Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften
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Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
Artikel 1
[Bearbeiten]- Das Strafgesetzbuch wird geändert wie folgt:
- 1. Im § 4 Abs. 2 Nr. 1 werden hinter dem Worte „Münzverbrechen“ die Worte „oder Münzvergehen“ eingefügt.
- 2. Im § 17 erhält der Abs. 4 folgende Fassung:
- Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen. Sie wird in Festungen vollzogen, die dem Reichswehrminister unterstehen.
- 3. § 20 erhält folgende Fassung:
- Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus oder Gefängnis und Festungshaft gestattet, darf auf Festungshaft nur dann erkannt werden, wenn die Tat sich nicht gegen das Wohl des Volkes gerichtet und der Täter ausschließlich aus ehrenhaften Beweggründen gehandelt hat.
- 4. Als § 39a wird folgende Vorschrift eingefügt:
§ 39a
[Bearbeiten]- Wird ein Ausländer zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt und bedeutet sein Verbleiben im Inland eine Gefahr für andere oder für die öffentliche Sicherheit, so kann das Gericht es für zulässig erklären, daß ihn die zuständige Verwaltungsbehörde innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung aus dem Reichsgebiet verweist.
- In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der er eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.
- 5. Im § 87 werden die Absätze 2 und 3 durch folgende Vorschrift ersetzt:
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter zwei Jahren.
- 6. Im § 88 werden
- a) im Abs. 1 die Worte „oder lebenslänglicher Festungshaft“ gestrichen;
- b) der Abs. 2 wird wie folgt gefaßt:
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter zwei Jahren.
- c) im Abs. 3 Satz 1 die Worte „oder mit Festungshaft von gleicher Dauer“ gestrichen und der Satz 2 wie folgt gefaßt:
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten.
- d) der Abs. 4 gestrichen.
- 7. Im § 89 werden
- a) im Abs. 1 Satz 1 die Worte „oder mit Festungshaft von gleicher Dauer“ sowie der Satz 2 gestrichen;
- b) der Abs. 2 durch folgende Vorschrift ersetzt:
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten.
- 8. Im § 90 werden die Absätze 3 und 4 durch folgende Vorschrift ersetzt:
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter zwei Jahren.
- 9. Im § 92 erhält der Abs. 2 folgende Fassung:
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Jahre. [296]
- 10. Als §§ 92a und 92b werden folgende Vorschriften eingefügt:
§ 92a
[Bearbeiten]- Wer sich Gegenstände oder Nachrichten, deren Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Reichs oder eines Landes erforderlich ist, in der Absicht verschafft, sie der anderen Regierung bekanntzumachen oder öffentlich mitzuteilen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
- Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten.
§ 92b
[Bearbeiten]- Wer vorsätzlich mit einer Person, die im Interesse einer ausländischen Regierung tätig ist, Beziehungen anknüpft oder unterhält, welche die Mitteilung von Gegenständen oder Nachrichten der im § 92 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Art zum Gegenstande haben, wird mit Gefängnis bestraft.
- Ebenso wird bestraft eine Person, die im Interesse einer ausländischen Regierung tätig ist, wenn sie vorsätzlich mit einem anderen Beziehungen anknüpft oder unterhält, welche die Mitteilung von Gegenständen oder Nachrichten der im § 92 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Art zum Gegenstande haben.
- 11. Als § 145b wird folgende Vorschrift eingefügt:
§ 145b
[Bearbeiten]- Wer ein Tier roh mißhandelt oder absichtlich quält, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.
- 12. Im § 164 wird der Abs. 1 durch folgende Vorschriften ersetzt:
- Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird wegen falscher Anschuldigung mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.
- Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der im Abs. 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.
- Ist die Tat in der Absicht begangen, sich oder einem Dritten einen Vorteil zu verschaffen, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten.
- Neben der Strafe dann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- Ist die falsche Anschuldigung (Abs. 1, 2) nicht wider besseres Wissen, aber vorsätzlich oder leichtfertig begangen, so ist die Strafe Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe.
- 13. Der § 210a wird durch folgende Vorschrift ersetzt:
§ 210a
[Bearbeiten]- Der Zweikampf mit Schlägern unter Vorkehrungen, die bestimmt und geeignet sind, gegen Lebensgefahr zu schützen, sowie die Herausforderung zu einem solchen Zweikampf und deren Annahme sind straflos.
- 14. Als §§ 219 und 220 werden folgende Vorschriften eingefügt:
§ 219
[Bearbeiten]- Wer zu Zwecken der Abtreibung Mittel, Gegenstände oder Verfahren öffentlich ankündigt oder anpreist oder solche Mittel oder Gegenstände an einem allgemein zugänglichen Ort ausstellt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- Die Vorschrift des Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zu ärztlich gebotenen Unterbrechungen der Schwangerschaft dienen, Ärzten oder Personen, die mit solchen Mitteln oder Gegenständen erlaubterweise Handel treiben, oder in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachzeitschrift angekündigt oder angepriesen werden.
§ 220
[Bearbeiten]- Wer öffentlich seine eigenen oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung von Abtreibungen anbietet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- 15. Im § 223a wird der zweite Absatz gestrichen und statt dessen als § 223b folgende Vorschrift eingefügt:
§ 223b
[Bearbeiten]- Wer Kinder, Jugendliche oder wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit Wehrlose, die seiner Fürsorge oder Obhut unterstehen oder seinem Hausstand angehören oder die von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder durch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis von ihm abhängig sind, quält oder roh mißhandelt oder wer durch böswillige Vernachlässigung [297] seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
- In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.
- 16. Als § 226a wird folgende Vorschrift eingefügt:
§ 226a
[Bearbeiten]- Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Verletzten vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
- 17. Im § 263 wird hinter dem Abs. 3 folgender Absatz eingefügt:
- In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.
- 18. Der § 266 erhält folgende Fassung:
§ 266
[Bearbeiten]- Wer vorsätzlich die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treuverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird wegen Untreue mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Daneben kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.
- 19. Im § 360 erhalten die Nummern 7 und 13 folgende Fassung:
- 7. wer ohne ausdrückliche Ermächtigung der zuständigen Behörde das Wappen des Reichs oder eines Landes oder den Reichsadler oder den entsprechenden Teil eines Landeswappens führt oder gebraucht oder wer unbefugt eine Dienstflagge des Reichs oder eines Landes gebraucht; den Wappen, Wappenteilen und Flaggen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind;
- 13. Wer einer zum Zwecke des Tierschutzes erlassenen Vorschrift zuwiderhandelt.
- 20. Im § 361 wird
- a) die Nummer 6 wie folgt gefaßt:
- 6. Wer öffentlich in auffälliger Weise oder in einer Weise, die geeignet ist, einzelne oder die Allgemeinheit zu belästigen, zur Unzucht auffordert oder sich dazu anbietet;
- b) die Nummer 6a durch folgende Nummern 6a bis 6c ersetzt:
- 6a) wer gewohnheitsmäßig zum Erwerbe Unzucht treibt und diesem Erwerbe in der Nähe von Kirchen oder in einer Wohnung nachgeht, in der Kinder oder jugendliche Personen zwischen drei und achtzehn Jahren wohnen;
- 6b) wer gewohnheitsmäßig zum Erwerbe Unzucht treibt und diesem Erwerbe in der Nähe von Schulen oder anderen zum Besuch durch Kinder und Jugendliche bestimmten Örtlichkeiten oder in einem Hause, in dem Kinder oder jugendliche Personen zwischen drei und achtzehn Jahren wohnen, in einer diese Minderjährigen sittlich gefährdenden Weise nachgeht;
- 6c) wer gewohnheitsmäßig zum Erwerbe Unzucht treibt und diesem Erwerbe in einer Gemeinde mit weniger als zwanzigtausend Einwohnern nachgeht, in der die Ausübung der Unzucht zum Erwerbe durch eine zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes erlassene Anordnung der obersten Landesbehörde verboten ist.
- a) die Nummer 6 wie folgt gefaßt:
- 21. Im § 362 Abs. 3 Satz 2 werden die Worte „In den Fällen des § 361 Nr. 6, 6a“ durch die Worte „In den Fällen des § 361 Nr. 6a bis 6c“ ersetzt.
Artikel II
[Bearbeiten]- Im Ersten Titel des Zweiten Teils des Militärstrafgesetzbuchs wird der Abschnitt VIa (Zweikampf unter Kameraden, §§ 112 bis 112f) gestrichen und statt dessen folgender § 112 eingefügt:
§ 112
[Bearbeiten]- Wer einen Vorgesetzten oder einen im Dienstrang Höheren aus dienstlicher Veranlassung [298] zum Zweikampf herausfordert, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahre und, wenn der Zweikampf vollzogen wird, mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. Zugleich ist gegen Offiziere auf Dienstentlassung zu erkennen.
- Ebenso wird der Vorgesetzte bestraft, der die Herausforderung annimmt oder den Zweikampf vollzieht.
Artikel III
[Bearbeiten]- In das Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, wird als § 81a folgende Vorschrift eingefügt:
§ 81a
[Bearbeiten]- Wer als Geschäftsführer, Liquidator oder Mitglied eines Aufsichtsrats oder eines ähnlichen Organs einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsätzlich zum Nachteil der Gesellschaft handelt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe bestraft. Daneben kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.
Artikel IV
[Bearbeiten]- Im § 95 des Börsengesetzes wird der Abs. 2, im § 312 des Handelsgesetzbuchs, § 142 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 315) und § 53 der vorläufigen Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über die Errichtung der deutschen Rentenbank vom 15. Oktober 1923, vom 14. November 1923 (Reichsgesetzbl. I S. 1092) wird jeweils der Abs. 3 durch folgende Vorschrift ersetzt:
- In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren; ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.
Artikel V
[Bearbeiten]- Dem § 146 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
- wird als Abs. 3,
- dem § 23 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung,
- dem § 153 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes und
- dem § 268 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
- wird jeweils als Satz 4 folgende Vorschrift hinzugefügt:
- In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren; ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.
- wird jeweils als Satz 4 folgende Vorschrift hinzugefügt:
Artikel VI
[Bearbeiten]- Den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift in Artikel I Ziffer 2 bestimmt der Reichsminister der Justiz im Benehmen mit dem Reichswehrminister.
- Im übrigen tritt dieses Gesetz am 1. Juni 1933 in Kraft. Gleichzeitig tritt Artikel IX Abs. 1 des Ersten Teils der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. September 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 493), soweit er sich auf § 312 des Handelsgesetzbuchs bezieht, außer Kraft.
- Berlin, den 26. Mai 1933.