Gesetz, die Besteuerung des Zuckers betreffend. Vom 1. Juni 1886
Erscheinungsbild
[181]
(Nr. 1666.) Gesetz, die Besteuerung des Zuckers betreffend. Vom 1. Juni 1886.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
Artikel I.
[Bearbeiten]- Die §§. 1 und 3 des Gesetzes vom 26. Juni 1869, die Besteuerung des Zuckers betreffend (Bundes-Gesetzbl. S. 282), treten mit dem 1. August 1886 außer Kraft und werden durch folgende Bestimmungen ersetzt:
§. 1.
[Bearbeiten]- Die Rübenzuckersteuer wird von 100 Kilogramm der zur Zuckerbereitung bestimmten rohen Rüben mit 1,70 Mark erhoben.
§. 2.
[Bearbeiten]- Für den über die Zollgrenze ausgeführten oder in öffentliche Niederlagen oder Privattransitlager unter amtlichem Mitverschluß aufgenommenen Zucker wird, wenn die Menge wenigstens 500 Kilogramm beträgt, eine Steuervergütung nach folgenden Sätzen für 100 Kilogramm gewährt:
- a) für Rohzucker von mindestens 90 Prozent Polarisation und für raffinirten Zucker von unter 98, aber mindestens 90 Prozent Polarisation:
1. für die Zeit vom 1. August 1886 bis zum 30. September 1887 18,00 Mark, 2. vom 1. Oktober 1887 ab 17,25 Mark.
- b) für Kandis und für Zucker in weißen, vollen, harten Broden, Blöcken, Platten, Würfeln oder Stangen, oder in Gegenwart der Steuerbehörde [182] zerkleinert, ferner für andere vom Bundesrath zu bezeichnende Zucker von mindestens 99½ Prozent Polarisation:
1. für die Zeit vom 1. August 1886 bis zum 31. Oktober 1887 22,20 Mark, 2. für die Zeit vom 1. November 1887 ab 21,50 Mark.
- c) für allen übrigen harten Zucker, sowie für allen weißen trockenen (nicht über 1 Prozent Wasser enthaltenden) Zucker in Krystall-, Krümel-und Mehlform von mindestens 98 Prozent Polarisation, soweit auf denselben nicht der Vergütungssatz unter b Anwendung findet:
1. für die Zeit vom 1. August 1886 bis zum 31. Oktober 1887 20,80 Mark, 2. für die Zeit vom 1. November 1887 ab 20,15 Mark.
- Der Bundesrath hat die Zollämter zu bestimmen, über welche die Ausfuhr der unter a und c fallenden Zucker bewirkt werden kann. Derselbe ist auch befugt, zu bestimmen, daß die bei der Ausfuhr von Zucker gegen Steuervergütung abzugebende Deklaration auf den Zuckergehalt nach dem Grade der Polarisation gerichtet werde.
§. 3.
[Bearbeiten]- Den Inhabern von Rübenzuckerfabriken wird zur Entrichtung der fälligen Steuer für verarbeitete Rüben gegen Sicherheitsbestellung Kredit auf einen allgemein vorzuschreibenden Zeitraum bis zu höchstens 6 Monaten bewilligt werden. Nach Maßgabe der dem entsprechend vorgeschriebenen Kreditfrist wird der Fälligkeitstermin der Steuervergütungen (§. 2 und §. 4) bestimmt.
- Fällige Steuervergütungsscheine können bei allen Steuerstellen des Deutschen Reichs auf schuldige Rübenzuckersteuer angerechnet werden.
§. 4.
[Bearbeiten]- Für inländischen Zucker ist die Niederlegung gegen Steuervergütung (§. 2) in hierzu bestimmten öffentlichen oder unter amtlichem Mitverschluß stehenden Privatniederlagen mit der Maßgabe gestattet, daß der Zucker gegen Versteuerung durch Erstattung der Vergütung nach Maßgabe des Einlagerungsgewichts wieder in den freien Verkehr gebracht werden kann. Die Lagerfrist beträgt zwei Jahre.
- Der niedergelegte Zucker haftet der Steuerbehörde ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter für den Betrag der gewährten Steuervergütung, sowie der nach Absatz 4 zu entrichtenden Zinsen und etwaigen Kosten.
- Die näheren Anordnungen über diese Niederlagen, insbesondere auch über die an die Lagerinhaber zu stellenden Anforderungen trifft der Bundesrath.
- Der Betrag der Steuervergütung für Zuckermengen, welche über den auf den Tag der Niederlegung zunächst folgenden 1. Oktober hinaus in der Niederlage verbleiben, ist im Falle der demnächstigen Zurücknahme in den freien Verkehr für die weitere Dauer der Lagerung mit fünf Prozent jährlich zu verzinsen. [183]
- Den Inhabern von Zuckerraffinerien kann zur Entrichtung der Steuer für den zu Raffineriezwecken aus den Niederlagen entnommenen Rohzucker Kredit bewilligt werden.
§. 5.
[Bearbeiten]- In Bezug auf die Bestrafung unrichtiger Deklaration von Zucker zur Aufnahme in das Lager (§. 4) finden die Bestimmungen im §. 4 des Gesetzes vom 26. Juni 1869, die Besteuerung des Zuckers betreffend (Bundes-Gesetzbl. S. 282), sinngemäße Anwendung.
- Wer die Steuer von dem niedergelegten Zucker hinterzieht oder zu hinterziehen versucht, begeht eine Defraudation, auf welche die für die Rübenzuckersteuer-Defraudation geltenden Strafbestimmungen sinngemäße Anwendung mit der Maßgabe finden, daß der hinterzogene Abgabenbetrag nach dem Steuervergütungssatze des Zuckers zu berechnen ist. Uebertretungen der Anordnungen des Bundesraths in Bezug auf die Lagerung des Zuckers werden, sofern nicht die Defraudationsstrafe verwirkt ist, mit Ordnungsstrafen von dreißig bis dreihundert Mark belegt.
- Der Lagerinhaber haftet subsidiarisch für seine Gewerbsgehülfen und die in seinem Dienst oder Tagelohn stehenden Personen rücksichtlich der Geldstrafen, Gefalle und Prozeßkosten, in welche die zu vertretenden Personen wegen Defraudationen und wegen Verletzung der Verwaltungsvorschriften verurtheilt worden sind.
§. 6.
[Bearbeiten]- Bei der Ausfuhr von Fabrikaten, zu deren Herstellung vergütungsfähiger inländischer Zucker verwendet worden ist, einschließlich der Auflösungen von Zucker, oder bei Niederlegung solcher Fabrikate in öffentlichen Niederlagen oder Privattransitlagern unter amtlichem Mitverschluß kann nach näherer Bestimmung des Bundesraths die Steuer für die in den Fabrikaten enthaltene Zuckermenge vergütet werden.
§. 7.
[Bearbeiten]- Der Bundesrath kann unter Anordnung sichernder Kontrolen gestatten, daß für vergütungsfähigen inländischen Zucker, welcher zur Viehfütterung oder zur Herstellung von anderen Fabrikaten als Verzehrungsgegenständen verwendet wird, die Steuer vergütet werde.
Artikel II.
[Bearbeiten]- An die Stelle der Bestimmung im §. 11 lit. b der von den Regierungen der Zollvereinsstaaten unter dem 23. Oktober 1845 vereinbarten Verordnung, die Besteuerung des im Inlande erzeugten Rübenzuckers betreffend, treten die folgenden Bestimmungen:
§. 1.
[Bearbeiten]- Die Inhaber von Rübenzuckerfabriken sind verpflichtet, über ihren gesammten Fabrikationsbetrieb, insbesondere über die am 31. Juli jedes Jahres vorhandenen Bestände an Zucker, sowie über die Menge und Art der verarbeiteten Zuckerstoffe und der gewonnenen Produkte, nach den von der Steuerbehörde mitzutheilenden Mustern Anschreibungen zu führen, Auszüge daraus in zu bestimmenden Zeitabschnitten [184] der Steuerhebestelle des Bezirks einzureichen und die Anschreibungen, sowie die besonderen Fabrikbücher, welche etwa außerdem über den Verbrauch von Zuckerstoffen und die Produktion von Zucker geführt werden, den Oberbeamten der Steuerverwaltung jederzeit auf Erfordern zur Einsicht vorzulegen.
§. 2.
[Bearbeiten]- Fabrikinhaber, welche die im §. 1 angeordneten Anschreibungen nicht oder den gegebenen Vorschriften zuwider oder wider besseres Wissen unrichtig führen, werden mit einer Ordnungsstrafe von dreißig bis dreihundert Mark bestraft.
§. 3.
[Bearbeiten]- Die Inhaber von Zuckerraffinerien, von Melasse- und Saftentzuckerungsanstalten ohne Rübenverarbeitung, von Stärkezucker- oder Stärkesyrupfabriken und von Maltose- oder Maltosesyrupfabriken, sowie von gewerblichen Betrieben, in denen aus unversteuerten Rüben Säfte und zuckerhaltige Produkte gewonnen werden, in Betreff der letzteren unter Vorbehalt etwaiger mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse durch den Bundesrath zu gestattenden Ausnahmen, sind verpflichtet, bis zum 1. August 1886, sofern aber die Anstalt erst später errichtet wird, innerhalb 14 Tagen vor der Eröffnung des Betriebes, der Steuerhebestelle des Bezirks schriftliche Anzeige von dem Bestehen der Anstalt zu machen. Desgleichen ist ein Wechsel in der Person des Besitzers oder eine Verlegung des Betriebes in ein anderes Lokal oder an einen anderen Ort binnen 14 Tagen schriftlich anzuzeigen, und zwar im Falle eines Ortswechsels mit Uebergang in einen anderen Steuerbezirk auch der Hebestelle des letzteren.
- Die Inhaber der vorbezeichneten Anstalten unterliegen den im §. 1 dieses Artikels hinsichtlich der Inhaber von Rübenzuckerfabriken ausgesprochenen Verpflichtungen.
- Zuwiderhandlungen gegen obige Bestimmungen werden mit einer Ordnungsstrafe von dreißig bis dreihundert Mark bestraft.
- Die Oberbeamten der Steuerverwaltung sind befugt, die im Absatz 1 bezeichneten Anstalten jederzeit zwecks Kenntnißnahme vom Betriebe zu besuchen.
Artikel III.
[Bearbeiten]- Für Elsaß-Lothringen tritt die von den Regierungen der Zollvereinsstaaten unter dem 23. Oktober 1845 vereinbarte Verordnung, die Besteuerung des im Inlande erzeugten Rübenzuckers betreffend, mit den durch das Gesetz vom 2. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 311) herbeigeführten Abänderungen und den folgenden ergänzenden Strafbestimmungen fortan in Kraft:
- a) Wer die Rübenzuckersteuer hinterzieht oder zu hinterziehen versucht, hat die Strafe der Defraudation verwirkt.
- b) Dieser Strafe verfällt namentlich auch derjenige, welcher durch Vorkehrungen, die zu einer unrichtigen Feststellung des Gewichts der zur Zuckerbereitung bestimmten Rüben zu führen geeignet sind, die Steuer verkürzt oder zu verkürzen versucht. [185]
- c) Läßt sich der Steuerbetrag, dessen Hinterziehung bewirkt oder versucht worden, nicht feststellen, so tritt eine Geldstrafe von dreißig bis dreihundert Mark, im Unvermögensfalle verhältnißmäßige Freiheitsstrafe ein.
- d) Weiset jedoch der Angeschuldigte in dem unter b bezeichneten Falle nach, daß er eine Defraudation nicht habe verüben können oder wollen, so tritt nur eine Ordnungsstrafe von drei bis dreißig Mark, im Unvermögensfalle verhältnißmäßige Freiheitsstrafe ein.
- Die unter a bis d enthaltenen Strafbestimmungen treten auch für diejenigen anderen Theile des Zollgebiets in Kraft, in welchen dieselben bisher nicht eingeführt worden sind.
Artikel IV.
[Bearbeiten]§. 1.
[Bearbeiten]- Der Bundesrath wird ermächtigt, die aus dem Betriebsjahre 1885/86 fälligen Rübenzuckersteuerkredite um drei Monate gegen eine von dem Kreditnehmer zu entrichtende und zur Reichskasse fließende ratirliche Vergütung von vier Prozent der Kreditsumme zu verlängern.
§. 2.
[Bearbeiten]- Die Haftung der Einzelstaaten für die Sicherstellung der bewilligten Kredite bleibt auch für die verlängerte Frist bestehen.
§. 3.
[Bearbeiten]- Die im §. 3 des Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für 1886/87 (Reichs-Gesetzbl. 1886 S. 29), dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung, Schatzanweisungen zur vorübergehenden Verstärkung des ordentlichen Betriebsfonds der Reichs-Hauptkasse auszugeben, wird bis zum Betrage von einhundertfünfzig Millionen Mark ausgedehnt.
§. 4.
[Bearbeiten]- Die Vorschriften der §§. 4 bis 6 des vorangeführten Etatsgesetzes gelten auch für die vermehrte Ausgabe an Schatzanweisungen.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
- Gegeben Berlin, den 1. Juni 1886.