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Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/2. Die rudolfinische Zeit/4. Die Laien

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Der Bischof, das Reich, die Stadt Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/2. Die rudolfinische Zeit
von Rudolf Wackernagel
Die Geistlichkeit
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Viertes Kapitel.
Die Laien.




Diese Stadt füllend und diesen Gebietern unterworfen steht nunmehr die große Masse der Einwohnerschaft vor uns. Sie teilt sich vorweg in die beiden Hauptgruppen der Laien und des Klerus. Hier beschäftigen uns zunächst die Erstern.


Eine einheitliche, die ganze Laienbevölkerung gleichmäßig umfassende Beziehung zum gemeinen Wesen ist nicht vorhanden. Eine Mehrzahl von Schichten, Gruppen, Ständen tritt uns entgegen; dieser Gesondertheit entspricht eine reiche Mannigfaltigkeit im Verhältnis des Einzelnen zur Gesamtheit.

Aus der Menge der Gestaltungen tritt zunächst der feste Begriff des Bürgerrechts hervor.

Der Begriff Bürger, burgensis, hat in Basel Wandlungen durchgemacht.

Ursprünglich bezeichnete das Wort den Gegensatz zum Klerus; es war „eine rein lokale Bezeichnung für den wehrhaften Stadtbewohner, ohne politischen Begriff, ohne Hinweisung auf einen städtisch gegliederten Organismus.“ Daher konnten auch die adligen Ministerialen Bürger von Basel genannt werden; so noch 1226 die von Uffheim, von Delsberg, Kuchimeister, 1236 die Münch und Schaler.

Aber in den 1230er Jahren vollzog sich eine Scheidung. Was schon früher hie und da geschehen war, wurde nun konsequente Übung: die Ritter, milites, traten den burgenses, den cives gegenüber. Ritterlich und Bürgerlich sonderte sich.

Das letztere Prädikat kam jedoch nur bestimmten Personen und Familien zu. Bürger war der berechtigte Städter, Bürgerschaft die Gesamtheit der Nichtritterlichen, die im öffentlichen Leben der Stadt Geltung hatten, für alles wichtige Geschehen in der Gemeinde unentbehrlich waren. Männer [78] aus diesen Kreisen finden wir in den Zeugenreihen von Urkunden des Bischofs und des alten Vogtsgerichts und Schultheißengerichts; sie haben wir als die Mitglieder des alten städtischen Rates zu vermuten. Diese das Bürgerrecht besitzenden Einwohner bildeten eine Schicht, in welcher der Gleichheit im öffentlichen Recht eine Gleichheit der sozialen Stellung entsprach. Doch bildeten sie keine Kaste, die sich nur durch Geburt vermehrt; Gleichartige konnten sich ihnen anschließen, in das Bürgerrecht aufgenommen werden.

Seit Mitte der 1250er Jahre erscheinen in diesem Kreis einzelne neue Gestalten. Es handelt sich um Fälle, bei denen individuelle Qualitäten entscheiden mochten. Heinrich von Bättwil der Schuhmacher 1255, Heinrich der Schmied 1258, Werner der Schwertfeger zum Schwert 1258 u. s. w. sind solche Bürger neuer Art. Sie bezeugen damit zunächst nur ihre eigene Tüchtigkeit und Ambition. Aber die Fälle mehren sich, und die Umgestaltung des Bürgerbegriffes, die sie ankündigen, steht im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwickelung. Auf dem Markte, auf dem Schlachtfelde, vereinzelt auch in Rat und Gericht machen nun die Handwerker von sich reden, zeigen sich, bringen Jedem zum Bewußtsein, daß auch auf ihrer Kraft und auf ihrem Willen das Gedeihen der Stadt ruhe. Sie werden so in der allgemeinen Auffassung zu Städtern, zu Bürgern gleich den Andern.

Das Bürgerrecht ist dabei noch immer das Recht, das die eigentlichen Glieder der Stadtgemeinde bezeichnet. Die Bürger haben den Genuß der libertas civilis, der bürgerlichen Freiheit, das Recht vor keinen fremden Richter gehen zu müssen, den Anspruch, „als ein Burger von Basel“ durch die Obrigkeit vor Gewalt und Unrecht geschirmt zu werden, die Befreiung von Zoll. Was diesen Rechten gegenüber steht, ist vor allem Steuerpflicht und Dienstpflicht. Voraussetzung des Bürgerrechtes ist der Besitz freien Eigens in der Stadt.

Insoweit ist der Bürgerbegriff gegen früher nicht alteriert. Insoweit können daher auch jetzt in vereinzelten Fällen Ritter Bürger heißen, wie z. B. Heinrich Zerkinden 1271 und die Brüder von Straßburg 1276, und redet der Stadtfriede König Rudolfs 1286 von einem Bürgerrechte, das nicht nur Rittern und Burgern, sondern Allen zusteht, die in Basel seßhaft sind.

Aber gerade dies zeigt den Unterschied, der jetzt bemerkenswert ist. Es giebt Bürger, die nicht Burger sind. Die Letztern sind Solche, für die der alte Bürgerrechtsbegriff als eine soziale Kennzeichnung und Aussonderung weiterlebt und, was das Wichtige ist, die ausschließliche Ratsfähigkeit begründet. [79] Die durch das Bürgerrecht der frühern Zeit zusammengefaßte Klasse bleibt als solche bestehen, hält die Auffassung fest, der sie ihre Entstehung verdankt. Sie bildet von nun an innerhalb der Bürgerschaft den Stand der Burger. Es wird noch von ihr zu reden sein.


Bürgerrecht und Stände können als die festen Begriffe gelten, an die sich eine Betrachtung der Einwohnerschaft vorzugsweise zu halten hat. Aber sie erschöpfen den Gegenstand nicht; auch vermögen wir sie nur nebenbei zu deduzieren aus einer Überlieferung, die ja zu ganz andern Zwecken geschaffen ist, als um Gesetze und Regeln zu lehren. Sie bezeugt das Geschehen, das Handeln. Sie läßt die Bevölkerung sich vor uns in einem Leben regen, das tausend Seiten hat. Gruppen in Menge bilden sich, treten uns entgegen, lösen sich wieder. Nicht nach Distinktionen des Rechtes sind sie gesondert, sondern nach tatsächlichen Beziehungen. Verwandtschaft, Freundschaft, politischer Ehrgeiz, Parteiung und Familienzank, Nachbarschaft, Gleichheit des Gewerbes, geschäftliche Interessen, Devotion bewegen und gestalten diese Menschenmasse und ermöglichen uns zum mindesten eine Ahnung dessen, was damals Leben hieß.

Am deutlichsten in den Beziehungen zur Kirche. Man sieht, wie einzelne Klöster und Stifter ihren Anhang haben, Frauen und Männer und ganze Familien, die ihnen zugetan sind. Solches Ergebensein, das in Stiftungen, Vergabungen, Begräbnissen sich äußert, schafft in der Bevölkerung allerhand Zirkel, die zum Teil noch erkennbar sind. Solcher Art waren z. B. die Beziehungen der Familien Rot, zum Rosen, von Heidweiler, von Zässingen zu den Barfüßern und ihren Töchtern den Clarissen. Aber noch in weiterm Sinne sehen wir solche Kreise sich um eine Kirche bilden. Sie umschließen Alle, die in ihrem Schatten wohnen, ihren Glocken folgen. Nicht ihr Schenken an diese Kirche ist die Hauptsache, sondern ein so nahes Vertrautsein, daß sie der Kirche als Berater und Zeugen dienen können, als solche von ihr gerufen werden. Man kann geradezu von Gesellschaften reden, einer Peters-, Leonhards-, Münstergesellschaft. In den Zeugenreihen der Gotteshäuser sind sie deutlich vergegenwärtigt. Bei St. Peter fällt die Gesellschaft zusammen mit dem größern Teil des Burgerstandes und einem Teile des Adels. Sie umfaßt die Familien, die zwischen Eisengasse und St. Peter wohnen, die ratsfähigen Geschlechter. Das stattliche Stift ist Hort und Zuflucht, Liebling und Stolz dieser Familien. Die bekannten Namen Rot, zum Sternen, Ludwig der Krämer, Sutto, Münzer, Tanz u. dgl. begegnen uns immerfort in den zahlreichen Dokumenten der Chorherren [80] Neben ihnen gelegentlich aber auch eine Petersgesellschaft zweiten Ranges; auch sie umschließt Nachbarn und gute Anhänger; aber es sind einfachere Leute: von Wenzweil, am Graben, Tecke u. s. w. Sie entspricht derjenigen, die bei St. Leonhard Regel ist. Denn es besteht eine deutliche soziale Verschiedenheit; das Statut über die Grenze der Kirchgemeinden St. Peter und St. Leonhard läßt hierüber keinen Zweifel, indem es die Vornehmen und Edeln von vorneherein als nur bei St. Peter wohnend annimmt und erst in zweiter Linie, si quando, wenn je einmal, auch bei St. Leonhard. Hier ist die Welt sichtlich eine andere. Selten verirrt sich in sie ein Burger oder Ritter. Es ist eine Handwerkerwelt, die Gesellschaft des kleinen Mannes, wie auch das Stift selbst weniger vornehm besetzt ist, als das zu St. Peter. Kürschner, Gerber, Permenter, Bäcker, Schuhmacher u. dgl. Handwerke, die Namen Hostein, Ozelin, von Allschwil, Berwart, Orabpeiß u. s. w. füllen die Zeugenlisten. Beim Münster hinwieder finden wir eine Societät, die gemischt ist aus hochgeborenen Prälaten, Edelleuten, den Burgergeschlechtern der Freienstraße, Schreibervolk und kleiner Pfaffheit. Aber auch auswärtige Klöster wie Olsberg, wie Lützel haben hier ihr Kreise. Man ermiß, wie diese kirchlichen Beziehungen im Innersten ergreifen und das Leben beherrschen.

Dann die Nachbarschaft. Fast sichtbar finden sich vor uns die Bewohner einer Gasse, die Gewerbsgenossen zusammen, wenn Einer von ihnen ein Geschäft zu vollziehen hat. Sie stehen dazu und lassen sich als Zeugen in die Urkunden setzen, und auf diesem Wege gelangen etwa auch Weiber in die Zeugenreihen. So kommen wir zu den Gruppen der Spalenbewohner mit ihrem angesehenen Gärtnermeister Eglolf und dem Gastwirte Nordwin an der Spitze, zu den Schmieden auf der Au, den Schwertfegern und Kammachern, die Nachbarn des Krämers Rudolf von Mülhausen sind, den Gürtlern und Gießern beim Hause zur Platte u. s. f. Auch ohne Nachbarschaft bringt ein Rechtshandel die Genossen und Befreundeten zusammen. Und so fehlen auch bei Geschäften der städtischen Ritter selten die guten Bekannten aus dem Burgerstande. Bei Verbürgungen, bei Giselschaften wiederholt sich dies. Auch die Kreditorschaften mögen hier Erwähnung finden, die sich mit ihren Forderungen an einen gemeinsamen Schuldner zusammentun; ein berühmtes Beispiel sind die Gläubiger des Bischofs Lütold 1213: der Münzer Berthold, der Metzger Eppo, der Walker, der Keller, die Töchter Hessos und der Jude Meier; aus späterer Zeit melden sich mit Guthaben an das Kloster Ölenberg ein Kürschner, ein Schuhmacher, ein Öler u. s. w. Von den Parteiungen der Ritter war schon [81] die Rede. Das Schönste aber, neben jenem Einigenden der Kirche, war wohl eine geistige Gemeinschaft, wie sie die Gönner Konrads von Würzburg verband: hohe Domherren, Ritter, Kaufleute.

Dies einige wenige Gruppen aus den unzähligen, die das Leben der Einwohnerschaft gab. Sie werden uns zum Teil wieder begegnen bei Betrachtung der einzelnen Einwohnerstände.


Der Herrenstand zeigt sich in einer reichen Fülle der Abstufung, vom Fürsten herab bis zum Ackerritter, der halb Edelmann, halb Bauer ist.

Zunächst sind es in der ältern Zeit die Grafen, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Ihre Bedeutung für Stadt und Hochstift lag darin, daß die Vogtei ihnen zustand. Aber vor allem waren sie, neben der Kirche, die Gestalter und Erleuchter des ganzen Gebietes im Umkreis unserer Stadt. An ihre Namen knüpft sich die erste historische Kunde, zahlreiche Schöpfungen, die Grundlagen des Lebens wurden, gehen auf sie zurück. Dabei verbindet eine Verwandtschaft alle diese Grafenhäuser, die alten Honberg Tierstein Saugern, die spätern Froburg Honberg Habsburg. Aber in der uns hier beschäftigenden Zeit bereitet sich schon ihr Ausgang vor; Röteln und Pfirt sind dem Erlöschen nahe. Aus dem durch Vatermord geschändeten Hause Pfirt ist Graf Ulrich zu nennen, der seine Herrschaft dem Hochstift Basel verkaufte und dessen Lehnsmann wurde; sein Sohn Diebold, mit einer Tochter Walthers von Klingen vermählt, verschwenderisch, ein schlechter Haushalter, geriet unter Heinrich von Isny in noch stärkere Abhängigkeit vom Bistum, verlor seine Ansprüche auf Pruntrut und die Vogtei im Elsgau.

Eine Stufe tiefer als diese Grafen standen die freien Herren, die Edelfreien, nobiles, die als eine bunte Reihe in die Basler Verhältnisse hineinspielen. Die von Usenberg, von Löwenberg, von Röteln, von Bechburg, von Liebenberg, als die bekanntesten die von Ramstein. Mehrfach machen unter ihnen die von Butenheim von sich reden, deren altes Schloß Landser 1246 von den Baslern erobert wurde. Gleich dem Pfirter wurden sie Lehnsleute der Basler Kirche, gingen dann aber treulos zu Rudolf von Habsburg über; in Todschlag und schmutzigen Familienhändeln nahm das Geschlecht ein elendes Ende.

Aber die vornehme Gesellschaft, welche die Urkunden füllt, sind nicht die Grafen und Edelfreien, sondern die Ritter. Es ist eine Schar, die sich mengt aus kleinen freien Herrn und aus unfreien Ministerialen. Der rechtliche Unterschied zwischen beiden bleibt zwar im Bewußtsein, aber wirtschaftlich [82] und sozial erscheinen sie als gleich, sie verbinden sich zu einer einzigen großen Klasse der Gesellschaft. Das ist der niedere Adel. Ihm gehört die Zeit; er steigt empor, während alte freie Herrengeschlechter zu Grunde gehen.

In der Benennung dieses Standes macht sich seit dem zwölften Jahrhundert eine Distinktion geltend. Ritter im neuern Sinne ist nunmehr nur noch, wer durch Gelübde die Teilnahme am Ritterorden erlangt hat. Wer diesen Grad nicht besitzt, heißt nicht Ritter, miles sondern Knecht, Edelknecht, juvenis, domicellus, armiger.

Aber neben dieser genauen Scheidung behauptet sich der Name Ritter im alten Sinne auch noch; gelegentlich heißen alle Edeln Ritter, ohne Rücksicht auf Rang und Würde, und auch die Basler Rechtssprache der Handfeste und der Ratsverfassung bedient sich der alten, umfassenden Ausdrucksweise. Diesem Sprachgebrauch folgt auch die vorliegende Darstellung.

Der Basler Adel nun ist zu der Zeit, da er uns bekannt wird, zum größten Teil kein freier Adel mehr, sondern ein Dienstadel. Er wird gebildet durch die Ministerialen der Grafenhäuser Froburg, Honberg, Tierstein, Pfirt und hauptsächlich durch die Ministerialen des Hochstifts Basel.

Was wir als früheste Erwähnung des Stiftsadels finden, ist nicht erheblich. In den Namenreihen dieser Hesso, Sigebot, Adelgoz, Lantpert, Adelpreht usw. zeigt sich dieselbe Dürftigkeit, wie in den knappen Listen der Domherren. Das zwölfte Jahrhundert bringt neben größerer Fülle auch eine schärfere Darstellung des Einzelnen: Namen von Geschlechtern werden laut. Mit den Inhabern der Hofämter zusammen geben diese Herren schon ein leidlich volles Bild, bis dann unter Heinrich von Thun der ganze Reichtum sich strahlend entfaltet im Stiftungsbriefe der Kürschner 1226 oder dann 1241 bei der Uebergabe der Herrschaft Hasenburg an das Hochstift, wo dieser Prunk höfischer Gefolgschaft wie absichtlich in Gegensatz gestellt erscheint zu der Armut des Hasenburger Freiherrn. Zwischen den Capitularen des Doms und den angesehenen Bürgern stehen in diesen feierlichen Dokumenten die Ramstein, Uffheim, Schaler, Münch, von Straßburg, Pfaff, vom Kornmarkt, zu Rhein, Reich, am Ort, Kraft, Zerkinden, Spender usw. Dies sind die Geschlechter, mit denen wir es von da an zu tun haben, die „Ritter von Basel“ der Urkunden und des Bischofsrechtes.

Das Verhältnis dieser Herren zum Bischof war das des Dienstes und hierüber hinaus das der Lehnspflicht. Seinen stärksten Ausdruck fand dies Verhältnis in den Aemtern des Kämmerers, des Truchsessen, des Schenks, des Marschalks, des Küchenmeisters, die seit Beginn des zwölften [83] Jahrhunderts am bischöflichen Hofe nachzuweisen sind. Sie galten dem Dienst um die Person des Fürsten, der Leitung seines Haushaltes und Hofstaats; da es sich um wichtige Verrichtungen handelte und die Aemter als erbliche in den Händen stets derselben Ministerialenfamilien blieben, so entwickelten sie sich zu ansehnlichen Komplexen von Berechtigungen aller Art, deren Spuren noch bis ins neunzehnte Jahrhundert gedauert haben. Als Kämmerer erscheinen frühe die Reich, aber neben ihnen gab es noch ein Rittergeschlecht, das den Amtsnamen selbst führte. Truchsessen waren die von Schönenberg. Auch die Aemter des Schenks, des Marschalks, des Küchenmeisters gaben denen, die sie von Generation zu Generation vererbten, den Namen. Von der zweiten bischöflichen Hofhaltung her traten ihnen die Marschalke von Delsberg, aus den edeln Dienerschaften der Grafen die Marschalke von Wartenberg, die Schaffner von Pfäffingen, die Truchsessen und die Marschalke von Froburg entgegen; die Truchsessen von Rheinfelden waren Reichsministerialen.

Die Gotteshausdienstmannen und ihr Gesinde waren frei von allem Zoll zu Basel, ihre Eigenleute und ihr Gesinde frei von Gewerf und Aufgebot; von dem auf ihrem Eigen wachsenden Wein hatten sie die Fuhrweinabgabe nicht zu entrichten; in ihren Häusern konnte Jeder des Asyls genießen, außer gegen den ordentlichen Richter; auch durfte man in diesen Häusern weder Gut noch Leute mit Arrest belegen; ohne ihren Willen konnten ihre Eigenleute nicht zu Bürgern angenommen werden; und während sonst Jedermann vom Silberkauf den Schlagschatz an den Bischof zu entrichten hatte, waren sie davon befreit, wenn sie das Silber kauften für den Erwerb von Grundeigentum, für Wallfahrten und Kriegszüge, für Hochzeitsfeste, für Anschaffung von Roß und Harnisch.

In solcher Weise steht die Ritterschaft vor uns, ansehnlich an Umfang, ausgezeichnet durch ihr Leben in der Nähe des Fürsten, durch Waffenwerk und ritterliche Kunst. Sie waren die Glänzendsten der Stadt, dazu durch diese Privilegien hoch aus der Masse herausgehoben.

Aber was sie uns wichtig macht, ist ihr Verhältnis zum Stadtregiment. Hiefür kommt außer den soeben aufgezählten Freiheiten noch Anderes in Betracht: die Funktionen bei den Zünften, die Anteile an Brückenzoll und neugeprägter Münze, die großen Güterbezirke der Aemter vor den Stadtmauern. Namentlich aber ihre Stellung im Rate des Bischofs. Er befragt sie, bedient sich ihrer Mitwirkung bei allem, was die Stadt angeht. So kann es denn kommen, daß auch diese ritterlichen Herren Bürger heißen. [84] Sie stehen nicht nur im Hofleben, sondern auch im Stadtleben. Die Stadt des Bischofs ist auch ihre Stadt.

Von Teilnahme dieses Adels an den Geschäften der Stadt in früherer Zeit hören wir nichts; sie ist nicht glaubhaft. Aber die Reorganisation des Rates in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts schuf dann den Zustand, der von da an lange gedauert hat. Neben Burgern sitzen nun regelmäßig Ritter im Rate; und zwar nur solche, die Gotteshausdienstleute sind. Sie haben die Minderheit im Kollegium; aber die führenden Aemter Bürgermeister, Vogt, Schultheiß sind in ihren Händen.

Wenn wir an den Gegensatz Bischof und Stadt denken, so befremdet vielleicht dieser Zustand. Aber jener Gegensatz entwickelt sich überhaupt erst allmählich, und überdies ist nicht zu ersehen, weshalb das städtische Wesen diesen Herren aus dem Stiftsadel von vorneherein widerstreben sollte. Hier im Rathause konnten sie herrschen, während sie droben im Bischofshofe rechtlich nur Diener waren. Und so lange sie solche Gewalt ausübten, waren die städtischen Interessen ohne weiteres auch die ihrigen. Der Widerstreit von Adel und Stadt gehört einer spätern Zeit an, wurzelt in der Teilnahme der Zünftler am Rate; mit dem Burger mochte der Ritter die Bank teilen, mit dem Handwerker nicht.

Die an Bewegung und Umgestaltung reiche Zeit Heinrichs von Neuenburg übte ihre Wirkung auch auf die Ritter aus. Zerwürfnisse erhoben sich zwischen dem Fürsten und seinem Dienstadel, leidenschaftlich trennte sich der letztere in Parteien, deren eine zum Verlassen der Stadt gezwungen wurde. Daneben zog der Bischof, um für Durchführung seiner politischen Pläne zuverlässigere Hilfe zur Hand zu haben, als diese Ministerialität ihm bot, die Bürgerschaft heran. Nur weniges vernehmen wir von all diesem. Erst die Wahl Rudolfs von Habsburg zum König brachte den Frieden. Der König führte die vertriebenen Adligen, die Sternpartei, wieder nach Basel zurück; „mit Glanz und Ehren“, wie der Chronist sagt, und, was der Chronist verschweigt, mit dem strengen Gebot, von nun an Frieden zu halten. Er tat noch ein weiteres: er zog die Vogtei zu Basel ans Reich und entkleidete damit die stolzen Führer der Psittichpartei, die Münch und Schaler, in deren Händen dieses Amt seit Jahrzehnten gewesen, eines Vorteils, der stets Unzufriedenheit und Gegnerschaft der andern Geschlechter erzeugt hatte.

Kurze Zeit mochte nun Ruhe sein. Dann wachte der alte Hader wieder auf. Wir kennen die Ursache nicht. Aber es mag an Peter Schaler gedacht werden, der in diesen Jahren überall gewalttätig und herrschsüchtig [85] hervortritt. Den Bischof hielten Geschäfte des Reiches oft von Basel fern. Da griff Rudolf im März 1286, da er am Oberrhein verweilte, aufs neue ein und verkündete jenen Stadtfrieden, von dem oben gehandelt worden ist, unter Androhung schwerer Verbannungsstrafen für Friedestörer. Was er in dieser Weise tat, stand im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Tätigkeit für den Landfrieden im Reich; wenige Wochen später verfügte er dasselbe zu Hagenau, zur Beseitigung der Mißhelligkeiten in der dortigen Bürgerschaft.

In derselben Zeit ging das Basler Bistum von Heinrich an Peter Reich über. Dieser, der erste Bischof aus Dienstmannengeschlecht, hatte nähere persönliche Beziehungen zur Ritterschaft als irgend einer seiner Vorgänger. Er ergänzte den Stadtfrieden Rudolfs durch eine weitere Anordnung zu Gunsten des Friedens: in jährlicher Abwechslung sollte Einer vom Psittich und Einer vom Stern jeweilen das Bürgermeister- und das Oberstzunftmeisteramt bekleiden und der Rat aus gleichviel Gliedern von jeder Partei bestehen.

Noch einige allgemeine Bemerkungen sind hier anzuschließen.

Seit der Mitte des Jahrhunderts treten neue Adelsfamilien zu den bisherigen: die von Eptingen, von Biedertal, von Dachsfelden, Räuber, von Titensheim, von Lörrach, von Rotberg, von Flachsland. Dem Zuge dieser Geschlechter vom Lande in die Stadt begegnen die Stiftsadligen, die sich Sitze auf dem Lande suchen. Denn wie das Wachstum der alten städtischen Adelsfamilien schon frühe einen neuen Komplex von Höfen bei St. Peter entstehen läßt, als Gegenstück zu den Gesessen des Münsterhügels — die Münch, die Pfaff, die Steinlin, Vorgassen, von Straßburg siedeln sich dort an — so treibt dasselbe Wachstum Andere ganz aus der Stadt hinaus, macht geborene Stadtritter zu neuen Landrittern. Vor allem im untern Birstal ist dies wahrzunehmen; die Schaler von Benken, die Münch genannt Gempener, die Münch genannt Zwinger, die Münch von Münchsberg sind solche Ableger eines städtischen Stammhauses. Daß das alte Gelingen in den 1270er Jahren den Namen Münchenstein erhält, zeigt, daß ein Zweig der Münche von Basel sich hier festgesetzt hat. Die Vitztum haben das Burgstal Rheineck im Leimental inne. Während die alten Landgeschlechter sich vermehren, die Eptinger z. B. in zahlreiche Linien auseinandergehen (von Madeln, von Wartenberg, von Wildenstein, von Blochmont u. s. w.), bewirken die aus der Stadt herauskommenden Edeln, daß eine neue Schicht von Burgen entsteht, eine neue Gesellschaft von Landadel sich bildet.

[86] Trotz dieser Ausdehnung aber hatte der Adel dem aufstrebenden Städtertum keine gesteigerte Macht entgegenzustellen. Was wir vor uns sehen, ist eine zersplitterte Betätigung, ein Verbrauchen der überschüssigen Kraft dieses Nachwuchses zu allerhand Unruhe und Fehde. König Rudolfs Landfriedensordnungen suchten dem Uebel, das ein allgemeines war, zu steuern; von den Zuständen unserer Gegend und Stadt, von all dem Hader und Kampf, der sie damals erfüllte, zeugen der königliche Stadtfrieden von 1286 und die Nachrichten über die Fehde der Pfaff und von Uffheim mit der Stadt Freiburg, über die Ermordung des Ritters Werner von Straßburg durch die Riehener Bauern. Neben diesem Treiben finden wir auch größer geartetes Wesen, einen Zug ins Weite; in der Grabeskirche zu Jerusalem konnte man noch lange die Wappenschilde hängen sehen, die durch einen Münch und einen Schaler von Basel 1269 hier waren gestiftet worden. Kraft und Mut spricht aus allem, auch aus den Unfugen des Fehdewesens; von jener Schlacht im burgundischen Kriege Bischof Peters, da der Graf von Freiburg floh, die Basler Ritter und Bürger aber im blutigen Kampfe aushielten, ist schon geredet worden. In einem Preisliede jener Zeit heißt es: In Basel sint ouch ellenthaft mit huse gesezzen, zallerzit vermezzen fünfzic ritter oder mer, die man niemer widerker sihet tuonze kinden, ze frouwen noch gesinden, e daz si gesiget hant.

Von der Kultur dieses Adels zu reden ist unmöglich. Was die Urkunden über ihn aussagen, betrifft nur Geschäfte. Und im übrigen erscheint namentlich sein Anteil an der höfischen Poesie dieser Zeit als ein bescheidener. Ein halbes Jahrhundert früher hatte der Basler Dienstadel einen Dichter von der Bedeutung des Konrad Fleck in seinen Reihen gesehen; jetzt dürfen höchstens der Göli und der Pfeffel als Basler in Anspruch genommen werden, aber ihre Leistungen sind unerheblich, und auch die Dichtung Walthers von Klingen war kaum mehr als eine Konzession an die Mode. Ueber das ritterliche Treiben erfahren wir aus dem Datum U. L. F. Tag zum Turney, einer Basler Spezialität, daß am Tage Mariae Geburt die Ritterschaft hier ein Turnier abzuhalten pflegte, wohl auf dem Münsterplatz. Das Verhältnis zur Kirche erscheint als ein schwaches. Vom Domkapitel abgesehen vermögen die Basler Stifter und Klöster nur wenige adlige Mitglieder aufzuweisen, und das bürgerliche Element überwiegt auch sehr bei den Vergabungen und Stiftungen. Eine Ausnahme hievon macht einzig der Stifter des Klingentals, Herr Walther von Klingen. Aber dieser gehört Basel überhaupt kaum an. Erst am Ende seines Lebens zog er hierher, nachdem er alle Söhne verloren, die Töchter vermählt [87] hatte, und lebte in seinem hochaufragenden Gebäude beim Peterskirchhof aus; in Pfründen, Seelenmessen, Bittgängen dauerte bei den Predigern und den Klingentaler Damen sein Gedächtnis weiter.

Eine Gestalt ganz anderer Art war Johann Rauber. Anfangs begegnet er uns als Bürger, seit 1269 aber als Ritter; als solcher saß er zu Zeiten auch im Rate. Aber nicht diese Standeserhöhung macht ihn uns merkwürdig, sondern daß er offenbar der beste Laienjurist des damaligen Basel war. Was man sonst nur bei Klerikern zu finden gewohnt war, fand man bei ihm. Daher die zahlreichen Kompromißurkunden, in denen der Entscheid des Streites stets dem Johann Rauber übergeben wurde; daher seine Anwesenheit als Zeuge und Berater überall, wo ein Geschäft zu vollziehen war, nicht nur in seiner eigenen Gesellschaft vom St. Petersberg, sondern auch bei St. Alban, bei St. Leonhard, bei den Handwerkern, selbst im Gerichte des Offizials. Allenthalben war er zu brauchen, galt er als der Kenner des Rechts, als der Mann, der alles verstand. Auch im königlichen Hofgericht, wenn es zu Basel gehalten wurde, stand unter den Zeugen natürlich Herr Johann Rauber; ein merkwürdiges Rechtsgutachten von 1272 wurde neben einigen Geistlichen durch ihn erstattet.

Sodann der große Peter Schaler. Kein anderer Adeliger tritt uns so greifbar entgegen. Zu dem, was er wurde, war er schon durch seine Abstammung disponiert. Seinen Vater Peter sehen wir mit einem Bruder Otto zusammen ein gemeinsames Siegel führen, deutlichen Ausdruck des starken Familienbewußtseins; es hängt an einer Urkunde, die Peter als Vogt ausstellt, wie an solchen, die Otto als Schultheiß gibt. Aber auch Peter war Schultheiß und sodann einer der ersten Bürgermeister. Alle diese Ansprüche gingen auf Peter den Sohn über, um von ihm ein halbes Jahrhundert lang einer großen Umgestaltung der Verhältnisse gegenüber mit unbeugsamem Stolze geübt zu werden. Beim Tode seines Oheims Otto, nach 1265, nahm er die Schultheißenwürde wie ein erbliches Recht der Familie an sich und behielt sie bis ans Ende des Lebens. Daneben war er wiederholt Bürgermeister. So ruhte oft die Summe der öffentlichen Gewalt in seiner Hand. Bei Rudolfs Wahl zum König hatte Peter Schaler sofort erkannt, wo sein Vorteil liege. Bis dahin der entschiedenste Gegner Rudolfs, wurde er der Führer der österreichischen Partei in Basel, und der alte Zwist in der Ritterschaft brach, wenn auch die Stellung der Führer verschoben sein mochte, aufs neue aus. In der städtischen Politik hinwiederum vertrat Schaler heftig und herrisch die Rechte des Adels der Volkspartei gegenüber, in deren Führer Johann von Arguel er einen ihm [88] im Wesen verwandten Gegner fand. „Weißt du nicht, daß Hausherr und Schwein in demselben Hause wohnen können, aber verschieden leben!“ warf er diesem im Ratssaale ins Gesicht. Allenthalben finden wir den Peter Schaler in energischer und bedeutender Tätigkeit, auf dem Schlachtfelde von Dürnkrut, als Schiedsrichter zwischen Bischof Heinrich von Basel und Graf Reinald von Burgund. Zu seinem Preis wäre eine ganze Historie von nöten, schrieb Mathias von Neuenburg. Er war auch ein Gönner Konrads von Würzburg, der in schönen Tönen sein Lob singt. Und diese Macht wiederholt sich auf anderem Gebiete in seinem Bruder Werner, der Kirchherr zu St. Martin, Domherr am Münster, Propst von St. Ursitz war. Das letzte Auftreten Peters für uns ist die Zeugenschaft beim Verkaufe Liestals an das Hochstift, im Dezember 1305. Bald nachher wird er gestorben sein. Zum Bilde seines großen Wesens gehört, daß er auf der Nordseite des Münsters eine Kapelle hatte bauen und ausstatten lassen; in ihr fand er nun die Ruhe. Noch heute trägt sie an Schlußsteinen und Pfeilern sein Wappen.


Der Begriff Burger und seine Entwickelung ist schon erörtert worden. Er schuf eine geschlossene Gesellschaft; doch lag die Geschlossenheit im Begriffe, nicht im Bestande. Sie dokumentierte sich durch die Ratsfähigkeit. Bis in den 1330er Jahren die unmittelbare Teilnahme der Zünfte am Stadtregiment Tatsache wurde, bestand in Basel eine Geschlechterherrschaft. Sie wurde geübt durch die Ritter und die Patrizier, welch Letztere zum Unterschied von den Bürgern allgemeiner Bedeutung in der offiziellen Ratssprache Burger hießen.

Ihre Namen zeigen uns Kaufleute (Merschant), Krämer und Wechsler, aber auch herrschaftliche Beamte, wie Brotmeister, Keller, Münzer, Zoller, Meier, wobei nicht in Betracht kommt, ob es sich noch um Amtstitel, oder schon um Geschlechtsnamen handelt; die Mehrzahl aber trägt persönliche Beinamen: Rot, Sutto, Fuchs, Brogant, Pauler, Rezagel, Botscho, Schaltenbrand, Tanz, Iselin, Helbling u. s. w. , oder Namen von Haus und Straße; zum Angen, zum Steinkeller, vom Neuen Keller, zum Roten Turm, vom Hirzen, zum Sternen, unter Salzkasten u. s. w. , oder Einwanderungsnamen: von Arguel, von Blotzheim, von Magstat, von Müsbach, von Gundolsdorf, von Buggingen.

Mit den Listen dieser Burgergeschlechter in den 1230er Jahren beginnt deren Geschichte. Aber diese Namen stehen am Ende einer jahrhundertelangen Entwickelung. Nachdem schon Generationen unbezeugt dahin gegangen [89] sind, kommt zum ersten Mal in diesen Namenreihen die alte Bevölkerung der Stadt zum Worte. Es ist bezeichnend, daß sie mit Kaufleuten, Krämern und Wechslern anheben; gleichwie in der Folge ein ununterbrochenes Herüberströmen aus der kaufmännischen Welt in die Burgergesellschaft stadtfindet, so hat diese sich auch in der Vergangenheit von dort her rekrutiert. Auch der Zuwachs aus den Kreisen der herrschaftlichen Beamten ist zu beachten. In keiner Richtung jedoch darf an etwas Ausschließliches und Zwingendes gedacht werden. Die Wege zu der bürgerlichen Vornehmheit konnten zahlreich sein und von den verschiedensten Orten ausgehen. Auch ist nicht deutlich erkennbar, wie und durch wen die Aufnahme geschah. Aber die Schwelle war eine deutliche. Der Petent mußte qualifiziert sein durch persönliche Freiheit, durch Tüchtigkeit, durch Reichtum und insbesondere durch Grundbesitz. Freies Eigen ist in Basel nachzuweisen bei allen Ständen.

Neben dem Grundstock der ritterlichen Gesesse in der Münstergegend finden wir solches Eigen des Adels am frühesten am Kornmarkt, an der Eisengasse, auf dem Salzberg, auf dem Nadelberg.

Ebenso unzweifelhaft ist das Grundeigentum der Burger; es genügt, an die Verkäufe des Rüdeger Brotmeister 1241, des Heinrich Tanz 1253, die Schenkung des Kuno von Müsbach 1258 u. a. zu erinnern. Freilich sind die Erwähnungen solches bürgerlichen Eigens verhältnismäßig selten; vielleicht weil der Besitz seit Alters meist in festen Händen war und blieb, eher noch aber ist die Einseitigkeit der Überlieferung daran schuld. Sie bewahrte nur das, was für die Kirche von Wert war; reine Laienangelegenheiten fehlen fast völlig.

Mehr verlautet vom auswärtigen Besitz, vor allem vom Sundgauischen. Ritter wie Burger erscheinen als begütert in diesen schönen Geländen: die Schaler in Habsheim, die von Straßburg und von Arguel in Attenschweiler, Heinrich Münch in Egisheim, Heinrich Reich in Jungholz und Hagental; Güter des Heinrich Tanz liegen in Geberschweier, Pfaffenheim, Suntheim, Werenzhausen, Benken; Güter des Rudolf Fuchs in Geispitzen, Kappeln, Brinkheim usw. usw. Rechtsrheinisches Eigen scheint seltener gewesen zu sein; Gertrud vom Kornmarkt war in Istein und Haltingen, Burchard zum Rosen in Tannenkirch, Johann Münzer von St. Martin in Grenzach Eigentümer. In den meisten Fällen wird es sich um Geldanlagen, Geschäfte, Spekulation handeln; zuweilen aber war es einfach die alte Heimat des Betreffenden und ein Grundstück, das er dort noch besaß, wie z. B. im Falle des Rudolf von Müsbach, der eine halbe Hufe zu Obermüsbach verschenkte. [90] Im Anschlusse hieran ist nach der Tätigkeit und der Lebensstellung der Burger zu fragen.

Unterhalt und Beschäftigung bot den Burgern vor allem ihr Grundbesitz, sowohl die Hofstätten und Häuser in der Stadt, als die Güter auf dem Lande. Vom Ertrage des Grundes und Bodens, von der Verwertung seiner Erzeugnisse lebten sie; die Scheunen und Kornhäuser, die wir im Besitze solcher Geschlechter finden, weisen auf Landwirtschaft, auf Naturalabgaben und deren Umsatz. Einzelne lebten überhaupt nicht in der Stadt, sondern auf den Landgütern; das Bischofsrecht bezeichnet als zollfrei ausdrücklich nur die seßhaften Burger.

Nicht selbst Gewerbtreibende, sondern Inhaber von Gewerben, die zum Betriebe verliehen wurden, waren wohl die Burger Brogant, zur Sonnen, Helbling, denen Walke und Mühle zustanden.

Aber auch an Handel in größerm Sinne muß gedacht werden. Daß der Basler Burger Peter genannt Münzer 1273 sich von St. Urban Häuser in Zofingen leihen ließ, ist doch wohl aus Geschäften zu erklären, die er auf der Straße zum Gotthard betrieb. Und aus solchen auch die Konflikte der Zebel und Meier von Hüningen mit Luzern 1298.

So begegnen uns die Burger schließlich auch als Kapitalisten; Walther des Meiers, Konrad Ludwigs, Hug zur Sonnen, Hug Pauler sind Kreditoren der Basler Bischöfe für große Beträge; Rudolf Fuchs leiht dem Kloster Olsberg; auch der Bischof von Konstanz nimmt Geld bei Basler Burgern auf.

Es würde erwünscht sein, im Anschlusse hieran auch die Betätigung dieser Burger für geistige Dinge würdigen zu können; doch reichen hiezu die Zeugnisse nicht aus. Ihre Beziehungen zur Kirche wurden schon berührt; namentlich bei St. Peter zeigt sich eine ausgiebige und konstante Teilnahme dieser Klasse, die in Wohnungs- und Zinsverhältnissen, in persönlichem Verkehr, in Vergabungen geäußert wird. Hiezu kommt, daß, nach den allerdings nicht methodisch und vollständig überlieferten Namen zu schließen, sowohl die Weltgeistlichen als die Mitglieder der Capitel und Konvente zum größeren Teil aus dieser Burgergesellschaft hervorgehen.

Ein Weiteres ist das Vorkommen von Klerikern im Dienste solcher Familien; neben der Besorgung von geistlichen Funktionen sowie von Schreib- und Verwaltungsgeschäften ist dabei jedenfalls an Hausunterricht zu denken, den die Burger durch diese Geistlichen ihren Kindern erteilen ließen, was beim Mangel von Laienschulen ein Bedürfnis sein konnte. Als das Wichtigste auf diesem Gebiete müssen die Beziehungen einzelner Burger zur Poesie gelten. Neben die Zeugnisse einer Teilnahme [91] Basels an dem großen allgemeinen Besitz der deutschen Heldensage, wie sie durch die Namen Irinc, Gelfrat, Ermenrich, Elegast, Sintram, Wielant und die Skulpturen in der Crypta und dem Chor des Münsters gegeben werden, tritt hier in bemerkenswerter Weise das persönliche Empfinden und Handeln Einzelner.

Nach Konrad Fleck, dem Dichter der anmutvollen Erzählung von Flore und Blancheflur, ist der namhafteste höfische Dichter Basels, den Zeitgenossen Walther von Klingen weit überragend, Meister Konrad von Würzburg. Seine Lebensumstände sind freilich nicht deutlich erkennbar. Er wird ein Fahrender genannt, und als ein solcher kam er nach Basel, wo er an der Spiegelgasse (heute Augustinergasse) wohnte und 1287 starb. Hier nun fand er jene Gönner, die ihn zur Arbeit ermunterten und seine Werke belohnten: die Domherren Lütold von Röteln und Dietrich am Ort, den Ritter Peter Schaler, vor allem aber die Burger Johann von Arguel, Heinrich Merschant, Arnold Fuchs, Johann von Bärschwil, Heinrich Iselin. Sie haben ihm Liebe getan, rühmt Konrad, mit ihrer Gnade, mit ihrer Mildigkeit Sold ihm geholfen; auf ihren Wunsch geschieht es, daß er die schönen Legenden von Silvester und Alexius und Pantaleon dem Latein, den großen Roman von Partonopier und Meliur dem Französischen nachdichtet; bei der letztern Arbeit steht ihm Heinrich Merschant helfend zur Seite, welcher der beiden Sprachen Hort hat. In Worten voll warmen Gefühles weiht der Dichter diesen Gönnern und Freunden seine Schöpfungen, wünscht ihnen die Wonnen ewiger Seligkeit, verheißt ihnen, daß man ihrer gedenken werde, so lange diese Dichtungen leben.

Das Wesentliche aber, das diesen Stand auszeichnete und als solchen zusammenhielt, war der Sitz im Rate.

Hiefür wird auf schon Gesagtes verwiesen. Seit Heinrichs von Neuenburg Zeit scheint die Zahl von acht Ratsherren aus den Burgern als Norm zu gelten; die Burger besaßen damit das Übergewicht neben dem Bürgermeister und den vier Ratsherren von Rittern.

In solcher Weise vereinigte Gleichheit im öffentlichen Recht die beiden Stände. „Ritter und Burger haben der Stadt Ehre geschworen“ sagt König Rudolfs Stadtfriede. Gedeihen und Ansehen des gemeinen Wesens ruhten auf ihnen. Dem entsprach eine Gleichheit der sozialen Stellung. Eine schärfere Abgrenzung der Burger gegen unten, ein engeres Zusammenhalten mit den Rittern scheint zu der Zeit sich bemerkbar zu machen, da die Handwerker in das öffentliche Leben eintreten, durch Heinrich von Neuenburg herangezogen und begünstigt werden. Die Burger begannen [92] jetzt sich gleich den Rittern „Herr“ zu nennen; sie führten Siegel, so schön und stattlich wie nur je die Siegel der Edeln waren; wichtiger aber, daß zwischen Rittern und Burgern Ebenbürtigkeit anerkannt wurde. Heinrich Tanz verheiratete seine Tochter Gertrud dem Ritter Heinrich Kraft; Konrad Ludwigs hatte die Agnes von Titensheim zur Frau, den Heinrich Zerkinden zum Schwesterbruder, den Hugo Münch zum Schwiegersohn. Auch das alte Recht der Lehensfähigkeit wurde jetzt den Burgern vom König neu bestätigt, und seine Bedeutung darf nicht gering bemessen werden. Es befähigte diese Städter, ihr Vermögen in adligem Besitz auf dem Lande anzulegen, und vermochte daher mehr als Anderes, sie und ihr Gut der Stadt zu entfremden.

Diesem Zusammengehen mit den Rittern antwortete naturgemäß ein entschiedeneres Sichzusammennehmen im Innern selbst. Da der Bürgerbegriff jetzt seine exklusive Bedeutung verlor und nicht mehr an sich den geschlossenen Kreis der Ratsfähigen bezeichnete, ergab sich das Bedürfni seiner andern Form der Absonderung. Dies war die Stube. Dem in den Zünften sich aussprechenden Genossenschaftsleben analog verband auch sie Diejenigen, die gleiches Rechtes waren. Als rein gesellige Organisation bestand sie vielleicht schon seit längerer Zeit, jetzt wurde sie zum öffentlich-rechtlichen Verband. Möglicherweise geschah das Gleiche zur gleichen Zeit bei Rittern und Burgern, in Entstehung der beim Münster gelegenen Ritterstube zur Mücke und der bürgerlichen zum Brunnen im Petersquartier.

Das spezifische Wesen des Patriziats hat sich in dieser Periode ausgebildet, als Eigenart gegenüber dem gemeinen Manne, aber auch gegenüber dem Adel, nach dessen ritterlicher Art zu leben ersehntes Ziel war und von dem doch so viel Inneres, Angebornes, auch ein stolzes Gefühl alter Freiheit gegenüber diesen Dienstleuten schied.

Denn es ist nicht zu verkennen, daß in dieser Gesellschaft, ihr selbst vielleicht nicht völlig bewußt, doch viel Gegensätzliches gegen die Ritter, viel Verwandtsein mit den Zünften lebte. Diese waren rein städtisch wie die Burger. Die Tatsache des steten Strömens und Drängens von unten her trug auch dazu bei; sie brachte neue demokratische Elemente in diese Kreise hinein, und Diejenigen, die sich zu den Rittern gesellen konnten, nahmen Ambitionen mit sich fort, die dieser Gesellschaft im Grunde fremd waren. Aber weil der Zufluß von unten stets nur die Tüchtigsten und Ehrgeizigsten brachte, hielt sich der Charakter der Klasse auf einer Höhe; das Selbstgefühl des Emporkömmlings hinderte die Einzelnen am fernern Zusammengehen mit den Zünften, aus denen sie heraufgekommen.

[93] So ergab sich eine Zwischenstellung, deren Art und Bedeutung im einzelnen Falle allerdings schwankend sein mochte.

Hier lag auch die Ursache von Entzweiungen. Die Elemente, die so nahe beisammen standen, waren verschieden genug, daß es nur eines Anstoßes von außen bedurfte oder des kräftigen Auftretens eines Einzelnen im Innern, um sofort Faktionen zu schaffen. In den großen Parteihader von Psittich und Stern wurden auch die Burger mit hinein gerissen, und das Entstehen einer dritten Patrizierstube, derjenigen zum Seufzen, darf vielleicht auf solche Spaltungen zurückgeführt werden.

Wir sehen ein Gewirre von Leidenschaft und Verlangen vor uns; nur die Gestalt des Johann von Arguel tritt daraus erkennbar entgegen. Noch ein halbes Jahrhundert später lebte er in der Erinnerung des gemeinen Mannes als Derjenige, der zu seiner Zeit der Mächtigste in Basel gewesen; er war ein Volksführer, die Plebs hing ihm an, obwohl er zu den Burgern gehörte, als Vertreter ihrer Stube im Rate saß. Er war begütert, sein Haus stand an der Freienstraße; wiederholt wurde der mächtige und geschickte Mann als Schiedsrichter berufen, zum Pfleger des städtischen Spitals gewählt. Gleich Andern seines Standes gefiel auch er sich darin, der Mäcen eines Dichters zu sein; für ihn brachte Konrad von Würzburg die Legende vom heil. Pantaleon in Verse. Aber nicht in solchem Tun lebt sein Bild; wie er wirklich geartet war, zeigt sein Verfahren gegen St. Alban im Galgenstreit. Mit derselben harten Eigenwilligkeit fuhr er auch im Rate drein, den stolzen Rittern und dem Bischof entgegen; er war kein alter Basler, sondern ein Eingewanderter, durch seine Mutter, eine Winhart, mit den Angesessenen verwandt; aber seine Kraft hatte ihn rasch heraufgetragen, und unter den Burgern war nun er mit seinen Anhängern Johann Meier zum Schlüssel und Kuno zur Sonnen der Vertreter der Volksinteressen, der Begünstiger der Zünfte.

Außer ihm zeigt die Burgergesellschaft noch mannigfaltige Typen: den Johann Hurrebold z. B., der nach dem Tode seiner Frau Chorherr zu Münster wird; den all sein Hab und Gut dem Kloster Unterlinden zuwendenden Johann Apotheker; die Grundbesitzer Heinrich Tanz, Rudolf Fuchs und vor allem Wetzel Keller; die Merschant und Helbling, deren Namen schon auf den Beruf ihrer Väter weisen; die Jurassier von Gundolsdorf, die durch die bischöfliche Hofhaltung hindurch in die Bürgerschaft gelangt sind, nun im Rate sitzen und als Schultheißen des Rechtes walten; die erst spät, aber dann sofort mit Macht und Ansehen auftretenden zer Sunnen; endlich den Krämer Ludwig und seinen Sohn Konrad. Die Entwickelung [94] dieser Familie zeigt scharf das damals auf sozialem Gebiete Mögliche. Sie beginnt mit dem Krämer und führt das Geschlecht stetig aufwärts; zunächst noch ganz im Bereiche der Petersgesellschaft, unter Burgern und Kaufleuten; aber Ludwigs Sohn Konrad, durch Reichtum und persönliche Fähigkeit gehoben, begegnet uns immer häufiger in den vornehmen Kreisen, oft als der einzige bürgerliche Zeuge neben Edelleuten, bis er den letzten Schritt tut, das ritterliche Lehen von Hertenberg erwirbt und sich Edelknecht nennt.


Ritter und Burger waren zwei privilegierte Klassen, aber im Verhältnis zur Bevölkerung nur kleine Komplexe. Wir haben uns klar zumachen, daß, wenn sie auch in der Urkundenwelt dominieren, sie in der Wirklichkeit von einer wimmelnden Menge umdrängt waren, deren lautes tausendstimmiges Leben sie weit übertönte.

Diese Wirklichkeit, die an und für sich ja keines Zeugnisses bedürfte, ist doch auch in unserm Schrifttum nicht ohne Spuren geblieben. Schon frühe machen sich Basler geltend, die weder Ritter noch Burger sind: 1193 Gisilbert, Hugo von der Walke, Werner vom Runs; 1202 Eberhard Faßbind; 1213 Volkmar vom Steg, Eppo der Metzger; 1223 Dietrich, Konrad, Arnold u. s. w. Das sind nur Namen, nur ganz vereinzelte Personen, die zufällig aus der Masse hervortreten.

Noch im dreizehnten Jahrhundert zeigt uns die Einwohnerschaft den alten gemischten Zustand. Die Stadt umschließt alte und neue Einwohner, Freie und Hörige. Die letztere Klasse haben wir nicht allein auf den Grundherrschaften des Bischofs oder von Klöstern zu suchen, sondern auch unter dem Gesinde von Rittern und Burgern. Daß solche Eigenleute sogar das Bürgerrecht erwerben konnten, setzt das Bischofsrecht als möglich voraus. Wie aber im übrigen hinsichtlich der Einwanderung unfreier Leute verfahren wurde, wissen wir nicht. Die Regel richtete sich hiebei wohl nach dem Bedürfnis, und dieses war jedenfalls nicht immer dasselbe. Insbesondere darf von dem, was für die Gründungsstadt Kleinbasel galt und was dort nachweisbar geschah, nicht ohne weiteres auf Basel geschlossen werden.

Auch als Grundeigentümer stehen Ritter und Burger nicht allein da. Wir finden Eigen des Bischofs, der Stifter und der Klöster. Wir finden auch Auswärtige, sowohl Klöster als Laien, hier im Besitze freien Eigens. Ebenso Juden. Und dem entspricht, daß auch eingesessene Nichtbürger Eigen besitzen konnten. Spuren eines verbreiteten Eigentums in den Händen einzelner Laien sind auch die Einträge im Münsteranniversar über [95] die in alter Zeit dem Dom gemachten Schenkungen. Und endlich ist daran zu erinnern, daß überall da, wo ein reichgewordener Kaufmann oder Handwerker das Bürgerrecht erhalten wollte und auch erhielt, der Erwerb freien Eigens vorausgegangen sein mußte.

Vor allem aber haben wir auf Beruf und Tätigkeiten zu achten, wenn wir versuchen wollen, neben den ausgeprägten Bildern, in denen Ritterschaft und Burgerschaft sich uns darstellen, die sie umgebende Laienwelt uns zu vergegenwärtigen in der Fülle ihres Lebens, in ihrem Reichtum an Formen.


Den größten und wichtigsten Teil dieser Einwohnerschaft bilden die Handwerker. Nicht in Betracht fallen dabei solche Handwerker, die nur Haus- und Hofhandwerker waren. Diese arbeiteten als Gesinde eines Bischofs, eines Klosters, eines Herrn nur für dessen oder seines Haus- und Hofhaltes Bedarf, sowie für den Gutsbetrieb. Um eine erhebliche Zahl solcher Handwerker konnte es sich kaum handeln. Auch begegnen uns nur wenige Zeugnisse über sie; zu St. Alban ist vom Klosterbäcker und vom Klosterschmied die Rede, an einer anderen Stelle von den Bäckern des Domstifts, die zur Bereitung des Stiftsbrotes das Mehl auf der Stiftsmühle zu Brüglingen müssen mahlen lassen; das Namhafteste ist die Erwähnung der Zimmerleute, Maurer, Becherer, Bäcker usw. der bischöflichen Hofhaltung und Grundherrschaft.

Diesen Hofhandwerkern gegenüber, die wohl nur gewisse Betriebe vertraten, standen die städtischen Handwerker. Ob sie persönlich frei oder unfrei waren, ist hier nicht von Bedeutung; nur auf ihre wirtschaftliche Selbständigkeit kommt es an. Es ist nicht an eine durchweg tiefstehende und beschränkte Klasse zu denken. Diese Handwerker waren keineswegs von vornherein nur Kundenarbeiter oder Lohnwerker, sondern auch sie schon Händler, die in eigener Werkstatt und aus eigenem Stoffe für den Markt produzierten und hier die so gefertigte Ware zum Verkauf stellten. Unter den alten mercatores von Basel sind auch sie einzubegreifen. Und dami tist ihre wirtschaftliche und soziale Bedeutung gegeben, auch wenn sie nicht in Allen gleichmäßig wirksam sich äußerte.

Das Selbstgefühl und die Kraft, die in diesen Schichten lebten, treten doch vielfach zu Tage. Vor allem in der großen Ausgestaltung der Zünfte und in der ihr folgenden Teilnahme am öffentlichen Leben. Aber auch schon das frühe Auftreten von Handwerkern in Zeugenreihen neben Herren, [96] die Aufnahme Einzelner von ihnen in die Bürgerschaft, die Tatsache des Grundeigentums von Handwerkern sind Zeugnisse. Ihre Stellung im öffentlichen Leben wird hier schon frühe bezeugt durch die Tatsache einer Verfügung der gesamten Bürgerschaft, auch der Handwerker, über die Allmend 1260, zu einer Zeit, da z. B. in Straßburg nur die „Reichen“ über sie verfügen zu können glaubten. Und ein Beispiel aus dem Leben, das viel besagt, gibt die bekannte Erzählung Vitodurans vom Besuche König Rudolfs bei dem Basler Gerber. Ueberhaupt welcher Schwung und Glanz geht durch alle die Arbeit dieser Zeit! Immer wieder müssen wir, vom Urkundenlesen stumpf geworden, zur Besinnung kommen und uns sagen, daß diese Urkunden nur äußere Formulierung von Lebensvorgängen überliefern und auch sie nur von wie wenigen der vielen! Was in diesen Jahrzehnten Verkehr, Handel, Gewerbe, Tätigkeit irgend welcher Art heißt, trägt ein Gepräge der Größe. Gleich zu Beginn die gewaltige Tat des Rheinbrückenbaus gibt der Periode ihren Maßstab; der Bau des Münsters, die Errichtung neuer Kirchen und Klöster, der Neubau von St. Martin, die Bauten zu St. Leonhard werden begleitet durch eine starke private Bautätigkeit. Der Stadtboden innerhalb der Mauern wird dichter besiedelt; an die Stelle offener Hofstätten treten Häuser, die schon bestehenden werden vergrößert. Nicht nur die Mehrung der Bevölkerung, auch die Erstarkung des Erbzinsrechtes kommt in Betracht, die dem Beliehenen möglich macht, Geld auf sein Haus aufzunehmen und zu Verbesserungen zu verwenden. Rings um die Stadt aber wachsen Vorstädte aus dem Boden, füllen sich mit Leben, erhalten Mauern und Tore; und gegenüber, jenseits der Brücke, entsteht eine neue Stadt. Zwischen hinein geben gewaltige Brandkatastrophen den Anstoß zu wiederholter Verjüngung. Wie das ganze Wesen, Auffassung und Bedürfnisse sich hoben, zeigen die einzelnen Beispiele der Beseitigung von Geschlechtertürmen oder der in eben diesen Jahren eingeführten Wasserversorgungen; zu den alten Quellbrunnen des Birsigtals traten jetzt zwei große Herbeileitungen von Trinkwasser, durch das Domkapitel 1266, durch das Stift St. Leonhard schon früher.

Das Wachstum der Stadt, das Gedeihen des Handels und Handwerks, die Zunahme des Verkehrs finden ihren Ausdruck in einem sich Steigern und Herrlicherwerden des Lebens überhaupt. Was jene kostbare Schilderung der zu Beginn des Jahrhunderts gewesenen Verhältnisse gibt, ist durch den Verfasser bewußt in Gegensatz gestellt zu den Zuständen seiner eigenen Zeit. So malt er, wie früher die Stadt Basel gering an Mauern und Gebäuden gewesen sei, wie auch die guten und festen Häuser nur wenige [97] kleine Fenster gehabt hätten. Der Rhein war ohne Brücke, das Land in Waldung begraben; es gab viele Fischer, aber nur wenige Kaufleute und Handwerker. Die letztem waren noch einfältig in ihrer Kunst: beim Hausbau wurde noch kein Gips verwendet, die Wagen waren noch nicht mit Eisen beschlagen usw.

Die Art unseres Quellenmaterials macht freilich unmöglich, irgendwie umfassend von diesen Dingen zu reden. Nur auf wenige Einzelheiten kann hingewiesen werden. So z. B. daß gewisse Berufe auch durch Frauen ausgeübt werden; wir finden Weberinnen erwähnt. Die Genossenschaft der Rümelinbachlehen, aus Sarwürkern, Müllern und Schleifern gebildet, wird zum ersten Male 1280 genannt; der Bach selbst ist älter. Auch Wirte treten jetzt mit Namen auf: Heinrich von Schliengen, Hermann von Biel, der Tavernenwirt Nordwin in der Spalen; ebenso schon, völlig unbefangen unter den Zeugen einer Urkunde von Konrad Ludwigs, der Frauenwirt Burchard von Aesch. Badstuben werden erwähnt. Zahlreiche Angaben über Gärten und Gärtner, über Scheunen, Trotten, Rebgelände, der Hinweis auf die im Stadtbann geltenden Ackerbaugesetze zeigen die stark entwickelte landwirtschaftliche Seite dieses Lebens. Auf die Biersiederei deuten wohl der Hopfen im Bäckerweistum 1256 und der Geschlechtsname Metter. Von einer Seidenindustrie, wie eine solche damals z. B. in Zürich bestand, findet sich hier allerdings keine Spur. Dagegen darf an Jenen nicht vorbeigegangen werden, die uns als die frühesten mit Namen zu nennenden Künstler Basels gelten dürfen. Es sind die Maler Berthold 1259, Gottfried, Ludwig von Mainz 1290, Hugo Lembli 1296. Sodann in dieser wichtigen Bauperiode die Steinmetzen Korentachs, Burchard von Delsberg, Arnold von Mülhausen 1293, Hermann 1284, Pirrin von Enschingen 1284, der am Bau von St. Martin tätige Magister Werner, und beim Klingental der Bruder Johann. Die Büste des heil. Pantalus und der Kelch des Gottfried von Eptingen, beide Stücke einst Zierden des Münsterschatzes, verkünden noch heute den Ruhm der damaligen Basler Goldschmiedekunst; als solche Künstler werden genannt Heinrich Liebauge 1270 und 1280, Rudolf von Rheinfelden 1296, Johann von Zürich 1298, und als frühester der bei St. Peter angesessene Helivic.


Das sind zusammenhangslose und darum wenig besagende Notizen. Reicheren Aufschluß gibt die Ueberlieferung über die Zünfte. Mit diesen findet in der rudolfinischen Zeit eine erste Entwickelung des Basler Handwerkerstandes ihren Abschluß.

[98] Es wird an die schon früher ausgesprochene Annahme erinnert, daß in Basel Handel und Verkehr der Römerzeit sich auch nach der germanischen Eroberung behauptet und in neue Staatsordnungen herüber gerettet haben. Das diesem Ort eigentümliche Leben eines hochwichtigen Transitplatzes machte jederzeit die Anwesenheit von Handwerkern nötig; ihm konnten die im Hofverband einer Herrschaft stehenden und nur für diese arbeitenden Handwerker nicht genügen. Das reichere Treiben des von allen Seiten zu- und durchströmenden Verkehrs verlangte nach Markthandwerkern, die jederzeit vorhanden waren und allen Bedürfnissen gerecht werden konnten. Das städtische Wirtschaftsleben schuf einen städtischen Markt.

Dieser Markt ging mit der gesamten Herrschaftsgewalt an den Bischof über. Der Bischof erscheint seitdem als Marktherr; das Bischofsrecht kennt ihn als solchen; er handhabt Maß und Gewichte.

Die Gewalt des Marktherrn übte der Bischof unmittelbar auch diesen städtischen Handwerkern gegenüber, in Beaufsichtigung der Arbeit wie des Verkaufes. Es war eine Aufsicht, die der gleichfalls vom Bischof geübten Lebensmittelpolizei analog war, im selben Rechte wurzelte, wohl auch durch dieselben Beamten gehandhabt wurde.

Für die Entstehung der Zünfte ist diese Polizei des Marktherrn jedenfalls von Bedeutung gewesen. Hier lagen starke Keime von Organisation und Verwaltung. Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben. Der Wille der Obrigkeit war nicht die einzige Gewalt. Neben ihr wirkte der Wille der Handwerker selbst, das Einungsstreben, der Drang, der allenthalben Genossen schuf. Wir dürfen nichts Ausschließliches sehen wollen. Denn nicht Prinzipien und juristische Definitionen bilden das Leben; es ruht auf Willkür, Möglichkeiten, freiem Wechsel der Kräfte, und ist überhaupt nicht jedenfalls etwas Rationelles.

Ein Zeugnis der vom Bischof geübten Marktaufsicht ist das Bäckerweistum von 1256. Dieses spricht aus, welche Rechte der Vitztum, der Brotmeister und die städtischen Bäcker gegenseitig haben. Die beiden Erstgenannten sind bischöfliche Beamte, der Vitztum der höhere, übergeordnete; der Brotmeister führt die Aufsicht im Einzelnen, übt die Brotschau, unter Beiziehung von Sachverständigen aus dem Handwerk, hat eine Gerichtsbarkeit bei Streit unter den Bäckern, Müllern und ihren Knechten, außer den Fällen, wo es an blutige Hand geht. Was er nicht schlichten kann, geht an den Vitztum, von diesem an den Bischof selbst. Will ein Bäckerknecht das Gewerbe auf dem Markt selbständig ausüben, so wird seine Tauglichkeit durch den Brotmeister in einer Versammlung [99] aller Bäcker geprüft; für die Aufnahme zahlt er Gebühren, auch an die Gemeinschaft der Bäcker für ihre Kosten bei dieser Versammlung. Für das Feilhalten von Brot hat jeder Bäcker ein jährliches Marktgeld zu entrichten, sowie bei Eröffnung eines neuen Ofens eine Abgabe für das Ofenrecht. Die in den Vorstädten und in Kleinbasel wohnenden Bäcker zahlen jeweilen nur die Hälfte.

Außer Vitztum und Brotmeister war aber auch der Schultheiß an der Aufsicht über das Brotgewerbe beteiligt; worin wir einen Rest der allgemeinen Marktpolizei erkennen dürfen, die dem Schultheißen zustand, hier aber im übrigen durch die Spezialordnung des Brotmeisters ersetzt wurde. Eine solche Spezialordnung entsprang der besondern Sorgfalt, die man dem ersten aller Lebensmittel, dem täglichen Brote schenkte; aus dieser erklärt sich auch die späte Aufzeichnung des Weistums. Der Bischof wünschte in der Zeit allgemeiner Organisation der Gewerbe in Zünften sich seine gesonderten Befugnisse gegenüber den Bäckern durch diese Kodifikation zu sichern; dieses Sonderrecht dauerte in der Tat noch lange weiter, in einer Zeit, da für dieselben Bäcker Zunft und Zunftrecht bestanden. Noch 1323 wurde es ausdrücklich erneuert, und eine Kundschaft von 1400 zeigt, daß auch da noch Recht und Gericht des Brotmeisters in alter Art bestanden.

Einrichtungen dieser Art sind für kein anderes Gewerbe in Basel nachzuweisen. Das Bestehen von „Aemtern“, d. h. marktherrlichen Handwerksämtern, obrigkeitlich geschaffenen Gruppen zum Zwecke der Marktaufsicht ist außer bei den Bäckern nicht bezeugt. Aber die Ueberlieferung ist vielleicht eine lückenhafte; wenngleich das Bäckergewerbe eine eigenartige Behandlung verlangen mochte, so konnte doch auch über die andern Gewerbe eine organisierte Marktpolizei geübt werden.

Nur als Parallelerscheinung zu einer solchen Gruppierung des Handwerks in der Organisation kann seine örtliche Gruppierung gelten. Diese bildete eine Erleichterung von Aufsicht und Kontrolle und mochte daher in der Tat durch die Obrigkeit veranlaßt worden sein. Aber nicht ausschließlich durch sie. Auch die Gewerbe selbst hatten ein unmittelbares Interesse an solcher Gruppierung. Daß die dasselbe Handwerk Treibenden ihre Verkaufsstellen und im Anschluß an diese meist auch Werkstätten und Wohnungen örtlich beisammen hatten, entsprach ihren eigenen Wünschen, hatte für sie Wert als Regelung der Konkurrenzverhältnisse, indem sie sich so gegenseitig unter den Augen hatten. Es entsprach zudem den Interessen der Kunden, die eine Auswahl der gesuchten Ware an einem Orte vereinigt zu finden wünschten.

[100] Diese Topographie der Gewerbe in Basel stellt sich folgendermaßen dar: Die Marktplätze dienen dem Verkauf von Lebensmitteln, während der eigentliche Handwerksmarkt ein Markt durch die ganze Stadt ist, sich durch die Gassen von der Rheinbrücke und von der Birsigmündung aufwärts bis zum Eintritt des Birsigs in die Stadtmauern hinzieht. Er füllt den größten Teil des städtischen Birsigtals. An die Eisengasse schließt sich die Gasse der Sporer, und unmittelbar bei diesen sind die Sattler in einer Gasse vereinigt. Den langen Straßenzug vom Kornmarkt aufwärts, zwischen Birsig und Rümelinbach, nehmen die auf Benützung dieser Gewässer angewiesenen Ledergewerbe ein: die Permenter, die Gerber, die Schuster. Die Freiestraße trägt diesen alten Namen nur noch auf einer kleinen Strecke; wie sie unten zur Eisengasse geworden ist, so hat sie vor ihrer Einmündung in den Kornmarkt ihren Namen von den hier arbeitenden und feilhaltenden Becherern. Die Schmiede lärmen längs der den Abhang sich hinauf ziehenden Straße ins Elsaß (Spalenberg); abseits, zwischen ihnen und der Leonhardskirche, finden wir die Weber angesiedelt.

Das sind die alten Basler Handwerkergassen. In ihnen verkaufte jeder Meister für sich allein; aber wir finden auch Lauben als im Eigentum der Genossen stehende Lokale, die zugleich die Zunftstuben trugen, so die Laube der Gerber beim Richtbrunnen an der Gerbergasse, die Lauben der Kürschner und der Grautücher in der Nähe der Sporer. Bei den Letztern auch die Schol mit den Fleischbänken; hier in der Nähe des Kornmarktes wurde im gedeckten Raume das gute Fleisch verkauft, das geringere davor, extra tecta.

Aber stabil und gleichbleibend dürfen wir uns diese Gruppierung nicht denken. Ein Wandern ganzer Gruppen ist nicht zu verkennen. Die Eisengasse und die ihr nahe Gasse unter den Bulgen (Ledersäcke u. dgl.) bezeugen einen frühern Zustand; die Ansiedelung der Schmiede am Spalenberg, der Ledergewerbe beim Rindermarkt ist etwas Späteres. Auch bei Einzelnen läßt sich ein Durchbrechen des Gefüges vermuten. Wie die Stadt wuchs und sich umbildete, verschoben sich auch diese Zusammenhänge; ein bezeichnendes Symptom hiefür ist das Wandern der Zunfthäuser talaufwärts. Die Häuser der Gerber, Schneider und Gärtner freilich standen wohl schon seit Beginn in der Gerbergasse, an der Stelle, die sie bis zu ihrem Untergang im Jahre 1874 innehatten. Aber die Zunfthäuser, die wir später an der Freienstraße sehen, befinden sich zu Beginn in den untern Stadtteilen: Grautücher und Rebleute bei den Sporern, die Hausgenossen am Fischmarkt. Auf gleiches deutet, daß auch die andern Zunfthäuser des [101] obern Gebiets erst spät von ihren Zünften erworben wurden: 1377 Weinleute, 1384 Scherer Maler und Sattler, 1404 Schlüssel, 1411 Schmiede, 1423 Safran.

Neben den Handwerksgassen finden wir die Marktplätze, den Fischmarkt, den Kornmarkt; auf dem letztern fand auch der Weinverkauf statt. Für Obst, Gemüse, Käse, Holz, Heu, Stroh usw. wurde der Markt auf dem Platze vor dem Münster abgehalten, was sich wohl daraus erklärt, daß es sich hiebei in früherer Zeit größtenteils um Produkte bischöflicher oder stiftischer Güter handelte und diesen zulieb der gesamte Viktualienhandel auf Burg zentralisiert wurde. Im übrigen war doch der Schwerpunkt des Verkehrslebens im Birsigtal, und zwar in dessen unterem Teil. Das Bestehen der Fronwage und der Wechselbänke am Fischmarkt, des Münzgebäudes auf dem Kornmarkt spricht deutlich dafür.

Machen wir uns das Zusammenwirken aller dieser Faktoren klar: das Nebeneinanderwohnen, Nebeneinanderarbeiten, Nebeneinanderfeilbieten; das zusammenfassende Verfahren bei der Kontrolle der Beamten; die Warenschau unter Zuziehung von Ausschüssen aus dem betreffenden Handwerk usw. Wie viel Anlaß bot sich nicht, der das Bewußtsein gemeinsamer Interessen stärkte, das Verlangen nach selbständigem Gebahren jeder Gruppe weckte. Dazu in Jedem mit der Gewalt eingeborner Kraft wirkend der genossenschaftliche Geist. Alles drängte in dieser Richtung. Eine weitere Förderung hiebei bot noch die Bruderschaft.

Diese war nicht Wurzel und nicht notwendige Begleitung weder einer frühern Gemeinschaft noch der spätern Zunft. Aber sie gewährte Denen, die in der harten Arbeit des Tages sich gleich waren und nun auch in der Richtung auf das Ewige und Heilige beisammen stehen wollten, die Form. So konnten die Handwerker gleicher Art vereinigt sein in der Verehrung der Mutter Gottes, in Begehung der Andacht; sie übernahmen die Ausstattung des großen Leuchters droben im Münster mit Kerzen. Keine Notwendigkeit war die Bruderschaft, aber sie wird kaum einem Gewerke gefehlt haben. Und da sie nicht nur für den Gottesdienst bestand, sondern auch für gegenseitige Hilfe und auch der Geselligkeit Raum bot, so schuf sie den “Brüdern“ eine reiche Fülle von Gemeinsamkeit, von Ordnung und Eigenart. Sie leitete sie auch ihrerseits dazu an, auf dem Gebiete der Gewerkspolizei sich selbständig zu machen; sie gab sodann für die neue Schöpfung, die Zunft, auch den Namen.

Auf solchen Wegen gelangten die Handwerker zur Bildung der Zünfte. Die letzte Stufe vor diesem Abschluß einer langen Entwicklung zeigt uns [102] die Angehörigen eines Gewerbes schon gemeinsam handelnd und Beschlüsse fassend, gemeinsam dem Bischof gegenübertretend. Was verlangten sie?

Schließung ihres Handwerks und zu wirksamer Durchführung dieser Maßregel Meister aus ihrer Mitte.

In den Stiftungsbriefen der Zünfte ist der Gegensatz, ist der Schritt der zu tun war, deutlich ausgesprochen: vom opus zur societas, vom antwerk zur Zunft. Die Willensäußerung, die dem zu Grunde lag, war das condictum, die Vereinbarung, die Abrede der Berufsgenossen.

Erforderlich war, daß der Bischof, Herr der Stadt und des Marktes, seine Zustimmung hiezu gab, das Condikt bestätigte. Er tat dies; Bischof Heinrich von Thun machte damit den Anfang.

Derselbe Bischof, der auf der ganzen Linie für die Rechte seiner Kirche eintrat, der den städtischen Rat unter seinen Willen beugte, erscheint auch hier als Ordner und Gesetzgeber. Das Motiv seines Handelns, mit den Absichten der Handwerker selbst sich deckend, ist klar erkennbar. Er trat der Willkür entgegen und sorgte zugleich für seine Stadt. Er schuf eine forma sanior, ein forum eminentius et melius, zu Ehre und Nutzen der Stadt. Wer ein Gewerbe zur Herstellung feiler Ware ausüben wollte, ward verpflichtet, der Zunft dieses Gewerbes beizutreten, in der Meinung, daß dieser Beitritt nur auf Grund eines Tüchtigkeitsausweises möglich sein sollte. Was man mit dieser Vorschrift erstrebte, war Steigerung des handwerklichen Könnens, Verbesserung und Bereicherung des Marktes, Hebung des Platzes Basel.

Die erste Zunfturkunde fällt in das Jahr nach der berühmten Urkunde über den Bau der Rheinbrücke. Der wirtschaftliche Aufschwung Basels in diesen Jahrzehnten stellte erhöhte Forderungen an den Markt; die Käufer mehrten sich; die Absatzgebiete wurden erweitert; eine starke Zuwanderung schuf nicht nur neue Anregungen und Bedürfnisse, sie brachte auch Handwerker in die Stadt, die als Pfuscher oder als unwillkommene Konkurrenten gelten mochten. Allen diesen Verhältnissen entsprach die Bildung der Zünfte; sie schuf ein wichtiges Stück neuen Lebens im Lebensreichtum dieser Zeit.

Wir besitzen sieben Zunftstiftungsbriefe; sie verteilen sich auf einen Zeitraum von fünfzig Jahren und auf vier Bischöfe: Heinrich von Thun gab 1226 den Kürschnern den Brief, Lütold von Röteln 1248 den Bauleuten (Maurern, Gipsern, Zimmerleuten, Faßbindern, Wagnern) und den Metzgern, Berthold von Pfirt 1260 den Schneidern, Heinrich von Neuenburg 1264/69 den Gärtnern (Gärtnern, Obstern und Menkellern), 1268 [103] den Webern und Leinwetern, 1271 nochmals den Bauleuten (Maurern, Gipsern, Zimmerleuten, Faßbindern, Wagnern, Wannenmachern, Drechslern).

Die Reihe ist aber nur eine zufällig erhaltene. Im Jahr 1250 sehen wir, neben den Kürschnern Metzgern Bauleuten, auch die Bäcker, die Schuster, die Gerber in Verbänden auftreten, die wir als Zünfte nehmen dürfen. Ein Zunftmeister der Schmiede begegnet im Jahre 1255.

Um die Mitte des Jahrhunderts scheint die Zunftbildung der Hauptsache nach abgeschlossen gewesen zu sein. In der Handfeste wurden die Zünfte insgesamt als zu Recht bestehend anerkannt; Bischof Lütold war dabei genannt als ihr Hauptgründer. 1260 bezeugte Bischof Berthold ausdrücklich, daß beinahe alle Handwerker seiner Stadt Zünfte hätten. Doch gab es auch jetzt noch eine Reihe von Berufen, die in keiner Zunft organisiert waren; die Rebleute, die Fischer, die Schiffleute wurden erst im vierzehnten Jahrhundert zünftig.

Allen diesen Privilegien gemeinsam ist das Charakteristicum des Zunftzwangs. Dieser ist es, der an die Stelle der alten lockern Gemeinschaft oder des marktherrlichen Amtes die Zunft setzt. Er ist Ausgangspunkt und Hauptinhalt des condictum, der Zwischen den Gewerksgenossen getroffenen Verabredung. Wer aus ihrem opus, ihrem Handwerk, in ihre societas, ihre Zunft übergehen will, kann dies erlangen durch Zahlung der Eintrittsgebühr; wer aber der Zunft nicht beitreten will, der ist von allem Arbeiten nach seinem Gutdünken, vom Markte und von der Gemeinschaft der Handwerksgenossen völlig ausgeschlossen. Die Maßregel richtete sich gegen die Fremden sowie die Unfähigen und Pfuscher; zu ihrer Handhabung aber war ein mit dem Handwerk und mit dem Vertrieb der Produkte durchaus vertrauter Vorsteher erforderlich, und deshalb ging mit der Etablierung des Zunftzwanges Hand in Hand die Aufstellung eines aus dem Handwerk selbst genommenen Zunftmeisters. Anfangs stand die Wahl dieses Meisters beim Bischof; zum erstenmal in der Schneidernurkunde 1260 ist sie der Zunftgemeinde zuerkannt. Kompetenz des Zunftmeisters ist Leitung und Regierung, nötigenfalls auch Bestrafung der Zünftler.

Mit in die Zunft herübergenommen wurden die bruderschaftlichen Beziehungen. Sie fanden in den Stiftungsbriefen ihre Fixierung, vielleicht unter Ausgleichung von Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Gewerken. An eine neue Einrichtung ist nicht zu denken, namentlich auch nicht an eine erst jetzt stipulierte Gegenleistung kirchlicher Art für das vom Bischof erteilte Privileg.

Etwas Neues aber war der Ministerial, den der Bischof jetzt über die Zünfte setzte. Vielleicht nicht für jede Zunft einzeln, sondern einen [104] einzigen über alle zugleich. Er wurde jährlich gewählt und sein Auftrag war, die neue Ordnung einzurichten und zu handhaben, wenn nötig zu korrigieren. Er war Hüter des Condikts gegen außen, zugleich Vertreter der Rechte des Bischofs gegenüber der Zunft. Aber wie diese Rechte verblaßten, verschwand auch dieser Zunftregent. Die Schneidernurkunde, die ja auch darin einen Punkt der Entwicklung markiert, daß sie das Condikt und dessen Approbation nicht mehr erwähnt und die Wahl des Zunftmeisters der Zunft gibt, nennt den Ministerial nicht mehr. Die ersten Anfänge waren vorüber; die Sache stand als eine gefestete und bewährte da.

Drei Zunfturkunden sind durch Heinrich von Neuenburg erlassen worden; sie zeigen eine neue Behandlung. Deutlich spricht sich in ihnen die politische Denkweise des Fürsten aus. Er gibt das Privileg nicht wie seine Vorgänger nur unter Teilnahme von Domherren und Ministerialen, er zieht Rat und Gedigen auch heran. Er schließt ein Bündnis mit der Zunft, unter gegenseitigem Gelöbnis der Hilfe in allen Nöten. Auf der Grundlage der Allianz folgen sodann die Bestimmungen, im einzelnen von denjenigen der früheren Periode wenig abweichend; aber wie die Sprache, so ist die ganze Auffassung eine andere. Die Stellung der Zunft im Gemeinwesen, unter ihrem Banner, als Verbündete des Bischofs, ist eine merkwürdig gehobene; ihr entspricht die innere Selbständigkeit. Sie hat nun das Recht, neben dem Meister sich einen Ausschuß von Sechsern zu wählen. In dem schönen prägnanten Deutsch dieser Urkunden wird der Zunftzwang nicht mehr formuliert als der Ausschluß der sich nicht Fügenden, sondern positiv und energisch als das Hereinzwingen eines Jeden, der sich mit dem antwerk bigat.

In dieser Weise hat Bischof Heinrich die Zünfte der Gärtner und Weber organisiert; wie er, in bemerkenswerter Weise, der Bauleutenzunft einen Brief gab als Erneuerung und Umformung ihres alten Lütoldischen Privilegs, so verfuhr er vielleicht auch gegenüber andern schon bestehenden Zünften.

Mit diesen Stiftungsbriefen und den Erwähnungen einzelner Meister und Zünfte ist aber die Zunftreihe, wie sie vom vierzehnten Jahrhundert an vor uns steht, noch nicht gefüllt. Es fehlen noch die vier sogenannten Herrenzünfte (Kaufleute, Hausgenossen, Weinleute, Krämer), die Rebleute (Grautücher), die Scherer Maler Sattler, die Fischer und Schiffleute.

Hierüber ist folgendes zu sagen:

Die Fischer und Schiffleute erhielten erst am 15. Februar 1354 eine Zunft.

[105] Die Scherer finden wir schon im Jahre 1274 im Rate repräsentiert, durch Hiltwin den Scherer. Am 6. Mai 1361 sodann erneuern Bürgermeister und Rat der Zunft der Scherer Maler Sattler und Sporer die Gesetze, „die sie von Alters gehabt und hergebracht haben“, deren Urkunde aber im Erdbeben untergegangen ist.

Die Grautücher waren die Wollweber, von den Leinenwebern der Weberzunft unterschieden. Wann und unter welchen Umständen sie eine Zunft wurden, wissen wir nicht. Ihre Laube, neben der Kürschnerlaube gelegen, wird zum ersten Male 1306 genannt. Gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts wurden der Grautücherzunft die bis dahin unzünftig gewesenen Rebleute angegliedert. In der Folge schieden die Grautücher aus dieser unnatürlichen Verbindung aus und gingen zu den Kaufleuten, später zu den Webern über. Ihre alte Zunft blieb den Rebleuten allein.

Mehr zu sagen ist über den Ursprung der Zünfte der Kaufleute und der Krämer.

Das nicht ritterliche Laienelement der Stadt präsentiert sich zuerst in den Gestalten von Kaufleuten, Tuchmachern, Wechslern, Krämern. Auch da die Burgensen sich von den Rittern sondern, stehen bei jenen der Wechsler Friedrich und der als Hauseigentümer an der Eisengasse wiederholt genannte Krämer Berthold.

Dies ist ein deutlicher Fingerzeig. „Handel und Gewerbe sind das, was die Städte gemacht hat.“ Auch Basel war vor allem Kaufmannsstadt, ist als solche erwachsen. Wie jetzt, da diese Städter zum ersten Mal einzeln und erkennbar hervortreten, sie Handeltreibende sind, so waren auch einst die Ersten, die an diesem Orte städtisches Leben zeugten und leiteten, Handeltreibende.

Daher liegt der Kern der Stadt am Rheinufer und am untersten Birsiglauf, wo Bodengestaltung und Flußverhältnisse die Straßen beider Gestade zusammenführten. Hier in der Niederung und an dem ihr zu gewandten steilen Abhang des Burghügels sowie die breite Halde gegen das Elsaß hinan lagen die Wohnungen und Kontore, die Transporteinrichtungen, die ältesten Herbergen, standen die Frohnwage, die Wechselbänke, die Salzkästen. Die Gasse, die aus diesem Handelsviertel zur Elsässer Landstraße hinauf führte, hieß Krämergasse. Ein altes Heiligtum des Quartiers war die Kapelle St. Brandans, des irischen Mönchs und Patrons der Seefahrer. Auch St. Niklaus, dem zu Ehren gleichfalls eine Kapelle in diesem Stadtteile sich erhob, war Schutzheiliger der Schiffer. Wie diese Kulte auf die bis übers Meer reichenden Straßen des großen Handels [106] hinweisen, so die ebenfalls hier lokalisierte Ursulalegende auf Beziehungen zu Köln.

Dieses Bild wird durch Nachweisungen von außen her ergänzt. Die in den Büchern St. Blasiens aufbewahrte Geschichte von dem reichen Basler Kaufmanne Heinrich, der Güter über Meer exportierte und dafür ausländische Waren, Gewürze und Spezereien herbrachte, die Erwähnung der mercatores von Basel im Allensbacher Privileg von 1075, von Basler Rheinschiffen in der Koblenzer Zollordnung von 1209 sind solche Zeugnisse. Sie weisen uns zum mindesten Bahnen und Ausdehnung des Verkehrs. 1216 wird ein Arnulfus von Basel in Genua betroffen, der dort Glas importiert; Basler Leinwand ging 1248 auf dem Schiffe San Spirito von Marseille nach Accon; in Bar-sur-Aube, wo die großen Messen der Champagne abgehalten wurden, stand ein Basler Hof für die Kaufleute unserer Stadt, eine maison de Baale.

In den solchergestalt durch ein buntes arbeitsames Leben bewegten Gassen der Kaufleute und Krämer fanden wir auch schon die Heimat der Burgerfamilien. Es wurde schon ausgesprochen, daß diese Patriziergeschlechter zum guten Teil aus den alten Kaufleuten herausgewachsen seien.

Dieser Zusammenhang tritt uns auch deutlich vor Augen, wenn wir sehen, daß neben Burgern und mit ihnen gemengt, sozialer Verwandschaft wie örtlicher Nachbarschaft gemäß, nichtburgerliche Handeltreibende stehen, wie Hugo und Ulrich Merschant, Arnold und Peter Wucherer, die Krämer Ludwig und Heinrich, Johannes Choufman, die Walker Hugo, Johann, Heinrich, Dietrich, Hugo der Cheger usw. Es sind die Vertreter der Handels- und Verkehrsgewerbe samt dem Gewerbe der Tuchmacher; nicht Burger, aber auf der andern Seite von den früh genannten Metzgern, Kürschnern, Schuhmachern u. drgl. sich scharf abhebend. Sie finden dann in den Zünften Schlüssel und Safran endgültig ihre Organisation. Sie stellen die „Mittelklasse zwischen den Burgern und Handwerkern“ dar, welcher Stellung später ihre Titulatur als „Herren“ unter den Zünftlern entspricht.

Den Gang der Entwicklung zu diesem Ziele dürfen wir uns so denken: am Beginne steht ein alle diese Handelsleute umfassender Verband, etwa in der Art der anderwärts nachweisbaren Kaufmannsgilden. Hiefür sprechen allgemeine, in der Sache selbst liegende Gründe. Außerdem aber scheint ein äußeres Kennzeichen solcher Zusammengehörigkeit vorzuliegen; das Wappenbild der Lilie nämlich, das in den Wappen zahlreicher Geschlechter des Patriziats und zu Schlüssel und Safran zünftiger Familien [107] sich findet. Sein Vorkommen ist ein auffallend verbreitetes und erhält besondere Bedeutung dadurch, daß es auch im Wappen der Safranzunft selbst steht. Der Gedanke an ein ursprünglich gemeinsames Zeichen und an alten Zusammenhang ist daher nicht wohl abzuweisen. Dieser Verband aller Kaufleute, der zur Vertretung gemeinsamer Interessen, zur Geselligkeit, zur Hilfe in Not dienen mochte, dauerte aber nur solange, als der Kaufmannsstand sich noch als Einheit fühlen konnte. Dies war nicht mehr der Fall, wenn auch beim Handwerk einzelne Betriebe, z. B. der Eisenhandel, größere Ausbildung erlangten. Dies mußte innerhalb des allgemeinen Verbandes zur Spezialisierung führen. Die Genossen gingen auseinander. Nach der einen Seite schieden die Burger aus, nach der andern Seite gliederten sich einzelne Berufe den Handwerkern an oder schlossen sich zu eigenen engern Verbänden zusammen. Diese ganze Umgestaltung fiel wohl mit der Entstehung der Zünfte zeitlich zusammen.

Auf solchem Wege scheinen Schlüsselzunft und Safranzunft entstanden zu sein. Die letztere war die Zunft der Krämer und namentlich der mit Spezereien Handel Treibenden, die erstere die Zunft der Tuchhändler, der Gewandschneider, mit all dem Ansehen ausgestattet, das den Vertretern dieses Handelszweiges durchweg zukam. Aber ihr offizieller Name „Kaufleutenzunft“ hielt die Erinnerung an ihre Vorgeschichte fest, an die alte Basler Kaufleutengilde, aus der sie hervorgegangen.

Als früheste Spur dieser beiden Zünfte darf vielleicht die große Allmendurkunde von 1250 gelten, in der neben den Handwerkergruppen der coartifices eine aus Walther vom Stern, Werner und Burchard Rot, Arnold Fuchs und Winhart bestehende Gruppe steht. In der Ratsliste 1274 sodann würden unter Jakob Stamler, Johann Steblin, Walther Winhart und Wilhelm an der Freienstraße die Beisitzer dieser beiden Zünfte im Rat zu sehen sein.

Weiterhin die Hausgenossenzunft. Es findet sich gleich zu Beginn ein Doppeltes: die vom Bischof für Ausübung seines Münzrechts bestellten Beamten (Münzmeister, Münzer, Münzknechte) und die Gewerbsleute, denen der Bischof das Wechselrecht erteilt hat. Die Aufzeichnung über das Bischofsrecht, die Kategorieen bestimmt auseinanderhaltend, zeigt die Regelung dieser Verhältnisse. Der Münzmeister, der bei Anfertigung der Münze unter der Kontrolle des Schultheißen steht, wacht seinerseits über die Münze in der Stadt und im ganzen Bistum und straft die Falschmünzer. Aber weil die Ausübung des Münzregals nur möglich war, wenn der Bischof auch allen Kauf und Verkauf von Silber in seiner Gewalt hatte, [108] so standen Wechselgewerbe und Silberhandel unter obrigkeitlicher Konzession: die Wechsler wurden zu Organen für Förderung wie Ueberwachung des Münzverkehrs gemacht. Verletzung der ihnen hierüber erteilten Vorschriften stand unter derselben großen öffentlichrechtlichen Strafe von drei Pfund, wie das Eingreifen Dritter in ihre Konzession. Das Recht, Silberwage zu halten, wurde außer ihnen nur noch den Goldschmieden zuerkannt, soweit es diesen zu ihrer Kunst geziemte. Wie enge verknüpft das in solcher Weise reglementierte Wechslergewerbe mit der bischöflichen Regierung war und welche Erheblichkeit ihm beigemessen wurde, zeigt die Bestimmung, daß auch die Wechselbänke des Privilegs der Immunität genossen; unter ihrem Dache sollte Jeder Friede haben und Niemand vor Recht geladen werden.

Dieses Zusammengefaßtsein unter derselben obrigkeitlichen Konzession und Aufsicht, dazu die Gleichheit des Gewerbes, mußten notwendig zur Bildung eines Verbandes führen. Einen solchen sehen wir im officium campsorum des Lehenbuchs, zu dem der Bischof, in gleicher Weise wie zu dem officium der gleichfalls von ihm kontrollierten Bäcker, einen seiner Beamten deputiert. Dieser Beamte konnte der Natur der Geschäfte entsprechend nur der Münzmeister sein. In der Organisation dieses Verbandes stellten die Wechsler die Unveräußerlichkeit ihres Rechts und die Geschlossenheit ihrer Genossenschaft auf. Kein Genosse sollte sein Recht verkaufen oder vergeben. Niemand sollte mehr Zutritt erhalten als die ehelichen Söhne der Genossen selbst; dem Bischof wurde nur zugestanden, daß er beim Amtsantritt befugt sei, einen „ehrsamen Mann“ in den Kreis hineinzubringen.

Im Jahre 1289 kam es zwischen den Wechslern und Bischof Peter zu endgültiger Verständigung über diese Angelegenheiten. Der Bischof erteilte den Hausgenossen — dieser Name, der nicht etwa ein Verhältnis zum Bischof, sondern das Zusammenarbeiten der Genossen in demselben Amt und Haus bezeichnet, findet sich jetzt zum ersten Male gebraucht — die Bestätigung ihrer Gesellschaft, ihrer Gewohnheiten und ihrer Statuten. Was er dabei außer diesen zur Sprache brachte, betraf ihre Beziehungen zum Edelmetallverkehr. Von der Münze selbst aber, welches Regal ja nicht in Frage stand, ist so wenig die Rede wie von der innern Organisation der Hausgenossen, die als solche den Bischof nicht berührte. Die Urkunde ist kein Zunftstatut.

Daß die Hausgenossenschaft zur Zunft wurde, ist aus der allgemeinen Bewegung der Zeit leicht zu erklären. Den Anstoß im einzelnen mögen [109] die Goldschmiede gegeben haben, die in ihrem Handwerk zwar für sich allein dastanden, durch die Art des Gewerbes aber, die in der Vorschrift über die Silberwage als eine verwandte Art zum Ausdrucke kam, sich mit den Hausgenossen verbunden fühlten. Sie bedurften auch der zünftigen Organisation mehr als die schon durch das Monopol ihrer geschlossenen Gesellschaft geschützten Wechsler. Daß dann aber doch diese, nicht die Goldschmiede der neuen Zunft den Namen gaben, war Folge ihres Ansehens, vielleicht auch eines numerischen Uebergewichts.

Ueber die Zeit der Entstehung der Hausgenossenzunft sind wir nicht genau unterrichtet. Das Statut von 1289 schließt ihr gleichzeitiges Bestehen keineswegs aus. Wie bei den Bäckern, so handelte es sich auch hier um spezielle Befugnisse und Funktionen, deren Regelung zwischen Bischof und Verband vor sich ging und die übrigen Rechte des letztern nicht berührte. Um dies Verhältnis klar zu machen, genügt ein Hinweis darauf, daß die Bischöfe noch im fünfzehnten Jahrhundert wiederholt ihr Recht, beim Amtsantritt einen Hausgenossen zu wählen, ausübten. Angehörige der Zunft waren zu Beginn wohl nur die Wechsler und die Goldschmiede; seit dem Uebergang der bischöflichen Münze an die Stadt gehörten ihr auch die Münzer an.

Endlich die Weinleute. Die Quellen fließen hier überaus dürftig. Aber wie beträchtlich schon frühe die Weinproduktion war, zeigen die Bestimmungen des Bischofsrechts über den Fuhrwein, zeigen überhaupt die zahlreichen Weingefälle, die oft erwähnten Keller, das einzelne Beispiel der fünfzig Weinfuder im Münchenhof 1308; die Befreiung der Domherren u. s. w. von dieser Abgabe sowie das Bannweinrecht des Bischofs sprechen dafür, daß die Grundherrschaften starken Weinverkauf betrieben. So haben wir uns Weinmarkt und Weingewerbe schon bei Zeiten als sehr belebt vorzustellen, und was bei den übrigen Gewerben zur Zunftbildung führte, tat dies auch hier. Die früheste Erwähnung der Weinleutenzunft fällt in das Jahr 1311.

So viel von den Zünften. Am Rate selbst haben sie nur während kurzer Zeit teilgenommen. Aber schon ihre organisierte Vertretung im Kolleg der Zunftmeister kann als etwas Großes gelten. Die Geschlechter, die sofort nach Heinrichs von Neuenburg Tod den fernern Beisitz Zünftiger im Rat gehindert zu haben scheinen, mußten doch dieses Zusammentreten der Zunftmeister zu einem Kollegium neben dem Rat und dessen Beteiligung am öffentlichen Leben geschehen lassen.

[110] Sozial und politisch hat das Jahrhundert einen Stand emporgebracht, der von da an immer wichtiger wird für die Geschichte der Stadt. Eine nur selten stürmische, viel mehr mit unwiderstehlicher ruhiger Kraft stetig vorwärts drängende Bewegung sehen wir sich vollziehen. An jene zeremoniöse durch den Bischof geschehende Promotion des Handwerkers zum Burger ist nicht mehr zu denken, die noch vor wenigen Jahrzehnten möglich gewesen war; der Handwerker hat andere Ziele und bedient sich anderer Mittel. Einzelfiguren freilich treten uns aus dieser Entwicklung nicht entgegen; ihr Charakteristisches ist die Masse und deren Wucht in der Bewegung.

Halten wir diesen Begriff von Masse fest. Er hat Geltung in der Geschichte der Stadt über den Bereich der Zünfte hinaus.

Sobald wir uns klar machen, wie eng umschränkt im Grunde die von der Überlieferung vor uns hingestellte Welt ist, werden wir der weit überwiegenden Mehrheit inne, die noch außer ihr bestand und lebte. Die Quellen nennen nur, was in festen Formen sich zeigte, was Geschäfte schloß oder zu ihnen gezogen wurde, was Rechte, Vermögen, Ansehen, Einfluß besaß. Und es ist zuzugeben, daß von diesen wenigen Menschen in der Tat das momentane Geschehen abhieng. Aber ihnen gegenüber stand eine Menge, die für uns zwar lautlos und bewegungslos, aber deren Vorhandensein an sich allein schon wichtig ist. Sie bildet sich aus den zahllosen Kleinen, aus Armen, aus wenig Berechtigten; sie bildet sich aus Fahrenden und Fremden, aber vor allem aus Ansässigen; sie ist die breite niedere Schicht, die unterste Gesellschaft, stets genährt durch Zufluß vom Lande und ihrerseits ihr Bestes an die höhern Klassen abgebend. Das Spiel einer solchen unaufhörlich nach oben ausscheidenden, von unten frisch zuströmenden Kraft hat große Bedeutung. Aus ihr quillt eine stetige Erneuerung der Bevölkerung bis in die obern Schichten hinauf. Sie ist aber auch Wirkung und Zeugnis einer allgemeinen Bewegung.

Als ein von Weltstraßen durchschnittener Transitpunkt war Basel ohne weiteres den Einwirkungen des Auslandes, auch der weiten Ferne, unterworfen. Vor allem und seit Alters denjenigen Italiens. Wesen und Umfang dieser Influenz irgendwie in ihrem Ganzen zu erkennen, ist jedoch unmöglich; nur ein Hinweis ist gegeben im Vorhandensein der Lombarden in Basel, d. h. jener Italiener, die Wechselgeschäfte trieben, Darlehen gegen Faustpfand gaben, daneben sich auch mit Zinswucher befaßten; die heutige Streitgasse trug von ihnen den Namen Lampartergasse. Gestalten aus diesem Kreise waren der bei St. Leonhard angesiedelte Albertlinus, ferner [111] Konrad und Hugo die Lamparten, Rudolf von Mailand 1256. Nebeneinander an der Freienstraße wohnten die beiden Römer Manegold und Vivian. Auch an den Beinamen Püliand ist zu erinnern.

Aber als noch viel kräftiger einwirkend erscheint Frankreich. Hier kam vor allem die Grenzlage Basels in Betracht, deren historische Bedeutung schon in den Verträgen von Verdun und Mersen lebt und die im elften Jahrhundert, bei den Verhandlungen um Hochburgund, den Zeitgenossen aufs neue zum Bewußtsein kam. Diese Lage „am Kreuzweg zwischen Burgund, Frankreich und Deutschland“ hat jederzeit mächtig auf die Kultur Basels gewirkt; sie erschien als besonders wichtig jetzt, in den letzten Jahren König Rudolfs, da in diesen oberrheinischen Gebieten eine starke nationale Erregung gegen Frankreich und alles Wälsche sich geltend machte.

Solche Opposition war vorwiegend politischer Natur. Sie hatte vor sich eine Macht, die gerade hier in Basel unaufhaltsam und auf allen Gebieten des Lebens einwirkte. Dem allgemeinen Vorherrschen französischer Kultur, dem Deutschland seit dem zwölften Jahrhundert unterlag, gingen hier lokale Zustände parallel. Nachdem schon St. Alban seit langem französisches Wesen vertreten hatte, geschah dies jetzt noch viel entschiedener durch die Dominikaner. An die gewaltige geistige Herrschaft, die von der Universität Paris aus auch hier geübt wurde, an den Einfluß französischer Kunst auf den Bau des Basler Münsters ist nur zu erinnern. Die zahlreichen französischen Namen, die jetzt in Basel auftreten, die Pirrin, Schachterel, Scheshart, Merschant, die Walch, Welsch, Gallicus, die von Munpaslier, von Pontarlin, von Cortalari, von Corchapois usw. zeigen den Umfang der von Westen her strömenden Einwanderung.

Was diese neuen Kräfte im Einzelnen wirkten, bleibt uns verborgen; aber daß eine starke und allgemeine Anregung ihre Folge war, ist nicht zu bezweifeln. Immer wieder haben wir uns frei zu machen von den Vorstellungen, die das fast nur aus Urkunden bestehende Quellenmaterial sowie eine rein verfassungsgeschichtliche Betrachtung uns geben. Die Begriffe und Sonderungen des Bürgerrechtes, der Stände, der Stuben, der Zünfte erschöpfen den Gegenstand nicht. Wenn z. B. im Jahrzeitbuch von St. Peter neben den bekannten und altansässigen Burgergeschlechtern als Donatoren nahe beisammen der Kaufmann Friedrich von Trier, der Kaufmann Walther von Luzern, der Kaufmann Jakob von Freiburg erscheinen, so zeigt diese kleine Erwähnung nur eine einzige der vielen Möglichkeiten, deren wir mit den üblichen Kategorien nicht habhaft werden. Sie zeigt, wie auch die Einwirkung des Auslandes von allen Seiten her geschah.

[112] Namentlich die Kaufmannswelt mußte einer beständigen und starken Bewegung dieser Art unterworfen sein. Und gerade ihr Leben entzieht sich beinahe ganz der Wahrnehmung. Bei ihr finden wir die Beherrschung der fremden lebenden Sprachen am frühesten bezeugt. Für sie hauptsächlich kam nun auch die Einwirkung des durch die Kreuzzüge erschlossenen Orients in Betracht. Mit dem Import von Cyperwein, mit dem Bekanntwerden neuer Tiere, seltsamer gefiederter Hühner und Tauben, Fasane, Kamele usw. , die über Meer in unsere Gegenden gebracht wurden, zeigte sich eine neue Welt; die Produkte der orientalischen Industrie, die Gewürze, die Medikamente und Parfümerien kamen jetzt zum ersten Mal oder doch in einer bisher nicht gewöhnlichen Menge herüber.


Von dieser ganzen Laienwelt abgesondert steht die Judenschaft. Ihre Existenz ruht auf einem seltsamen Gemenge von Verworfensein und Unentbehrlichsein.

Die Juden waren nicht Volksgenossen und waren Feinde der christlichen Religion, aber weder Fremde noch Ketzer; vom allgemeinen Rechte ausgeschlossen, aber mit einem Sonderrechte privilegiert; ein Gewerbe treibend, das die Kirche verdammte, aber bei seiner Ausübung von der Kirche so gut gebraucht wie von den Laien.

In früherer Zeit war ihr Geschäft der Warenhandel gewesen, bis die einheimischen Kaufleute sie hieraus verdrängten. Damit wurden die Juden auf das Gebiet gewiesen, das seitdem vor allen ihnen vorbehalten geblieben ist. Sie wurden zu Trägern des Geld- und Pfandleihgeschäfts, zu Kreditgebern; sie liehen gegen Zins und Zinseszins, weil das kirchliche Zinsverbot für sie nicht galt. Sie waren die anerkannten Wucherer und erhielten mit dem Privileg dieses Gewerbes auch dessen Gehässigkeit.

Die Konkurrenz, die ihnen früh auf diesem Gebiete begegnete, ist hier nur kurz zu erwähnen. Die Gawertschen aus Südfrankreich und die Lombarden, die in späterer Zeit hier viel von sich reden machen, treten schon im dreizehnten Jahrhundert auf; neben dem Wechselgeschäfte trieben sie gleich den Juden Zinswucher. Daher ein Basler Synodalstatut verbot, Häuser der Kirche an Gawertschen und andere Wucherer zu vermieten, und die Beerdigung eines solchen Gawertschen auf dem Barfüßerkirchhof 1278 als ein öffentlicher Skandal empfunden wurde.

Als Kreditoren der Basler Bischöfe werden hier die Juden zuerst genannt. 1213 war der Jude Meier im Pfandbesitz des bischöflichen Ringes und eines Seidentuches für ein dem Bischof Lütold gemachtes [113] Darlehen; noch 1223 mußte Heinrich von Thun den Juden Zins zahlen und den Schatz seiner Kirche als Pfand in ihren Händen lassen. Auch die Deutschritter von Beuggen waren Schuldner eines Juden zu Basel, und ebenso, mit schwerlastenden Zinsen, die Marbacher Stiftsherren. Von den Geldgeschäften mit Laien dagegen verlautet in unsern, ihrem Ursprunge nach meist nur kirchlichen Quellen nichts.

Die Wohnungen der Juden finden wir an einer Stelle der Stadt vereinigt, am Rindermarkt, vereinzelt auch in der Nähe am Kornmarkt und in der Winhartsgasse. Nirgends sonst werden sie erwähnt, und es scheint in der Tat hier ein Ghetto gewesen zu sein. Erst eine spätere Zeit zeigt uns Judenhäuser auch in andern Gegenden der Stadt.

Von einem Thorbogen ist die Rede, der vielleicht die Niederlassung schloß, deutlicher von ihrem Hauptgebäude, der Synagoge. Die Zahl der hier beisammen stehenden Häuser war zwölf, das größte darunter der Mannenhof, so genannt nach dem reichen Juden Salman Unkel, der das Gesesse 1284 von der Ritterfamilie Reich gekauft hatte. Dieses Alles stand in der Parochie von St. Leonhard, und dieses Verhältnis äußerte sich in Verschiedenem. Vorab in einem Aufenthaltsgeld, das die Juden jährlich, und zwar bezeichnenderweise am Weihnachtsabend, dem Stift zu entrichten hatten; es betrug für das ganze Judenviertel insgesamt 35 Schillinge und hatte den Namen eines Zehnten, welcher Name noch an die alte rein landwirtschaftliche Beschaffenheit dieser Gegend erinnert und wohl auf ein Zehntrecht der Pfarrei St. Leonhard weist. Ein im Mai 1293 zwischen dem Stift und der Judengemeinde geschlossenes Abkommen regelte dieses Verhältnis aufs neue, nachdem zwei Jahre lang die Gebühr durch die Juden versäumt worden war. Ein weiteres Recht, das dem Stift aus diesem Wohnen der Juden in seiner Gemeinde erwuchs, bestand darin, daß es jederzeit befugt war, von ihnen ein zinsfreies Darlehen von fünf Pfund auf Zeit eines halben Jahres zu verlangen.

Die Ergänzung dieser Judengasse war der Judengottesacker, vor der Stadt im Arsclaf, neben dem Garten der Custodie von St. Peter, dem spätern Petersplatze, gelegen. Seine früheste Erwähnung fällt ins Jahr 1264.

In solcher Weise zeigt sich uns die Judenschaft als eine sowohl religiös als rechtlich geschlossene und organisierte Gemeinde; doch erfahren wir nichts von ihrer Organisation. Wir vernehmen nur die Namen einzelner Juden, des Johann Vivelman, des Moses von Rheinfelden, der Guta von Neuenburg, des neben der Synagoge wohnenden Meier, der [114] Frau Genta, des kleinen Joël, Sohns des Josef Kaltwasser, usw. Es sind Namen, wie sie die Juden im Verkehr mit den Christen trugen, verschieden von den in ihrem Kreise üblichen Benennungen. Der am häufigsten genannte Jude und hienach wohl der mächtigste war Salman Unkel; außer dem Hof der Reiche besaß er auch ein Haus beim Richtbrunnen an der Gerbergasse; später scheint er in Köln als Salman von Basel sich aufzuhalten.

Über das Verhältnis dieser Juden zur christlichen Bevölkerung liegen keine Zeugnisse vor, und auch die Art ihrer Stellung im Rechte wird uns nicht klar. Doch erscheinen sie als Eigentümer von Liegenschaften, sie kaufen und verkaufen vor dem ordentlichen Gerichte, und zwar sie selbst, ohne Salmann. Auch ihr Verhältnis zum Bischof wie zur Stadt ist in keiner Weise bezeugt. Nur von ihrer Stellung unter dem König vernehmen wir. Gemäß dem Reichsgesetze von 1236 waren sie königliche Kammerknechte und als solche zu einer jährlichen Steuer an die Kammer verpflichtet; laut dem Steuerverzeichnis von 1241 betrug diese Steuer der Basler Juden die starke Summe von vierzig Mark. Aber noch über diese Steuer hinaus konnte der König Person und Vermögen der Juden als zu seiner Verfügung stehend in Anspruch nehmen, und so verfuhr auch König Rudolf im Herbst 1278; in dankbarer Anerkennung der Dienste, die ihm Bischof Heinrich von Basel beim Kampfe wider Ottokar geleistet, verschrieb er ihm die in den Diözesen Straßburg und Basel wohnenden Juden zur Ausnützung; sie sollten ihm so lange gehorchen, dienen und leisten, bis er damit eine Einnahme von dreitausend Mark Silber erzielt haben werde.