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Geschichte des Illuminaten-Ordens/Die Gründung des Ordens

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Weishaupts geistige Ausbildung und Charakterentwicklung bis zur Ordensgründung Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Die Gründung des Ordens
Die Ordensbegründung nach der Darstellung von F. X. v. Zwackh


[54]
Die Gründung des Ordens.

Die Gründung des Ordens datiert nach den Angaben Weishaupts vom 1. Mai 1776. In seinem Werke »Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und Regierungskunst« gibt er im dritten Abschnitt dieses Buches sehr genaue Auskunft. Will man Weishaupt gerecht beurteilen, so muss man seine Behauptungen und Angaben zunächst kennen, um dann an der Hand des vorhandenen Aktenmaterials unter Berücksichtigung der historischen Ereignisse zu untersuchen, ob diesen der Glaube gewährt werden kann, den Weishaupt für sich beansprucht. Es ist nötig, den ganzen dritten Abschnitt zur Grundlage weiterer Untersuchungen hier anzugeben, derselbe lautet:

Von den Absichten der ersten Stifter geheimer Verbindungen.

Die Absichten der ersten Stifter sind von den Zwecken ihrer Gesellschaften wohl zu unterscheiden. Aus solchen lässt sich mit grosser Genauigkeit bestimmen, ob der Zweck ihrer Gesellschaft wahr oder bloss vorgeblich ist? Ob der Stifter selbst ein Heuchler oder Betrüger gewesen? Ob die Gesellschaft sich in der Folge von ihren ersten Grundsätzen entfernt, ob [55] sich die Gesellschaft verbessert oder verschlimmert hat? Es fragt sich also nicht allein, welchen Zweck eine geheime Verbindung hat; es fragt sich noch überdies, was den ersten Stifter bewogen habe, seiner Gesellschaft diesen und keinen anderen Zweck zu geben? Was er durch die Erreichung solcher Zwecke gesucht habe? Es fragt sich, ob seine Ansichten rein oder eigennützig gewesen? Diese Absichten verraten sich aus dem Stand, Charakter, Lebensart, Bedürfnissen und Umgang des Stifters, nicht weniger aus den übrigen Umständen, Zeit und

Adam Weishaupt.
nach einem im Ordensarchiv befindlichen alten Kupferstich.

Ort, selbst aus vielen ursprünglichen Einrichtungen, welche der Urheber nicht ohne Ursache getroffen hat. Wenn diese Umstände genau erwogen und gehörig unter einander verglichen werden, so kann die wahre Absicht einer solchen Handlung unmöglich verborgen bleiben.

Die öffentliche Welt, welche hinter jedem Geheimnis nur Arglist, Bosheit und Betrug vermutet, schreibt ein solches Unternehmen gewöhnlich dem Ehrgeize zu, der Begierde, sich einen Anhang und grösseren Einfluss zu verschaffen.

Im ganzen und allgemeinen nach dem zu urteilen, was am häufigsten geschieht, mag dies Urtheil sehr begründet sein: [56] denn die Erfahrung hat Welt und Menschen klug gemacht, indem sie lehrt, dass jede Anstalt zehnmal missbraucht wird, bis sie einmal zum Guten benutzt wird. Doch sind auch hier, wie in allen übrigen Fällen, billige und gerechte Ausnahmen zu machen. Man würde sich z. B. sehr irren, wenn man glauben wollte, dass alle diese geheimen Verbindungen, schon bei ihrem ersten Entstehen, nach so grossen und weit aussehenden Plänen entworfen werden.

Viele derselben haben sehr kleine, unbedeutende Veranlassungen; manche sind auf weiter nichts als Zeitvertreib und Unterhaltung abgesehen, oder sie entstehen, wenn es hoch kommt, um einem temporären oder lokalen Bedürfnis abzuhelfen; sie würden mit diesem aufhören, wenn sie nicht durch die Gewohnheit erhalten würden. Erst in der Folge bemerkt ein oder der andere, dass sich eine solche Einrichtung, da nun einmal die Sache so weit im Gange ist, zu allgemeinern, fortdauernden und reellen Zwecken benutzen liesse. Der politische oder religiöse Druck sind wohl bei edleren Seelen die natürlichste Veranlassung, welche das Bedürfnis nach solchen Anstalten erwecken. Von einer anderen Seite sind der Eigendünkel, die Herrschsucht, die Unzufriedenheit mit schon vorhandenen älteren Gesellschaften, die Begierde, seine Einfälle geltend zu machen, die Ursache, dass sich einige von älteren Gesellschaften absondern, um nach ihren Ideen ein neues und besseres Reich zu gründen. So ist die Freimaurerei die gemeinschaftliche Stammmutter der meisten heutigen geheimen Gesellschaften. Die meisten Stifter der heutigen Orden sind Apostaten, ausgeschlossene, misshandelte oder nicht befriedigte Mitglieder dieser Gesellschaft. Diese haben in dieser Schule einsehen gelernt, dass sich auf diesem Wege noch ungleich mehr tun liesse, wie sehr sich der Hang der Menschen nach Geheimnissen zur Ausführung und Erreichung anderer Zwecke benutzen liesse. Solche Aussichten ermuntern und reizen die Thätigkeit unternehmender Menschen, und die anscheinende Leichtigkeit macht, das sich jeder über alle Schwierigkeiten hinwegsetzt.

Auch ich war der Stifter einer geheimen, verfallenen und nun öffentlich bekannt gewordenen Gesellschaft. Diese Gesellschaft, in deren Geist sich die wenigsten meiner Mitarbeiter hinein gedacht haben, welche der grössere Theil der Menschen mit Verachtung und Gleichgültigkeit betrachtet, ist von anderen [57] bis zur Übertreibung verlästert worden. Keine Absicht ist so schändlich, welche man mir, ihrem Stifter, nicht zur Last gelegt hätte. Ich habe darüber alles mögliche Ungemach erfahren. Meine Ehre, meine Ruhe, mein ganzes zeitliches Glück, sind verloren; sogar meine Sicherheit und mein Leben, sind mehr als einmal in Gefahr geraten. Ich habe so viel möglich geduldet und geschwiegen, und die Gelegenheit erwartet, wo ich diese Verleumdung von Grund aus untersuchen, und dieses Schreckensbild in seiner Blösse darstellen kann. Diese Gelegenheit ist nun vorhanden. Ich will meinen Lesern beweisen, dass ich diese Behandlung nicht verdiene. Ich will zu diesem Ende jeden in den Stand setzen, sich ganz in den Geist meiner Verbindung zu denken; ich will mit ihnen diese Verbindung errichten; ich will sie mit den kleinsten Umständen bekannt machen; ich will es sodann ihrem Urtheil überlassen, welche meine Absichten bei der Erreichung dieser Verbindung mögen gewesen sein, ob meine Gegner Recht haben, mich als Heuchler und Betrüger, als einen Sittenverderber, als einen Verführer der Jugend, als einen der öffentlichen Ruhe so gefährlichen Menschen zu lästern und zu verschreien? – Eine so offenherzige Darstellung wird, wie ich hoffe, viele meiner Leser mit dem Gange und der Natur dieser Geschäfte, besser bekannt machen, als ganze Bücher von allgemeinen Regeln und Vorschriften. Ich will jedem, der nach mir dieses Meer noch einmal durchschiffen will, die Stellen angeben, wo er Gefahr laufen kann, gleich mir zu scheitern:

Heureux celui, qui pour devenir sage
Du mal d’autrui fait son apprentissage.

Wie sehr wird sich nicht Herr H ..., ein Protestant aus H., er, der nie ein Mitglied meiner Gesellschaft war, wundern, wenn er hier liest, dass er, ohne es zu wissen, derjenige ist, welcher diesen Gedanken in mir veranlasste, dass er folglich, die entfernte Ursache, von der Entstehung dieser so verschrieenen Gesellschaft ist? Ich führe diesen Umstand an, um zu beweisen, wie sehr mancher, ohne es selbst jemals zu erfahren, durch eine Kleinigkeit, durch ein Wort zu seiner Zeit, das auf ein empfängliches Erdreich fällt, auf die übrige Welt wirken und sehr grosse Erfolge hervorbringen kann. Dies sei allen zum Trost gesagt, welche glauben, dass sie in ihrer sehr eingeschränkten Lage ganz ohne Wirksamkeit sind. – Dieser Mann kam gegen das Ende des Jahres 1774 nach Ingolstadt. [58] Vor seiner Ankunft habe ich nie etwas von dem Dasein geheimer Verbindungen gewusst, ob ich gleich nicht leugne, dass sich durch das anhaltende Lesen der römischen und griechischen Geschichtsschreiber, mein Geist vorher gestimmt hatte, dass ich sehr frühzeitig einen unwiderstehlichen Hass gegen alle Niederträchtigkeit und Unterdrückung gefühlt, und sehr früh geahndet habe, wie schwach der Mensch ausser der Vereinigung sei, wie sehr er sich im Gegentheil durch die Vereinigung mit anderen stärken könne.

Nach der sehr richtigen Bemerkung: Urit mature, quod vult urtica manere, habe ich zu diesem Ende schon in meinen Studienjahren, einige Versuche gemacht, um das Band unter Menschen zu verstärken, und ihre Kräfte aus der Zerstreuung zu sammeln. Wenn nun jemand die dazumal von mir entworfenen lächerlichen und erbärmlichen Statuten späterhin gefunden, und in der Absicht zum öffentlichen Druck befördert hätte, um mich zu beschämen, und dem öffentlichen Gelächter preiszugeben, um daraus gegen mich, gegen meine gegenwärtige Denkungsart zu beweisen, was würde er bewiesen haben? – Nichts weiter, als dass ich in diesen Zeiten, in den Jahren 1765 und 1766 gedacht habe, wie ein unerfahrener Jüngling von 18 Jahren, der mehr guten Willen, als nöthige Kenntnisse und Erfahrungen hat, sich zu einem Geschäfte anschickt, welches er nicht versteht, dem er auf keine Art gewachsen ist. Würde er aber auch bewiesen haben, dass ich noch ebenso denke, dass ich seit dem Verlaufe von 26 langen Jahren, um gar nichts besser und klüger geworden? – und doch ist dies gerade der Schluss, welchen die meisten Leser der Originalschriften, auf eine sehr inconsequente Art gefolgert haben!

Auf diese Art war mein Geist vorbereitet und gestimmt, als Herr H ... im Jahre 1774 nach Ingolstadt kam. Er hat mich während seines Aufenthalts einige Monate hindurch täglich besucht; es versteht sich von selbst, dass die Unterredung in einem so langen Zeitraume, auf verschiedene Gegenstände fällt. Er kam soeben von protestantischen Universitäten. Eine Nachfrage nach der Verfassung und Einrichtung derselben ist für einen öffentlichen Lehrer, wie ich schon damals war, sehr natürlich; es ist nicht minder natürlich, dass auch bei dieser Gelegenheit, der dort üblichen Studentenorden gedacht wurde. Von diesen ist der Übergang zu geheimen Verbindungen zur Freimaurerei etc. etc. sehr erleichtert. Ich fiel um so eher auf [59] diesen Gegenstand, weil ich zuweilen, den Compass der Weisen, Blumenöck und anderer hierher einschlagende Schriften, in seinen Händen gewahr wurde. Diese Entdeckung verursachte, dass sehr viel über Freimaurerei gesprochen wurde. Herr H. gestand mir, dass er Freimaurer sei. Er liess dies hin und wieder vermuthen, durch Reden, welche den Anschein hatten, als ob sie ihm wider Willen entwischt wären. Wer den Menschen kennt, muss wissen, welche Macht, solche dem Anschein nach absichtslose Äusserungen, auf eine Seele haben, in welcher schon der Keim geworfen ist, welcher auf Entwicklung wartet. Ich fing an über diesen Gegenstand ernsthafter zu denken, seine Äusserungen und Reden zu vergleichen, in ein Ganzes zu ordnen, und die übrig gelassenen Lücken, durch meine Einbildungskraft zu ergänzen. Besonders fiel mir der Unterschied zwischen ächten und falschen [1] und vor allen anderen die Bemerkung auf, wie leicht man hier hintergangen werden könne, wie schwer es halte, echte und wahre zu finden. Von diesen ächten habe ich von dieser Zeit an Wunder geträumt. Auf diesem Weg entstand, noch ehe ich ein wirkliches Mitglied einer geheimen Verbindung war, in meiner Phantasie ein Ideal einer solchen Verbindung, welches mich ganz dahin riss, das sehnlichste Verlangen nach dem Beitritte erweckte, und späterhin die Grundlage wurde von dem, was ich zur Wirklichkeit gebracht habe. Meine Erwartungen und Begriffe, von der Einrichtung, Zusammenhang, Klugheit, Behutsamkeit in der Auswahl der Mitglieder, von der strengen und unaufhörlichen Prüfung derselben, gränzten an das Übertriebene, und glichen einem wahren Roman. Mit dem allen dachte ich zu dieser Zeit an nichts weniger als selbst zu bauen. Ich fand es gleich so vielen anderen bequemer, sich an eine schon gedeckte Tafel zu setzen, als den Tisch selbst zu bereiten. Mein Entschluss in die Gesellschaft zu treten, es koste was es wolle, war von nun an gefasst. Da mich indessen mein Führer, ohne alle nähere Anweisung verlassen hatte, so schrieb ich zu diesem Ende in alle Welt, wo ich Freimaurer vermuthen konnte, nach E .. g ... und vorzüglich nach Nürnberg. Von diesem letzteren Orte erhielt ich zu meiner ausserordentlichen Freude die Nachricht, dass meine Aufnahme gar nicht verweigert werde. – Was wäre aus solchen Menschen zu machen, wenn [60] geheime Verbindungen die Kunst verstünden, einen solchen Eifer, der so leicht angefacht werden kann, dauerhaft zu unterhalten, statt dass sie diese wohlthätige und zweckmässige Täuschung durch ihr späteres Betragen so frühzeitig zerstreut? Ich habe erfahren, wie viel an der Vorbereitung liegt; was sich auf diesem Wege aus Menschen machen liesse, und wie sehr man der besten Sache schadet, wenn man Erwartungen erweckt, welche man in der Folge nicht befriedigen kann, wie sehr eine solche unerwartete Dissonanz alles verstimmt. Mein Himmel hing so voller Geigen, dass ich noch zur Stunde über mich lachen muss. Von dieser Stunde an, sah ich alles in einem anderen Lichte, alles in Beziehung auf meinen Zweck. Ich wusste damals nicht, ob und wer in Baiern zu dieser Gesellschaft gehöre; doch vermuthete ich, es möchten deren selbst in Ingolstadt sein. Nach den Begriffen, welche ich mir von dieser Gesellschaft gemacht hatte, schienen mir alle ernsthafte und zurückgezogene Menschen, Mitglieder dieser Verbindung zu sein; ich glaubte von neuem unter der strengsten Beobachtung vieler mir unbekannter Menschen zu stehen; ich suchte meine Pflichten zu diesem Ende auf das strengste zu erfüllen, weil ich nichts gewisser glaubte, als dass keine meiner Handlungen unbemerkt bliebe. Ganz eigene Vorfälle, welche sich zufälliger Weise, auf eine sonderbare Art fügten, trugen dazu bei, mich in dieser Meinung zu bestärken. Ich würde an der Veredlung meines Characters ganz unendlich gewonnen haben, wenn sich diese Täuschung länger, und ich wollte, dass sie sich bis diese Stunde erhalten hätte! — Um den vollen Gang der Sache einzusehen, muss ich, ehe ich hier weiter gehe, meine Leser mit anderen vorbereitenden und begleitenden Umständen bekannt machen. Gegen das Ende des Jahres 1773, gleich nach Aufhebung des Jesuitenordens, erhielt ich auf der Universität zu Ingolstadt den Lehrstuhl des geistlichen Rechts, welchem die Jesuiten seit 90 Jahren ununterbrochen vorgestanden hatten. Von dieser Zeit an wurde ich der Gegenstand ihres Hasses und ihrer Verfolgung. Schon im Jahre 1774, im Monat Januar, entdeckte ich während meiner damaligen Anwesenheit in München, einen schändlichen[2] jesuitischen Komplot und Verleumdung, welche die Jesuiten, auf Anstiften meines Vorfahrers [61] bei Hofe in der Erwartung, dass ich schon abgereist wäre, in der Absicht angebracht hatten um mich von einem, ihrem Systeme so wesentlichen Lehrstuhl zu entfernen. Zum Glück war ich noch anwesend und vernichtete durch meine Gegenwart und mündliche Rechtfertigung die ganze Kabale. Von dieser Zeit an, wurden die Jesuiten mir und ich ihnen auf das äusserste gehässig. Ich war 13 ganze Jahre hindurch ihren Intriguen und Verleumdungen unaufhörlich ausgesetzt. Meine Leser können sich, aus dieser angeführten Thatsache vorstellen, dass ich einen Rückanhalt und Unterstützung nothwendig hatte, dass ich diese natürlicher Weise, in einer so ausgebreiteten, und nach meinen Begriffen so eng verbundenen Gesellschaft zu finden hoffte; dass mir folglich durch diese Erwartung, geheime Verbindungen, als der Zufluchtsort, der gedrückten Unschuld, in einem sehr anziehenden Lichte erscheinen müssten. Dies ist noch nicht genug.

Im Jahre 1775 ging in meinem Geiste, und in meiner ganzen Denkungsart eine sehr wichtige Veränderung vor. Ich hatte vorher der speculativen Philosophie mit Leib und Seele angehangen, und mich in metaphysischen Betrachtungen und Grübeleien so sehr verloren, dass ich mich beinahe ausschliessender Weise, mit der Metaphysik beschäftigt hatte. Zu meinem grossen Glück, ward ich, um diese Zeit, wieder meinen Willen, aus diesem Taumel gerissen, und aus der übersinnlichen Welt, wieder auf die Erde unter Menschen versetzt, deren nähere Kenntnis, durch meine neu erhaltene Stelle, mir zur Pflicht und Nothwendigkeit gemacht wurde. Ich erhielt den Auftrag, nebst den Vorlesungen über das Kirchenrecht, über das so beliebte Federische Lehrbuch der praktischen Philosophie zu lesen. Von dieser Zeit fängt sich mein Studium des Menschen, und meine practische Denkungsart an, und ich halte es für Pflicht, dem würdigen von mir so sehr verehrten Verfasser dieses Lehrbuches, dem Herrn Hofrat Feder in Göttingen, für die mir erweckten Ideen den gebührenden Dank öffentlich zu entrichten; seine Bescheidenheit wird vielleicht nicht vermuthen, dass sein Lehrbuch solche Wirkung hervorgebracht hat.

Ich bitte nun meine Leser, diese drei von mir soeben an geführten Umstände, wohl zu bedenken und zu überlegen, welche Geistesstimmung daraus entstehen müsse? Ob sie hier schon eine Anlage bemerken, durch welche solche schändliche und verabscheuungswürdige Entwürfe möglich werden, als man [62] mir zur Last gelegt hat, und noch zur Stunde zur Last legt? Ich bitte sie aber auch das, was noch folgen wird, noch weiter zu erwägen. Bis hierher erscheint noch nichts von einem Entschlusse eine eigene Gesellschaft zu errichten; es ist bloss die Neigung entstanden, einer schon vorhandenen beizutreten. Ich

Hofrat Feder, Professor in Göttingen.
Wurde später Illuminat.

bin, soweit meine Erzählung reicht, mit geheimen Verbindungen bekannt geworden; ich habe mir nach meiner Art ein Ideal entworfen; meine Umstände machen in mir ein sehr mächtiges Bedürfnis, das Bedürfnis nach Unterstützung, die Begierde sich gegen unverdienten Druck zu sichern, rege. Diese Unterstützung [63] und Versicherung hoffe ich zu erhalten, indem ich mich mit anderen verbinde. Der Gedanke, dass geheime Verbindungen zu diesem Ende ein sehr wirksames Mittel sind, fängt an, in mir aufzukeimen, und mir diese Verbindungen um so werther zu machen; auch mein Geist ist indessen, mit den dazu nötigen Kenntnissen, mit dem Studium des menschlischen Herzens in etwas bekannter geworden. Es ist auf diese Art viel, aber noch lange nicht alles geschehen.

Meine Aufnahme war also, wie wir gehört haben, beschlossen, und der Eifer einzutreten, war nicht minder gross. Dieser wurde durch die geforderten Receptionsgebühren, schon in etwas herabgestimmt; diese waren über mein damaliges Vermögen; zu diesem sollte ich noch eine Reise nach Nürnberg, samt den Unkosten des dortigen Aufenthalts bestreiten. Ich äusserte meine gerechten Bedenklichkeiten; es wurde mir zu diesem Ende der Vorschlag gethan, mich in München aufnehmen zu lassen, wo man mich versicherte, dass eine von demselben System wäre. Diese Entdeckung war mir um so lieber, als ich auf diese Art, bei einer gelegentlichen Geschäftsreise nach München, unnöthige Reisekosten ersparen, und mit verschiedenen mir wichtigen Personen in meinem Vaterlande in Verbindung kommen, und durch solche besser unterstützt werden konnte. Ich schrieb also nach München. Auch von dieser Seite erhielt ich die Zusicherung meiner Aufnahme; nur stiess sich die Sache auch hier an dem ersten Hindernisse, an den Gebühren der Aufnahme. Dies wurde dadurch bis in das Jahr 1777 verzögert. Während dieser Zeit, suchte ich aller Bücher über die Freimaurerei habhaft zu werden. Wie erstaunte ich, als ich darunter einige fand, in welchen alle Grade abgedruckt waren! Ich wollte anfänglich nicht glauben, dass sie ächt wären, aber Personen, welche mit dieser Sache näher bekannt waren, mit welchen ich in der Zwischenzeit bekannt wurde, versicherten mich, dass ich nicht glauben sollte, dass alles ganz leer wäre. Von diese Zeit wurde meine übergrosse Achtung für die Freimaurerei, vielleicht aus der Ursache, weil sie übergross war, so sehr herabgestimmt, dass ich die übergrossen Receptionsgebühren, zum Vorwand brauchte, um die wiederholten Anträge, zur Beschleunigung meiner Aufnahme, auf eine Art von mir zu weisen, welche nicht beleidigen sollte. Diese Bedenklichkeit war gerecht, weil Personen aus den ersten Familien meines Vaterlandes, Mitglieder dieser Verbindung [64] waren. Darunter waren Männer, welche mir zu werth und nothwendig waren, als dass ich sie durch eine hartnäckige grundlose Verweigerung meines Beitritts, hätte beleidigen wollen.

Meine grosse Achtung für die Freimaurerei war also von nun an, aus den eben angeführten Gründen gefallen. Indessen hatte der Gedanke, von den Vortheilen einer solchen Gesellschaft, von dem, was sich nach meiner eigenen Erfahrung, auf diesem Wege aus Menschen machen liesse, in meiner Seele zu tief Wurzel gefasst, als dass ich ihn schlechterdings hätte unterdrücken können. Die Grade der Freimaurerei sind sogar öffentlich gedruckt; was kann eine geheime Gesellschaft wirken, welche so wenig Geheimnis hat, dass ihre ganze innere Verfassung der übrigen Welt bekannt ist? Diese Grade selbst stimmen mit dem Ideal, welches ich mir von geheimen Verbindungen entworfen hatte, gar nicht überein; wie wäre es also, dachte ich bei mir selbst, wenn du selbst Hände an ein neues Werk legen wolltest? Es war freilich ein übereilter tollkühner, wo nicht rasender Gedanke, ohne Ruf und Ansehen, ohne Welt- und Menschenkenntnis, ohne auswärtige Conexionen und Bekanntschaften, ohne Unterstützung, ohne alle hinlängliche Erfahrung, an einem solchen Ort wie Ingolstadt war, mit bloss studierenden Inländern, den Grund zu einer solchen Verbindung, durch mich allein zu legen. Dazu gehört viel Vertrauen auf sich selbst, ein hohes Gefühl seiner Kraft, ein Mut, welcher sich über alle Schwierigkeiten hinwegsetzt, oder was bei mir der Fall war, ein hoher Grad von Unerfahrenheit und Blindheit, welche wenig oder gar keine Schwierigkeit vorhersieht. Zwei Umstände gaben vollends den Ausschlag, und bestimmten mich wirklich den ersten Grundstein zu legen.

Zu eben dieser Zeit hatte ein Officier des Baron Hennebergischen Infanterieregiments mit Namen Ecker, in Burghausen, eine errichtet. Diese [3] arbeitete auf Alchemie, und fing an sich gewaltig zu verbreiten. Ich selbst wurde durch ein Mitglied dieser , den damals in Ingolstadt studierenden Baron von Er.. auf das dringendste zum Beitritt aufgefordert. Dies ging soweit, dass ein eigener Deputierter dieser nach Ingolstadt kam, um dort zu werben, und die Fähigsten unter den Studierenden auszuheben. Seine Auswahl fiel zum Unglück [65] gerade auf diejenigen, auf welche ich mein Auge geworfen hatte, sobald ich mein Werk anfangen würde. Der Gedanke so hoffnungsvolle Jünglinge auf diese Art verloren zu haben, sie überdies mit der verderblichsten Seuche, mit dem Hang zur Goldmacherei und ähnlichen Thorheiten angesteckt zu sehen, war für mich quälend und unerträglich. Ich ging darüber mit einem jungen Mann, auf welchen ich das meiste Vertrauen gesetzt hatte, zu Rate. Dieser ermunterte mich, meinen Einfluss auf junge Studierende zu benutzen, und diesem Unwesen durch ein wirksames Mittel, durch die Einrichtung einer eigenen Gesellschaft, so viel möglich zu steuern. Zu diesem Ende entbot er mir alle seine Kräfte und Dienste. Die letzte Impulsion, durch welche mein Vorhaben zur That wurde, erhielt ich auf folgende Art.

Unter den vielen Büchern, welche ich lesen musste, um meinem Lehrstuhl der praktischen Philosophie gehörig vorzustehen, fiel ich auch auf Abts vortreffliche Schrift, vom Verdienst. Nicht leicht hat ein Buch so sehr auf meinen Charakter und Willen gewirkt. Bei Durchlesung dieser Schrift fiel ich auf eine Stelle, welche eine Seele, in welcher, so wie in der meinigen, so viele brennbare Materialien lagen, in volle Flammen setzen und begeistern muss. Ich will diese mir unvergessliche Stelle ganz hierher setzen, weil meine Leser finden werden, dass sie den ganzen Geist des Illuminatenordens enthält, weil sie aus solcher, meine Geistesstimmung zur Zeit, als ich meine Gesellschaft errichtete, die Absichten mit welchen ich umging, unleugbar erkennen werden. Diese Stelle ist folgende[4]:


»Vieler, sehr vieler Menschen zeitliche und ewige Wohlfahrt befördern; ihr Leben und Wandel durch Vorschriften so einrichten, dass sie immer glückseliger, immer vollkommener werden; die Veranstaltung treffen, dass ihnen dergleichen Regeln ebenso geläufig als beliebt seien; solche Lagen aussinnen, dadurch sie sich alle, aller Widerspenstigkeit ungeachtet, zu einem gemeinschaftlichen Guten müssen hinführen lassen; dazu denn alle Verwickelungen, die meisten möglichen Fälle mit Treffen und Ausnahmen überdenken, sich an die Arbeit machen, wenn noch niemand sie nur als möglich ansieht; Jahre lang arbeiten, manchmal ohne Frucht, sich trösten, aufrichten, [66] selbst anspornen müssen; keine Widerwärtigkeiten, keine Gefahr achten; keine innere Abneigung oder Lauligkeit überhand nehmen lassen; und dies alles bloss darum, weil es zu Nutzen und Frommen der herzlich geliebten Nebenmenschen gehört, ihrer, die nach einerlei Bilde mit uns geschaffen sind; O! Wo ist der Mensch, der dies thut? Wenn er nicht mehr ist, wo ist seine Bildsäule? Wo ist sein marmornes Bruchstück? Sagt mirs, dass ich hingehe, den kalten Stein in die Arme schliesse und des Urbilds eingedenk mit heissen Thränen der Dankbarkeit das Bild benetze.« –


Nun frage ich, ist diese Stelle, welche ich in der Folge, so oft mir der Mut sinken wollte, noch öfterer las, nicht erhaben und fähig Begeisterung zu erwerben? Wer, wenn er den Sinn dieser Stelle, gleich mir, lebhaft empfindet, muss nicht den Wunsch äussern, dass er im Stande sein möchte, diesen hohen Grad von Verdienst zu erwecken? Dieses grösste hier aufgestellte Ideal, so viel an ihm liegt, zur Wirklichkeit zu bringen; ich frage, ist es gefährlich oder schändlich diesen Wunsch zu äussern, zu diesem Ende seine Kräfte anzustrengen? Ist es besser dabei kalt, gleichgültig, unthätig zu bleiben? Ist es möglich, wenn man diesen höchsten Grad von Verdienst kennt und dafür entbrennt, für niedere und schändliche Absichten thätig zu werden, die Sitten zu verderben, die Jugend zu verführen, die öffentliche Ruhe zu stören und Unterthanen gegen ihre Fürsten zu waffnen und zu empören? Ist der Mann, dessen Ehrgeiz für diese Art von Verdienst entflammt wird, der dazu nach seinen Kräften und Einsichten Anschläge und Entwürfe macht, ein Heuchler und Betrüger? Kann man leugnen, dass alle Grade und Einrichtungen, welche von dem Illuminatenorden bekannt geworden sind, dass selbst meine Briefe, welche so sehr gegen mich beweisen sollen, dahin abzwecken, um diese Idee zu realisiren? Kann der Ehrgeiz eines Menschen eine wohlthätigere und gemeinnützigere Richtung erhalten? –

Meine Leser mögen hierüber denken was ihnen gefällt, sie mögen bei einer solchen Stelle viel oder wenig empfinden, bei mir wenigstens ist der Fall ganz verschieden. Ich lese nie, ohne die Anwendung zu machen, ohne dass in meiner Seele entsprechende lebhafte Begierden und Entschlüsse entstehen. Genug! von dieser Stunde an, als ich diese Stelle las, war mein Entschluss [67] gefasst. Ich machte mich sogleich an die Arbeit und entwarf die allgemeinen Statuten, welchen ich, wie ich mich noch sehr wohl erinnere, ehe ich auf den Namen Illuminaten fiel, den Namen, Statuten der Perfectibilisten[5] gab. Diesen Namen habe ich bloss aus der Ursache verändert, weil das Wort zu sonderbar klingt. Indessen zeigt doch dieser Name, welche Absicht ich bei der Gründung meiner Gesellschaft hatte. Diese nahm mit dem 1. Mai des 1776 Jahres ihren Anfang. An diesem Tage wurden die ersten Mitglieder und zwar gerade diejenigen aufgenommen, welche ich durch diese Anstalt retten und ihrem bevorstehenden Verderben entreissen wollte. Welcher Maasregeln und aus welchen Gründen ich mich derselben bedient habe, soll an seinem Orte, in dem folgenden Theile dieser Schrift, mit eben dieser Genauigkeit und Offenherzigkeit bewiesen werden, mit welcher ich hier die Absichten bei der Entstehung meiner Gesellschaft ohne Schmuck und Zurückhaltung dargelegt habe.

Hier hätte ich also der Neugierde meiner Leser, so viel ich thun könnte, Genüge geleistet. Das schreckliche Geheimnis von der Entstehung dieser so gefürchteten und verabscheuten Gesellschaft wäre entdeckt und der Heuchler entlarvt. Diese und keine andere waren meine Absichten; diese waren die Umstände welche meinen Geist vorbereitet und zu einem, meiner Ruhe so nachteiligen Unternehmen gestimmt haben. Ich weiss nicht, ob es mir gelungen ist, meine Leser von der Unschuld und Reinigkeit meiner Absichten zu überzeugen, denn dieser Beweis ist schwer und am schwersten, wenn er gegen leidenschaftliche Leser geführt werden soll. Ich selbst würde mehr bewiesen, die Sache glaubbarer gemacht haben, wenn ich nicht genötigt wäre, blos im allgemeinen zu sprechen, um die Namen so vieler Menschen zu verschweigen, welche an diesem ganzen Vorgang Anteil und Wissenschaft haben. Aber wenn anders in Baiern noch ein Mann von Ehre und Wahrheitsliebe ist, der mich und meine ehemalige Lebensart gekannt hat, der von manchem dieser Auftritte Theilnehmer und Augenzeuge war, so fordere ich ihn hiermit öffentlich auf, mich, wenn er kann, einer einzigen Unwahrheit zu überführen. Alle diese von mir angegebenen Umstände lassen sich durch [68] eine obrigkeitliche Aufforderung und Nachfrage, auf das genaueste darthun. Ich selbst bin bereit zu diesem Ende, alle Mittel an die Hand zu geben und manche Umstände mit unleugbaren Urkunden zu belegen. Alle, welche mich gekannt haben, können mir bezeugen, dass ich einsam, ohne etwas zu suchen, für mich allein, fern von allen Ergötzungen und Zerstreuungen gelebt, dass ich mich so wenig nach Macht bestrebt habe, dass ich vielmehr alle Mittel und Wege versäumt habe, um reich oder mächtig zu werden. Ich habe es niemals, mit der siegenden Partei gehalten, ich habe mich niemals an die Mächtigen gedrängt, um mein äusserliches Glück und meinen Einfluss zu vermehren; ich habe die Heuchelei, Zeit meines Lebens, von ganzer Seele verabscheuet, sie ist ganz gegen meine übrige Denkungsart und Character. Als im Jahre 1785 in Regensburg mein seeliger Freund Lanz, an meiner Seite vom Blitz erschlagen wurde, welche Gelegenheit hätte ich gehabt, den reumütigen und bussfertigen Heuchler zu machen und auf diese Art das Zutrauen meiner Verfolger zu erwerben? Jeder, selbst meine Feinde, würden unter diesen Umständen geglaubt haben, dass es mir ernst sei. Wer kann sagen, dass ich, um mich zu erhalten, meine Zuflucht zu einem so schändlichen Mittel genommen, dass ich geheuchelt habe? Tausend andere würden es zuverlässig gethan haben, ich habe es nicht gethan; ich bin mir wie vordem gleich und unverändert geblieben unter allen harten Prüfungen und Aufforderungen, welche ich erfahren habe.

Diese Umstände und Gründe zusammengenommen, wage ich es, diesen Theil meiner Arbeit mit einer Frage an meine Leser zu beschliessen. Ich frage: ist es wahrscheinlich oder möglich, dass ein junger unerfahrener Mensch von 28 Jahren, auf einer Universität in seiner Vaterstadt geboren und erzogen, ein Mensch von einem ausserdem stillen und unbescholtenen Lebenswandel, der, wenn er auch gewollt hätte, in seiner Vaterstadt nie die Gelegenheit gehabt hätte, an dem Verderben der Welt Theil zu nehmen, ist es möglich, sage ich, dass ein solcher Mensch auf einmal, durch den widernatürlichsten Sprung, zum abgefeimtesten Bösewicht werde? Ist es möglich, dass ein blosser Schulmann, ein öffentlicher Lehrer und was am meisten auffallen muss, ein Lehrer der praktischen Weltweisheit, der Sitten und Tugendlehre, welcher über das Federische Lehrbuch öffentliche Lesestunden, mit ausgezeichnetem [69] Beifall liest, welcher dadurch genötigt wird, mehr als jeder anderer, über die Lehre von den menschlichen Neigungen, von den Triebfedern unserer Handlungen, von der Glückseligkeit, von dem Werte der Güter, von der Tugend, von den Hindernissen und Beförderungsmitteln derselben, — zu der Zeit, wo er über diese Gegenstände am meisten denken muss, wo er die besten, dazu dienliche Schriftsteller unaufhörlich liest, wo diese Gedanken, durch die Wiederholung, seiner Seele zum Bedürfnis werden; — ist es möglich oder wahrscheinlich, frage ich, dass eben dieser Lehrer, in eben dieser Zeit, den Grund zu einer Anstalt legt, welche, nach der Beschreibung meiner Gegner, an Schändlichkeit keine ihres Gleichen hat? — O Menschenkenntnis, was soll aus dir werden, wenn dem so ist? Was muss geschehen, um tugendhaft zu werden, wenn ein solcher Weg zu einem so hohen Grade von Laster und Gottlosigkeit führt?


Nachdem wir nun Weishaupt selbst gehört haben, können wir in unseren Untersuchungen fortfahren.

Wir haben keine Ursache an der Wahrhaftigkeit der Weishauptschen Aussagen zu zweifeln. Es spricht erstlich aus seinen Worten ein offenherziger Ton; zweitens würde es ihm von gar keinem Nutzen sein, wenn er in diesen Angelegenheiten, die ihn allein angehen und seine persönlichen Empfindungen klarstellen, nicht die Wahrheit sagen würde, denn die Tatsachen würden dadurch nicht geändert werden; drittens haben wir bereits dargestellt und bewiesen, dass Weishaupt wirklich ein vielfach angefeindeter Mann war, und dass er das bis zu dem Ende seiner Lehrtätigkeit in Ingolstadt geblieben ist, werden wir noch beweisen, sodass die Wünsche nach einem kräftigen Rückenschutz sehr einleuchtende sind. Dass die Ordensgründung durch die Abneigung Weishaupts gegen die alchemistischen Lehren der Rosenkreuzer beschleunigt wurde, ist auch nicht zu bezweifeln, denn in dieser Abneigung ist er sich getreu geblieben und suchte alle Elemente, die diesen Lehren zuneigten, später zu entfernen.

Es frägt sich demnach nur, ob die Absichten Weishaupts dieselben blieben, ob er Mittel und Wege ergriff, seinen Leuten, die doch berufen waren die Ordensobern abzugeben, seine Absichten einzuimpfen und nach seinen Wünschen zu erziehen. Hatte Weishaupt neben seinen persönlichen Absichten [70] noch ideale, die er auszuführen gedachte oder nicht, war er allein auf sich bedacht, oder nicht?

Hier liegt die Kardinalfrage, nach der der Charakter des Ordensstifters zu beurteilen ist, gleichviel ob die erwählten Mittel uns jetzt unrichtig oder richtig erscheinen, denn ein jeder weiss, dass diese stets im weitesten Masse von den Umständen, von den Möglichkeiten und den diesen gezogenen Grenzen abhängen werden.

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir hier den Ereignissen vorauseilen und ein Buch zur Hand nehmen, das seinerzeit im Jahre 1787 auf churfürstlichen Befehl gedruckt wurde, um die schändlichen Absichten des Ordensstifters zu beweisen. Als die Verfolgung der Illuminaten in Bayern in Blüte stand, wurden eine Anzahl Schriften und namentlich eine ausführliche Korrespondenz Weishaupts mit Beschlag belegt. Eine Auswahl derselben wurde veröffentlicht und unter dem Titel „Einige Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey dem gewesenen Regierungsrath Zwackh durch vorgenommene Hausvisitation zu Landshut den 11. und 12. Oktober 1786 vorgefunden worden. Auf höchsten Befehl Seiner Churfirstlichen Durchlaucht zum Druck befördert, München, bey Joseph Lentner 1787.

In der Vorrede befindet sich die Anmerkung: Wer an der Aechtheit dieser Sammlung einen Zweifel trägt, mag sich nur bey dem hiesigen geheimen Archiv melden, allwo man ihm die Urschriften selbst vorzulegen befehliget ist.

Diese Schriften können noch heute im Archiv zu München eingesehen werden, sie sind unzweifelhaft echt und geben ein klares Bild über die ersten Ordens-Anfänge und namentlich über die Art wie Weishaupt brieflich seine ersten und intimsten Ordensmitglieder, zu denen auch Zwackh gehörte, über seine Absichten unterrichtete. Es ist zweifellos, dass in diesen Briefen, die alle einen ganz intimen Ton aussprechen, die wahren Absichten unverhüllt hervortreten, weil andernfalls der kaum gebaute Wagen in ganz falschen Gleisen fahren musste.

Weishaupt schreibt an Massenhausen (Ajax) 19. Sept. 1776. (S. 173.)


Ich denke und arbeite täglich an unserm grossen Gebäude.

Arbeiten Sie auch von Ihrer Seite, und führen Sie mir Steine zu. Lassen Sie sich keine Mühe verdrüssen: suchen sie [71] Gesellschaft junger Leute: beobachten Sie; und wenn Ihnen einer darunter gefällt, legen Sie hand an. Ich habe auch wieder einen, der ein ansehnlicher und einsichtsvoller Mensch ist. Was sie nicht selbst thuen können, thuen sie durch andere. Agathon, Danaus und Schaftesbury sind zu beordern per modum imperii, dass sie unter junge Leute gehen, qu'il tachent epier les characteres, dass sie sich Anhang erwerben, Vorschläge machen, und dann Befehle erwarten.


Als Nachschrift: (S. 174).


In München befindet sich ein gewisser Advocat B. = adjungierter Bahnrichter; ich habe in meinem Leben keinen activeren Menschen gesehen, der auch überdies sehr geschickt ist. Sehen Sie, dass Sie mit ihm bekannt werden und richten Sie ihm ein Compliment von mir aus. Sapienti pauca. Reden kann er wie noch einmal ein Advocat. Dem B. = thuen sie indessen desgleichen, und versichern Sie ihn, dass ich ihm bald schreiben werde. Diese beyde sind ein Paar T.. s Kerl: aber etwas schwerer zu dirigieren, eben weil sie T.. s Kerl sind. Unterdessen wenn es möglich wäre, so wäre die Prise nicht übel.


Ohne Datum (S. 174 u. f.).


Wenn der Winterhaltern einer von uns werden soll, so muss er noch ziemlich abgehobelt werden. Einmal gefällt mir sein Gang gar nicht: seine Manieren sind roh und ungeschliffen und wie es mit der Gedenkungsart steht, weiss ich nicht. Das wollte ich höchstens recommandieren, dass er sein rohes Wesen ändere. Er muss ein ganz anderer Mensch werden, bisher ist er kaum pro carolino[6] zu gebrauchen. — — —

Wenn mir meine Absicht mit den Domkapiteln gelingt, so haben wir grosse Schritte gethan. Suchet junge schön geschickte Leute, und keine solche rohe Kerls. Unsere Leute müssen einnehmend, unternehmend, intrigant und geschickt sein. Besonders die ersten.

Wenn den Receptis[7] einmal die Augen aufgethan werden, so müssen sie Leute sehen, von denen man Ehre hat und wo man sich in ihrem Umgang glücklich schätzt. Nobiles, potentes, divites, dertos quaerite. [72] — — Wenn ihr Leute in München so viel thut, wie ich hier, so werden Riesenschritte gemacht. Compagnie gesucht, mit artigen Leuten angebunden; das muss seyn, inertes animae! da muss man sich keine Mühe reuen lassen. Auch zuweilen den Knecht gemacht, um dereinst Herr zu werden. — — — Machen sie mir doch in München eine Acquisition, die der Mühe werth ist. Sind Sie dann in vornehmen Häusern gar nichts bekannt, oder wenn sie es nicht sind, kennt dann Danaus gar keine Seele? Dann, wissen Sie, Sie brauchen sieh nur um einen rechten Cavalier Mühe zu geben; dieser muss uns nach malen die andern liefern. — —

Was die Leute auch acta noch nicht sind, das können sie doch noch werden. Darum sind zwey Jahre festgesetzt. Denn halten sie sich in dieser Zeit gut, so werden sie zu rechten avanciert. Im übrigen lassen sie nur mich gehen und sorgen. — —


An Ajax, d. 20. Octob. 1776. (S. 179.)


— — — Dermalen kann man keine brauchen, als qualitatis generales. 1. Geschickt. 2. Industrios. 3. Biegsam. 4. Sociabilis. Sind die Leute noch dazu reich, vom Adel und mächtig, tant mieux. Schreiben sie mir, ob etwas damit zu machen sey.


d. 30. October 1777 an Ajax. (S. 185.)


Nachdem er sich vorher beklagt, dass er nichts mehr von seiner Sache hört, — — das ist keine Kunst, einen grossen Entschluss zu fassen; aber der Zeit zu trotzen, es dagegen auszuhalten, was man gross gedacht, auch gross und standhaft auszuführen, das ist, worin sich der grosse Geist zeigt, und wodurch manche grosse Projecte unterblieben sind. — — —

— — O Ajax! Wenn die Sache so saumselig, so schläfrig gehen soll, so ziehe ich die Hand davon ab, ehe ich Prostitution davon tragen, und Verdruss mit den andern haben soll, und kehre in meine vorige Ruhe zurück. Und denke, was ich aus Mangel der Mithelfer nicht ausführen kann. — —

Noch denselben Tag als Weishaupt den vorstehenden anklagenden Brief an Ajax absandte, erhält er eine Abhandlung Zwackhs, die ihn sehr erfreut und seine Missstimmung verscheucht. Er schreibt gewisserart zur Entschuldigung am 31. Octob. 1777: — das Amt eines wachsamen Mannes ist zu allen Zeiten seine [73] Mannschaft aufzumuntern, anzufeuern und in gehörige Bewegung zu setzen. Nichts ist gefährlicher als Stagnation, auch nur von Seiten eines einzigen, denn die Bewegung und belebende Kraft wird den weitern und entferntern nicht mitgeteilt. — Dann sagt er weiterhin:


An dem System des Ganzen arbeite ich beständig. Denke hin und her. Mache Abänderungen und verfeinere solche. Es gelingt mir auch wunderbar, und sie werden sich verwundern, wenn sie einmal meine Einrichtung für den weitern Grad sehen werden. Langsam, aber sicher gehe ich zu Werke.

Ihr meine Leute! habt euch indessen um nichts zu kümmern, als mir Leute anzuwerben, solche fleissig zu studieren, zu unterrichten und zu amussieren. Für das übrige sorge ich. — — —


d. 16. December (S. 190).


Soviel die Historie des Negromantisten betrift, so glaube ich nichts davon, bis ich solche sehen werde: und dergleichen Geschichten wollen sich gar nicht in mein System schicken. —


Ebenfalls im December ist er gegen Ajax (v. Massenhausen) höchst erbittert, weil dieser ihm nicht die verlangten Antworten gibt und nur Worte nicht Taten aufweist, infolge dessen wendet er sich jetzt dem tätigeren Zwackh zu, der zuerst den Ordensnamen Danaus führte, dann durch Loos (S. 182 d. Orig.) Philip Strozzi benannt wurde, und schliesslich den bleibenden Namen Cato erhielt. Im Jahre 1777—1778 war Weishaupt Rektor der Universität. Die durch diese Würde vermehrten Berufs-Arbeiten hielten ihn nicht ab auch weiterhin an der Ordensausbildung zu arbeiten, da ihm jedoch Massenhausen nicht mehr zuverlässig erschien, so suchte er Ersatz für diesen und glaubte ihn in Zwackh zu finden. Er schreibt ihm deswegen am 22. October 1777 einen sondierenden Brief in dem er sagt, er habe aus seiner schätzbaren Zuschrift ersehen, dass beide ein beinahe gleiches Schicksal haben, bald oben, bald unten, viele Maulfreunde und wenig wahre, was leider die Erfahrung jedes ehrlichen Mannes sei. Der von guten Ratschlägen erfüllte Brief hat seine Wirkung nicht verfehlt, denn nun beginnt ein intimer Briefwechsel, aus dem hervorgeht, dass Weishaupt zu Zwackh volles Vertrauen gehabt haben muss, sonst hätte [74] er bezüglich seiner Absichten und bisherigen Ordensarbeiten ihm nicht so klare Eröffnungen gemacht, als es der Briefwechsel zeigt.

Er gesteht ihm in dem Brief vom 25. Febr. 1778 (S. 200):


Meine ersten Gesellen waren Ajax, Sie, Merz, Bauhoff, Sutor. Letztere zwei waren wegen ausserordentlicher Nachlässigkeit gar nicht zu gebrauchen und wurden von mir ausgestrichen. Merz aber dauert noch beständig, und thut mir sehr gute Dienste, er ist auch ungemein geschickt. — — —

Durch die Exclusion des Ajax habe ich verlohren, Michl, Hoheneicher und Will. Dermalen sind also nebst mir, Ihnen, Claudius und Merz noch 5 ihnen unbekannte Eichstätter, wovon die meisten schon bedienstet, und sehr wackere und mature Leute sind. Hätte indesse Ajax statt seinen Lüsten mir gefolgt, so sollte die Zahl grösser sein. — —

Wenn nur einmal in München 5 oder 6 geschickte und vertraute Männer könnten zusammengebracht werden. In Eychstätt hoffe ich, es bald dahin zu bringen. Aber das grösste Mysterium muss seyn, dass die Sache neu ist: je weniger davon wissen, je besser ist es. Dermalen wissen es nur sie und Merz; und ich hab auch nicht so bald Lust, es irgend einem zu eröffnen. Wir 3; glaube ich, sind genug, der Maschine ihr Leben und Bewegung zu geben.

Von den Eichstädtern weiss es kein einziger, sondern sie leben und sterben, die Sache sey so alt, als Mathusalem. — — —

Sorgen Sie nur, dass sie den Leuten nicht zuviel avancieren, und zum vorhinein sagen: Nur soviel, als nothwendig ist.

Am 5. März 1778 schreibt Weishaupt an Zwackh (s. S. 210):


Reden sie auch nichts von dergleichen Materien[8] zu den Initiirten; denn man weiss nicht, wie sie aufgenommen werden, weil die Leute noch nicht gehörig praeparirt sind: und dieses soll erst in den untern Klassen geschehen, die sie zu durchlaufen haben. Auch nicht einmal von Erziehung und Politic höre ich gern, dass man mit diesen Leuten rede. Denn wenn sie die Politic vor der Moral lernen, so werden Schelmen daraus. Ganz allein Moral, Geschicht, Menschenkenntniss und Einsicht in die menschliche Natur. Ändern sie zu diesem [75] Ende auch den betreffenden Passum in Statutis ab, und setzen sie anstatt Politic, Moral. — — —

Besonders müssen den Leuten erwärmende Schriften in die Hände gegeben werden, die durch Stärke des Ausdrucks stark auf den Willen wirken. Darunter rechne ich Bassedows practische Philosophie, Abts Schriften, Meiners Schriften, Seneca, Epictet, Antonius Betrachtungen über sich selbst, Montagnes Versuch, Plutarchs Lebensbeschreibungen und moralische Werke.

Am 10. März 1778 gibt Weishaupt volle Aufklärung seiner Absichten und schreibt an Zwackh:


Das System, das ich mir bishero von dem Orden gemacht, kann wohl seyn, dass ich es morgen, oder irgend zu einer Zeit abändere. Da ich beständig mehr Reiz und Gelegenheit habe, über diese Sache zu denken, da ich täglich an Erfahrungen und Einsicht zunehme, ist es nicht rathsam, die Festsetzung des Systems so lange hinauszusetzen, als es möglich ist? Und darum suche ich in der ersten Einrichtung beständig Zeit zu gewinnen, und solche zu benutzen. Zu diesem Ende gebe ich lange Termine, die, wenn das System einmal fester ist, und die Anzahl vermehrt, alle abgekürzt werden. In solchen geheimen Verbindungen erwartet man vieles, und wie bin ich im Stande mit 30 Jahren meines Alters diesem allen genug zu thun? Unterdessen will ich ihnen doch en Detail meine dermaligen Gedanken schreiben. Mon but est faire voloir la raison. Als Nebenzweck betrachte ich unsern Schutz, Macht, sichern Rücken von Unglücksfällen, Erleichterung der Mittel zur Erkenntniss und Wissenschaft zu gelangen.

Am meisten suche ich diejenigen Wissenschaften zu betreiben, die auf unsere allgemeine, oder Ordens Glückseligkeit, oder auch privat Angelegenheiten Einfluss haben, und die entgegengesetzten aus dem Weg zu räumen. Sie können also wohl denken, dass wir es mit dem Pedantismo, mit öffentlichen Schulen, Erziehung, Intoleranz, Theologie und Staatsverfassung werden zu thun haben.

Dazu kann ich die Leute nicht brauchen, wie sie sind, sondern ich muss mir sie erst bilden.

Und jede vorhergehende Klasse muss die Prüfungsschul für die künftige seyn. Das kann nicht anders als langsam gehen. Nur Thaten nicht Recommendation kann hier gelten.

[76] In der nächsten Klasse, dächte ich also eine Art von gelehrter Academie zu errichten: in solcher wird gearbeitet, an Karakteren, historischen und lebenden, studium der Alten, Beobachtungsgeist, Abhandlungen, Preisfragen, und in specie mache ich darinnen jeden zum Spion des andern und aller. Darauf werden die Fähigen zu den Mysterien herausgenommen, die in dieser Klasse etliche Grundsätze und Grunderfordernisse zum menschlichen glückseligen Leben sind.

Anbey wird gearbeitet an Erkenntniss und Ausreitung (rottung) der Vorurtheile. Diese muss jeder anzeigen monatlich, welche er bey sich entdeckt? welches das herrschende ist? wie weit er in Bestreitung derselben gekommen etc. Dieses ist bey uns eben soviel, was bey den Jesuiten die Beicht war. Aus diesen kann ich ersehen, welche geneigt sind gewisse sonderbare Staatslehren, weiters hinauf Religionsmeynungen anzunehmen.

Und am Ende folgt die totale Einsicht in die Politik und Maximen des Ordens. In diesem obersten Conseil werden die Project entworfen, wie den Feinden der Vernunft und Menschlichkeit nach und nach auf den Leib zu gehen sey: wie die Sache unter den Ordens-Mitgliedern einzuleiten, wem es anzuvertrauen?

Wie ein jeder a proportione seiner Einsicht könne dazu gebraucht werden; eben so werde ich es auch mit der Erziehung und andern machen.

Von Mysterien ein Beyspiel zu geben, so gehörte in den eleusinischen Geheimnissen die Lehre von der Einheit Gottes in die Mysterien. Um diess kümmern sie sich nicht: Sie werden nach und nach eine eigene Moral, Erziehung, Statistic und Religion entstehen sehen. — Wie viele Klassen daraus werden sollen, weiss ich selbst nicht. Gott und die Zeit werden es lehren. — — —


Der letzte Brief ist in seinem Inhalt, bis auf den gegenstandslosen Schluss unverändert hier wiedergegeben, weil dieser ganz besonders herangezogen wird, um die verderblichen Absichten Weishaupts, sein jesuitisches Denken klarzulegen. — Der Brief enthält für den ersten Blick entschieden bedenkliche Stellen. Da ist zunächst der Ausdruck „in specie mache ich darinnen jeden zum Spion des andern"; dieser Satz, aus dem Zusammenhange herausgerissen, musste bisher öfters als Beweis [77] unlauterer Absichten herhalten, im Zusammenhange erscheint er mehr als recht unglücklicher Ausdruck, der vielleicht im Jahre 1778 durchaus nicht diese Bedeutung hatte wie jetzt.

Weishaupt will Menschenkenntnis verbreiten, dazu bedarf es des Beobachtungsgeistes. Beobachten soll einer den andern um ein klares Auge für Vorzüge und Fehler des Nebenmenschen zu erhalten, an solcher Beobachtung wird sicher Niemand etwas finden, sie sogar für den Zweck der Erwerbung von Menschenkenntnis für unerlässlich halten. Setzt man nun den unglücklichen Ausdruck Spion für Beobachter, so kann sich beides decken, ohne jede nachweisbare schlechte Absicht. Als Weishaupt diese Worte schrieb, zählte der Orden mit ihm genau 9 Mitglieder (s. S. 74 Brief vom 25 Febr. 1778), ein klares Programm konnte also Weishaupt noch gar nicht besitzen, denn dieses war entschieden von der Werbung und Entwickelung neuer Mitglieder abhängig.

Auf jenen Ausdruck demnach einen besonderen Wert zu legen, ist mindestens verfrüht und ungerecht.

Der Hinweis, dass er Berichte verlangt, die die Beichte bei den Jesuiten ersetzen sollen, ist ebenfalls als bedenklich erachtet worden.

Aber auch das klingt mehr wie ein unglücklicher Ausdruck, als wie eine bestehende hinterlistige Absicht, was auch die späteren monatlichen Berichte, quibus licet benannt, auf die noch zurückzukommen ist, beweisen.

Der Hinweis, dass Zwackh noch eine eigene Moral, Erziehung, Statistik und Religion entstehen sehen würde, dürfte am allerbedenklichsten erscheinen. Um ihn zu beleuchten, müssen wir jedoch uns mit dem damaligen Schicksal des Landes und der Universität bekannt machen.

Am 30. Dec. 1777 starb Kurfürst Max Joseph III., einer der edelsten Fürsten Bayerns, der namentlich eine väterliche Sorge für das Schulwesen und den öffentlichen Unterricht bekundet hatte. Karl Theodor bestieg den Thron und sofort nach seinem Regierungsantritt berichtet die Geschichte von unerfreulichen Ereignissen.

Kurfürst Karl Theodor hatte keine besondere Vorliebe für sein Land und bewies das dadurch auf das deutlichste, dass er am 3. Jan. 1778, drei Tage nach seinem Regierungsantritt den grössten Teil von Altbayern an Osterreich abtrat. Österreich besetzte durch seine Truppen den abgetretenen Teil [78] 14 Tage später. Infolge dieses Ereignisses verlangte der Kurfürst, dass die Universität, nachdem sie ihm den Huldigungseid geleistet hatte, diesen auch der Kaiserin Maria Theresia, als Regentin von Niederbayern leiste, was auch geschah.

Prantl gibt (S. 626) an, dass laut Archiv der Universität D, IX 2. Jan, 13. März bis 4. April den auf den Kurfürsten bezüglichen Eid ein Auditor dem versammelten Plenum abnehmen sollte, dieses aber entzog sich einer solchen Herabwürdigung und kam der Beamtenpflicht durch Namensunterschrift und beigedrucktes Siegel nach.

Dass solcher Vorgang die Professoren erbittern musste, ist gewiss, denn zwei Herren dienen zu sollen, ist viel verlangt; es ist auch einleuchtend, dass Weishaupt, der in seinen Gedanken sich stets mit dem Orden beschäftigte, ohne ihm jedoch feste Gestalt geben zu können, sich mit Plänen von dessen einstiger Wirksamkeit trug, die – noch gänzlich in der Luft hingen, denn er hatte weder Mitglieder genug, noch irgend ein Feld, auf dem sich diese betätigen konnten. Wohl aber empfand er die Missstände seiner Zeit, die nur durch verkehrte Erziehung, Verdrehung der Moral und Religion entstanden waren und eine Fülle von Verdriesslichkeiten und Verkehrtheiten hervorriefen, auf das empfindlichste. Er glaubte, einstens durch den Orden Erziehung, Moral und religiöses Empfinden zu verbessern und drückte dieses in jenem Brief an Zwackh auch aus. Der geschilderte Vorgang, die Kämpfe in der Vergangenheit und Gegenwart waren die Produkte einer Zeit, in der die äussere und geistige Freiheit in Bande geknebelt wurde, die zu lösen ein schöner Traum des Ordensstifters blieb und zu dessen Realisierung er Menschen zu finden oder doch zu erziehen hoffte. – Dass es ein Träumen war, beweisen auch die vielen herangezogenen und dann wieder verworfenen Namen, die der Orden tragen sollte. Weishaupt suchte nach einem Namen, dessen Begriff auch gleichzeitig den Zweck des Ordens enthalte. Er verfiel zuerst auf den Namen: Minerva-Orden (Minerva als Göttin der Weisheit), Bienen-Orden, der am schnellsten wieder verworfen wurde, Parsenorden Perfectibilisten und schliesslich Illuminaten-Orden. Der Name Illuminat war erst für einen besonderen Grad gewählt, und wurde später für das ganze Gebäude angenommen. Aus diesen Tatsachen ist zu ersehen, dass alles, was aus den s. Zt. konfiszierten Briefen, die die Periode 1776—79 umfassen, herausgelesen werden kann, nur [79] eitel Worte sind, die wohl durch die Zeit sogar berechtigte Wünsche verbargen, denen aber die tiefere Kraft fehlte. Es sind noch Phantasien eines lebhaften Geistes, der das Gute zwar wollte, aber gar nicht wusste, ob dieses jemals Form gewinnen könnte. Dabei kannte Weishaupt die Menschen wenig und musste demzufolge auch schlechte Erfahrungen machen, wie wir später durch Zwackh deutlich erfahren werden, der anscheinend ein klareres Auge für die begangenen Fehler besass als Weishaupt selbst. Letzterem wird man aber trotz alledem ein ideales Streben bei seinem Werke nicht absprechen können.


  1. Logen.
  2. An der alten Ausdrucksweise und Interpunktion ist absichtlich nichts geändert.
  3. Jedenfalls eine Loge der Rosenkreuzer, mit denen Weishaupt stets in Fehde gelegen hat.
  4. Sie steht im 3. Hauptstück »Vom Maasse des Verdienstes«.
  5. Perfectibilismus = die Vervollkommlichkeitslehre, der Glaube an eine fortschreitende Vervollkommnung des Menschengeschlechtes; Perfectibilisten, Anhänger dieser Lehre.
  6. pro carolino, für einen Karolin, eine Münze im Werte von Mk. 8,1
  7. Aufgenommenen.
  8. Es sind verschiedene Bücher damit gemeint.
Weishaupts geistige Ausbildung und Charakterentwicklung bis zur Ordensgründung Nach oben Die Ordensbegründung nach der Darstellung von F. X. v. Zwackh
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