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Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs/Viertes Buch

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« Drittes Buch Friedrich Schiller
Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs
Fünftes Buch »
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[353]
Viertes Buch.


Das schwache Band der Eintracht, wodurch Gustav Adolph die protestantischen Glieder des Reichs mühsam zusammenhielt, zerriß mit seinem Tode; die Verbundenen traten in ihre vorige Freyheit zurück, oder sie mußten sich in einem neuen Bunde verknüpfen. Durch das erste verloren sie alle Vortheile, welche sie mit so viel Blut sich errungen hatten, und setzten sich der unvermeidlichen Gefahr aus, der Raub eines Feindes zu werden, dem sie durch ihre Vereinigung allein gewachsen und überlegen gewesen waren. Einzeln konnte es weder Schweden, noch irgend ein Reichsstand mit der Ligue und dem Kaiser aufnehmen, und bey einem Frieden, den man unter solchen Umständen suchte, würde man gezwungen gewesen seyn, von dem Feinde Gesetze zu empfangen. Vereinigung war also die gleich nothwendige Bedingung, sowohl um einen Frieden zu schließen, als um den Krieg fortzusetzen. Aber ein Frieden, in der gegenwärtigen Lage gesucht, konnte nicht wohl anders als zum Nachtheil der verbundenen Mächte geschlossen werden. Mit dem Tode Gustav Adolphs schöpfte der Feind neue Hoffnung, und wie nachtheilig auch seine Lage nach dem Treffen bey Lützen seyn mochte, so war dieser Tod seines gefährlichsten Gegners eine zu nachtheilige Begebenheit für die Verbundenen, und eine zu glückliche für den Kaiser, um ihn nicht zu den glänzendsten Erwartungen zu berechtigen, und zu Fortsetzung des Kriegs einzuladen. Die Trennung unter den Alliirten mußte, für den Augenblick wenigstens, die unvermeidliche Folge desselben seyn; und wie viel gewann der Kaiser, gewann die Ligue bey einer solchen Trennung der Feinde! So große [354] Vortheile, als ihm die jetzige Wendung der Dinge versprach, konnte er also nicht wohl für einen Frieden aufopfern, bey dem Er nicht das Meiste gewann; und einen solchen Frieden konnten die Verbundenen nicht zu schließen wünschen. Der natürlichste Schluß fiel also auf Fortsetzung des Krieges, so wie Vereinigung für das unentbehrlichste Mittel dazu erkannt wurde.

Aber wie diese Vereinigung erneuern, und wo zu Fortsetzung des Krieges die Kräfte hernehmen? Nicht die Macht des Schwedischen Reiches, nur der Geist und das persönliche Ansehen seines verstorbenen Beherrschers hatten ihm den überwiegenden Einfluß in Deutschland und eine so große Herrschaft über die Gemüther erworben; und auch ihm war es erst nach unendlichen Schwierigkeiten gelungen, ein schwaches und unsicheres Band der Vereinigung unter den Ständen zu knüpfen. Mit ihm verschwand alles, was nur durch ihn, durch seine persönlichen Eigenschaften, möglich geworden, und die Verbindlichkeit der Stände hörte zugleich mit den Hoffnungen auf, auf die sie gegründet worden war. Mehrere unter den Ständen werfen ungeduldig das Joch ab, das sie nicht ohne Widerwillen trugen; andre eilen, sich selbst des Ruders zu bemächtigen, das sie ungern genug in Gustavs Händen gesehen, aber nicht Macht gehabt hatten, ihm bey seinen Lebzeiten streitig zu machen. Andre werden von dem Kaiser durch verführerische Versprechungen in Versuchung geführt, den allgemeinen Bund zu verlassen; andre, von den Drangsalen des vierzehnjährigen Krieges zu Boden gedrückt, sehnen sich kleinmüthig nach einem, wenn auch verderblichen, Frieden. Die Anführer der Armeen, zum Theil Deutsche Fürsten, erkennen kein gemeinschaftliches Oberhaupt, und keiner will sich erniedrigen, von dem andern Befehle zu empfangen. Die Eintracht verschwindet aus dem Kabinet und aus dem Felde, und das gemeine Wesen ist in Gefahr, durch diesen Geist der Trennung ins Verderben zu sinken.

[355] Gustav hatte dem Schwedischen Reiche keinen männlichen Nachfolger hinterlassen; seine sechsjährige Tochter Christina war die natürliche Erbin seines Throns. Die unvermeidlichen Gebrechen einer vormundschaftlichen Regierung vertrugen sich mit dem Nachdruck und der Entschlossenheit nicht gut, welche Schweden in diesem mißlichen Zeitlaufe zeigen sollte. Gustav Adolphs hochfliegender Geist hatte diesen schwachen und unberühmten Staat mit einer ihm gänzlich ungewohnten und drückenden Größe überrascht, und ihm unter den Mächten von Europa einen Platz angewiesen, den er ohne das Glück und den Geist seines Urhebers nicht wohl behaupten, und von dem er doch ohne das schimpflichste Geständniß der Ohnmacht nicht mehr herabsteigen konnte. Wenn gleich der Deutsche Krieg größtentheils mit Deutschlands Kräften bestritten wurde, so drückte doch schon der kleine Zuschuß, welchen Schweden aus seinen eigenen Mitteln an Geld und Mannschaft dazu gab, dieses dürftige Königreich zu Boden, und der Landmann erlag unter den Lasten, die man auf ihn zu häufen gezwungen war. Die in Deutschland gemachte Kriegsbeute bereicherte bloß Einzelne vom Adel und vom Soldatenstand, und Schweden selbst blieb arm wie zuvor. Eine Zeit lang zwar söhnte der Nationalruhm den geschmeichelten Unterthan mit diesen Bedrückungen aus, und man konnte die Abgaben, die man ihm entrichtete, als ein Darlehn betrachten, das in der glücklichen Hand Gustav Adolphs herrliche Zinsen trug, und von diesem dankbaren Monarchen nach einem glorreichen Frieden mit Wucher erstattet werden würde. Aber diese Hoffnung verschwand mit dem Tode des Königs, und das getäuschte Volk foderte nun mit furchtbarer Einhelligkeit Erleichterung von seinen Lasten.

Aber der Geist Gustav Adolphs ruhte noch auf den Männern, denen er die Verwaltung des Reichs anvertraute. Wie schrecklich auch die Post von [356] seinem Tode sie überraschte, so beugte sie doch ihren männlichen Muth nicht, und der Geist des alten Roms unter Brennus und Hannibal beseelt diese edle Versammlung. Je theurer der Preis war, womit man die errungenen Vortheile erkauft hatte, desto weniger konnte man sich entschließen, ihnen freywillig zu entsagen; nicht umsonst will man einen König eingebüßt haben. Der Schwedische Reichsrath, gezwungen, zwischen den Drangsalen eines zweifelhaften, erschöpfenden Kriegs und einem nützlichen aber schimpflichen Frieden zu wählen, ergreift muthig die Partey der Gefahr und der Ehre, und mit angenehmen Erstaunen sieht man diesen ehrwürdigen Senat sich mit der ganzen Rüstigkeit eines Jünglings erheben. Von innen und außen mit wachsamen Feinden umgeben, und an allen Grenzen des Reichs von Gefahren umstürmt, waffnet er sich gegen alle mit so viel Klugheit als Heldenmuth, und arbeitet an Erweiterung des Reichs, während daß er Mühe hat, die Existenz desselben zu behaupten.

Das Ableben des Königs und die Minderjährigkeit seiner Tochter Christina, erweckte aufs neue die alten Ansprüche Pohlens auf den Schwedischen Thron, und König Ladislaus, Sigismunds Sohn, sparte die Unterhandlungen nicht, sich eine Partey in diesem Reiche zu erwerben. Die Regenten verlieren aus diesem Grunde keinen Augenblick, die sechsjährige Königin in Stockholm als Beherrscherin auszurufen, und die vormundschaftliche Verwaltung anzuordnen. Alle Beamte des Reichs werden angehalten, der neuen Fürstin zu huldigen, aller Briefwechsel nach Pohlen gehemmt, und die Plakate der vorhergehenden Könige gegen die Siegismundischen Erben durch eine feierliche Akte bekräftigt. Die Freundschaft mit dem Czar von Moskau wird mit Vorsicht erneuert, um durch die Waffen dieses Fürsten das feindselige Pohlen desto besser im Zaum zu halten. Die Eifersucht Dänemarks hatte der Tod Gustav Adolphs gebrochen, und die Besorgnisse weggeräumt, welche [357] bey dem guten Vernehmen zwischen diesen beyden Nachbarn im Wege standen. Die Bemühungen der Feinde, Christian den Vierten gegen das Schwedische Reich zu bewaffnen, fanden jetzt keinen Eingang mehr, und der lebhafte Wunsch, seinen Prinzen Ulrich mit der jungen Königin zu vermählen, vereinigte sich mit den Vorschriften einer bessern Staatskunst, ihn neutral zu erhalten. Zugleich kommen England, Holland und Frankreich dem Schwedischen Reichsrath mit den erfreulichsten Versicherungen ihrer fortdauernden Freundschaft und Unterstützung entgegen, und ermuntern ihn mit vereinigter Stimme zu lebhafter Fortsetzung eines so rühmlich geführten Krieges. So viel Ursache man in Frankreich gehabt hatte, sich zu dem Tode des Schwedischen Eroberers Glück zu wünschen, so sehr empfand man die Nothwendigkeit eines fortgesetzten Bündnisses mit den Schweden. Ohne sich selbst der größten Gefahr auszusetzen, durfte man diese Macht in Deutschland nicht sinken lassen. Mangel an eigenen Kräften nöthigte sie entweder zu einem schnellen und nachtheiligen Frieden mit Oesterreich, und dann waren alle Bemühungen verloren, die man angewendet hatte, diese gefährliche Macht zu beschränken; oder Noth und Verzweiflung lehrten die Armeen in den Ländern der katholischen Reichsfürsten die Mittel zu ihrem Unterhalt finden, und Frankreich wurde dann zum Verräther an diesen Staaten, die sich seinem mächtigen Schutz unterworfen hatten. Der Fall Gustav Adolphs, weit entfernt, die Verbindungen Frankreichs mit dem Schwedischen Reiche zu vernichten, hatte sie vielmehr für beyde Staaten nothwendiger und für Frankreich um vieles nützlicher gemacht. Jetzt erst, nachdem derjenige dahin war, der seine Hand über Deutschland gehalten, und die Grenzen dieses Reichs gegen die Französische Raubsucht gesichert hatte, konnte es seine Entwürfe auf das Elsaß ungehindert verfolgen, und den Deutschen Protestanten seinen Beystand um einen desto höheren Preis verkaufen.

[358] Durch diese Allianzen gestärkt, gesichert von innen, von außen durch gute Grenzbesatzungen und Flotten vertheidigt, bleiben die Regenten keinen Augenblick unschlüssig, einen Krieg fortzuführen, bey welchem Schweden wenig Eigenes zu verlieren, und wenn das Glück seine Waffen krönte, irgend eine Deutsche Provinz, sey es als Kostenersatz oder als Eroberung zu gewinnen hatte. Sicher in seinen Wassern wagte es nicht viel mehr, wenn seine Armeen aus Deutschland herausgeschlagen wurden, als wenn sie sich freywillig daraus zurückzogen; und jenes war eben so rühmlich, als dieses entehrend war. Je mehr Herzhaftigkeit man zeigte, desto mehr Vertrauen flößte man den Bundsgenossen, desto mehr Achtung den Feinden ein, desto günstigere Bedingungen waren bey einem Frieden zu erwarten. Fände man sich auch zu schwach, die weit aussehenden Entwürfe Gustavs zu vollführen, so war man doch seinem erhabenen Muster schuldig, das Aeußerste zu thun, und keinem andern Hinderniß als der Nothwendigkeit zu weichen. Schade, daß die Triebfeder des Eigennutzes an diesem rühmlichen Entschlusse zu viel Antheil hat, um ihn ohne Einschränkung bewundern zu können! Denen, welche von den Drangsalen des Kriegs für sich selbst nichts zu leiden hatten, ja sich vielmehr dabey bereicherten, war es freylich ein Leichtes, für die Fortdauer desselben zu stimmen – denn endlich war es doch nur das Deutsche Reich, das den Krieg bezahlte, und die Provinzen, auf die man sich Rechnung machte, waren mit den wenigen Truppen, die man von jetzt an daran wendete, mit den Feldherren, die man an die Spitze der größtentheils Deutschen Armeen stellte, und mit der ehrenvollen Aufsicht über den Gang der Waffen und Unterhandlungen wohlfeil genug erworben.

Aber eben diese Aufsicht vertrug sich nicht mit der Entlegenheit der Schwedischen Regentschaft von dem Schauplatze des Kriegs, und mit der Langsamkeit, welche die kollegialische Geschäftsform [359] nothwendig macht. Einem einzigen vielumfassenden Kopfe mußte die Macht übertragen werden, in Deutschland selbst das Interesse des Schwedischen Reichs zu besorgen, und nach eigener Einsicht über Krieg und Frieden, über die nöthigen Bündnisse, wie über die gemachten Erwerbungen zu verfügen. Mit diktatorischer Gewalt und mit dem ganzen Ansehen der Krone, die er repräsentirt, mußte dieser wichtige Magistrat bekleidet seyn, um die Würde derselben zu behaupten, um die gemeinschaftlichen Operationen in Uebereinstimmung zu bringen, um seinen Anordnungen Nachdruck zu geben, und so den Monarchen, dem er folgte, in jeder Rücksicht zu ersetzen. Ein solcher Mann fand sich in dem Reichskanzler Oxenstierna, dem ersten Minister, und, was mehr sagen will, dem Freunde des verstorbenen Königs, der, eingeweiht in alle Geheimnisse seines Herrn, vertraut mit den Deutschen Geschäften, und aller Europäischen Staatsverhältnisse kundig, ohne Widerspruch das tüchtigste Werkzeug war, den Plan Gustav Adolphs in seinem ganzen Umfange zu verfolgen.[1]

Oxenstierna hatte eben eine Reise nach Oberdeutschland angetreten, um die vier obern Kreise zu versammeln, als ihn die Post von des Königs Tode zu Hanau überraschte. Dieser schreckliche Schlag, der das gefühlvolle Herz des Freundes durchbohrte, raubte dem Staatsmann alle Besinnungskraft; alles war ihm genommen, woran seine Seele hing. Schweden hatte nur einen König, Deutschland nur einen Beschützer, Oxenstierna den Urheber seines Glücks, den Freund seiner Seele, den Schöpfer seiner Ideale verloren. Aber, von dem allgemeinen Unglück am härtesten getroffen, war Er auch der Erste, der sich aus eigner Kraft darüber erhob, so wie er der [360] Einzige war, der es wieder gut machen konnte. Sein durchdringender Blick übersah alle Hindernisse, welche sich der Ausführung seiner Entwürfe entgegen stellten, die Muthlosigkeit der Stände, die Intriguen der feindlichen Höfe, die Trennung der Bundsgenossen, die Eifersucht der Häupter, die Abneigung der Reichsfürsten, sich fremder Führung zu unterwerfen. Aber eben dieser tiefe Blick in die damalige Lage der Dinge, der ihm die ganze Größe des Uebels aufdeckte, zeigte ihm auch die Mittel, es zu besiegen. Es kam darauf an, den gesunkenen Muth der schwächern Reichsstände aufzurichten, den geheimen Machinationen der Feinde entgegen zu wirken, die Eifersucht der mächtigern Alliirten zu schonen, die befreundeten Mächte, Frankreich besonders, zu thätiger Hülfleistung zu ermuntern, vor allem aber die Trümmer des Deutschen Bundes zu sammeln, und die getrennten Kräfte der Partey durch ein enges und dauerhaftes Band zu vereinigen. Die Bestürzung, in welche der Verlust ihres Oberhauptes die Deutschen Protestanten versetzte, konnte sie eben so gut zu einem festern Bündnisse mit Schweden, als zu einem übereilten Frieden mit dem Kaiser antreiben, und nur von dem Betragen, das man beobachtete, hieng es ab, welche von diesen beyden Wirkungen erfolgen sollte. Verloren war alles, sobald man Muthlosigkeit blicken ließ; nur die Zuversicht, die man selbst zeigte, konnte ein edles Selbstvertrauen bey den Deutschen entflammen. Alle Versuche des Oesterreichischen Hofs, die letztern von der Schwedischen Allianz abzuziehen, verfehlten ihren Zweck, sobald man ihnen die Augen über ihren wahren Vortheil eröffnete, und sie zu einem öffentlichen und förmlichen Bruch mit dem Kaiser vermochte.

Freylich ging, ehe diese Maßregeln genommen, und die nöthigen Punkte zwischen der Regierung und ihrem Minister berichtigt waren, eine kostbare Zeit für die Wirksamkeit der Schwedischen Armee verloren, die von den Feinden aufs beste benutzt [361] wurde. Damals stand es bey dem Kaiser, die Schwedische Macht in Deutschland zu Grunde zu richten, wenn die weisen Rathschläge des Herzogs von Friedland Eingang bey ihm gefunden hätten. Wallenstein rieth ihm an, eine uneingeschränkte Amnestie zu verkündigen, und den protestantischen Ständen mit günstigen Bedingungen entgegen zu kommen. In dem ersten Schrecken, den Gustav Adolphs Fall bey der ganzen Partey verbreitete, würde eine solche Erklärung die entschiedenste Wirkung gethan, und die geschmeidigeren Stände zu den Füßen des Kaisers zurückgeführt haben. Aber, durch den unerwarteten Glücksfall verblendet, und von Spanischen Eingebungen bethört, erwartete er von den Waffen einen glänzendern Ausschlag, und, anstatt den Mediationsvorschlägen Gehör zu schenken, eilte er seine Macht zu vermehren. Spanien, durch den Zehenten der geistlichen Güter bereichert, den der Papst ihm bewilligte, unterstützte ihn mit beträchtlichen Vorschüssen, unterhandelte für ihn an dem Sächsischen Hofe, und ließ in Italien eilfertig Truppen werben, die in Deutschland gebraucht werden sollten. Auch der Churfürst von Bayern verstärkte seine Kriegsmacht beträchtlich, und dem Herzog von Lothringen erlaubte sein unruhiger Geist nicht, bey dieser glücklichen Wendung des Schicksals sich müßig zu verhalten. Aber indem der Feind sich so geschäftig bewies, den Unfall der Schweden zu benutzen, versäumte Oxenstierna nichts, die schlimmen Folgen desselben zu vereiteln.

Weniger bange vor dem öffentlichen Feind, als vor der Eifersucht befreundeter Mächte, verließ er das obere Deutschland, dessen er sich durch die gemachten Eroberungen und Allianzen versichert hielt, und machte sich in Person auf den Weg, die Stände von Niederdeutschland von einem völligen Abfall oder einer Privatverbindung unter sich selbst, die für Schweden nicht viel weniger schlimm war, zurückzuhalten. Durch die Anmaßlichkeit beleidigt, mit der sich der Kanzler die Führung der Geschäfte zueignete, und im [362] Innersten empört von dem Gedanken, von einem Schwedischen Edelmann Vorschriften anzunehmen, arbeitete der Churfürst von Sachsen aufs neue an einer gefährlichen Absonderung von den Schweden, und die Frage war bloß, ob man sich völlig mit dem Kaiser vergleichen, oder sich zum Haupte der Protestanten aufwerfen, und mit ihnen eine dritte Partey in Deutschland errichten sollte. Aehnliche Gesinnungen hegte der Herzog Ulrich von Braunschweig, und er legte sie laut genug an den Tag, indem er den Schweden die Werbungen in seinem Land untersagte, und die Niedersächsischen Stände nach Lüneburg einlud, ein Bündniß unter ihnen zu stiften. Der Churfürst von Brandenburg allein, über den Einfluß neidisch, den Chursachsen in Niederdeutschland gewinnen sollte, zeigte einigen Eifer für das Interesse der Schwedischen Krone, die er schon auf dem Haupte seines Sohns zu erblicken glaubte. Oxenstierna fand zwar die ehrenvollste Aufnahme am Hofe Johann Georgs; aber schwankende Zusagen von fortdauernder Freundschaft waren alles, was er, der persönlichen Verwendung Churbrandenburgs ungeachtet, von diesem Fürsten erhalten konnte. Glücklicher war er bey dem Herzog von Braunschweig, gegen den er sich eine kühnere Sprache erlaubte. Schweden war damals im Besitz des Erzstiftes Magdeburg, dessen Bischof die Befugniß hatte, den Niedersächsischen Kreis zu versammeln. Der Kanzler behauptete das Recht seiner Krone, und durch dieses glückliche Machtwort vereitelte er für dießmal diese bedenkliche Versammlung. Aber die allgemeine Protestantenverbindung, der Hauptzweck seiner gegenwärtigen Reise und aller künftigen Bemühungen, mißlang ihm für jetzt und für immer, und er mußte sich mit einzelnen unsichern Bündnissen in den Sächsischen Kreisen und mit der schwächern Hülfe des obern Deutschlands begnügen.

Weil die Bayern an der Donau zu mächtig waren, so verlegte man die Zusammenkunft der vier [363] obern Kreise, die zu Ulm hatte vor sich gehen sollen, nach Heilbronn, wo über zwölf Reichsstädte, und eine glänzende Menge von Doktoren, Grafen und Fürsten sich einfanden. Auch die auswärtigen Mächte, Frankreich, England und Holland beschickten diesen Konvent, und Oxenstierna erschien auf demselben mit dem ganzen Pompe der Krone, deren Majestät er behaupten sollte. Er selbst führte das Wort, und der Gang der Berathschlagungen wurde durch seine Vorträge geleitet. Nachdem er von allen versammelten Ständen die Versicherung einer unerschütterlichen Treue, Beharrlichkeit und Eintracht erhalten, verlangte er von ihnen, daß sie den Kaiser und die Ligue förmlich und feierlich als Feinde erklären sollten. Aber so viel den Schweden daran gelegen war, das üble Vernehmen zwischen dem Kaiser und den Ständen zu einem solennen Bruch zu erweitern, so wenig Lust bezeigten die Stände, sich durch diesen entscheidenden Schritt alle Möglichkeit einer Aussöhnung abzuschneiden, und eben dadurch den Schweden ihr ganzes Schicksal in die Hände zu geben. Sie fanden, daß eine förmliche Kriegserklärung, da die That selbst spreche, unnütz und überflüssig sey, und ihr standhafter Widerstand brachte den Kanzler zum Schweigen. Heftigere Kämpfe erregte der dritte und vornehmste Punkt der Berathschlagungen, durch welchen die Mittel zu Fortsetzung des Kriegs, und die Beyträge der Stände zu Unterhaltung der Armeen bestimmt werden sollten. Oxenstierna’s Maxime, von den allgemeinen Lasten so viel als möglich war auf die Stände zu wälzen, vertrug sich nicht mit dem Grundsatz der Stände, so wenig als möglich zu geben. Hier erfuhr der Schwedische Kanzler, was dreyßig Kaiser vor ihm mit herber Wahrheit empfunden, daß unter allen mißlichen Unternehmungen die allermißlichste sey, von den Deutschen Geld zu begehren. Anstatt ihm die nöthigen Summen für die neu zu errichtenden Armeen zu bewilligen, zählte man ihm mit beredter Zunge alles Unheil auf, [364] welches die schon vorhandenen angerichtet, und foderte Erleichterung von den vorigen Lasten, wo man sich neuen unterziehen sollte. Die üble Laune, in welche die Geldfoderung des Kanzlers die Stände versetzt hatte, brütete tausend Beschwerden aus, und die Ausschweifungen der Truppen bey Durchmärschen und Quartieren wurden mit schauderhafter Wahrheit gezeichnet.

Oxenstierna hatte im Dienst von zwey unumschränkten Fürsten wenig Gelegenheit gehabt, sich an die Förmlichkeiten und den bedächtlichen Gang republikanischer Verhandlungen zu gewöhnen, und seine Geduld am Widerspruch zu üben. Fertig zum Handeln, sobald ihm die Nothwendigkeit einleuchtete, und eisern in seinem Entschluß, sobald er ihn einmal gefaßt hatte, begriff er die Inconsequenz der mehresten Menschen nicht, den Zweck zu begehren und die Mittel zu hassen. Durchfahrend und heftig von Natur, war er es bey dieser Gelegenheit noch aus Grundsatz; denn jetzt kam alles darauf an, durch eine feste zuversichtliche Sprache die Ohnmacht des Schwedischen Reichs zu bedecken, und durch den angenommenen Ton des Gebieters wirklich Gebieter zu werden. Kein Wunder also, wenn er bey solchen Gesinnungen unter Deutschen Doktoren und Ständen ganz und gar nicht in seiner Sphäre war, und durch die Umständlichkeit, welche den Charakter der Deutschen in allen ihren öffentlichen Verhandlungen ausmacht, zur Verzweiflung gebracht wurde. Ohne Schonung gegen eine Sitte, nach der sich auch die mächtigsten Kaiser hatten bequemen müssen, verwarf er alle schriftliche Deliberationen, welche der Deutschen Langsamkeit so zuträglich waren; er begriff nicht, wie man zehen Tage über einen Punkt sich besprechen konnte, der ihm schon durch den bloßen Vortrag so gut als abgethan war. So hart er aber auch die Stände behandelte, so gefällig und bereitwillig fand er sie, ihm seine vierte Motion, die ihn selbst betraf, zu bewilligen. Als er auf die [365] Nothwendigkeit kam, dem errichteten Bund einen Vorsteher und Direktor zu geben, sprach man Schweden einstimmig diese Ehre zu, und ersuchte ihn unterthänig, der gemeinen Sache mit seinem erleuchteten Verstande zu dienen, und die Last der Oberaufsicht auf seine Schultern zu nehmen. Um sich aber doch gegen einen Mißbrauch der großen Gewalt, die man durch diese Bestallung in seine Hände gab, zu verwahren, setzte man ihm, nicht ohne Französischen Einfluß, unter dem Namen von Gehülfen, eine bestimmte Anzahl von Aufsehern an die Seite, die die Kasse des Bundes verwalten, und über die Werbungen, Durchzüge und Einquartierung der Truppen mitzusprechen haben sollten. Oxenstierna wehrte sich lebhaft gegen diese Einschränkung seiner Macht, wodurch man ihm die Ausführung jedes, Schnelligkeit oder Geheimniß fodernden, Entwurfes erschwerte, und errang sich endlich mit Mühe die Freyheit, in Kriegssachen seiner eigenen Einsicht zu folgen. Endlich berührte der Kanzler auch den kitzlichen Punkt der Entschädigung, welche sich Schweden nach geendigtem Kriege von der Dankbarkeit seiner Alliirten zu versprechen hätte, und er schmeichelte sich mit der Hoffnung, auf Pommern angewiesen zu werden, worauf das Hauptaugenmerk Schwedens gerichtet war, und von den Ständen die Versicherung ihres kräftigen Beystands zu Erwerbung dieser Provinz zu erhalten. Aber es blieb bey einer allgemeinen und schwankenden Versicherung, daß man einander bey einem künftigen Frieden nicht im Stich lassen würde. Daß es nicht die Ehrfurcht für die Verfassung des Reiches war, was die Stände über diesen Punkt so behutsam machte, zeigte die Freygebigkeit, die man auf Unkosten der heiligsten Reichsgesetze gegen den Kanzler beweisen wollte. Wenig fehlte, daß man ihm nicht das Erzstift Mainz, welches er ohnehin als Eroberung inne hatte, zur Belohnung anbot, und nur mit Mühe betrieb der Französische Abgesandte diesen eben so [366] unpolitischen als entehrenden Schritt. Wie weit nun auch die Erfüllung hinter den Wünschen Oxenstierna’s zurückblieb, so hatte er doch seinen vornehmsten Zweck, die Direktion des Ganzen, für seine Krone und für sich selbst erreicht, das Band zwischen den Ständen der vier obern Kreise enger und fester zusammengezogen, und zu Unterhaltung der Kriegsmacht einen jährlichen Beytrag von drittehalb Millionen Thalern errungen.

So viel Nachgiebigkeit von Seiten der Stände war von Seiten Schwedens einer Erkenntlichkeit werth. Wenige Wochen nach Gustav Adolphs Tod hatte der Gram das unglückliche Leben des Pfalzgrafen Friedrich geendigt, nachdem dieser beklagenswerthe Fürst acht Monate lang den Hofstaat seines Beschützers vermehrt, und im Gefolge desselben den kleinen Ueberrest seines Vermögens verschwendet hatte. Endlich näherte er sich dem Ziele seiner Wünsche, und eine freudigere Zukunft that sich vor ihm auf, als der Tod seinen Beschützer dahinraffte. Was er als das höchste Unglück betrachtete, hatte die günstigsten Folgen für seinen Erben. Gustav Adolph durfte sich herausnehmen, mit der Zurückgabe seiner Länder zu zögern, und dieses Geschenk mit drückenden Bedingungen zu beschweren; Oxenstierna, dem die Freundschaft Englands, Hollands und Brandenburgs, und die gute Meinung der reformirten Stände überhaupt ungleich wichtiger war, mußte die Pflicht der Gerechtigkeit befolgen. Er übergab daher auf eben dieser Versammlung zu Heilbronn sowohl die schon eroberten als die noch zu erobernden Pfälzischen Lande den Nachkommen Friedrichs, Mannheim allein ausgenommen, welches bis zu geschehener Kostenerstattung von den Schweden besetzt bleiben sollte. Der Kanzler schränkte seine Gefälligkeit nicht bloß auf das Pfälzische Haus ein; auch die andern alliirten Reichsfürsten erhielten, wiewohl einige Zeit später, Beweise von der Dankbarkeit Schwedens, welche [367] dieser Krone eben so wenig von ihrem Eigenen kosteten. Die Pflicht der Unpartheylichkeit, die heiligste des Geschichtschreibers, verbindet ihn zu einem Geständniß, das den Verfechtern der Deutschen Freyheit eben nicht sehr zur Ehre gereicht. Wie viel sich auch die protestantischen Fürsten mit der Gerechtigkeit ihrer Sache und mit der Reinigkeit ihres Eifers wußten, so waren es doch größtentheils sehr eigennützige Triebfedern, aus denen sie handelten; und die Begierde zu rauben hatte wenigstens eben so viel Antheil an den angefangenen Feindseligkeiten, als die Furcht sich beraubt zu sehen. Bald entdeckte Gustav Adolph, daß er sich von dieser unreinen Triebfeder weit mehr, als von ihren patriotischen Empfindungen zu versprechen habe, und er unterließ nicht, sie zu benutzen. Jeder der mit ihm verbundenen Fürsten erhielt von ihm die Zusicherung irgend einer dem Feinde schon entrissenen oder noch zu entreißenden Besitzung, und nur der Tod hinderte ihn, seine Zusagen wahr zu machen. Was dem König die Klugheit rieth, gebot die Nothwendigkeit seinem Nachfolger; und wenn diesem daran gelegen war, den Krieg zu verlängern, so mußte er die Beute mit den verbundenen Fürsten theilen, und auf die Verwirrung, die er zu nähren suchte, ihre Vortheile gründen. Und so sprach er dem Landgrafen von Hessen die Stifter Paderborn, Corvey, Münster und Fulda, dem Herzog Bernhard von Weimar die Fränkischen Bisthümer, dem Herzog von Wirternberg die in seinem Lande gelegenen geistlichen Güter und Oesterreichischen Grafschaften zu, alles unter dem Namen Schwedischer Lehen. Den Kanzler selbst befremdete dieses widersinnige, den Deutschen so wenig Ehre bringende Schauspiel, und kaum konnte er seine Verachtung verbergen. „Man lege es in unserm Archiv nieder,“ sagte er einesmals, „zum ewigen Gedächtniß, daß ein Deutscher Reichsfürst von einem Schwedischen Edelmann so etwas [368] begehrte, und daß der Schwedische Edelmann dem Deutschen Reichsfürsten auf Deutscher Erde so etwas zutheilte.“

Nach so wohl getroffenen Anstalten konnte man mit Ehren im Feld erscheinen, und den Krieg mit frischer Lebhaftigkeit erneuern. Bald nach dem Siege bey Lützen vereinigen sich die Sächsischen und Lüneburgischen Truppen mit der Schwedischen Hauptmacht, und die Kaiserlichen werden in kurzer Zeit aus ganz Sachsen herausgetrieben. Nunmehr trennt sich diese vereinigte Armee. Die Sachsen rücken nach der Lausitz und Schlesien, um dort in Gemeinschaft mit dem Grafen von Thurn gegen die Oesterreicher zu agiren; einen Theil der Schwedischen Armee führt Herzog Bernhard nach Franken, den andern Herzog Georg von Braunschweig nach Westphalen und Niedersachsen.

Die Eroberungen am Lechstrom und an der Donau wurden, während daß Gustav Adolph den Zug nach Sachsen unternahm, von dem Pfalzgrafen von Birkenfeld und dem Schwedischen General Banner gegen die Bayern vertheidigt. Aber zu schwach, den siegreichen Fortschritten der Letztern, die von der Kriegserfahrung und Tapferkeit des kaiserlichen Generals von Altringer unterstützt wurden, hinlänglichen Widerstand zu thun, mußten sie den Schwedischen General von Horn aus dem Elsaß zu Hülfe rufen. Nachdem dieser kriegserfahrne Feldherr die Städte Benfeld, Schlettstadt, Colmar und Hagenau der Schwedischen Herrschaft unterworfen, übergab er dem Rheingrafen Otto Ludwig die Vertheidigung derselben, und eilte über den Rhein, um das Bannerische Heer zu verstärken. Aber ungeachtet es nunmehr sechzehntausend Mann stark war, konnte es doch nicht verhindern, daß der Feind nicht an der Schwäbischen Grenze festen Fuß gewann, Kempten eroberte, und sieben Regimenter aus Böhmen an sich zog. Um die wichtigen Ufer des Lech und der Donau zu behaupten, entblößte man das Elsaß, [369] wo Rheingraf Otto Ludwig nach Horns Abzug Mühe gehabt hatte, sich gegen das aufgebrachte Landvolk zu vertheidigen. Auch er mußte mit seinen Truppen das Heer an der Donau verstärken; und da auch dieser Succurs nicht hinreichte, so foderte man den Herzog Bernhard von Weimar dringend auf, seine Waffen nach dieser Gegend zu kehren.

Bernhard hatte sich bald nach Eröffnung des Feldzugs im Jahre 1633 der Stadt und des ganzen Hochstifts Bamberg bemächtigt, und Würzburg ein ähnliches Schicksal zugedacht. Auf die Einladung Gustav Horns setzte er sich ungesäumt in Marsch gegen die Donau, schlug unterwegs ein Bayrisches Heer unter Johann von Werth aus dem Felde, und vereinigte sich bey Donauwerth mit den Schweden. Diese zahlreiche, von den trefflichsten Generalen befehligte Armee bedroht Bayern mit einem furchtbaren Einfall. Das ganze Bisthum Eichstädt wird überschwemmt, und Ingolstadt selbst verspricht ein Verräther den Schweden in die Hände zu spielen. Altringers Thätigkeit wird durch die ausdrückliche Vorschrift des Herzogs von Friedland gefesselt, und, von Böhmen aus ohne Hülfe gelassen, kann er sich dem Andrang des feindlichen Heers nicht entgegen setzen. Die günstigsten Umstände vereinigen sich, die Waffen der Schweden in diesen Gegenden siegreich zu machen, als die Thätigkeit der Armee durch eine Empörung der Offiziere auf einmal gehemmt wird.

Den Waffen dankte man alles, was man in Deutschland erworben hatte; selbst Gustav Adolphs Größe war das Werk der Armee, die Frucht ihrer Disciplin, ihrer Tapferkeit, ihres ausdauernden Muths in unendlichen Gefahren und Mühseligkeiten. Wie künstlich man auch im Kabinet seine Plane anlegte, so war doch zuletzt die Armee allein die Vollzieherin, und die erweiterten Entwürfe der Anführer vermehrten immer nur die Lasten derselben. Alle großen Entscheidungen in diesem Kriege waren durch [370] eine wirklich barbarische Hinopferung der Soldaten in Winterfeldzügen, Märschen, Stürmen und offenen Schlachten gewaltsam erzwungen worden, und es war Gustav Adolphs Maxime, nie an einem Siege zu verzagen, sobald er ihm mehr nicht als Menschen kostete. Dem Soldaten konnte seine Wichtigkeit nicht lange verborgen bleiben, und mit Recht verlangte er seinen Antheil an einem Gewinn, der mit seinem Blute errungen war. Aber mehrentheils konnte man ihm kaum den gebührenden Sold bezahlen, und die Gierigkeit der einzelnen Häupter, oder das Bedürfniß des Staats verschlang gewöhnlich den besten Theil der erpreßten Summen und der erworbnen Besitzungen. Für alle Mühseligkeiten, die er übernahm, blieb ihm nichts, als die zweifelhafte Aussicht auf Raub oder auf Beförderung; und in beyden mußte er sich nur zu oft hintergangen sehen. Furcht und Hoffnung unterdrückten zwar jeden gewaltsamen Ausbruch der Unzufriedenheit, so lange Adolph lebte; aber nach seinem Hintritt wurde der allgemeine Unwille laut, und der Soldat ergriff gerade den gefährlichsten Augenblick, sich seiner Wichtigkeit zu erinnern. Zwey Offiziere, Pfuhl und Mitschefal, schon bey Lebzeiten des Königs als unruhstiftende Köpfe berüchtigt, geben im Lager an der Donau das Beyspiel, das in wenigen Tagen unter den Offizieren der Armee eine fast allgemeine Nachahmung findet. Man verbindet sich unter einander durch Wort und Handschlag, keinem Kommando zu gehorchen, bis der seit Monaten und Jahren noch rückständige Sold entrichtet, und noch außerdem jedem Einzelnen eine verhältnißmäßige Belohnung an Geld oder liegenden Gründen bewilligt sey. „Ungeheure Summen,“ hörte man sie sagen, „würden täglich durch Brandschatzungen erpreßt, und all dieses Geld zerrinne in wenigen Händen. In Schnee und Eis treibe man sie hinaus, und nirgends kein Dank für diese unendliche Arbeit. Zu Heilbronn schreye man [371] über den Muthwillen der Soldaten, aber niemand denke an ihr Verdienst. Die Gelehrten schreiben in die Welt hinein von Eroberungen und Siegen, und alle diese Victorien habe man doch nur durch ihre Fäuste erfochten.“ Das Heer der Mißvergnügten mehrt sich mit jedem Tage, und durch Briefe, die zum Glück aufgefangen werden, suchten sie nun auch die Armeen am Rhein und in Sachsen zu empören. Weder die Vorstellungen Bernhards von Weimar, noch die harten Verweise seines strengern Gehülfen waren vermögend, diese Gährung zu unterdrücken, und die Heftigkeit des Letztern vermehrte vielmehr den Trotz der Empörer. Sie bestanden darauf, daß jedem Regiment gewisse Städte zu Erhebung des rückständigen Soldes angewiesen würden. Eine Frist von vier Wochen wurde dem Schwedischen Kanzler vergönnt, zu Erfüllung dieser Foderungen Rath zu schaffen; im Weigerungsfall, erklärten sie, würden sie sich selbst bezahlt machen, und nie einen Degen mehr für Schweden entblößen.

Die ungestüme Mahnung, zu einer Zeit gethan, wo die Kriegskasse erschöpft und der Kredit gefallen war, mußte den Kanzler in das höchste Bedrängniß stürzen; und schnell mußte die Hülfe seyn, ehe derselbe Schwindel auch die übrigen Truppen ansteckte, und man sich von allen Armeen auf einmal mitten unter Feinde verlassen sah. Unter allen Schwedischen Heerführern war nur Einer, der bey den Soldaten Ansehen und Achtung genug besaß, diesen Streit beyzulegen. Herzog Bernhard war der Liebling der Armee, und seine kluge Mäßigung hatte ihm das Vertrauen der Soldaten, wie seine Kriegserfahrung ihre höchste Bewunderung erworben. Er übernahm es jetzt, die schwürige Armee zu besänftigen; aber, seiner Wichtigkeit sich bewußt, ergriff er den günstigen Augenblick, zuvor für sich selbst zu sorgen, und der Verlegenheit des [372] Schwedischen Kanzlers die Erfüllung seiner eigenen Wünsche abzuängstigen.

Schon Gustav Adolph hatte ihm mit einem Herzogthum in Franken geschmeichelt, das aus den beyden Hochstiftern Bamberg und Würzburg erwachsen sollte; jetzt drang Herzog Bernhard auf Haltung dieses Versprechens. Zugleich foderte er das Oberkommando im Kriege, als Schwedischer Generalissimus. Dieser Mißbrauch, den der Herzog von seiner Unentbehrlichkeit machte, entrüstete Oxenstierna so sehr, daß er ihm im ersten Unwillen den Schwedischen Dienst aufkündigte. Bald aber besann er sich eines Bessern, und ehe er einen so wichtigen Feldherrn aufopferte, entschloß er sich lieber, ihn, um welchen Preis es auch sey, an das Schwedische Interesse zu fesseln. Er übergab ihm also die Fränkischen Bisthümer als Lehen der Schwedischen Krone, doch mit Vorbehalt der beyden Festungen, Würzburg und Königshofen, welche von den Schweden besetzt bleiben sollten; zugleich verband er sich im Namen seiner Krone, den Herzog im Besitz dieser Länder zu schützen. Das gesuchte Oberkommando über die ganze Schwedische Macht wurde unter einem anständigen Vorwand verweigert. Nicht lange säumte Herzog Bernhard, sich für dieses wichtige Opfer dankbar zu erzeigen: durch sein Ansehen und seine Thätigkeit stillte er in kurzem den Aufruhr der Armee. Große Summen baren Geldes wurden unter die Offiziere vertheilt, und noch weit größre an Ländereyen, deren Werth gegen fünf Millionen Thaler betrug, und an die man kein anderes Recht hatte, als das der Eroberung. Indessen war der Moment zu einer großen Unternehmung verstrichen, und die vereinigten Anführer trennten sich, um dem Feind in andern Gegenden zu widerstehen.

Nachdem Gustav Horn einen kurzen Einfall in die obere Pfalz unternommen und Neumark erobert hatte, richtete er seinen Marsch nach der [373] Schwäbischen Grenze, wo sich die Kaiserlichen unterdessen beträchtlich verstärkt hatten, und Wirtemberg mit einem verwüstenden Einfall bedrohten. Durch seine Annäherung verscheucht, ziehen sie sich an den Bodensee – aber nur, um auch den Schweden den Weg in diese noch nie besuchte Gegend zu zeigen. Eine Besitzung am Eingange der Schweiz war von äußerster Wichtigkeit für die Schweden, und die Stadt Kostnitz schien besonders geschickt zu seyn, sie mit den Eidgenossen in Verbindung zu setzen. Gustav Horn unternahm daher sogleich die Belagerung derselben; aber entblößt von Geschütz, das er erst von Wirtemberg mußte bringen lassen, konnte er diese Unternehmung nicht schnell genug fördern, um den Feinden nicht eine hinlängliche Frist zum Entsatze dieser Stadt zu vergönnen, die ohnehin von dem See aus so leicht zu versorgen war. Er verließ also nach einem vergeblichen Versuche die Stadt und ihr Gebiet, um an den Ufern der Donau einer dringenden Gefahr zu begegnen.

Aufgefodert von dem Kaiser, hatte der Kardinal Infant, Bruder Philipps IV. von Spanien und Statthalter in Mailand, eine Armee von vierzehntausend Mann ausgerüstet, welche bestimmt war, unabhängig von Wallensteins Befehlen an dem Rhein zu agiren, und das Elsaß zu vertheidigen. Diese Armee erschien jetzt unter dem Kommando des Herzogs von Feria, eines Spaniers, in Bayern; und um sie sogleich gegen die Schweden zu benutzen, wurde Altringer beordert, sogleich mit seinen Truppen zu ihr zu stoßen. Gleich auf die erste Nachricht von ihrer Erscheinung hatte Gustav Horn den Pfalzgrafen von Birkenfeld von dem Rheinstrom zu seiner Verstärkung herbeygerufen, und nachdem er sich zu Stockach mit demselben vereinigt hatte, rückte er kühn dem dreyßigtausend Mann starken Feind entgegen. Dieser hatte seinen Weg über die Donau nach Schwaben genommen, wo Gustav Horn ihm einmal so nahe kam, daß beyde Armeen nur [374] durch eine halbe Meile von einander geschieden waren. Aber anstatt das Anerbieten zur Schlacht anzunehmen, zogen sich die Kaiserlichen über die Waldstädte nach dem Breisgau und Elsaß, wo sie noch zeitig genug anlangten, um Breysach zu entsetzen, und den siegreichen Fortschritten des Rheingrafen Otto Ludwig eine Grenze zu setzen. Dieser hatte kurz vorher die Waldstädte erobert, und, unterstützt von dem Pfalzgrafen von Birkenfeld, der die Unterpfalz befreyte, und den Herzog von Lothringen aus dem Felde schlug, den Schwedischen Waffen in diesen Gegenden aufs neue das Uebergewicht errungen. Jetzt zwar mußte er der Ueberlegenheit des Feindes weichen; aber bald rücken Horn und Birkenfeld zu seinem Beystand herbey, und die Kaiserlichen sehen sich nach einem kurzen Triumphe wieder aus dem Elsaß vertrieben. Die rauhe Herbstzeit, welche sie auf diesem unglücklichen Rückzuge überfällt, richtet den größten Theil der Italiener zu Grunde, und ihren Anführer selbst, den Herzog von Feria, tödtet der Gram über die mißlungene Unternehmung.

Unterdessen hatte Herzog Bernhard von Weimar mit achtzehn Regimentern Fußvolk und hundert und vierzig Kornetten Reitern seine Stellung an der Donau genommen, um sowohl Franken zu decken, als die Bewegungen der kaiserlich-bayrischen Armee an diesem Strome zu beobachten. Nicht so bald hatte Altringer diese Grenzen entblößt, um zu den Italienischen Truppen des Herzogs von Feria zu stoßen, als Bernhard seine Entfernung benutzte, über die Donau eilte, und mit Blitzesschnelligkeit vor Regensburg stand. Der Besitz dieser Stadt war für die Unternehmungen der Schweden auf Bayern und Oesterreich entscheidend; er verschaffte ihnen festen Fuß an dem Donaustrom, und eine sichere Zuflucht bey jedem Unglücksfall, so wie er sie allein in den Stand setzte, eine dauerhafte Eroberung in diesen Ländern zu machen. Regensburg zu bewahren, war der letzte, dringende Rath, den der sterbende Tilly [375] dem Churfürsten von Bayern ertheilte, und Gustav Adolph beklagte als einen nicht zu ersetzenden Verlust, daß ihm die Bayern in Besetzung dieses Platzes zuvorgekommen waren. Unbeschreiblich groß war daher Maximilians Schrecken, als Herzog Bernhard diese Stadt überraschte, und sich ernstlich anschickte, sie zu belagern.

Nicht mehr als funfzehn Kompagnien, größtentheils neugeworbener Truppen, machten die Besatzung derselben aus; eine mehr als hinreichende Anzahl, um auch den überlegensten Feind zu ermüden, sobald sie von einer gut gesinnten und kriegerischen Bürgerschaft unterstützt wurden. Aber gerade diese war der gefährlichste Feind, den die Bayrische Garnison zu bekämpfen hatte. Die protestantischen Einwohner Regensburgs, gleich eifersüchtig auf ihren Glauben und ihre Reichsfreyheit, hatten ihren Nacken mit Widerwillen unter das Bayrische Joch gebeugt, und blickten längst schon mit Ungeduld der Erscheinung eines Retters entgegen. Bernhards Ankunft vor ihren Mauern erfüllte sie mit lebhafter Freude, und es war sehr zu fürchten, daß sie die Unternehmungen der Belagerer durch einen innern Tumult unterstützen würden. In dieser großen Verlegenheit läßt der Churfürst die beweglichsten Schreiben an den Kaiser, an den Herzog von Friedland ergehen, ihm nur mit fünftausend Mann auszuhelfen. Sieben Eilboten nach einander sendet Ferdinand mit diesem Auftrag an Wallenstein, der die schleunigste Hülfe zusagt, und auch wirklich schon dem Churfürsten die nahe Ankunft von zwölftausend Mann durch Gallas berichten läßt, aber diesem Feldherrn bey Lebensstrafe verbietet, sich auf den Weg zu machen. Unterdessen hatte der Bayrische Kommendant von Regensburg, in Erwartung eines nahen Entsatzes, die besten Anstalten zur Vertheidigung getroffen, die katholischen Bauern wehrhaft gemacht, die protestantischen Bürger hingegen entwaffnet und aufs sorgfältigste bewacht, daß sie nichts gefährliches [376] gegen die Garnison unternehmen konnten. Da aber kein Entsatz erschien, und das feindliche Geschütz mit ununterbrochener Heftigkeit die Werke bestürmte, sorgte er durch eine anständige Kapitulation für sich selbst und die Besatzung, und überließ die Bayrischen Beamten und Geistlichen der Gnade des Siegers.

Mit dem Besitze von Regensburg erweitern sich Herzog Bernhards Entwürfe, und seinem kühnen Muth ist Bayern selbst eine zu enge Schranke geworden. Bis an die Grenzen von Oesterreich will er dringen, das protestantische Landvolk gegen den Kaiser bewaffnen, und ihm seine Religionsfreyheit wieder geben. Schon hat er Straubingen erobert, während daß ein anderer Schwedischer Feldherr die nördlichen Ufer der Donau sich unterwürfig macht. An der Spitze seiner Schweden dem Grimm der Witterung Trotz bietend, erreicht er die Mündung des Iserstroms, und setzt im Angesicht des Bayrischen Generals von Werth, der hier gelagert steht, seine Truppen über. Jetzt zittern Passau und Linz, und der bestürzte Kaiser verdoppelt an Wallenstein seine Mahnungen und Befehle, dem bedrängten Bayern aufs schleunigste zu Hülfe zu eilen. Aber hier setzt der siegende Bernhard seinen Eroberungen ein freywilliges Ziel. Vor sich den Inn, der durch viele feste Schlösser beschützt wird, hinter sich zwey feindliche Heere, ein übel gesinntes Land, und die Iser, wo kein haltbarer Ort ihm den Rücken deckt, und der gefrorne Boden keine Verschanzung gestattet, von der ganzen Macht Wallensteins bedroht, der sich endlich entschlossen hat, an die Donau zu rücken, entzieht er sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr, von Regensburg abgeschnitten und von Feinden umzingelt zu werden. Er eilt über die Iser und Donau, um die in der Oberpfalz gemachten Eroberungen gegen Wallenstein zu vertheidigen, und selbst eine Schlacht mit diesem Feldherrn nicht auszuschlagen. Aber Wallenstein, dem es nie in den Sinn gekommen war, große Thaten an der [377] Donau zu verrichten, wartet seine Annäherung nicht ab, und ehe die Bayern recht anfangen seiner froh zu werden, ist er schon nach Böhmen verschwunden. Bernhard endigt also jetzt seinen glorreichen Feldzug, und vergönnt seinen Truppen die wohlverdiente Rast in den Winterquartieren auf feindlicher Erde.

Indem Gustav Horn in Schwaben, der Pfalzgraf von Birkenfeld, General Baudissin und Rheingraf Otto Ludwig am Ober- und Niederrhein, und Herzog Bernhard an der Donau den Krieg mit solcher Ueberlegenheit führten, wurde der Ruhm der Schwedischen Waffen in Niedersachsen und Westphalen von dem Herzog von Lüneburg und dem Landgrafen von Hessenkassel nicht weniger glorreich behauptet. Die Festung Hameln eroberte Herzog Georg nach der tapfersten Gegenwehr, und über den kaiserlichen General von Gronsfeld, der an dem Weserstrom kommandirte, wurde von der vereinigten Armee der Schweden und Hessen bey Oldendorf ein glänzender Sieg erfochten. Der Graf von Wasaburg, ein natürlicher Sohn Gustav Adolphs, zeigte sich in dieser Schlacht seines Ursprungs werth. Sechzehn Kanonen, das ganze Gepäcke der Kaiserlichen und vier und siebzig Fahnen fielen in Schwedische Hände, gegen dreytausend von den Feinden blieben auf dem Platze, und fast eben so viele wurden zu Gefangenen gemacht. Die Stadt Osnabrück zwang der Schwedische Oberste Kniephausen, und Paderborn der Landgraf von Hessenkassel zur Uebergabe; dafür aber gieng Bückeburg, ein sehr wichtiger Ort für die Schweden, an die Kaiserlichen verloren. Beynahe an allen Enden Deutschlands sah man die Schwedischen Waffen siegreich, und das nächste Jahr nach Gustav Adolphs Tode zeigte noch keine Spur des Verlustes, den man an diesem großen Führer erlitten hatte.

Bey Erwähnung der wichtigen Vorfälle, welche den Feldzug des 1633sten Jahres auszeichneten, [378] muß die Unthätigkeit eines Mannes, der bey weitem die höchsten Erwartungen rege machte, ein gerechtes Erstaunen erwecken. Unter allen Generalen, deren Thaten uns in diesem Feldzuge beschäftigt haben, war keiner, der sich an Erfahrung, Talent und Kriegsruhm mit Wallenstein messen durfte; und gerade dieser verliert sich seit dem Treffen bey Lützen aus unsern Augen. Der Fall seines großen Gegners läßt ihm allein jetzt den ganzen Schauplatz des Ruhmes frey, die ganze Aufmerksamkeit Europa’s ist auf die Thaten gespannt, die das Andenken seiner Niederlage auslöschen, und seine Ueberlegenheit in der Kriegskunst der Welt verkündigen sollen. Und doch liegt er still in Böhmen, indeß die Verluste des Kaisers in Bayern, in Niedersachsen, am Rhein, seine Gegenwart dringend fodern; ein gleich undurchdringliches Geheimniß für Freund und Feind, der Schrecken, und doch zugleich die letzte Hoffnung des Kaisers. Mit unerklärbarer Eilfertigkeit hatte er sich nach dem verlorenen Treffen bey Lützen in das Königreich Böhmen gezogen, wo er über das Verhalten seiner Offiziere in dieser Schlacht die strengsten Untersuchungen anstellte. Die das Kriegsgericht für schuldig erkannte, wurden mit unerbittlicher Strenge zum Tode verurtheilt, die sich brav gehalten hatten, mit königlicher Großmuth belohnt, und das Andenken der Gebliebenen durch herrliche Monumente verewigt. Den Winter über drückte er die kaiserlichen Provinzen durch übermäßige Contributionen, und durch die Winterquartiere, die er absichtlich nicht in feindlichen Ländern nahm, um das Mark der Oesterreichischen Länder auszusaugen. Anstatt aber mit seiner wohl gepflegten und auserlesenen Armee beym Anbruch des Frühlings 1633 den Feldzug vor allen andern zu eröffnen, und sich in seiner ganzen Feldherrnkraft zu erheben, war er der letzte, der im Felde erschien, und auch jetzt war es ein kaiserliches Erbland, das er zum Schauplatz des Krieges machte.

[379] Unter allen Provinzen Oesterreichs war Schlesien der größten Gefahr ausgesetzt. Drey verschiedene Armeen, eine Schwedische unter dem Grafen von Thurn, eine Sächsische unter Arnheim und dem Herzog von Lauenburg, und eine Brandenburgische unter Borgsdorf, hatten diese Provinz zu gleicher Zeit mit Krieg überzogen. Schon hatten sie die wichtigsten Plätze im Besitz, und selbst Breslau hatte die Partey der Alliirten ergriffen. Aber gerade diese Menge von Generalen und Armeen rettete dem Kaiser dieses Land; denn die Eifersucht der Generale und der gegenseitige Haß der Schweden und Sachsen ließ sie nie mit Einstimmigkeit verfahren. Arnheim und Thurn zankten sich um die Oberstelle; die Brandenburger und Sachsen hielten eifrig gegen die Schweden zusammen, die sie als überlästige Fremdlinge ansahen, und, wo es nur immer thunlich war, zu verkürzen suchten. Hingegen lebten die Sachsen mit den Kaiserlichen auf einem viel vertraulichern Fuß, und oft geschah es, daß die Offiziere beyder feindlichen Armeen einander Besuche abstatteten und Gastmähler gaben. Man ließ die Kaiserlichen ungehindert ihre Güter fortschaffen, und viele verhehlten es gar nicht, daß sie von Wien große Summen gezogen. Unter so zweydeutig gesinnten Alliirten sahen sich die Schweden verkauft und verrathen, und an große Unternehmungen war bey einem so schlechten Verständniß nicht zu denken. Auch war der General von Arnheim den größten Theil der Zeit abwesend, und als er endlich wieder bey der Armee anlangte, näherte sich Wallenstein schon mit einer furchtbaren Kriegsmacht den Grenzen.

Vierzigtausend Mann stark rückte er ein, und nicht mehr als vier und zwanzig tausend hatten ihm die Alliirten entgegen zu setzen. Nichts desto weniger wollten sie eine Schlacht versuchen, und erschienen bey Münsterberg, wo er ein verschanztes Lager bezogen hatte. Aber Wallenstein ließ sie acht Tage lang hier [380] stehen, ohne nur die geringste Bewegung zu machen; dann verließ er seine Verschanzungen, und zog mit ruhigem stolzen Schritt an ihrem Lager vorüber. Auch nachdem er aufgebrochen war, und die muthiger gewordenen Feinde ihm beständig zur Seite blieben, ließ er die Gelegenheit unbenutzt. Die Sorgfalt, mit der er die Schlacht vermied, wurde als Furcht ausgelegt; aber einen solchen Verdacht durfte Wallenstein auf seinen verjährten Feldherrnruhm wagen. Die Eitelkeit der Alliirten ließ sie nicht bemerken, daß er sein Spiel mit ihnen trieb, und daß er ihnen die Niederlage großmüthig schenkte, weil ihm – mit einem Sieg über sie für jetzt nicht gedient war. Um ihnen jedoch zu zeigen, daß Er der Herr sey, und daß nicht die Furcht vor ihrer Macht ihn in Unthätigkeit erhalte, ließ er den Kommendanten eines Schlosses, das in seine Hände fiel, niederstoßen, weil er einen unhaltbaren Platz nicht gleich übergeben hatte.

Neun Tage lang standen beyde Armeen einander, einen Musketenschuß weit, im Gesichte, als der Graf Terzky aus dem Wallensteinischen Heere mit einem Trompeter vor dem Lager der Alliirten erschien, den General von Arnheim zu einer Konferenz einzuladen. Der Inhalt derselben war, daß Wallenstein, der doch an Macht der überlegene Theil war, einen Waffenstillstand von sechs Wochen in Vorschlag brachte. „Er sey gekommen,“ sagte er, „mit Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu bezahlen, und jedem Genugthuung zu verschaffen. Alles dieß stehe in seiner Hand, und wenn man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle Er sich mit den Alliierten vereinigen, und (was er Arnheimen zwar nur ins Ohr flüsterte) den Kaiser zum Teufel jagen.“ Bey einer zweyten Zusammenkunft ließ er sich gegen den Grafen von Thurn noch deutlicher heraus. „Alle Privilegien,“ erklärte er, „sollten aufs neue bestätigt, alle Böhmischen Exulanten zurückberufen und in ihre Güter wieder eingesetzt werden, und er selbst wolle der erste seyn, seinen Antheil an denselben [381] herauszugeben. Die Jesuiten, als die Urheber aller bisherigen Unterdrückungen sollten verjagt, die Krone Schweden durch Zahlungen auf bestimmte Termine abgefunden, alles überflüssige Kriegsvolk von beyden Theilen gegen die Türken geführt werden.“ Der letzte Punkt enthielt den Aufschluß des ganzen Räthsels. „Wenn Er die Böhmische Krone davon trüge, so sollten alle Vertriebenen sich seiner Großmuth zu rühmen haben, eine vollkommene Freyheit der Religionen sollte dann in dem Königreich herrschen, das Pfälzische Haus in alle seine vorigen Rechte zurücktreten, und die Markgrafschaft Mähren ihm für Mecklenburg zur Entschädigung dienen. Die alliirten Armeen zögen dann unter seiner Anführung nach Wien, dem Kaiser die Genehmigung dieses Traktats mit gewaffneter Hand abzunöthigen.“

Jetzt also war die Decke von dem Plan weggezogen, worüber er schon Jahre lang in geheimnißvoller Stille gebrütet hatte. Auch lehrten alle Umstände, daß zu Vollstreckung desselben keine Zeit zu verlieren sey. Nur das blinde Vertrauen zu dem Kriegsglück und dem überlegenen Genie des Herzogs von Friedland hatte dem Kaiser die Festigkeit eingeflößt, allen Vorstellungen Bayerns und Spaniens entgegen, und auf Kosten seines eigenen Ansehens, diesem gebieterischen Mann ein so uneingeschränktes Kommando zu übergeben. Aber dieser Glaube an die Unüberwindlichkeit Wallensteins war durch seine lange Unthätigkeit längst erschüttert worden, und nach dem verunglückten Treffen bey Lützen beynahe gänzlich gefallen. Aufs neue erwachten jetzt seine Gegner an Ferdinands Hofe, und die Unzufriedenheit des Kaisers über den Fehlschlag seiner Hoffnungen verschaffte ihren Vorstellungen den gewünschten Eingang bey diesem Monarchen. Das ganze Betragen des Herzogs wurde mit beißender Kritik von ihnen gemustert, sein hochfahrender Trotz und seine Widersetzlichkeit gegen des Kaisers Befehle diesem eifersüchtigen Fürsten in Erinnerung gebracht, die Klagen der Oesterreichischen [382] Unterthanen über seine grenzenlosen Bedrückungen zu Hülfe gerufen, seine Treue verdächtig gemacht, und über seine geheimen Absichten ein schreckhafter Wink hingeworfen. Diese Anklagen, durch das ganze übrige Betragen des Herzogs nur zu sehr gerechtfertigt, unterließen nicht in Ferdinands Gemüth tiefe Wurzeln zu schlagen; aber der Schritt war einmal geschehn, und die große Gewalt, womit man den Herzog bekleidet hatte, konnte ihm ohne große Gefahr nicht entrissen werden. Sie unmerklich zu vermindern, war alles, was dem Kaiser übrig blieb; und um dieß mit einigem Erfolg zu können, mußte man sie zu theilen, vor allen Dingen aber sich außer Abhängigkeit von seinem guten Willen zu setzen suchen. Aber selbst dieses Rechtes hatte man sich in dem Vertrage begeben, den man mit ihm errichtete, und gegen jeden Versuch, ihm einen andern General an die Seite zu setzen, oder einen unmittelbaren Einfluß auf seine Truppen zu haben, schützte ihn die eigenhändige Unterschrift des Kaisers. Da man diesen nachtheiligen Vertrag weder halten noch vernichten konnte, so mußte man sich durch einen Kunstgriff heraushelfen. Wallenstein war kaiserlicher Generalissimus in Deutschland; aber weiter erstreckte sich sein Gebiet nicht, und über eine auswärtige Armee konnte er sich keine Herrschaft anmaßen. Man läßt also in Mailand eine Spanische Armee errichten und unter einem Spanischen General in Deutschland fechten. Wallenstein ist also der Unentbehrliche nicht mehr, weil er aufgehört hat, der Einzige zu seyn, und im Nothfall hat man gegen ihn selbst eine Stütze.

Der Herzog fühlte es schnell und tief, woher dieser Streich kam, und wohin er zielte. Umsonst protestirte er bey dem Kardinal Infanten gegen diese vertragwidrige Neuerung; die Italienische Armee rückte ein, und man zwang ihn, ihr den General Altringer mit Verstärkung zuzusenden. Zwar wußte er diesem durch strenge Verhaltungsbefehle die Hände so sehr zu binden, daß die Italienische Armee in dem [383] Elsaß und Schwaben wenig Ehre einlegte; aber dieser eigenmächtige Schritt des Hofes hatte ihn aus seiner Sicherheit aufgeschreckt, und ihm über die näher kommende Gefahr einen warnenden Wink gegeben. Um nicht zum zweytenmal sein Kommando, und mit demselben die Frucht aller seiner Bemühungen zu verlieren, mußte er mit der Ausführung seines Anschlags eilen. Durch Entfernung der verdächtigen Offiziere, und durch seine Freygebigkeit gegen die andern, hielt er sich der Treue seiner Truppen versichert. Alle andre Stände des Staats, alle Pflichten der Gerechtigkeit und Menschlichkeit, hatte er dem Wohl der Armee aufgeopfert, also rechnete er auf die Erkenntlichkeit derselben. Im Begriff, ein nie erlebtes Beyspiel des Undanks gegen den Schöpfer seines Glücks aufzustellen, baute er seine ganze Wohlfahrt auf die Dankbarkeit, die man an ihm beweisen sollte.

Die Anführer der Schlesischen Armeen hatten von ihren Principalen keine Vollmacht, so etwas Großes, als Wallenstein in Vorschlag brachte, für sich allein abzuschließen, und selbst den verlangten Waffenstillstand getrauten sie sich nicht länger als auf vierzehn Tage zu bewilligen. Ehe sich der Herzog gegen die Schweden und Sachsen herausließ, hatte er noch für rathsam gefunden, sich bey seiner kühnen Unternehmung des Französischen Schutzes zu versichern. Zu dem Ende wurden durch den Grafen von Kinsky bey dem Französischen Bevollmächtigten Feuquieres zu Dresden geheime Unterhandlungen, wiewohl mit sehr mißtrauischer Vorsicht, angeknüpft, welche ganz seinem Wunsche gemäß ausfielen. Feuquieres erhielt Befehl von seinem Hofe, allen Vorschub von Seiten Frankreichs zu versprechen, und dem Herzog, wenn er deren benöthigt wäre, eine beträchtliche Geldhülfe anzubieten.

Aber gerade diese überkluge Sorgfalt, sich von allen Seiten zu decken, gereichte ihm zum [384] Verderben. Der Französische Bevollmächtigte entdeckte mit großem Erstaunen, daß ein Anschlag, der mehr als jeder andre des Geheimnisses bedurfte, den Schweden und den Sachsen mitgetheilt worden sey. Das Sächsische Ministerium war, wie man allgemein wußte, im Interesse des Kaisers, und die den Schweden angebotnen Bedingungen blieben allzu weit hinter den Erwartungen derselben zurück, um je ihren Beyfall erhalten zu können. Feuquieres fand es daher unbegreiflich, wie der Herzog in vollem Ernste auf die Unterstützung der Erstern, und auf die Verschwiegenheit der Letztern hätte Rechnung machen sollen. Er entdeckte seine Zweifel und Besorgnisse dem Schwedischen Kanzler, der in die Absichten Wallensteins ein gleich großes Mißtrauen setzte, und noch weit weniger Geschmack an seinen Vorschlägen fand. Wiewohl es ihm kein Geheimniß war, daß der Herzog schon ehedem mit Gustav Adolph in ähnlichen Traktaten gestanden, so begriff er doch die Möglichkeit nicht, wie er die ganze Armee zum Abfall bewegen, und seine übermäßigen Versprechungen würde wahr machen können. Ein so ausschweifender Plan und ein so unbesonnenes Verfahren schien sich mit der verschloßnen und mißtrauischen Gemüthsart des Herzogs nicht wol zu vertragen, und lieber erklärte man alles für Maske und Betrug, weil es eher erlaubt war, an seiner Redlichkeit als an seiner Klugheit zu zweifeln. Oxenstierna’s Bedenklichkeiten steckten endlich selbst Arnheimen an, der in vollem Vertrauen auf Wallensteins Aufrichtigkeit zu dem Kanzler nach Gelnhausen gereist war, ihn dahin zu vermögen, daß er dem Herzog seine besten Regimenter zum Gebrauch überlassen möchte. Man fing an zu argwohnen, daß der ganze Antrag nur eine künstlich gelegte Schlinge sey, die Alliirten zu entwaffnen, und den Kern ihrer Kriegsmacht dem Kaiser in die Hände zu spielen. Wallensteins bekannter Charakter widerlegte diesen schlimmen Verdacht nicht, und die Widersprüche, in die er sich nachher [385] verwickelte, machten, daß man endlich ganz und gar an ihm irre ward. Indem er die Schweden in sein Bündniß zu ziehen suchte, und ihnen sogar ihre besten Truppen abfoderte, äußerte er sich gegen Arnheim, daß man damit anfangen müsse, die Schweden aus dem Reiche zu verjagen; und während daß sich die Sächsischen Offiziere, im Vertrauen auf die Sicherheit des Waffenstillstandes, in großer Menge bey ihm einfanden, wagte er einen verunglückten Versuch, sich ihrer Personen zu bemächtigen. Er brach zuerst den Stillstand, den er doch einige Monate darauf nicht ohne große Mühe erneuerte. Aller Glaube an seine Wahrhaftigkeit verschwand, und endlich glaubte man in seinem ganzen Benehmen nichts als ein Gewebe von Betrug und niedrigen Kniffen zu sehen, um die Alliirten zu schwächen, und sich selbst in Verfassung zu setzen. Dieses erreichte er zwar wirklich, indem seine Macht sich mit jedem Tage vermehrte, die Alliirten aber durch Desertion und schlechten Unterhalt über die Hälfte ihrer Truppen einbüßten. Aber er machte von seiner Ueberlegenheit den Gebrauch nicht, den man in Wien erwartete. Wenn man einem entscheidenden Vorfall entgegensah, erneuerte er plötzlich die Unterhandlungen; und wenn der Waffenstillstand die Alliirten in Sicherheit stürzte, so erhob er sich plötzlich, um die Feindseligkeiten zu erneuern. Alle diese Widersprüche flossen aus dem doppelten und ganz unvereinbaren Entwurf, den Kaiser und die Schweden zugleich zu verderben, und mit Sachsen einen besondern Frieden zu schließen.

Ueber den schlechten Fortgang seiner Unterhandlungen ungeduldig, beschloß er endlich seine Macht zu zeigen, da ohnehin die dringende Noth in dem Reiche, und die steigende Unzufriedenheit am kaiserlichen Hofe keinen längern Aufschub gestatteten. Schon vor dem letzten Stillstand war der General von Holk von Böhmen aus in das Meißnische eingefallen, hatte alles, was auf seinem Wege lag, mit Feuer und Schwert verwüstet, den Churfürsten in seine [386] Festungen gejagt, und selbst die Stadt Leipzig erobert. Aber der Stillstand in Schlesien setzte seinen Verwüstungen ein Ziel, und die Folgen seiner Ausschweifungen streckten ihn zu Adorf auf die Bahre. Nach aufgehobenem Stillstand machte Wallenstein aufs neue eine Bewegung, als ob er durch die Lausitz in Sachsen fallen wollte, und ließ aussprengen, daß Piccolomini schon dahin aufgebrochen sey. Sogleich verläßt Arnheim sein Lager in Schlesien, um ihm nachzufolgen und dem Churfürstenthum zu Hülfe zu eilen. Dadurch aber wurden die Schweden entblößt, die unter dem Kommando des Grafen von Thurn in sehr kleiner Anzahl bey Steinau an der Oder gelagert standen; und gerade dieß war es, was der Herzog gewollt hatte. Er ließ den Sächsischen General sechzehn Meilen voraus in das Meißnische eilen, und wendete sich dann auf einmal rückwärts gegen die Oder, wo er die Schwedische Armee in der tiefsten Sicherheit überraschte. Ihre Reiterey wurde durch den voran geschickten General Schafgotsch geschlagen, und das Fußvolk von der nachfolgenden Armee des Herzogs bey Steinau völlig eingeschlossen. Wallenstein gab dem Grafen von Thurn eine halbe Stunde Bedenkzeit, sich mit drittehalbtausend Mann gegen mehr als zwanzigtausend zu wehren, oder sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Bey solchen Umständen konnte keine Wahl Statt finden. Die ganze Armee giebt sich gefangen, und ohne einen Tropfen Blut ist der vollkommenste Sieg erfochten. Fahnen, Bagage und Geschütz fallen in des Siegers Hand, die Offiziere werden in Verhaft genommen, die Gemeinen untergesteckt. Und jetzt endlich war nach einer vierzehnjährigen Irre, nach unzähligen Glückswechseln der Anstifter des Böhmischen Aufruhrs, der entfernte Urheber dieses ganzen verderblichen Krieges, der berüchtigte Graf von Thurn in der Gewalt seiner Feinde. Mit blutdürstiger Ungeduld erwartet man in Wien die Ankunft dieses großen Verbrechers, und genießt schon in voraus den schrecklichen Triumph, der Gerechtigkeit [387] ihr vornehmstes Opfer zu schlachten. Aber den Jesuiten diese Lust zu verderben, war ein viel süßerer Triumph, und Thurn erhielt seine Freyheit. Ein Glück für ihn, daß er mehr wußte, als man in Wien erfahren durfte, und daß Wallensteins Feinde auch die seinigen waren. Eine Niederlage hätte man dem Herzog in Wien verziehen, diese getäuschte Hoffnung vergab man ihm nie. „Was aber hätte ich denn sonst mit diesem Rasenden machen sollen?“ schreibt er mit boßhaftem Spotte an die Minister, die ihn über diese unzeitige Großmuth zur Rede stellen. „Wollte der Himmel, die Feinde hätten lauter Generale, wie dieser ist! An der Spitze der Schwedischen Heere wird er uns weit beßre Dienste thun, als im Gefängniß.“

Auf den Sieg bey Steinau folgte in kurzer Zeit die Einnahme von Liegnitz, Groß-Glogau und selbst von Frankfurt an der Oder. Schafgotsch, der in Schlesien zurückblieb, um die Unterwerfung dieser Provinz zu vollenden, blokirte Brieg und bedrängte Breslau vergebens, weil diese freye Stadt über ihre Privilegien wachte, und den Schweden ergeben blieb. Die Obersten Illo und Götz schickte Wallenstein nach der Warta, um bis in Pommern und an die Küste der Ostsee zu dringen; und Landsberg, der Schlüssel zu Pommern, wurde wirklich auch von ihnen erobert. Indem der Churfürst von Brandenburg und der Herzog von Pommern für ihre Länder zitterten, brach Wallenstein selbst mit dem Rest der Armee in die Lausitz, wo er Görlitz mit Sturm eroberte und Bauzen zur Uebergabe zwang. Aber, es war ihm nur darum zu thun, den Churfürsten von Sachsen zu schrecken, nicht die erhaltenen Vortheile zu verfolgen; auch mit dem Schwert in der Hand setzte er bey Brandenburg und Sachsen seine Friedensanträge fort, wiewohl mit keinem bessern Erfolg, da er durch eine Kette von Widersprüchen alles Vertrauen verscherzt hatte. Jetzt würde er seine ganze Macht gegen das unglückliche Sachsen gewendet, und seinen Zweck durch die Gewalt der Waffen doch endlich noch durchgesetzt haben, wenn nicht der Zwang [388] der Umstände ihn genöthigt hätte, diese Gegenden zu verlassen. Die Siege Herzog Bernhards am Donaustrom, welche Oesterreich selbst mit naher Gefahr bedrohten, foderten ihn dringend nach Bayern, und die Vertreibung der Sachsen und Schweden aus Schlesien raubte ihm jeden Vorwand, sich den kaiserlichen Befehlen noch länger zu widersetzen, und den Churfürsten von Bayern hülflos zu lassen. Er zog sich also mit der Hauptmacht gegen die Oberpfalz, und sein Rückzug befreyte Obersachsen auf immer von diesem furchtbaren Feinde.

So lange es nur möglich war, hatte er Bayerns Rettung verschoben, und durch die gesuchtesten Ausflüchte die Ordonanzen des Kaisers verhöhnet. Auf wiederholtes Bitten schickte er endlich zwar dem Grafen von Altringer, der den Lech und die Donau gegen Horn und Bernhard zu behaupten suchte, einige Regimenter aus Böhmen zu Hülfe, jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung sich bloß vertheidigungsweise zu verhalten. Den Kaiser und den Churfürsten wies er, so oft sie ihn um Hülfe anflehten, an Altringer, der, wie er öffentlich vorgab, eine uneingeschränkte Vollmacht von ihm erhalten habe; in geheim aber band er demselben durch die strengsten Instructionen die Hände, und bedrohte ihn mit dem Tode, wenn er seine Befehle überschreiten würde. Nachdem Herzog Bernhard vor Regensburg gerückt war, und der Kaiser sowohl als der Churfürst ihre Aufforderungen um Hülfe dringender erneuerten, stellte er sich an, als ob er den General Gallas mit einem ansehnlichen Heer an die Donau schicken würde; aber auch dieß unterblieb, und so gingen, wie vorher das Bisthum Eichstädt, jetzt auch Regensburg, Straubingen, Cham an die Schweden verloren. Als er endlich schlechterdings nicht mehr vermeiden konnte, den ernstlichen Befehlen des Hofs zu gehorsamen, rückte er so langsam als er konnte an die Bayrische Grenze, wo er das von den Schweden eroberte Cham berennte. Er vernahm aber nicht so bald, daß man von [389] Schwedischer Seite daran arbeitete, ihm durch die Sachsen eine Diversion in Böhmen zu machen, so benutzte er dieses Gerücht, um aufs schleunigste, und ohne das geringste verrichtet zu haben, nach Böhmen zurückzukehren. Alles andre, gab er vor, müsse der Vertheidigung und Erhaltung der kaiserlichen Erblande nachstehen; und so blieb er in Böhmen wie angefesselt stehen, und hütete dieses Königreich, als ob es jetzt schon sein Eigenthum wäre. Der Kaiser wiederholte in noch dringenderem Tone seine Mahnung, daß er sich gegen den Donaustrom ziehen solle, die gefährliche Niederlassung des Herzogs von Weimar an Oesterreichs Grenzen zu hindern – Er aber endigte den Feldzug für dieses Jahr, und ließ seine Truppen aufs neue ihre Winterquartiere, in dem erschöpften Königreich nehmen.

Ein so fortgeführter Trotz, eine so beyspiellose Geringschätzung aller kaiserlichen Befehle, eine so vorsetzliche Vernachlässigung des allgemeinen Besten, verbunden mit einem so äußerst zweydeutigen Benehmen gegen den Feind, mußte endlich den nachtheiligen Gerüchten, wovon längst schon ganz Deutschland erfüllt war, Glauben bey dem Kaiser verschaffen. Lange Zeit war es ihm gelungen, seinen strafbaren Unterhandlungen mit dem Feinde den Schein der Rechtmäßigkeit zu geben, und den noch immer für ihn gewonnenen Monarchen zu überreden, daß der Zweck jener geheimen Zusammenkünfte kein andrer sey, als Deutschland den Frieden zu schenken. Aber wie undurchdringlich er sich auch glaubte, so rechtfertigte doch der ganze Zusammenhang seines Betragens die Beschuldigungen womit seine Gegner unaufhörlich das Ohr des Kaisers bestürmten. Um sich an Ort und Stelle von dem Grund oder Ungrund derselben zu belehren, hatte Ferdinand schon zu verschiedenen Zeiten Kundschafter in das Wallensteinische Lager geschickt, die aber, da der Herzog sich hütete, etwas schriftliches von sich zu geben, bloße Muthmaßungen zurück brachten. Da aber endlich [390] die Minister selbst, seine bisherigen Verfechter am Hofe, deren Güter Wallenstein mit gleichen Lasten gedrückt hatte, sich zur Partey seiner Feinde schlugen; da der Churfürst von Bayern die Drohung fallen ließ, sich, bey längerer Beybehaltung dieses Generals, mit den Schweden zu vergleichen; da endlich auch der Spanische Abgesandte auf seiner Absetzung bestand, und im Weigerungsfall die Subsidiengelder seiner Krone zurückzuhalten drohte: so sah sich der Kaiser zum zweytenmal in die Nothwendigkeit gesetzt, ihn vom Kommando zu entfernen. Die eigenmächtigen und unmittelbaren Verfügungen des Kaisers bey der Armee belehrten den Herzog bald, daß der Vertrag mit ihm bereits als zerrissen betrachtet, und seine Abdankung unvermeidlich sey. Einer seiner Unterfeldherrn in Oesterreich, dem Wallenstein bey Strafe des Beils untersagt hatte, dem Hofe zu gehorsamen, empfing von dem Kaiser unmittelbaren Befehl, zu dem Churfürsten von Bayern zu stoßen; und an Wallenstein selbst erging die gebieterische Weisung, dem Kardinalinfanten, der mit einer Armee aus Italien unterwegs war, einige Regimenter zur Verstärkung entgegen zu senden. Alle diese Anstalten sagten ihm, daß der Plan unwiderruflich gemacht sey, ihn nach und nach zu entwaffnen, um ihn alsdann schwach und wehrlos auf Einmal in den Abgrund zu schleudern.

Zu seiner Selbstvertheidigung mußte er jetzt eilen, einen Plan auszuführen, der Anfangs nur zu seiner Vergrößerung bestimmt war. Länger als die Klugheit rieth, hatte er mit der Ausführung desselben gezögert, weil ihm noch immer die günstigen Konstellationen fehlten, oder, wie er gewöhnlich die Ungeduld seiner Freunde abfertigte, weil die Zeit noch nicht gekommen war. Die Zeit war auch jetzt noch nicht gekommen, aber die dringende Noth verstattete nicht mehr, die Gunst der Sterne zu erwarten. Das erste war, sich der Gesinnungen der vornehmsten Anführer zu versichern, [391] und alsdann die Treue der Armee zu erproben, die er so freygebig vorausgesetzt hatte. Drey derselben, die Obersten Kinsky, Terzky und Illo, waren schon längst in das Geheimniß gezogen, und die beyden ersten durch das Band der Verwandtschaft an sein Interesse geknüpft. Eine gleiche Ehrsucht, ein gleicher Haß gegen die Regierung, und die Hoffnung überschwenglicher Belohnungen verband sie aufs engste mit Wallenstein, der auch die niedrigsten Mittel nicht verschmäht hatte, die Zahl seiner Anhänger zu vermehren. Den Obersten Illo hatte er einsmals überredet, in Wien den Grafentitel zu suchen, und ihm dabey seine kräftigste Fürsprache zugesagt. Heimlich aber schrieb er an die Minister, ihm sein Gesuch abzuschlagen, weil sich sonst mehrere melden dürften, die gleiche Verdienste hätten, und auf gleiche Belohnungen Anspruch machten. Als Illo hernach zur Armee zurückkam, war sein erstes, ihn nach dem Erfolg seiner Bewerbungen zu fragen; und da ihm dieser von dem schlechten Ausgange derselben Nachricht gab, so fing er an, die bittersten Klagen gegen den Hof auszustoßen. „Das also hätten wir mit unsern treuen Diensten verdient,“ rief er, „daß meine Verwendung so gering geachtet, und euern Verdiensten eine so unbedeutende Belohnung verweigert wird! Wer wollte noch länger einem so undankbaren Herrn seine Dienste widmen? Nein, was mich angeht, ich bin von nun an der abgesagte Feind des Hauses Oesterreich.“ Illo stimmte bey, und so wurde zwischen beyden ein enges Bündniß gestiftet.

Aber was diese drey Vertrauten des Herzogs wußten, war lange Zeit ein undurchdringliches Geheimniß für die übrigen, und die Zuversicht, mit der Wallenstein von der Ergebenheit seiner Offiziere sprach, gründete sich einzig nur auf die Wohlthaten, die er ihnen erzeigt hatte, und auf ihre Unzufriedenheit mit dem Hofe. Aber diese schwankende Vermuthung mußte sich in Gewißheit verwandeln, [392] ehe er seine Maske abwarf, und sich einen öffentlichen Schritt gegen den Kaiser erlaubte. Graf Piccolomini, derselbe, der sich in dem Treffen bey Lützen durch einen beyspiellosen Muth ausgezeichnet hatte, war der Erste, dessen Treue er auf die Probe stellte. Er hatte sich diesen General durch große Geschenke verpflichtet, und er gab ihm den Vorzug vor allen andern, weil Piccolomini unter einerley Konstellation mit ihm geboren war. Diesem erklärte er, daß er, durch den Undank des Kaisers und seine nahe Gefahr gezwungen, unwiderruflich entschlossen sey, die Oesterreichische Partey zu verlassen, sich mit dem besten Theile der Armee auf feindliche Seite zu schlagen, und das Haus Oesterreich in allen Grenzen seiner Herrschaft zu bekriegen, bis es von der Wurzel vertilgt sey. Auf Piccolomini habe er bey dieser Unternehmung vorzüglich gerechnet, und ihm schon in voraus die glänzendsten Belohnungen zugedacht. Als dieser, um seine Bestürzung über diesen überraschenden Antrag zu verbergen, von den Hindernissen und Gefahren sprach, die sich einem so gewagten Unternehmen entgegen setzen würden, spottete Wallenstein seiner Furcht.

„Bey solchen Wagestücken,“ rief er aus, „sey nur der Anfang schwer; die Sterne seyen ihm gewogen, die Gelegenheit wie man sie nur immer verlangen könne, auch dem Glücke müsse man etwas vertrauen. Sein Entschluß stehe fest, und er würde, wenn es nicht anders geschehen könnte, an der Spitze von tausend Pferden sein Heil versuchen.“ Piccolomini hütete sich sehr, durch einen längern Widerspruch das Mißtrauen des Herzogs zu reitzen, und ergab sich mit anscheinender Ueberzeugung dem Gewicht seiner Gründe. So weit ging die Verblendung des Herzogs, daß es ihm, aller Warnungen des Grafen Terzky ungeachtet, gar nicht einfiel, an der Aufrichtigkeit dieses Mannes zu zweifeln, der keinen Augenblick verlor, die jetzt gemachte merkwürdige Entdeckung nach Wien zu berichten.

[393] Um endlich den entscheidenden Schritt zum Ziele zu thun, berief er im Jenner 1634 alle Kommandeurs der Armee nach Pilsen zusammen, wohin er sich gleich nach seinem Rückzug aus Bayern gewendet hatte. Das neueste Gesuch des Kaisers, die Erblande mit Winterquartieren zu verschonen, Regensburg noch in der rauhen Jahrszeit wieder zu erobern, und die Armee zu Verstärkung des Kardinalinfanten um sechstausend Mann Reiterey zu vermindern, war erheblich genug, um vor dem ganzen versammelten Kriegsrath in Erwägung gezogen zu werden, und dieser scheinbare Vorwand verbarg den Neugierigen den wahren Zweck der Zusammenberufung. Auch Schweden und Sachsen wurden heimlich dahin geladen, um mit dem Herzog von Friedland über den Frieden zu traktiren; mit den Befehlshabern entlegnerer Heere sollte schriftliche Abrede genommen werden. Zwanzig von den berufenen Kommandeurs erschienen; aber gerade die wichtigsten, Gallas, Kolloredo und Altringer, blieben aus. Der Herzog ließ seine Einladungen an sie dringend wiederholen, einstweilen aber, in Erwartung ihrer nahen Ankunft, zu der Hauptsache schreiten.

Es war nichts geringes, was er jetzt auf dem Wege war zu unternehmen. Einen stolzen, tapfern, auf seine Ehre wachsam haltenden Adel der schändlichsten Untreue fähig zu erklären, und in den Augen derjenigen, die bis jetzt nur gewohnt waren, in ihm den Abglanz der Majestät, den Richter ihrer Handlungen, den Bewahrer der Gesetze zu verehren, auf einmal als ein Niederträchtiger, als Verführer, als Rebell zu erscheinen. Nichts geringes war es, eine rechtmäßige, durch lange Verjährung befestigte, durch Religion und Gesetze geheiligte Gewalt in ihren Wurzeln zu erschüttern; alle jene Bezauberungen der Einbildungskraft und der Sinne, die furchtbaren Wachen eines rechtmäßigen Throns, zu zerstören; alle jene unvertilgbaren Gefühle der Pflicht, die in der Brust des Unterthans für den geborenen Beherrscher so laut und so mächtig sprechen, mit gewaltsamer Hand zu [394] vertilgen. Aber geblendet von dem Glanz einer Krone, bemerkte Wallenstein den Abgrund nicht, der zu seinen Füßen sich öffnete, und im vollen lebendigen Gefühl seiner Kraft, versäumte er – das gewöhnliche Loos starker und kühner Seelen – die Hindernisse gehörig zu würdigen und in Berechnung zu bringen. Wallenstein sah nichts als eine gegen den Hof theils gleichgültige, theils erbitterte Armee – eine Armee, die gewohnt war, seinem Ansehen mit blinder Unterwerfung zu huldigen, vor ihm als ihrem Gesetzgeber und Richter zu beben, seine Befehle, gleich den Aussprüchen des Schicksals, mit zitternder Ehrfurcht zu befolgen. In den übertriebnen Schmeicheleyen, womit man seiner Allgewalt huldigte, in den frechen Schmähungen gegen Hof und Regierung, die eine zügellose Soldateska sich erlaubte, und die wilde Licenz des Lagers entschuldigte, glaubte er die wahren Gesinnungen der Armee zu vernehmen, und die Kühnheit, mit der man selbst die Handlungen des Monarchen zu tadeln wagte, bürgte ihm für die Bereitwilligkeit der Truppen, einem so sehr verachteten Oberherrn die Pflicht aufzukündigen. Aber, was er sich als etwas so leichtes gedacht hatte, stand als der furchtbarste Gegner wider ihn auf; an dem Pflichtgefühl seiner Truppen scheiterten alle seine Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der Würde dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte. Zerreißen mußten alle [395] Bande der Treue zwischen ihm und seinen Truppen, sobald sich die gleich geheiligten Bande zwischen ihm und dem Throne lösten, und die Pflicht, die er selbst verletzt, widerlegt und straft ihn durch den mächtigen Einfluß, den sie auf den rohen Schwarm seiner Krieger behauptet.

Der Feldmarschall von Illo übernahm es, die Gesinnungen der Kommandeurs zu erforschen, und sie auf den Schritt, den man von ihnen erwartete, vorzubereiten. Er machte den Anfang damit, ihnen die neuesten Foderungen des Hofs an den General und die Armee vorzutragen; und durch die gehässige Wendung, die er denselben zu geben wußte, war es ihm leicht, den Zorn der ganzen Versammlung zu entflammen. Nach diesem wohlgewählten Eingang verbreitete er sich mit vieler Beredsamkeit über die Verdienste der Armee und des Feldherrn, und über den Undank, womit der Kaiser sie zu belohnen pflege. „Spanischer Einfluß,“ behauptete er, „leite alle Schritte des Hofes, das Ministerium stehe in Spanischem Solde; nur der Herzog von Friedland habe bis jetzt dieser Tyranney widerstanden, und deswegen den tödtlichsten Haß der Spanier auf sich geladen. Ihn vom Kommando zu entfernen, oder ganz und gar wegzuräumen, fuhr er fort, war längst schon das eifrigste Ziel ihrer Bestrebungen, und bis es ihnen mit einem von beyden gelingt, sucht man seine Macht im Felde zu untergraben. Aus keinem andern Grunde ist man bemüht, dem König von Ungarn das Kommando in die Hände zu spielen, bloß damit man diesen Prinzen, als ein williges Organ fremder Eingebungen, nach Gefallen im Felde herumführen, die Spanische Macht aber desto besser in Deutschland befestigen könne. Bloß um die Armee zu vermindern, begehrt man sechstausend Mann für den Kardinalinfanten; bloß um sie durch einen Winterfeldzug aufzureiben, dringt man auf die Wiedereroberung Regensburgs in der feindlichen Jahrszeit. Alle Mittel zum Unterhalt erschwert man der Armee, [396] während daß sich die Jesuiten und Minister mit dem Schweiß der Provinzen bereichern, und die für die Truppen bestimmten Gelder verschwenden. Der General bekennt sein Unvermögen, der Armee Wort zu halten, weil der Hof ihn im Stiche läßt. Für alle Dienste, die er innerhalb zwey und zwanzig Jahren dem Hause Oesterreich geleistet, für alle Mühseligkeiten, die er übernommen, für alle Reichthümer, die er in kaiserlichem Dienste von dem Seinigen zugesetzt, erwartet ihn eine zweyte schimpfliche Entlassung – Aber er erklärt, daß er es dazu nicht kommen lassen will. Von freyen Stücken entsagt er dem Kommando, ehe man es ihm mit Gewalt aus den Händen windet. Dieß ist es, fuhr der Redner fort, was er den Obersten durch mich entbietet. Jeder frage sich nun selbst, ob es rathsam ist, einen solchen General zu verlieren. Jeder sehe nun zu, wer ihm die Summen ersetze, die er im Dienste des Kaisers aufgewendet, und wo er den verdienten Lohn seiner Tapferkeit ärnte – wenn der dahin ist, unter dessen Augen er sie bewiesen hat.“

Ein allgemeines Geschrey, daß man den General nicht ziehen lassen dürfe, unterbrach den Redner. Vier der vornehmsten werden abgeordnet, ihm den Wunsch der Versammlung vorzutragen, und ihn flehentlich zu bitten, daß er die Armee nicht verlassen möchte. Der Herzog weigerte sich zum Schein, und ergab sich erst nach einer zweyten Gesandtschaft. Diese Nachgiebigkeit von seiner Seite schien einer Gegengefälligkeit von der ihrigen werth. Da er sich anheischig machte, ohne Wissen und Willen der Kommandeurs nicht aus dem Dienste zu treten, so foderte er von ihnen ein schriftliches Gegenversprechen, treu und fest an ihm zu halten, sich nimmer von ihm zu trennen oder trennen zu lassen, und für ihn den letzten Blutstropfen aufzusetzen. Wer sich von dem Bunde absondern würde, sollte für einen treuvergessenen Verräther gelten, und von den übrigen als ein gemeinschaftlicher Feind behandelt werden. Die ausdrücklich angehängte Bedingung: „So lange [397] Wallenstein die Armee zum Dienste des Kaisers gebrauchen würde,“ entfernte jede Mißdeutung, und keiner der versammelten Kommandeurs trug Bedenken, einem so unschuldig scheinenden und so billigen Begehren seinen vollen Beyfall zu schenken.

Die Vorlesung dieser Schrift geschah unmittelbar vor einem Gastmahl, welches der Feldmarschall von Illo ausdrücklich in dieser Absicht veranstaltet hatte; nach aufgehobener Tafel sollte die Unterzeichnung vor sich gehen. Der Wirth that das Seinige, die Besinnungskraft seiner Gäste durch starke Getränke abzustumpfen, und nicht eher, als bis er sie von Weindünsten taumeln sah, gab er ihnen die Schrift zur Unterzeichnung. Die mehresten mahlten leichtsinnig ihren Namen hin, ohne zu wissen, was sie unterschrieben; nur einige wenige, welche neugieriger oder mißtrauischer waren, durchliefen das Blatt noch einmal, und entdeckten mit Erstaunen, daß die Klausel: „So lange Wallenstein die Armee zum Besten des Kaisers gebrauchen würde,“ hinweggelassen sey. Illo nehmlich hatte mit einem geschickten Taschenspielerkniff das erste Exemplar mit einem andern ausgetauscht, in dem jene Klausel fehlte. Der Betrug wurde laut, und viele weigerten sich nun, ihre Unterschrift zu geben. Piccolomini, der den ganzen Betrug durchschaute, und bloß in der Absicht, dem Hofe davon Nachricht zu geben, an diesem Auftritte Theil nahm, vergaß sich in der Trunkenheit so, daß er die Gesundheit des Kaisers aufbrachte. Aber jetzt stand Graf Terzky auf, und erklärte alle für meineidige Schelmen, die zurück treten würden. Seine Drohungen, die Vorstellung der unvermeidlichen Gefahr, der man bey längerer Weigerung ausgesetzt war, das Beyspiel der Menge und Illo’s Beredsamkeit überwanden endlich ihre Bedenklichkeiten, und das Blatt wurde von jedem ohne Ausnahme unterzeichnet.

[398] Wallenstein hatte nun zwar seinen Zweck erreicht; aber die ganz unerwartete Widersetzung der Kommandeurs riß ihn auf einmal aus dem lieblichen Wahne, in dem er bisher geschwebt hatte. Zudem waren die mehresten Namen so unleserlich gekritzelt, daß man eine unredliche Absicht dahinter vermuthen mußte. Anstatt aber durch diesen warnenden Wink des Schicksals zum Nachdenken gebracht zu werden, ließ er seine gereitzte Empfindlichkeit in unwürdigen Klagen und Verwünschungen überströmen. Er berief die Kommandeurs am folgenden Morgen zu sich, und übernahm es in eigener Person, den ganzen Inhalt des Vortrags zu wiederholen, welchen Illo den Tag vorher an sie gehalten hatte. Nachdem er seinen Unwillen gegen den Hof in die bittersten Vorwürfe und Schmähungen ausgegossen, erinnerte er sie an ihre gestrige Widersetzlichkeit, und erklärte, daß er durch diese Entdeckung bewogen worden sey, sein Versprechen zurück zu nehmen. Stumm und betreten entfernten sich die Obersten, erschienen aber, nach einer kurzen Berathschlagung im Vorzimmer, aufs neue, den Vorfall von gestern zu entschuldigen, und sich zu einer neuen Unterschrift anzubieten.

Jetzt fehlte nichts mehr, als auch von den ausgebliebenen Generalen entweder eine gleiche Versicherung zu erhalten, oder sich im Weigerungsfall ihrer Personen zu bemächtigen. Wallenstein erneuerte daher seine Einladung, und trieb sie dringend an, ihre Ankunft zu beschleunigen. Aber noch ehe sie eintrafen, hatte sie der Ruf bereits von dem Vorgange zu Pilsen unterrichtet, und ihre Eilfertigkeit plötzlich gehemmt. Altringer blieb unter dem Vorwand einer Krankheit in dem festen Schloß Frauenberg liegen. Gallas fand sich zwar ein, aber bloß um als Augenzeuge den Kaiser von der drohenden Gefahr desto besser unterrichten zu können. Die Aufschlüsse, welche er und Piccolomini gaben, verwandelten die Besorgnisse des Hofs auf einmal in die schrecklichste Gewißheit. Aehnliche Neuigkeiten, welche man zugleich [399] von andern Orten her in Erfahrung brachte, ließen keinem Zweifel mehr Raum, und die schnelle Veränderung der Kommendantenstellen in Schlesien und Oesterreich schien auf eine höchst bedenkliche Unternehmung zu deuten. Die Gefahr war dringend und die Hülfe mußte schnell seyn. Dennoch wollte man nicht mit Vollziehung des Urtheils beginnen, sondern streng nach Gerechtigkeit verfahren. Man erläßt also an die vornehmsten Befehlshaber, deren Treue man sich versichert hielt, geheime Befehle, den Herzog von Friedland nebst seinen beyden Anhängern, Illo und Terzky, auf was Art es auch seyn möchte, zu verhaften und in sichre Verwahrung zu bringen, damit sie gehört werden und sich verantworten könnten. Sollte dieß aber auf so ruhigem Wege nicht zu bewirken seyn, so fodre die öffentliche Gefahr, sie todt oder lebendig zu greifen. Zugleich erhielt General Gallas ein offenes Patent, worin allen Obersten und Offizieren der Armee diese kaiserliche Verfügung bekannt gemacht, die ganze Armee ihrer Pflichten gegen den Verräther entlassen, und, bis ein neuer Generalissimus aufgestellt seyn würde, an den Generallieutenant von Gallas verwiesen wurde. Um den Verführten und Abtrünnigen die Rückkehr zu ihrer Pflicht zu erleichtern, und die Schuldigen nicht in Verzweiflung zu stürzen, bewilligte man eine gänzliche Amnestie über alles, was zu Pilsen gegen die Majestät des Kaisers begangen worden war.

Dem General von Gallas war nicht wohl zu Muthe bey der Ehre, die ihm widerfuhr. Er befand sich zu Pilsen, unter den Augen desjenigen, dessen Schicksal er bey sich trug – in der Gewalt seines Feindes, der hundert Augen hatte, ihn zu bewachen und dem Geheimnisse seines Auftrags auf die Spur zu kommen. Entdeckte aber Wallenstein, in welchen Händen er sich befand, so konnte ihn nichts vor den Wirkungen seiner Rache und Verzweiflung schützen. War es schon bedenklich, einen solchen Auftrag auch nur zu verheimlichen, so war es noch weit mißlicher, ihn zur Vollziehung zu bringen. Die Gesinnungen [400] der Kommandeurs waren ungewiß, und es ließ sich wenigstens zweifeln, ob sie sich bereitwillig würden finden lassen, nach dem einmal gethanen Schritt den kaiserlichen Versicherungen zu trauen, und allen glänzenden Hoffnungen, die sie auf Wallenstein gebaut hatten, auf einmal zu entsagen. Und dann, welch ein gefährliches Wagestück, Hand an die geheiligte Person eines Mannes zu legen, der bis jetzt für unverletzlich geachtet, durch lange Ausübung der höchsten Gewalt, durch einen zur Gewohnheit gewordenen Gehorsam zum Gegenstand der tiefsten Ehrfurcht geworden, und mit allem, was äußre Majestät und innre Größe verleihen kann, bewaffnet war – dessen Anblick schon ein knechtisches Zittern einjagte, der mit einem Winke Leben und Tod entschied! Einen solchen Mann, mitten unter den Wachen, die ihn umgaben, in einer Stadt, die ihm gänzlich ergeben schien, wie einen gemeinen Verbrecher zu greifen, und den Gegenstand einer so langgewohnten tiefen Verehrung auf einmal in einen Gegenstand des Mitleidens oder des Spottes zu verwandeln, war ein Auftrag, der auch den Muthigsten zagen machte. So tief hatten sich Furcht und Achtung vor ihm in die Brust seiner Soldaten gegraben, daß selbst das ungeheure Verbrechen des Hochverraths diese Empfindungen nicht ganz entwurzeln konnte.

Gallas begriff die Unmöglichkeit, unter den Augen des Herzogs seinen Auftrag zu vollziehen, und sein sehnlichster Wunsch war, sich, eh’ er einen Schritt zur Ausführung wagte, vorher mit Altringern zu besprechen. Da das lange Außenbleiben des letztern schon anfing Verdacht bey dem Herzog zu erregen, so erbot sich Gallas, sich in eigner Person nach Frauenberg zu verfügen, und Altringern, als seinen Verwandten, zur Herreise zu bewegen. Wallenstein nahm diesen Beweis seines Eifers mit so großem Wohlgefallen auf, daß er ihm seine eigene [401] Equipage zur Reise hergab. Froh über die gelungene List, verließ Gallas ungesäumt Pilsen, und überließ es dem Grafen Piccolomini, Wallensteins Schritte zu bewachen: er selbst aber zögerte nicht, von dem kaiserlichen Patente, wo es nur irgend anging, Gebrauch zu machen, und die Erklärung der Truppen fiel günstiger aus, als er je hatte erwarten können. Anstatt seinen Freund nach Pilsen mit zurückzubringen, schickte er ihn vielmehr nach Wien, um den Kaiser gegen einen gedrohten Angriff zu schützen, und er selbst ging nach Oberösterreich, wo man von der Nähe des Herzog Bernhards von Weimar die größte Gefahr besorgte. In Böhmen wurden die Städte Budweiß und Tabor aufs neue für den Kaiser besetzt, und alle Anstalten getroffen, den Unternehmungen des Verräthers schnell und mit Nachdruck zu begegnen.

Da auch Gallas an keine Rückkehr zu denken schien, so wagte es Piccolomini, die Leichtgläubigkeit des Herzogs noch einmal auf die Probe zu stellen. Er bat sich von ihm die Erlaubniß aus, den Gallas zurückzuholen, und Wallenstein ließ sich zum zweytenmal überlisten. Diese unbegreifliche Blindheit wird uns nur als eine Tochter seines Stolzes erklärbar, der sein Urtheil über eine Person nie zurück nahm, und die Möglichkeit zu irren auch sich selbst nicht gestehen wollte. Auch den Grafen Piccolomini ließ er in seinem eigenen Wagen nach Linz bringen, wo dieser sogleich dem Beyspiele des Gallas folgte, und noch einen Schritt weiter ging. Er hatte Wallenstein versprochen zurückzukehren; dieses that er, aber an der Spitze einer Armee, um den Herzog in Pilsen zu überfallen. Ein anderes Heer eilte unter dem General von Suys nach Prag, um diese Hauptstadt in kaiserliche Pflichten zu nehmen, und gegen einen Angriff der Rebellen zu vertheidigen. Zugleich kündigt sich Gallas allen zerstreuten Armeen Oesterreichs als [402] den einzigen Chef an, von dem man nunmehr Befehle anzunehmen habe. In allen kaiserlichen Lägern werden Plakate ausgestreut, die den Herzog nebst vier seiner Vertrauten für vogelfrey erklären, und die Armeen ihrer Pflichten gegen den Verräther entbinden. – Das zu Linz gegebene Beyspiel findet allgemeine Nachahmung; man verflucht das Andenken des Verräthers, alle Armeen fallen von ihm ab. Endlich nachdem auch Piccolomini sich nicht wieder sehen läßt, fällt die Decke von Wallensteins Augen, und schrecklich erwacht er aus seinem Traume. Doch auch jetzt glaubt er noch an die Wahrhaftigkeit der Sterne, und an die Treue der Armee. Gleich auf die Nachricht von Piccolomini’s Abfall läßt er den Befehl bekannt machen, daß man inskünftige keiner Ordre zu gehorchen habe, die nicht unmittelbar von ihm selbst oder von Terzky und Illo herrühre. Er rüstet sich in aller Eile, um nach Prag aufzubrechen, wo er Willens ist, endlich seine Maske abzuwerfen, und sich öffentlich gegen den Kaiser zu erklären. Vor Prag sollten alle Truppen sich versammeln, und von da aus mit Blitzes Schnelligkeit über Oesterreich herstürzen. Herzog Bernhard, der in die Verschwörung gezogen worden, sollte die Operationen des Herzogs mit Schwedischen Truppen unterstützen, und eine Diversion an der Donau machen. Schon eilte Terzky nach Prag voraus, und nur Mangel an Pferden hinderte den Herzog, mit dem Rest der treugebliebenen Regimenter nachzufolgen. Aber indem er mit der gespanntesten Erwartung den Nachrichten von Prag entgegen sieht, erfährt er den Verlust dieser Stadt, erfährt er den Abfall seiner Generale, die Desertion seiner Truppen, die Enthüllung seines ganzen Komplotts, den eilfertigen Anmarsch des Piccolomini, der ihm den Untergang geschworen. Schnell und schrecklich stürzen alle seine Entwürfe zusammen, täuschen ihn alle seine Hoffnungen. Einsam [403] steht er da, verlassen von allen, denen er Gutes that, verrathen von allen, auf die er baute. Aber solche Lagen sind es, die den grossen Charakter erproben. In allen seinen Erwartungen hintergangen, entsagt er keinem einzigen seiner Entwürfe; nichts giebt er verloren, weil er sich selbst noch übrig bleibt. Jetzt war die Zeit gekommen, wo er des so oft verlangten Beystands der Schweden und der Sachsen bedurfte, und wo aller Zweifel in die Aufrichtigkeit seiner Gesinnungen verschwand. Und jetzt, nachdem Oxenstierna und Arnheim seinen ernstlichen Vorsatz und seine Noth erkannten, bedachten sie sich auch nicht länger, die günstige Gelegenheit zu benutzen, und ihm ihren Schutz zuzusagen. Von Sächsischer Seite sollte ihm Herzog Franz Albert von Sachsen Lauenburg viertausend, von Schwedischer Herzog Bernhard und Pfalzgraf Christian von Birkenfeld sechstausend Mann geprüfter Truppen zuführen. Wallenstein verließ Pilsen mit dem Terzkyschen Regiment und den Wenigen, die ihm treu geblieben waren, oder sich doch stellten es zu seyn, und eilte nach Eger an die Grenze des Königreichs, um der Oberpfalz näher zu seyn, und die Vereinigung mit Herzog Bernhard zu erleichtern. Noch war ihm das Urtheil nicht bekannt, das ihn als einen öffentlichen Feind und Verräther erklärte; erst zu Eger sollte ihn dieser Donnerstrahl treffen. Noch rechnete er auf eine Armee, die General Schafgotsch in Schlesien für ihn bereit hielt, und schmeichelte sich noch immer mit der Hoffnung, daß viele, selbst von denen, die längst von ihm abgefallen waren, beym ersten Schimmer seines wieder auflebenden Glückes, zu ihm umkehren würden. Selbst auf der Flucht nach Eger – so wenig hatte die niederschlagende Erfahrung seinen verwegenen Muth gebändigt – beschäftigte ihn noch der ungeheure Entwurf, den Kaiser zu entthronen. Unter diesen Umständen geschah es, daß einer aus seinem Gefolge sich die Erlaubniß ausbat, ihm einen Rath zu ertheilen. „Beym [404] Kaiser,“ fing er an, „sind Eure Fürstliche Gnaden ein gewisser, ein großer und hoch ästimirter Herr; beym Feinde sind sie noch ein ungewisser König. Es ist aber nicht weise gehandelt, das Gewisse zu wagen für das Ungewisse. Der Feind wird sich Eurer Gnaden Person bedienen, weil die Gelegenheit günstig ist; Ihre Person aber wird ihm immer verdächtig seyn, und stets wird er fürchten, daß Sie auch ihm einmal thun möchten, wie jetzt dem Kaiser. Deswegen kehren Sie um, dieweil es noch Zeit ist.“ – „Und wie ist da noch zu helfen?“ fiel der Herzog ihm ins Wort. – „Sie haben,“ erwiederte jener, „vierzigtausend Armirte (Dukaten mit geharnischten Männern) in der Truhen. Die nehmen Sie in die Hand, und reisen geraden Wegs damit an den kaiserlichen Hof. Dort erklären Sie, daß Sie alle bisherigen Schritte bloß gethan, die Treue der kaiserlichen Diener auf die Probe zu stellen, und die Redlichgesinnten von den Verdächtigen zu unterscheiden. Und da nun die meisten sich zum Abfall geneigt bewiesen, so seyen Sie jetzt gekommen, Seine kaiserliche Majestät vor diesen gefährlichen Menschen zu warnen. So werden Sie jeden zum Verräther machen, der Sie jetzt zum Schelm machen will. Am kaiserlichen Hof wird man Sie, mit den vierzigtausend Armirten, gewißlich willkommen heißen, und Sie werden wieder der erste Friedländer werden.“ –„Der Vorschlag ist gut,“ antwortete Wallenstein nach einigem Nachdenken, „aber der Teufel traue!“

Indem der Herzog, von Eger aus, die Unterhandlungen mit dem Feinde lebhaft betrieb, die Sterne befrage und frischen Hoffnungen Raum gab, wurde beynahe unter seinen Augen der Dolch geschliffen, der seinem Leben ein Ende machte. Der kaiserliche Urtheilsspruch, der ihn für vogelfrey erklärte, hatte seine Wirkung nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des Undanks erliegen sollte. [405] Unter seinen Offizieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst beehrt, und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich – ob aus Pflichtgefühl oder aus niedrigen Antrieben, ist ungewiß – bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht sobald war dieser Leßlie im Gefolge des Herzogs zu Eger angelangt, als er dem Kommendanten dieser Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberstlieutenant Gordon, zweyen protestantischen Schottländern, alle schlimmen Anschläge des Herzogs entdeckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut hatte. Leßlie fand hier zwey Männer, die eines Entschlusses fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verrätherey und Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, allgemein verlassenen Rebellen; wiewohl der letztere der gemeinschaftliche Wohlthäter war, so konnte die Wahl doch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben. Man verbindet sich fest und feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und diese fodert die schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Gelegenheit ist günstig, und sein böser Genius hat ihn von selbst in die Hände der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig zuzuführen; und man scheidet von einander mit dem gewagten Entschluß, den Feldherrn gefangen zu nehmen. Tiefes Geheimniß umhüllt dieses schwarze Komplott, und Wallenstein, ohne Ahndung des ihm so nahe schwebenden Verderbens, schmeichelt sich vielmehr, in der Besatzung von Eger seine tapfersten und treusten Verfechter zu finden.

Um eben diese Zeit werden ihm die kaiserlichen Patente überbracht, die sein Urtheil enthalten und in allen Lägern gegen ihn bekannt gemacht sind. Er erkennt jetzt die ganze Größe der Gefahr, die ihn umlagert, die gänzliche Unmöglichkeit der Rückkehr, [406] seine fürchterliche verlassene Lage, die Nothwendigkeit, sich auf Treu und Glauben dem Feinde zu überliefern. Gegen Leßlie ergießt sich der ganze Unmuth seiner verwundeten Seele, und die Heftigkeit des Affekts entreißt ihm das letzte noch übrige Geheimniß. Er entdeckt diesem Offizier seinen Entschluß, Eger und Elnbogen, als die Pässe des Königreichs, dem Pfalzgrafen von Birkenfeld einzuräumen, und unterrichtet ihn zugleich von der nahen Ankunft des Herzog Bernhards in Eger, wovon er noch in eben dieser Nacht durch einen Eilboten benachrichtigt worden. Diese Entdeckung, welche Leßlie seinen Mitverschwornen aufs schleunigste mittheilt, ändert ihren ersten Entschluß. Die dringende Gefahr erlaubt keine Schonung mehr. Eger konnte jeden Augenblick in feindliche Hände fallen, und eine schnelle Revolution ihren Gefangenen in Freyheit setzen. Diesem Unglück zuvor zu kommen, beschließen sie, ihn sammt seinen Vertrauten in der folgenden Nacht zu ermorden.

Damit dieß mit um so weniger Geräusch geschehen möchte, sollte die That bey einem Gastmahle vollzogen werden, welches der Oberste Buttler auf dem Schlosse zu Eger veranstaltete. Die andern alle erschienen; nur Wallenstein, der viel zu bewegt war, um in fröhliche Gesellschaft zu taugen, ließ sich entschuldigen. Man mußte also, in Ansehung seiner, den Plan abändern; gegen die andern aber beschloß man der Abrede gemäß zu verfahren. In sorgloser Sicherheit erschienen die drey Obersten Illo, Terzky und Wilhelm Kinsky, und mit ihnen Rittmeister Neumann, ein Offizier voll Fähigkeit, dessen sich Terzky bey jedem verwickelten Geschäfte, welches Kopf erfoderte, zu bedienen pflegte. Man hatte vor ihrer Ankunft die zuverlässigsten Soldaten aus der Besatzung, welche mit in das Komplott gezogen war, in das Schloß eingenommen, alle Ausgänge aus demselben wohl besetzt, und in einer Kammer neben dem Speisesaal sechs [407] Buttlerische Dragoner verborgen, die auf ein verabredetes Signal hervorbrechen und die Verräther niederstoßen sollten. Ohne Ahndung der Gefahr, die über ihrem Haupte schwebte, überließen sich die sorglosen Gäste den Vergnügungen der Mahlzeit, und Wallensteins, nicht mehr des kaiserlichen Dieners, sondern des souverainen Fürsten, Gesundheit wurde aus vollen Bechern getrunken. Der Wein öffnete ihnen die Herzen, und Illo entdeckte mit vielem Uebermuth, daß in drey Tagen eine Armee da stehen werde, dergleichen Wallenstein niemals angeführt habe. – „Ja,“ fiel Neumann ein, „und dann hoffe er, seine Hände in der Oesterreicher Blut zu waschen.“ Unter diesen Reden wird das Desert aufgetragen, und nun giebt Leßlie das verabredete Zeichen, die Aufzugbrücke zu sperren, und nimmt selbst alle Thorschlüssel zu sich. Auf einmal füllt sich der Speisesaal mit Bewaffneten an, die sich mit dem unerwarteten Gruße: Vivat Ferdinandus! hinter die Stühle der bezeichneten Gäste pflanzen. Bestürzt und mit einer übeln Ahndung springen alle vier zugleich von der Tafel auf. Kinsky und Terzky werden sogleich erstochen, ehe sie sich zur Wehr setzen können; Neumann allein findet Gelegenheit, während der Verwirrung in den Hof zu entwischen, wo er aber von den Wachen erkannt und sogleich niedergemacht wird. Nur Illo hatte Gegenwart des Geistes genug, sich zu vertheidigen. Er stellte sich an ein Fenster, von wo er dem Gordon seine Verrätherey unter den bittersten Schmähungen vorwarf, und ihn auffoderte, sich ehrlich und ritterlich mit ihm zu schlagen. Erst nach der tapfersten Gegenwehr, nachdem er zwey seiner Feinde todt dahin gestreckt, sank er, überwältigt von der Zahl und von zehen Stichen durchbohrt, zu Boden. Gleich nach vollbrachter That eilte Leßlie nach der Stadt, um einem Auflauf zuvor zu kommen. Als die Schildwachen am Schloßthor ihn außer Athem daher rennen sahen, [408] feuerten sie, in dem Wahne, daß er mit zu den Rebellen gehöre, ihre Flinten auf ihn ab, doch ohne ihn zu treffen. Aber diese Schüsse brachten die Wachen in der Stadt in Bewegung, und Leßlies schnelle Gegenwart war nöthig, sie zu beruhigen. Er entdeckte ihnen nunmehr umständlich den ganzen Zusammenhang der Friedländischen Verschwörung, und die Maßregeln, die dagegen bereits getroffen worden, das Schicksal der vier Rebellen, so wie dasjenige, welches den Anführer selbst erwartete. Als er sie bereitwillig fand, seinem Vorhaben beyzutreten, nahm er ihnen aufs neue einen Eid ab, dem Kaiser getreu zu seyn, und für die gute Sache zu leben und zu sterben. Nun wurden hundert Buttlerische Dragoner von der Burg aus in die Stadt eingelassen, die alle Straßen durchreiten mußten, um die Anhänger des Verräthers im Zaum zu halten, und jedem Tumult vorzubeugen. Zugleich besetzte man alle Thore der Stadt Eger, und jeden Zugang zum Friedländischen Schlosse, das an den Markt stieß, mit einer zahlreichen und zuverlässigen Mannschaft, daß der Herzog weder entkommen, noch Hülfe von aussen erhalten konnte.

Bevor man aber zur Ausführung schritt, wurde von den Verschwornen auf der Burg noch eine lange Berathschlagung gehalten, ob man ihn wirklich ermorden, oder sich nicht lieber begnügen sollte, ihn gefangen zu nehmen. Besprützt mit Blut, und gleichsam auf den Leichen seiner erschlagenen Genossen, schauderten diese wilden Seelen zurück vor der Missethat, ein so merkwürdiges, großes Leben zu enden. Sie sahen ihn, den Führer in der Schlacht, in seinen glücklichen Tagen, umgeben von seiner siegenden Armee, im vollen Glanz seiner Herrschergöße; und noch einmal ergriff die langgewohnte Furcht ihre zagenden Herzen. Doch bald erstickt die Vorstellung der dringenden Gefahr diese flüchtige Regung. Man erinnert sich der [409] Drohungen, welche Neumann und Illo bey der Tafel ausgestoßen, man sieht die Sachsen und Schweden schon in der Nähe von Eger mit einer furchtbaren Armee, und keine Rettung als in dem schleunigen Untergange des Verräthers. Es bleibt also bey dem ersten Entschluß, und der schon bereit gehaltene Mörder, Hauptmann Deveroux, ein Irländer, erhält den blutigen Befehl.

Während daß jene drey auf der Burg von Eger sein Schicksal bestimmten, beschäftigte sich Wallenstein in einer Unterredung mit Seni, es in den Sternen zu lesen. „Die Gefahr ist noch nicht vorüber,“ sagte der Astrolog mit prophetischem Geiste. „Sie ist es,“ sagte der Herzog, der an dem Himmel selbst seinen Willen wollte durchgesetzt haben. „Aber daß Du mit nächstem wirst in den Kerker geworfen werden,“ fuhr er mit gleich prophetischem Geiste fort, „das, Freund Seni, steht in den Sternen geschrieben!“ Der Astrolog hatte sich beurlaubt, und Wallenstein war zu Bette, als Hauptmann Deveroux mit sechs Hellebardierern vor seiner Wohnung erschien, und von der Wache, der es nichts außerordentliches war, ihn zu einer ungewöhnlichen Zeit bey dem General aus- und eingehen zu sehen, ohne Schwierigkeit eingelassen wurde. Ein Page, der ihm auf der Treppe begegnet, und Lerm machen will, wird mit einer Pike durchstochen. In dem Vorzimmer stoßen die Mörder auf einen Kammerdiener, der aus dem Schlafgemach seines Herrn tritt, und den Schlüssel zu demselben so eben abgezogen hat. Den Finger auf den Mund legend, bedeutet sie der erschrockne Sklav, keinen Lerm zu machen, weil der Herzog eben eingeschlafen sey. „Freund,“ ruft Deveroux ihn an, „jetzt ist es Zeit zu lermen.“ Unter diesen Worten rennt er gegen die verschlossene Thüre, die auch von innen verriegelt ist, und sprengt sie mit einem Fußtritte.

[410] Wallenstein war durch den Knall, den eine losgehende Flinte erregte, aus dem ersten Schlaf aufgepocht worden, und ans Fenster gesprungen, um der Wache zu rufen. In diesem Augenblick hörte er aus den Fenstern des anstoßenden Gebäudes das Heulen und Wehklagen der Gräfinnen Terzky und Kinsky, die so eben von dem gewaltsamen Tod ihrer Männer benachrichtigt worden. Ehe er Zeit hatte diesem schrecklichen Vorfalle nachzudenken, stand Deveroux mit seinen Mordgehülfen im Zimmer. Er war noch im bloßen Hemde, wie er aus dem Bette gesprungen war, zunächst an dem Fenster an einen Tisch gelehnt. „Bist Du der Schelm,“ schreyt Deveroux ihn an, „der des Kaisers Volk zu dem Feind überführen, und Seiner Majestät die Krone vom Haupte herunter reißen will? Jetzt mußt du sterben.“ Er hält einige Augenblicke inne, als ob er eine Antwort erwartete; aber Ueberraschung und Trotz verschließen Wallensteins Mund. Die Arme weit aus einander breitend, empfängt er vorn in der Brust den tödtlichen Stoß der Hellebarde, und fällt dahin in seinem Blut, ohne einen Laut auszustoßen.

Den Tag darauf langt ein Expresser von dem Herzog von Lauenburg an, der die nahe Ankunft dieses Prinzen berichtet. Man versichert sich seiner Person, und ein andrer Lakey wird in Friedländischer Livree an den Herzog abgeschickt, ihn nach Eger zu locken. Die List gelingt, und Franz Albert überliefert sich selbst den Händen der Feinde. Wenig fehlte, daß Herzog Bernhard von Weimar, der schon auf der Reise nach Eger begriffen war, nicht ein ähnliches Schicksal erfahren hätte. Zum Glück erhält er von Wallensteins Untergang noch früh genug Nachricht, um sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr zu entreißen. Ferdinand weihte dem Schicksale seines Generals eine Thräne, und ließ für die Ermordeten zu Wien dreytausend Seelmessen lesen; zugleich aber vergaß er nicht, [411] die Mörder mit goldenen Gnadenketten, Kammerherrnschlüsseln, Dignitäten und Rittergütern zu belohnen.

So endigte Wallenstein, in einem Alter von funfzig Jahren, sein thatenreiches und außerordentliches Leben; durch Ehrgeitz emporgehoben, durch Ehrsucht gestürzt, bey allen seinen Mängeln noch groß und bewundernswerth, unübertrefflich, wenn er Maß gehalten hätte. Die Tugenden des Herrschers und Helden, Klugheit, Gerechtigkeit, Festigkeit und Muth, ragen in seinem Charakter kolossalisch hervor; aber ihm fehlten die sanftem Tugenden des Menschen, die den Helden zieren, und dem Herrscher Liebe erwerben. Furcht war der Talisman, durch den er wirkte, ausschweifend im Strafen wie im Belohnen wußte er den Eifer seiner Untergebenen in immerwährender Spannung zu erhalten, und befolgt zu seyn wie er, konnte kein Feldherr in mittlern und neuern Zeiten sich rühmen. Mehr als Tapferkeit galt ihm die Unterwürfigkeit gegen seine Befehle, weil durch jene nur der Soldat, durch diese der Feldherr handelt. Er übte die Folgsamkeit der Truppen durch eigensinnige Verordnungen, und belohnte die Willigkeit ihm zu gehorchen auch in Kleinigkeiten mit Verschwendung, weil er den Gehorsam höher als den Gegenstand schätzte. Einsmals ließ er bey Lebensstrafe verbieten, daß in der ganzen Armee keine andre als rothe Feldbinden getragen werden sollten. Ein Rittmeister hatte diesen Befehl kaum vernommen, als er seine mit Gold durchwirkte Feldbinde abnahm und mit Füßen trat. Wallenstein, dem man es hinterbrachte, machte ihn auf der Stelle zum Obersten. Stets war sein Blick auf das Ganze gerichtet, und bey allem Scheine der Willkühr, verlor er doch nie den Grundsatz der Zweckmäßigkeit aus den Augen. Die Räubereyen der Soldaten in Freundes Land, hatten geschärfte Verordnungen gegen die [412] Marodeurs veranlaßt, und der Strang war jedem gedroht, den man auf einem Diebstahl betreten würde. Da geschah es, daß Wallenstein selbst einem Soldaten auf dem Felde begegnete, den er ununtersucht als einen Uebertreter des Gesetzes ergreifen ließ, und mit dem gewöhnlichen Donnerwort, gegen welches keine Einwendung Statt fand: „Laß die Bestie hängen,“ zum Galgen verdammte. Der Soldat betheuert und beweist seine Unschuld – aber die unwiderrufliche Sentenz ist heraus. „So hänge man dich unschuldig,“ sagte der Unmenschliche; „desto gewisser wird der Schuldige zittern.“ Schon macht man die Anstalten, diesen Befehl zu vollziehen, als der Soldat, der sich ohne Rettung verloren sieht, den verzweifelten Entschluß faßt, nicht ohne Rache zu sterben. Wüthend fällt er seinen Richter an, wird aber, ehe er seinen Vorsatz ausführen kann, von der überlegenen Anzahl entwaffnet. „Jetzt laßt ihn laufen,“ sagte der Herzog. „Es wird Schrecken genug erregen.“ Seine Freygebigkeit wurde durch unermeßliche Einkünfte unterstützt, welche jährlich auf drey Millionen geschätzt wurden, die ungeheuern Summen nicht gerechnet, die er unter dem Namen von Brandschatzungen zu erpressen wußte. Sein freyer Sinn und heller Verstand erhob ihn über die Religionsvorurtheile seines Jahrhunderts, und die Jesuiten vergaben es ihm nie, daß er ihr System durchschaute, und in dem Pabste nichts als einen Römischen Bischof sah.

Aber, wie schon seit Samuels des Propheten Tagen keiner, der sich mit der Kirche entzweyte, ein glückliches Ende nahm, so vermehrte auch Wallenstein die Zahl ihrer Opfer. Durch Mönchsintriguen verlor er zu Regensburg den Commandostab, und zu Eger das Leben; durch mönchische Künste verlor er vielleicht, was mehr war als beydes, seinen ehrlichen Namen und seinen guten Ruf vor der Nachwelt. Denn endlich muß man, zur [413] Steuer der Gerechtigkeit, gestehen, daß es nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen Mannes überliefert haben; daß die Verrätherey des Herzogs und sein Entwurf auf die Böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Thatsache, bloß auf wahrscheinliche Vermuthungen gründen. Noch hat sich das Dokument nicht gefunden, das uns die geheimen Triebfedern seines Handelns mit historischer Zuverläßigkeit aufdeckte, und unter seinen öffentlichen allgemein beglaubigten Thaten ist keine, die nicht endlich aus einer unschuldigen Quelle könnte geflossen seyn. Viele seiner getadeltsten Schritte beweisen bloß seine ernstliche Neigung zum Frieden; die meisten andern erklären und entschuldigen das gerechte Mißtrauen gegen den Kaiser, und das verzeihliche Bestreben, seine Wichtigkeit zu behaupten. Zwar zeugt sein Betragen gegen den Churfürsten von Bayern von einer unedlen Rachsucht und einem unversöhnlichen Geiste; aber keine seiner Thaten berechtigt uns, ihn der Verrätherey für überwiesen zu halten. Wenn endlich Noth und Verzweiflung ihn antreiben, das Urtheil wirklich zu verdienen, das gegen den Unschuldigen gefällt war, so kann dieses dem Urtheil selbst nicht zur Rechtfertigung gereichen; so fiel Wallenstein, nicht, weil er Rebell war, sondern er rebellirte, weil er fiel. Ein Unglück für den Lebenden, daß er eine siegende Parthey sich zum Feinde gemacht hatte – ein Unglück für den Todten, daß ihn dieser Feind überlebte und seine Geschichte schrieb.

Gustav Adolph und Wallenstein, die Helden dieses kriegerischen Dramas, sind von der Bühne verschwunden, und mit ihnen verläßt uns die Einheit der Handlung, welche die Uebersicht der Begebenheiten bisher erleichterte. Von jetzt an vertheilt sich die Handlung unter mehrere Spieler, und die noch übrige Hälfte dieser Kriegsgeschichte, fruchtbarer an Schlachten und Negotiationen, an [414] Staatsmännern und an Helden, dürfte an Interesse und Reitz für meine Leserinnen desto ärmer seyn.

Da die engen Grenzen dieser Schrift mir keine ausführliche Darstellung mehr erlauben, und ich es nicht wagen darf, die Gefälligkeit meiner Leserinnen durch eine dritte Fortsetzung zu mißbrauchen, so mache ich hier der umständlichen Erzählung ein Ende, und behalte die Vollendung derselben einem schicklichern Platz und einer freyeren Muße vor. Abwechselung ist das Gesetz der Mode, und ein Kalender darf, wenn ihm diese Göttin ihren Schutz nicht entziehen soll, keine Ausnahme davon machen. Nur noch einen flüchtigen Blick erlaube man mir über die zweyte noch übrige Hälfte dieses Kriegs zu werfen, um wenigstens einen Umriß des Ganzen zu geben, und der Neugier zu halten, was ich der Wißbegierde schuldig bleiben muß.




  1. Eine nähere Bekanntschaft mit diesem großen Manne verschafft die unter den Titel: Oxenstierna, im vorigen Jahrgange dieses Kalenders abgedruckte vortreffliche Schilderung.
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