin- und Chromsäure, ist also ein starkes, ätzendes Gift.

Um das Bier schmackhafter zu machen, ebenso um das Nachgähren desselben zu verhüten, werden häufig ebenfalls Mittel angewandt, die nicht immer unschuldig, in ihren Massen aber geradezu höchst bedenklich sind. Ein beliebter Zusatz, um eine angenehme Bitterkeit hervorzubringen, sind die sogenannten Krähenaugen oder Brechnüsse, Samen von Strychnos nux vomica, die das Strychnin, eins der stärksten Gifte, liefern. Zu demselben Zwecke setzen unsere Bairisch-Bier-Brauer ein sogenanntes „englisches Bierextract“ ihrem Fabrikate zu. Dieses Bierextract ist aber durchaus kein Bierextract, sondern ein mehr oder weniger concentrirter Auszug von Kokkelskörnern, den beerenartigen Früchten von Anamirta cocculus, und natürlich mit dem in letzteren enthaltenen Picrotoxin, das stark giftig ist. Erscheinungen nach dem Genusse von Bairisch-Bier, wie furchtbare Schwere des Kopfes, trockene Speichelabsonderung, kalter Schweiß etc. bei sonst völligem Bewußtsein und ohne Störung des Erinnerungsvermögens, sind nicht Symptome einer Alkoholvergiftung, sondern rühren von den schädlichen Beimengungen unserer Biere her.

Neben den geistigen Getränken, welche in der Absicht auf Nervenwirkung genossen werden, spielt als Genußmittel durch seine eigenthümliche Wirkung auf das Nervenleben der Kaffee eine hervorragende Rolle. Hier ist es wiederum ein Gift, das die Verbreitung und Verwendung vermittelt hat, eine Substanz, die, in geringer Menge genossen, die wohlthuendste Wirkung äußert, dem Körper aber in größerer Menge zugeführt, denselben zu zerstören geeignet ist. Ein Alkaloid, das „Coffeïn“ oder „Caffeïn“, ist der eigentliche Träger des Werthes und der Wirkungsfähigkeit des Kaffees, ihm verdankt der Kaffee seine große Verbreitung und Beliebtheit; der Gehalt an Coffeïn bestimmt die Güte des Kaffees – je reicher an diesem Alkaloid, desto größer, je ärmer, desto geringer der Werth. Schon eine verhältnißmäßig geringe Menge dieses Körpers ist im Stande, eine schädliche und, wie Versuche an Thieren gelehrt haben, tödtliche Wirkung hervorzubringen. Unangenehme Empfindungen und Beschwerden nach dem Genusse sogenannten starken Kaffees sind die Folge einer Coffeïnvergiftung. Schwächere Auszüge wirken nicht nur nicht schädlich auf den Körper, sondern ernährend und vorzugsweise belebend und anregend.

Das wirksame Princip des Kaffees findet sich auch in den Blättern des Theestrauchs (Thea chinensis oder bohea), die durch Aufguß den bekannten und ebenfalls verbreiteten Trank „Thee“ liefern. – Nicht selten werden verdorbene Kaffeebohnen, welche ihre ursprünglich grüne Farbe, die sie, nach Rochleder, einem Gehalte an viridinsaurem Kalke verdanken, verloren haben, ebenso verdorbene und mißfarbige Theesorten künstlich wieder hergestellt und nicht immer durch Anwendung unschuldiger Färbemittel; giftige Kupferfarben müssen hierzu häufig herhalten. Es ist daher nothwendig, sich durch Abwaschen der Kaffeebohnen oder der Theeblätter von der Echtheit der Farbe und somit der Waare selbst zu überzeugen.

Von vielleicht größerer Bedeutung als diese Gewohnheitsvergiftungen, wenn sie so genannt werden dürfen, und solche, die beim Betriebe gewisser Gewerbe durch den Umgang mit Giften herbeigeführt werden, sind die, die ihr Vorkommen der Verwechselung von Nahrungsstoffen mit giftigen, in Folge von Unvorsichtigkeit, Unerfahrenheit oder maskirter Erkennungsmerkmale verdanken. Daß anstatt grüner Petersilie Schierlingsblätter oder Hundspetersilie in der Küche verwendet werden, ist durchaus nicht selten. Eine wesentliche Rolle unter solchen im Haushalte vorkommenden Giften spielen die Pilze und Schwämme, von deren [300] vieltausenden Arten nur wenige als eßbar gelten, die wiederum durch den Einfluß verschiedener äußerer Verhältnisse als Nahrungsmittel ungeeignet werden. Mehr als jede andere Pflanze ist der Pilz für eine Zersetzung geeignet, durch welche der eßbare seine ungiftige Eigenschaft verliert und sich durch irgend einen noch unbekannten Einfluß ein giftiger Stoff entwickelt, der sich äußerlich nicht wahrnehmen läßt; kurz, es wird aus dem eßbaren Pilze ein giftiger, ohne daß wir uns durch das Auge davon überzeugen können. Da charakteristische Kennzeichen für die Brauchbarkeit der sogenannten eßbaren Pilze nicht bekannt sind und auch botanische Verwechselungen mit anerkannt giftigen nicht ausgeschlossen sind, so ist es besser, sich des Genusses der Pilze vollständig zu enthalten, oder doch wenigstens so lange, bis es der Botanik gelungen ist, scharfe Unterscheidungsmerkmale zwischen eßbaren und giftigen festzusetzen und die Chemie im Stande ist, die An- und Abwesenheit eines Giftes im Pilze zu constatiren.

Am verbreitetsten und bekanntesten, wenn auch nicht als Nahrungsmittel, so doch als Begleiter vieler derselben, sind gewisse Fadenpilze, die unter dem Allgemeinnamen „Schimmelpilze“ bekannt sind. Diese pflanzlichen Gebilde, die sich auf den meisten Nahrungsmitteln vegetabilischen wie animalischen Ursprungs entwickeln, geben diesen einen unangenehmen, widerlichen Geschmack und Geruch, berauben ihre Unterlage ihres Nahrungswerthes und machen sie ungenießbar und schädlich.

Neben den bereits fertig gebildeten Giften giebt es im Haushalte eine Menge anderer, deren Vorhandensein nicht Bedingung ist, die irgend einem günstigen Umstande, einer chemischen Zersetzung – in Folge bekannter oder unbekannter Einflüsse – etc. ihre Existenz verdanken. Solche Gifte sind um so gefährlicher, als ihre Anwesenheit nicht immer angezeigt wird. Eins der interessantesten und gefährlichsten dieser Gifte ist das sich besonders in Leber- und Blutwürsten erzeugende sogenannte „Wurstgift“; diesem schließen sich, ebenfalls als Produkt einer chemischen Zersetzung, in den Fischen das nicht minder gefährliche „Fischgift“ und im Käse das „Käsegift“ an. Die Entstehung und das Wesen dieser Gifte sind noch völlig unbekannt; daß aber der eintretende Verwesungsproceß die Bildung derselben begünstigt, ist nicht unwahrscheinlich.

Zu diesen zufälligen Giften gehören auch die, welche durch Verfälschungen von Nahrungsmitteln mit schädlichen Substanzen (Essig mit Schwefel- oder Salzsäure etc.) in’s Haus gebracht werden; ferner die, die durch Unsauberkeit oder Sorglosigkeit im Hause selbst erzeugt werden. Für letztere ist der Gebrauch kupferner oder kupferhaltiger Gefäße die häufigste Veranlassung. Solche Gefäße sind zur Aufnahme eines jeden Körpers, namentlich zur Aufnahme einer jeden Flüssigkeit durchaus nicht geeignet. Beim Kochen saurer oder fetter Speisen, Milch etc., beim Erkalten und Stehenlassen solcher in Gefäßen von Kupfer oder Messing (Kupfer und Zink) entsteht eine grüne lösliche Kupferverbindung, die sich den betreffenden Speisen mittheilt und dieselben vergiftet. Dasselbe gilt vom Neusilber, das bekanntlich aus Kupfer, Zink und Nickel besteht.

Es ist für das Zustandekommen einer Vergiftung durchaus nicht Bedingung, daß das betreffende Gift auf dem gewöhnlichen Wege, das heißt durch Vermittelung des Magens sich dem Organismus mittheile; die Aufnahme giftiger Stoffe in die Luftwege begünstigt ebenfalls die giftige Wirkung. Bei der Aufnahme in die Luftwege, also durch Einathmen, kommen die gas- und dampfförmigen Gifte und unter diesen im Haushalte vorzugsweise „Kohlenoxyd“- und „Leuchtgas“ in Betracht. Bei vollständiger Verbrennung kohlenstoffhaltiger Körper nimmt der Kohlenstoff derselben zwei Gewichtstheile Sauerstoff aus der Luft auf und wird zur Kohlensäure. Ist die Verbrennung aber nicht vollständig, das heißt wird nicht so viel Sauerstoff zugeführt, als zur Bildung der Kohlensäure nothwendig ist, so kann der Kohlenstoff nur einen Gewichtstheil Sauerstoff aufnehmen und das Product der Verbindung heißt alsdann „Kohlenoxyd“. Dieses, ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, ist stark giftig und hat, eingeathmet, sehr häufig den Tod zur Folge. Es findet sich unter den Producten der unvollständigen Verbrennung unserer Heizmaterialien, wie Holz, Steinkohle, Torf etc., wenn durch ungenügende Ventilation in den Oefen oder theilweise Absperrung der atmosphärischen Luft nicht genügend Sauerstoff zugeführt wird, um die vollständige Verbrennung zu unterstützen.

Bei der durch die Luftwege stattfindenden Einführung von Giften spielen die giftigen Farben, die in gasförmigem Zustande oder in Form feinen Staubes sich dem Organismus mittheilen, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Es sind dies vorzugsweise viele grüne Farben, die durch ihren Gehalt an „arseniger Säure“ sich auszeichnen. Die den Damen wohlbekannten grünen Tarlatankleider sind großentheils mit Scheel’schem oder Schweinfurter Grün gefärbt; diese Farbestoffe, von denen ersteres „arseniksaures Kupferoxyd“, letzteres ein Doppelsalz von „essigsaurem und arseniksaurem Kupferoxyd“ ist, sind gewöhnlich nur durch schwache Bindemittel auf dem Zeuge befestigt und lösen sich sehr leicht von demselben los. Eine einfache Berührung oder schwache Bewegung genügt oft schon, um die Farbe von der Unterlage zu entfernen. Gleich schädlichen Einfluß auf die Gesundheit haben die mit Arsenikfarben grün gefärbten Tapeten. Beim Gebrauche grüner Fächer, grünen Mützenfutters, grüner Schleier etc. kommen Vergiftungserscheinungen vor, über die sich der Laie in der Regel keine Rechenschaft geben kann und die auf den Arsengehalt in der grünen Farbe zurückzuführen sind. Große Vorsicht ist bei dem Gebrauche grüner Lampenschirme und grün gefärbter Lichte erforderlich, da die etwaige Giftfarbe durch die entwickelte höhere Temperatur sich verflüchtigt und als gasförmiger Körper eingeathmet wird. Grünes Kinderspielzeug entbehre man vollständig. Außer diesen Farben kommen noch solche in Betracht, die als Schminke der Haut aufgetragen und so unter dieselbe und in das Blut gerieben werden. Auch die Anwendung des rothen, mit Zinnober gefärbten Siegellacks hat ihr Bedenken, weil beim Brennen desselben Quecksilberdämpfe entstehen, deren fortgesetzte Einathmung unmöglich wirkungslos bleiben kann.

Es ist nicht ausführbar, alle im Haushalte vorkommenden sogenannten Gifte von dem Gebrauche im täglichen Leben auszuschließen. Wenn auch einzelne entbehrlich sind, so sind wir doch auf den Umgang mit der Mehrzahl derselben angewiesen. Es tritt also nur die Aufgabe an uns heran, diesen Stoffen die günstigen Bedingungen nicht zu gewähren, unter denen sie Gifte, also für den normalen Zustand des thierischen Körpers schädlich werden können.