Zum Inhalt springen

Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Vom 30. Mai 1908

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Gesetzestext
korrigiert
Titel: Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1908, Nr. 33, Seite 356 - 360
Fassung vom: 30. Mai 1908
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 11. Juni 1908
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
aus: {{{HERKUNFT}}}
Quelle: Commons
Editionsrichtlinien zum Projekt
Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|200px]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[Index:|Indexseite]]

[356]


(Nr. 3490.) Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Vom 30. Mai 1908.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

Artikel I.

[Bearbeiten]
Die Gewerbeordnung wird, wie folgt, abgeändert:
I. Im § 103 Abs. 1 fallen die Worte „ihres Bezirkes“ fort.
II. Der § 126b Abs. 3 erhält folgende Fassung:
Auf Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Das Gleiche gilt für Lehrverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, falls der Handwerkskammer das Bestehen des Lehrverhältnisses, der Tag seines Beginns, das Gewerbe oder der Zweig der gewerblichen Tätigkeit, in welchem die Ausbildung erfolgen soll, und die Dauer der Lehrzeit schriftlich angezeigt wird.
III. Der § 129 erhält folgende Fassung:
In Handwerksbetrieben steht die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nur denjenigen Personen zu, welche das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet und eine Meisterprüfung (§ 133) bestanden haben. [357] Haben solche Personen die Meisterprüfung nicht für dasjenige Gewerbe oder denjenigen Zweig des Gewerbes bestanden, in welchem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen soll, so haben sie die Befugnis dann, wenn sie in diesem Gewerbe oder Gewerbszweige
entweder die Lehrzeit (§ 130a) zurückgelegt und die Gesellenprüfung bestanden haben,
oder fünf Jahre hindurch persönlich das Handwerk selbständig ausgeübt haben oder während einer gleich langen Zeit als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen sind.
Die höhere Verwaltungsbehörde kann Personen, welche diesen Anforderungen nicht entsprechen, die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen widerruflich verleihen. Vor der Entscheidung über die Erteilung der Befugnis oder den Widerruf ist die Handwerkskammer und, wenn die Person einer Innung angehört oder an ihrem Wohnorte für ihren Gewerbszweig eine Innung besteht, außerdem die Innung zu hören.
In Handwerksbetrieben, welche nach dem Tode des Gewerbetreibenden für Rechnung der Witwe oder minderjähriger Erben fortgesetzt werden, sind bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Lehrherrn als Vertreter (§ 127 Abs. 1) zur Anleitung von Lehrlingen auch Personen befugt, welche eine Meisterprüfung nicht bestanden haben, sofern sie im übrigen den Anforderungen des Abs. 1 Satz 2 entsprechen. Die untere Verwaltungsbehörde kann solchen Personen als Vertretern des Lehrherrn auch in anderen Fällen bis zur Dauer eines Jahres die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen erteilen. Die hiernach zulässige Dauer der Vertretung kann von der höheren Verwaltungsbehörde, nach Anhörung der Handwerkskammer entsprechend dem Bedürfnisse des einzelnen Falles verlängert werden.
Die Unterweisung des Lehrlinges in einzelnen technischen Handgriffen und Fertigkeiten durch einen Gesellen fällt nicht unter die im Abs. 1 vorgesehenen Bestimmungen.
Die Zurücklegung der Lehrzeit kann auch in einem dem Gewerbe angehörenden Großbetrieb erfolgen und durch den Besuch einer staatlichen, staatlich unterstützten oder vom Staate anerkannten Lehrwerkstätte oder sonstigen gewerblichen Unterrichtsanstalt ersetzt werden. Vor der Anerkennung einer sonstigen gewerblichen Unterrichtsanstalt soll der zuständigen Handwerkskammer Gelegenheit gegeben werden, sich gutachtlich zu äußern.
Die Landes-Zentralbehörden können den Prüfungszeugnissen von Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder von Prüfungsbehörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, die Wirkung der Verleihung der im Abs. 1 bezeichneten Befugnis für bestimmte Gewerbszweige beilegen. Der Eintritt dieser Wirkung ist [358] davon abhängig zu machen, daß der Besitzer des Prüfungszeugnisses in dem Gewerbe oder in dem Zweige des Gewerbes, in welchem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen soll, eine bestimmte, auf nicht mehr als drei Jahre festzusetzende Zeit hindurch persönlich tätig gewesen ist.
Der Bundesrat ist befugt, für einzelne Gewerbe nach Anhörung der Handwerkskammern Ausnahmen von den Bestimmungen im Abs. 1 zuzulassen.
IV. In dem § 129a fallen die bisherigen Abs. 1 und 4 fort; an die Stelle des letzteren tritt der folgende neue, jetzt dritte, Absatz:
Dem Unternehmer eines Betriebs, in welchem mehrere Gewerbe vereinigt sind, kann die untere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer die Befugnis erteilen, in allen zu dem Betriebe vereinigten Gewerben oder in mehreren dieser Gewerbe Lehrlinge anzuleiten, wenn er für eines der Gewerbe den Voraussetzungen des § 129 entspricht. Zu Arbeiten in denjenigen Gewerben seines Betriebs, für welche er zur Anleitung von Lehrlingen nicht befugt ist, darf er die Lehrlinge nur insoweit heranziehen, als es dem Zwecke der Ausbildung in ihrem Gewerbe nicht widerspricht.
V. 1. Nach Abs. 1 des § 131 ist folgender Abs. 2 einzufügen:
Die Landes-Zentralbehörden können den Prüfungszeugnissen von Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder von Prüfungsbehörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, die Wirkung der Zeugnisse über das Bestehen der Gesellenprüfung beilegen.
2. In dem bisherigen zweiten, künftig dritten Absatze des § 131 hat der Eingang zu lauten: „Die Abnahme der Gesellenprüfungen (Abs. 1) erfolgt . . .“ und wird in dem letzten Satze die Anführung: „§ 129 Abs. 4“ ersetzt durch: „Abs. 2“.
VI. Der § 131c Abs. 1 ist, wie folgt, zu fassen:
Der Lehrling soll sich nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung unterziehen. Die Innung und der Lehrherr sollen ihn dazu anhalten.
VII. An die Stelle des § 133 Abs. 1 treten die folgenden vier Absätze:
Den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerkes dürfen nur Handwerker führen, welche für dieses Handwerk die Meisterprüfung bestanden und das vierundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben. [359]
Die Befugnis zur Führung des Meistertitels in Verbindung mit einer anderen Bezeichnung, die auf eine Tätigkeit im Baugewerbe hinweist, insbesondere des Titels Baumeister und Baugewerksmeister, wird durch den Bundesrat geregelt. Bis zum Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses darf ein solcher Titel nur dann geführt werden, wenn die Landesregierung über die Befugnis zu seiner Führung Vorschriften erlassen hat, und nur von denjenigen Personen, welche diesen Vorschriften entsprechen. Der Bundesrat kann ferner Vorschriften über die Führung des Meistertitels in Verbindung mit sonstigen Bezeichnungen erlassen, die auf eine Tätigkeit im Handwerke hinweisen.
Zur Meisterprüfung (Abs. 1) sind in der Regel nur solche Personen zuzulassen, welche eine Gesellenprüfung bestanden haben und in dem Gewerbe, für welches sie die Meisterprüfung ablegen wollen, mindestens drei Jahre als Geselle (Gehilfe) tätig gewesen, oder welche nach § 129 Abs. 6 zur Anleitung von Lehrlingen in diesem Gewerbe befugt sind. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungskommissionen, welche aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen.
Die Entscheidung der Prüfungskommission, welche die Zulassung der Meisterprüfung (Abs. 1) ablehnt, kann binnen zwei Wochen durch Beschwerde bei der höheren Verwaltungsbehörde angefochten werden. Diese hat, bevor sie der Beschwerde stattgibt, die Handwerkskammer zu hören.
VIII. Der letzte Absatz des § 133 erhält folgende Fassung:
Der Meisterprüfung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen können von der Landes-Zentralbehörde die Prüfungen bei Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder bei Prüfungsbehörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, gleichgestellt werden, sofern bei denselben mindestens die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei den im Abs. 1 vorgesehenen Prüfungen.

Artikel II. Übergangs- und Schlußbestimmungen.

[Bearbeiten]
I. Personen, welche beim Inkrafttreten dieses Gesetzes nach den bis dahin geltenden Bestimmungen zur Anleitung von Lehrlingen im Handwerke befugt sind, dürfen die zu diesem Zeitpunkte bereits in das Lehrverhältnis eingetretenen Lehrlinge auslehren. Die weitere Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen ist ihnen auf ihren Antrag von der unteren Verwaltungsbehörde zu verleihen, wenn sie beim Inkrafttreten dieses Gesetzes mindestens fünf Jahre hindurch mit der Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen in ihrem Gewerbe tätig gewesen [360] sind. Im anderen Falle kann sie ihnen von der unteren Verwaltungsbehörde verliehen werden.
II. Während der ersten fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes darf die Zulassung zur Meisterprüfung von dem Bestehen der Gesellenprüfung (§ 133 Abs. 3) nicht abhängig gemacht werden. Für Personen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Anleitung von Lehrlingen befugt find, gilt das Gleiche auch nach Ablauf dieser fünf Jahre.
III. Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes schon erworbene Befugnis zur Führung des Meistertitels in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerkes bleibt unberührt.
IV. Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1908 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Potsdam, den 30. Mai 1908.
(L. S.)  Wilhelm.

  von Bethmann Hollweg.