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Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/Rondo’s für Pianoforte

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Phantasieen, Capricen etc. für Pianoforte (1): Dritter Zug Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854) von Robert Schumann
Rondo’s für Pianoforte
1837


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Rondo’s für Pianoforte.
K. F. Heckel, Vergißmeinnicht. Rondo für das Pianoforte. Werk 11. – A. F. Mohs, Rondo in B. Werk 3. – C. Erfurt, 3 leichte Rondo’s nach Motiven von Auber. Werk 30. – C. Erfurt, Abschied von Magdeburg. Rondo für Pianoforte. Werk 32. – Louise Farrence, Rondo in D. 8 Gr. – A. Gutmann, leichtes und brillantes Rondo. – F. Glanz, charakteristisches Rondo. Werk 2. – Adele Bratchi, großes Rondo. Werk 2. – R. von Hertzberg, brillantes Rondo. Werk 11. – Th. Döhler, Rondino über ein Thema von J. Strauß. Werk 19. – Th. Döhler, Rondino über ein Thema von Coppola. Werk 20. – I. F. Dobrzynski, Rondo à la Polacca mit Begleitung des Orchesters. Werk 6. – C. Köhler, elegantes Rondo mit Einleitung. Werk 47. – O. Gerke, Einleitung und brillantes Rondo mit Begleitung des großen Orchesters. Werk 26. – C. A. von Winkhler, brillantes Rondo. Werk 45. – C. A. von Winkhler, brillantes Rondo. Werk 46. – C. Schunke, Rondo espagnol. Werk 47. – C. Czerny, großes Rondo. Werk 405. – F. Ries, Einleitung und Rondo à la Zingaresco. Werk 181. – Stephan Heller, Rondo Scherzo. Werk 8. – Fr. Chopin, Rondeau à la Mazur. Werk 5. – I. Moscheles, Rondo über eine schottische Melodie. – I. Moscheles, brillantes Rondo mit Einleitung über ein Thema von Dessauer. Werk 94.


„Vergiß mein nicht!
Du Jüngling, den ich meine,
Zu welchem dieses Lied hier spricht,
Um dessen Glücke ich zu Gott oft betend weine
Vergiß mein nicht!“


Ihr irret, Componistenjünglinge, wenn ihr meint, ich hab’ euch so eben angesungen. Der Vers ist nur der [78] Anfang des Gedichtes, das man auf dem Titelblatt des ersten der obigen Rondo’s vollständig lesen kann, und scheint der Componist somit auf eine neue Gattung (etwa „Rondo mit Worten“) zu denken, wozu ihm und uns nur Glück zu wünschen. Man irrt aber wiederum, wenn man in der Musik ähnliche Sentimentalität zu finden hofft; im Gegentheil fährt diese so dick und rothbäckig wie möglich hinterdrein. Einem ordentlichen Recensenten wird es nicht schwer fallen, seine Gelehrsamkeit an dem armen Kind zu zeigen und seine Uebermacht; bescheidnere vergleichen sich lieber gleich Menschen wie Lawrence Sterne, der eben im Begriff eine Fliege todtzumachen, sie zum Fenster hinausließ mit dem Bemerken, daß die Welt für sie beide ja groß genug. Entlassen wir mithin auch das 2te Rondo, auch das 3te, das 4te, und das 5te. Bei Nr. 3. und 5. könnten Manche, namentlich Lehrer einwenden, daß sie ja offenbar für Kinderhände gedacht wären, und daß Combinirteres und Tieferes da am unrechten Ort etc. Ich aber sage: seid nur immer hübsch geistreich; das talentvolle Kind will das, und spürt, wo es fehlt, eben so gut, wie wir älteren; mit so durchweg matten Producten wird nichts gefördert. Daher gefällt mir das Rondo von Gutmann, das „für Kinder, die noch nicht eine Octave spannen können,“ geschrieben ist; in ihm ist mehr Melodie und Leben.

Die drei folgenden Rondo’s wären ebenfalls am besten ungedruckt geblieben. Das von Adele Bratchi [79] gibt sich zwar Mühe, etwas mehr zu sein, als gewöhnliche Rondomusik, und verräth in seinen Reminiscenzen (so in der Einleitung an die Preghiera von Rossini, im ersten Thema an Field, im zweiten an Weber’s Aufforderung zum Tanz) Vertrautheit mit vieler Musik, wird aber in der Länge immer klarer und langweiliger, des kindischen Satzes der Harmonie nicht zu erwähnen. Völlig bedeutungslos sind die Stücke von F. Glanz und R. von Hertzberg; zwar hat das letztere keine so schreienden Quinten und Octaven wie das erstere, zeugt aber überall von noch ganz unsicherer Hand und von einem noch wenig gebildeten Ohr, dort im Bau des Ganzen, hier in der Harmonie; übrigens ist es schwer und will studirt sein. Hr. Th. Döhler gibt mit seinen zwei leidlich hübschen Rondo’s abermals den Beweis, wie es ihm um den Ruhm eines Czerny des Zweiten zu thun. Was Strauß und Coppola für große Leute, gewahrt man erst, wenn man die Döhler’sche Zuthat dagegen hält. Es ist merkwürdig und traurig, wie ein so bedeutender Clavierspieler so wenig als Componist zu leisten vermag. Wahrhaftig, junge Künstler, hütet euch vor allen Gräfinnen und Baronessen, die Compositionen dedicirt haben wollen; wer ein Künstler werden will, muß den Cavalier lassen.

Das Rondo von Hrn. Dobrzynski ist von geschickten Fingern componirt, correct geschrieben, nationell gehalten, in der Form etwas breit, aber in richtigen Verhältnissen. Eine eigentliche Idee sucht man jedoch [80] auf den vierzehn Seiten umsonst; originelles hat sie gar nichts. An einem Rondeau élégant von Hrn. Köhler kann man, was das Aeußere, die Technik betrifft, ebenfalls nichts aussetzen. Ueberall vermißt man auch in ihm, wie in allen vorigen Rondo’s, eigentliche Musik, schönen Gesang, feinere Bildung. Ueber sein Talent hinaus kann freilich Niemand; aber die Kräfte bilden, veredeln sollte wenigstens Jeder. Ich weiß nicht, wem mit solchen Compositionen gedient ist; für Dilettanten zu trocken, für Virtuosen zu wenig glänzend, für Musiker zu uninteressant, bieten sie Allen etwas, befriedigen sie Keinen vollständig.

Das brillante Rondo des Hrn. O. Gerke hat den Haupttitel „Souvenir de Weimar“ und erinnert an Hummel’s Weise, dem es auch zugeeignet ist. In der Mitte benutzt Hr. Gerke ein russisches Lied, das, wenn ich nicht sehr irre, auch von Hummel schon in ein größeres Rondo eingeflochten ist. Daß er es einigemal förmlich und in derselben Tonart variirt, gibt dem Rondo einen neuen Anstrich und muß mit dem Orchester zusammen von Wirkung sein. Bis auf die Einleitung, mit der mir doch zu wenig gesagt scheint, ist die Arbeit von Werth. In der Cantilene hat sich der Componist vielleicht vor einigen schwächlichen Vorhalten, überhaupt vor einem gewissen weitschweifigen Sentimentalisiren zu hüten; in der freien unbelauschten Phantasie mag man sich in solcher Weise ergehen, – der Oeffentlichkeit gebe man aber nur Schönstes und dies so kurz und energisch wie möglich ausgedrückt.

[81] Die zwei Rondo’s von Hrn. von Winkhler sehen sich wie Geschwister ähnlich, d. i. erheben sich nirgends über die bürgerlichste Prosa und wollen es auch nicht. Auffallende Fehler sind in ihnen so wenig zu finden, als Schönheiten; so wäre denn diesem in einer mittleren Sphäre sich gefallenden harmlosen Componisten nur noch mehr Sichtung dessen, was er für den Druck bestimmt, anzurathen.

Hr. Czerny nimmt mit seinem Allegro agitato einen romantischen Anlauf. Nur Wenige würden auf ihn als Componist dieses Stückes rathen, in einen so grauen Incognitorock hat er sich eingeknöpft. Dringt auch manchmal der Alte plötzlich und mächtig durch, so kann Einem doch die Veränderung, die in seinem Wesen vorgegangen zu sein scheint, kaum entgehen. Wie das enden wird, wer weiß es? Daß das Rondo hübsch und angenehm klingt, versteht sich.

Eben so schwer wäre das folgende Rondo als eine Composition von Ries zu erkennen, eine so gewöhnliche allgemeine Physiognomie hat sie. Rechnet man dem Alter den Nachlaß an Phantasie als natürlich an, so doch nicht den an Ernst und Fleiß als etwas Rühmliches. Künstlerische Zwecke können es wenigstens nicht sein, die einen anerkannten Meister zur Veröffentlichung so gar unbedeutender Sachen bewegen.

Im Rondo von Stephan Heller begegnen wir endlich einer aus wahrem Geiste kommenden Composition einer echten Künstlernatur, über deren Eigenthümlichkeit [82] beim Erscheinen größerer Werke die Zeitschrift ausführlicher sprechen wird. Das Rondo, so klein es ist, sprudelt recht eigentlich von Geist und Witz über. Zart, naiv, klug, eigensinnig, immer liebenswürdig, scherzt es wie ein Kind herum, setzt sich uns auf den Schooß, bringt die wunderlichsten Einfälle vor, springt wieder fort – kurz man muß es lieb haben. Der Leser soll also bald mehr über dies ausgezeichnete Talent erfahren.

Das Rondeau von Chopin ist vielleicht schon im achtzehnten Jahre geschrieben, aber erst vor Kurzem erschienen. Die große Jugend des Componisten ließe sich höchstens an einigen verwickelten Stellen, aus denen er sich nicht so schnell herauszufinden weiß, errathen (so am Schluß der S. 6.), im übrigen ist das Rondo durch und durch Chopin’sch, mithin schön, schwärmerisch, voll Grazie. Wer ihn noch nicht kennt, wird am Besten mit diesem Stück den Anfang machen.

Die zwei Rondo’s von Moscheles sind für mittlere Spieler geschrieben. Wer ein Meister einmal, fasse an was er will; es hat Alles ein Ansehn. Die Rondo’s haben keinen höhern Werth, als etwa Kreidezeichnungen wie sie ein Maler mehr zur Belustigung auf Tisch und Wand hinwirft; verläugnen aber kann sich die Meisterschaft nirgends. In dieser Art erfreue sich Jedermann der kleinen Bilder.



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