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Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/Musikleben in Leipzig während des Winters 1839–1840

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Trio’s für Pianoforte mit Begleitung Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854) von Robert Schumann
Musikleben in Leipzig während des Winters 1839–1840
1841


[275]
Musikleben in Leipzig während des Winters 1839–1840.


Man wird es zugeben müssen, in diesem von der Natur so stiefmütterlich behandelten Leipzig blüht die deutsche Musik, daß es sich, ohne für unbescheiden zu gelten, neben den reichsten und größten Frucht- und Blüthengärten anderer Städte sehen lassen darf. Welche Menge ausgezeichneter Kunstwerke wurde uns auch im vergangenen Winter wieder vorgeführt, wie viele bedeutende Künstler erfreuten und mit ihrer Kunst! Und wenn sich diese Anerkennung regsten Musiklebens namentlich auf die hiesigen Concertinstitute bezieht, so geschieht doch im Verhältniß zu andern Städten auch in andern Richtungen Erfreuliches. Das Theater versorgt uns, wie eine gute Modehandlung, wenigstens immer mit dem Neusten aus Paris and zählt unter seinen Mitgliedern einige sehr schätzenswerthe. Auch die Kirche feiert nicht, wenn freilich mit den vorhandenen Mitteln auch noch ganz anderes erreicht werden könnte. Auf glänzendster Stufe aber, wie gesagt, steht die Concertmusik. [276] Es ist bekannt, wie in den jetzt bald ein halbes Jahrhundert alten Gewandhausconcerten vor allem der deutschen Musik ein gediegener Heerd gegründet ist, und wie von diesem Institute in der That mehr als je geleistet wird. Einen berühmten Meister an der Spitze, hat sich in den letzten Jahren das Orchester in seiner Virtuosität noch immer vervollkommnet. Im Vortrage der Symphonieen namentlich findet es unter den Deutschen wohl kaum seines Gleichen, wie sich in ihm auch auf den einzelnen Instrumenten tüchtige Meister befinden. Auch waren in diesem Winter von der Direction Gesangtalente gewonnen worden, die uns den Verlust der in den vergangenen engagirten ausgezeichneten englischen Sängerinnen kaum fühlbar machten. So war man immer auf Abwechselung bedacht, was die gewählten Compositionen wie die auftretenden fremden und einheimischen Künstler betrifft. Von den ersteren, als dem Bleibenden, zuerst zu sprechen, so stellte sich, wie früher, so auch heuer, in der Wahl der zur Aufführung gebrachten Werke der Geschmack für die ältere classische Schule auf das Entschiedenste heraus. Beethoven’s Namen finden wir am häufigsten auf den Concertzeddeln, ihm zunächst Mozart und Haydn. Mit Vorliebe waren Weber, Cherubini und Spohr bedacht. Bach, Händel und Gluck kamen jeder einmal vor, wie öfters die den Sängern unvermeidlichen Extreme Rossini, Bellini und Donizetti. Außerdem wurden uns ziemlich von allen bedeutenderen deutschen Meistern der [277] Gegenwart Compositionen vorgeführt, wie von Marschner, Schneider, Onslow, Kalliwoda u. A. Gänzlich vermissen wir Lachner und Löwe, was der Zufall gemacht. Endlich kam auch von Compositionen noch unbekannter Künstler Einiges zu Gehör, und diese, wie die diesen Winter hier in Leipzig zum erstenmal aufgeführten Werke, haben wir hier vorzugsweise zu besprechen, – wie es aber nach einmaligem Anhören und bei dem vielen Material nicht anders gefordert werden darf, nur andeutend und in Kürze.

Zuerst der obersten Gattung der Instrumentalmusik, der Symphonie, zu erwähnen, so waren es drei, die wir zum erstenmal gehört: von Lindblad, Kittl und Kalliwoda, von denen sich die erste den wenigsten, die letzte den meisten Beifall erwarb. Der Componist der ersteren, auch schon gedruckten Symphonie [C dur][H 1] ist ein Schwede, und bereits als Liedercomponist in diesen Blättern mit Auszeichnung genannt. Sein Werk hätte ich vor dem Hören schon kennen mögen; es steckt viel Arbeit, Plan und Gedanke darin und es hat alle jene bescheidenen Vorzüge, von denen das Publicum nichts wissen will. Die Theilnahme der Kenner hat sich der Ausländer mit seiner Symphonie gewiß gewonnen; sich die des Publicums zu erwerben, gewähre er ihm hier und da, ohne sich von seiner Kunst zu vergeben, was bei glücklicher Einsicht gar wohl zu vereinigen steht. Lebhafteres, sanguinischeres Temperament zeigt die Jagdsymphonie des Hrn. Kittl, eines noch jungen [278] Prager Tonsetzers; sie hatte so zu sagen einen succès populaire, der sich mit jedem der Sätze steigerte, die sich in sich selbst auch steigerten. Der erste Satz ist „Aufruf und Beginn der Jagd“ überschrieben; das Andante bildet ein Satz „Jagdruhe“, das Scherzo einer „Gelage“ genannt, dem sich dann der „Beschluß der Jagd“ anschließt. Wie es der Vorwurf mit sich brachte, so hatte die Musik einen durchaus fröhlichen Anstrich und die Hörner erschallten oft waldmannisch genug. Den Componisten uns werther zu machen, verrieth sie aber auch schon eine Styleigenthümlichkeit, wie sie Symphonieenschreiber jungen Alters nur ausnahmsweise besitzen, so daß wir mit Freude auf seine späteren Symphonieen aufsehen, wie wir dann dem muntern Jäger einmal in anderer Gefühlssphäre zu begegnen hoffen, wenn es anders seiner Natur nicht zuwider läuft. Die Symphonie wird übrigens dieser Tage im Druck erscheinen.

Ueber die Symphonie von Kalliwoda, seine 5te [H moll][H 2], berichteten wir schon in einer kleinen Notiz, wie sie uns innig wohlgefallen habe; sie ist eine ganz besondere, und, was die vom Anfang bis zum Schluß sich gleichbleibende Zärte und Lieblichkeit anlangt, wohl einzig in der Symphonieenwelt. Hätte der Componist etwa eine Musik zur „Undine“ geben wollen, so wären jene Eigenschaften auf das leichteste zu deuten, da er’s aber nicht gewollt, so ist seine Symphonie nur um so höher zu schätzen. Wie schön hat uns der Componist mit diesem Werke getäuscht! Glaubten wir ihn, der in einem entlegenen [279] kleinen Orte wohnt, wohl gar gegen sein Talent gleichgiltiger worden und der Ruhe genießend, während die Symphonie namentlich in Hinsicht der Instrumentation den immer fortgeschrittenen Meister bekundet, und nur, wie gesagt, in eine jener seltenen Geistesregionen führt, der die oben genannte Fee entsprungen ist! Dazu schließen sich die vier Sätze so zart in einander, daß sie wie an einem Tage geschaffen scheinen; wie die Symphonie auch kunstreicherer, feiner gewirkter Züge voll ist, wie sie die Meisterhand oft erst dem Ohre zu verbergen weiß, bis dieses dann durch das Auge darauf aufmerksam gemacht wird. So begrüßen wir denn in Kalliwoda einen noch immer grünen lebensfrischen Stamm im deutschen Musiker-Dichterwald, und hoffen ihn bald wieder auf diesem Felde zu treffen, wo er sich schon fünfmal mit Ehren behauptet hat. Wie er auch ein bescheidener Meister ist, möge für seinen künftigen Biographen noch bemerkt sein durch folgenden Zug, den ich nicht verbürgen will, obwohl er ihm ganz ähnlich sieht. Es kam ihm nämlich erst vor einigen Jahren noch in den Sinn, daß er wohl noch nicht genug wisse und könne, weshalb er sich dann an einen Tonsetzer in Prag[1] wandte, bei ihm Unterricht zu nehmen im doppelten Contrapunct, in der Fuge etc. Hofft man vielleicht, der Prager Kunstbruder habe ihm darauf geantwortet „lehre [280] mich erst solche Symphonieen wie die deinigen machen, alsdann nehme fürlieb mit dem was ich habe“ – so irrt man. Der Bruder in Apoll, wie Beethoven oft seine Freunde unter den Capellmeistern nannte, wollte sich gern darauf einlassen, verlangte aber ein so enormes Honorar, daß der treffliche Capellmeister, der übrigens schon kleine aufzieht, mit großem Rechte gar nicht darauf einging und lieber wie früher fortcomponirte. Die Geschichte ist artig und mag, wie gesagt, von dem zukünftigen Lebensbeschreiber nicht übersehen werden.

Dies waren denn die drei neuen Symphonieen; eine gleiche Anzahl hörten wir auch von Ouverturen: zur Oper „der Zigeunerin Warnung“ von J. Benedict, zur „Genueserin“ von Lindpaintner, und eine von Julius Rietz in Düsseldorf. Die beiden ersten sind bereits gedruckt, im Uebrigen keine Kunstwerke ersten Ranges, sondern eben Theaterouverturen, wie es deren zu Dutzenden gibt, und auf den Beifall hin geschrieben. Sehr bedeutend schien mir dagegen die dritte, eine durch und durch deutsche, kunstreiche, im Detail noch etwas überladene Arbeit, die nach einmaligem Anhören kaum ganz zu ergründen war; dem Charakter nach eine Orchesternovelle, mit der man eben gut ein Shakespearesches Lust- oder Schauspiel eröffnen könnte. Der Titel („Concertouverture“) besagte nicht, ob sie zu einem besonderen Sujet gedacht sei; wie gesagt, wir hätten Verdacht auf Shakespeare. Möchte sie doch bald veröffentlicht werden; sie verdient eben so gut, wie ihre zwei erstgenannten [281] Namensschwestern, ja im Verhältniß zu diesen auf Velin gedruckt zu werden.[2]

Daß wir an einem der Gewandhausconcertabende auch sämmtliche Ouverturen, die Beethoven zu seinem Fidelio geschrieben, zu hören bekamen, ist schon früher angezeigt worden, zugleich mit freudiger Anerkennung dieser großen Leistung seitens des Orchesters.[H 3] Den Leser über diese vier Ouverturen und ihr Verhältniß zu einander aufzuklären, mag hier Folgendes bemerkt sein: Die an jenem Abende als Nr. 1 aufgeführte ist bereits bei Haslinger in Wien in Partitur erschienen mit dem Beisatz auf dem Titel „aus dem Nachlaß;“ sie geht aus C dur und ist wohl die erste überhaupt, die Beethoven zu seiner Oper schrieb, und die bei ihrer ersten Aufführung wenig gefallen haben soll. Die als Nr. 2 gespielte befindet sich noch im Manuscript im Besitze der HH. Breitkopf und Härtel, geht ebenfalls aus C, und ist offenbar das Original, nach welchem Beethoven später die bekannte große bei Breitkopf und Härtel in Partitur erschienene arbeitete; die 4te endlich ist jene leichtere in E dur, die man gewöhnlich in den Theatern hört. Möchten sich doch die verschiedenen Verleger vereinigen zu einer Ausgabe sämmtlicher vier Ouverturen in einem Band; für Meister und Schüler wäre solch ein Werk ein denkwürdiges Zeugniß einestheils des Fleißes und der Gewissenhaftigkeit, anderntheils der wie im Spiel [282] schaffenden und zerstörenden Erfindungskraft dieses Beethoven, in den die Natur nun einmal verschwenderisch niedergelegt, wozu sie sonst tausend Gefäße braucht. Dem großen Haufen freilich gilt es gleich, ob Beethoven zu einer Oper vier Ouverturen schrieb, und ob z. B. Rossini zu vier Opern eine Ouverture. Der Künstler aber soll alle Spuren verfolgen, die zur geheimern Arbeitswerkstatt des Meisters führen, und daß es ihm erleichtert werde, der nicht gleich ein ihm alle vier Ouverturen spielendes Orchester findet, möge man an eine Gesammtausgabe jener Ouverturen denken, welchen Wunsch wir nicht vergebens ausgesprochen haben möchten.[3]

Daß außer älteren und neueren Symphonieen und Ouverturen in den Abonnementconcerten auch größere Ensemble’s aus Opern, geistliche Chöre und ähnliches aufgeführt werden, weiß man aus früheren Berichten. Auch hier erhielten wir interessantes Neues. Zuerst von der Composition des Hrn. Capellmeisters Chelard die Ouverture, den 2ten Act und das Finale seiner Oper „die Hermannsschlacht.“ Ohne Anstrengung konnte hier ein Unwissender errathen, daß die Musik keine für den Concertsaal geschriebene, und daß ihr Effect von der Bühne herab berechnet war. Die Instrumente und Stimmen erstickten sich fast in diesen engeren Räumen und der zarte Concertsaal schien etwa wie ein altes [283] Silbermannsches Clavier unter den Händen eines Lißt. Wie gesagt, im Theater wird die Oper wirken wie sie soll, und hat es auch, wie frühere Berichte aus München, wo die Oper ganz gegeben wurde, bereits gemeldet haben. Der Bildungsgang des Componisten mag übrigens ein interessanter sein; er ist ein umgekehrter Meyerbeer, ein auf deutschen Boden umgesetzter französischer Musiker, mit unverkennbarem Streben nach tieferer Charakteristik, bei entschiedenem Talente besonders zur Instrumentirung, wie jene Bruchstücke deutlich darthaten. Namentlich enthielt die Ouverture viel Eigenthümliches und Schönes. Der Componist dirigirte selbst und wurde vom Publicum mit öfterem Beifall begrüßt. Durch seine Berufung an Hummel’s Stelle unserer Gegend näher gekommen, wird uns hoffentlich der liebenswürdige Künstler bald Gelegenheit zu vielseitigerer Bekanntschaft mit seinen Werken geben.

Eine andere Neuigkeit war ein Gebet „Verleih uns Frieden gnädiglich“ nach Worten von Luther von Mendelssohn, das am Vorabende des Reformationsfestes hier zum erstenmal gehört wurde; eine einzig schöne Composition, von deren Wirkung man sich nach dem bloßen Anblick der Partitur wohl kaum Vorstellung machen kann. Der Componist schrieb sie während seines Aufenthaltes in Rom, dem wir auch einige andere seiner Kirchencompositionen verdanken. Wie wünschte ich doch, unser Gottschalk Wedel hätte das „Gebet“ gehört! sein Aufsatz über „Umgestaltung der Kirchenmusik“[H 4] wäre ein [284] anderer geworden. Das kleine Stück verdient eine Weltberühmtheit und wird sie in der Zukunft erlangen; Madonnen von Raphael und Murillo können nicht lange verborgen bleiben.

Noch gab uns derselbe Meister am Neujahrstage einen neuen, eben vollendeten größeren Psalm nach den Worten des 114ten „Da Israel aus Egypten zog“ zu hören. Wer viel und rasch nacheinander in derselben Gattung schreibt, setzt sich um so eher Vergleichungen aus. So war es auch hier. Der ältere köstliche Psalm von Mendelssohn „Wie der Hirsch schreit“ lebte noch bei Allen in frischem Andenken. Es entstand Meinungsverschiedenheit, welche Arbeit wohl die bedeutendere sei, und die größere Anzahl der Stimmen schien sich der älteren zuzuwenden. Wir führen dies zugleich als einen Beweis an, wie das hiesige Publicum, trotz seiner Verehrung für den Componisten, sich ihm doch auch nicht blind hingibt. Ueber die speciellen Schönheiten des neuen Psalmes kann aber wohl Niemand im Zweifel sein, wenn ich auch nicht läugne, daß er, was Frische der Erfindung anlangt (namentlich in der letzten Hälfte), gegen den älteren zurückzustehen scheint und auch an schon von Mendelssohn Gehörtes erinnert.

Endlich brachte uns noch das letzte Concert als Neuigkeit die Ouverture, Gerichtsscene und Finale aus den „Abenceragen“ von Cherubini, die ich zu hören verhindert war. Die Musik soll herrlich gewesen sein, was für die, die diesen Meister kennen, wohl kaum einer Versicherung bedarf.

[285] Noch müssen wir dankend der einzelnen Künstler und Künstlerinnen erwähnen, die die Gewandhausconcerte mit ihren Vorträgen verschönten. Als erste Sängerin war Frl. Elise Meerti aus Antwerpen, als zweite Frl. Sophie Schloß aus Köln engagirt. Die Theilnahme des Publicums für die erstgenannte steigerte sich mit jedem Abende zusehends; sie gehört eben nicht zu jenen glänzenden Bravourtalenten, die sich schon bei’m ersten Auftreten ihr Publicum zu erobern wissen; ihre Vorzüge erkannte man erst allmählig, wie sie sie auch nach und nach erst in all’ ihrer Liebenswürdigkeit entfaltete. Leider konnte sie in der ersten Zeit ihres Hierseins noch zu wenig deutsch, um uns in unserer Sprache zu singen, und so war es denn meist italiänisches und deutsch-französisches (Spontini, Meyerbeer, Dessauer), was wir zu hören bekamen. Erst in ihrem Abschiedsconcert sang sie ein deutsches Lied von Mendelssohn,[H 5] was in uns wenigstens länger fortklingt als all’ das andere, aus auch so innigem Gemüth schien es zu kommen; wie sie denn in Stimme und Vortrag etwas vorzüglich Edles und Sittsames an sich hat. Ende Januar verließ sie uns schon, wird aber, wie wir mit Vergnügen hören, nächsten Winter zurückkehren. Nach ihrem Fortgange wurde denn auch die andere Sängerin Frl. Schloß mehr beschäftigt, die die Nähe der Meerti wie das ihr fremde Publicum wohl auch befangen gemacht hatten. Nun aber ohne Nebenbuhlerin, übrigens im Besitz einer wahren Bravour- und Concertstimme zeigte sie in kurzer [286] Zeit fast unglaubliche Fortschritte. Die Intonation, früher schwankend, schien bei jedesmaligem Auftreten an Sicherheit, die Coloratur an Sauberkeit, und die ganze Stimme an Kraft gewonnen zu haben, so daß das Publicum sie mit immer wärmerer Theilnahme aufnahm, und die frühere Zurücksetzung vollkommen wieder gut machte. Die Sängerin, noch jung, fleißig, überdieß stark und kräftig gebaut, hat eine schöne Zukunft vor sich, worin wir uns nicht zu täuschen glauben. Eine nicht minder glänzende dürfen wir einem andern Talente versprechen, dem außerordentlichsten für Virtuosität, was uns seit lange begegnet ist, einem Violinspieler Namens Christoph Hilf, der sich gleichfalls in den Abonnementconcerten 2 Mal hören ließ. Schon andere Blätter haben berichtet, wie er, aus dem Städtchen Elster im sächsischen Voigtlande gebürtig, und seiner Profession nach ein Leinweber, früher jahrelang zum Tanze in Schenken etc. vorgespielt; endlich vor ungefähr anderthalb Jahren von unwiderstehlicher Liebe zur Musik getrieben, die Violine auf dem Rücken, sich nach Leipzig aufmachte, was ihm wohl schon seit Kindheit als leuchtendes Ziel seiner Wanderschaft vorgeschwebt haben mochte. So kam er hier an, roh und unbehauen wie ein Marmorblock, und der Dinge wartend, die über ihn ergehen sollten. Er gerieth in die besten Hände, in die unseres Concertmeisters David, der denn bald erkannte, daß die inneren Schönheiten dieses merkwürdigen Talentes herauszufördern, es nur der Fortschaffung der groben [287] Hülle bedürfe, und daß, um nirgends zu beschädigen, selbst hierin vorsichtig zu Werke gegangen werden müßte. In siebenten Concerte ließ er denn seinen Schüler in die Siegesrennbahn. Der Glückliche! von der Furcht anderer angehender und eingehender Virtuosen, die spielen als schwebe ein Damokles-Schwert über ihren Häuptern, schien er nichts zu spüren; er verließ sich auf seine gute Geige, die ihm schon bis jetzt durch die Welt geholfen, und hoffentlich noch weiter helfen würde; er spielte nicht etwa die Notenrolle vor sich aufgeschlagen, sondern frei hinaus in’s Publicum, wie es sich geziemt. Das süßliche Concert von Beriot war es, und der Himmel weiß, die Composition schien unter seinen markigen Händen ordentlich Saft und Kraft zu bekommen, zum großen Ergötzen aller Zuhörer. Hunderte gibt es vielleicht, die das Concert galanter und pariserischer vortragen mögen; aber diese originale Frische, diese Naivität, diesen lebensvollen Ton im Vortrage hab’ ich noch wenig gehört. Hat er Talent zur Composition, so wird er bald weit und breit von sich sprechen machen. Ich glaube, er müsse auf das eigene Erfinden fallen, da seinen Fertigkeiten die vorhandenen Compositionen kaum lange mehr genügen können. In einem späteren Concerte spielte er Variationen von David mit derselben Virtuosität, mit demselben glänzenden Beifall.

Wir waren dem großen Talente des übrigens unbemittelten Mannes diese ausführliche Besprechung schuldig. Ueber andere schon bekannte Künstler, die noch in [288] den Abonnementconcerten auftraten, dürfen wir uns kürzer fassen.

Von auswärtigen waren es: Hr. Prume, Mad. Camilla Pleyel, Hr. Capellmeister Kalliwoda, Hr. F. A. Kummer, Violoncellist der Dresdner Capelle, die sämmtlich schon mehrfach in diesen Blättern besprochen sind. Die HH. Tretbar und Nehrlich, jener braunschweigischer, dieser preußischer Kammermusiker, zeigten sich als vorzügliche Clarinettspieler; die HH. Hausmann aus Hannover und Bernhard Schneider aus Dessau, Letzterer Sohn des Capellmeisters Friedrich Sch., als wackere Violoncellisten, Hr. Hausmann auch als sehr talentvoller Componist für sein Instrument; wie der schon über 60 Jahr alte sächsische Kammermusiker G. H. Kummer als noch kräftiger Meister auf dem Fagott. Diese sämmtlichen Künstler erwarben sich warmen Beifall, und die drei zuerstgenannten enthusiastischen. Ein aus Weimar herübergekommener Violinspieler ennuyirte dagegen. Auch traten einige auswärtige Sängerinnen auf, Mad. Johanna Schmidt aus Halle, deren Namen die Zeitschrift schon öfters mit Lob genannt, Frl. v. Treffz aus Wien, Frl. Auguste Löwe und Frl. Caspari aus Berlin, von denen Frl. Treffz die meiste musikalische Begabung, Frl. Löwe die beste Stimme verrieth, wenn anders nach ein- oder zweimaligem Hören ein bestimmtes Urtheil gefällt werden kann.

Von einheimischen, oder jetzt hier anwesenden Künstlern [289] ließen sich außer Mad. Schmidt, Gattin unseres Tenoristen am Theater, in meisterhaften Vorträgen noch hören, zuerst Hr. MD. Mendelssohn-Bartholdy mit seinem G moll-Concerte, Hr. Ferdinand Hiller mit Ersterem zusammen in dem hier noch nicht gehörten Concerte für 2 Pianoforte von Mozart und im „Hommage à Haendel“ von Moscheles, Hr. Concertmeister David einmal in Variationen, dann in einem Concerte, sodann zweimal der obengenannte C. Hilf, einmal Hr. C. Eckert aus Berlin, Schüler von Mendelssohn und David, in einem mit Fleiß und Talent componirten Violinconcert, sowie die ausgezeichnetsten Mitglieder des Orchesters, die HH. Queisser (Posaune), Uhlrich (Violine), Grenser (Flöte), Haake (Flöte), Heinze (Clarinette), Grabau (Violoncello), Diethe (Oboe), und Pfau (Horn). In mehren Gesangsensembles wirkten auch die HH. Pögner, Anschütz und Weiske mit.

Das Concert für den Institutfonds für alte und kranke Musiker brachte, wie immer, auch in diesem Winter besonders anziehend Gewähltes, u. a. eine Symphonie von Weber, eine erst jetzt veröffentlichte frische und klare Jugendarbeit des Meisters. Bezaubernd spielte den Abend auch Mendelssohn seine Serenade und Allegro, wie mit besonderer anima auch die andern Mitwirkenden, Hr. David, Mad. Bünau, die Frls. Meerti und Schloß.

Im Concert für die hiesigen Armen kam, wie schon [290] gemeldet, F. Hiller’s Oratorium „die Zerstörung Jerusalems“ zur Aufführung.

Bei nochmaliger Vergleichung der in den Abonnementconcerten gehörten Orchester- und Gesangswerke stellt sich heraus, wie die Direction zur Ausfüllung ihres Repertoirs zumeist nach Aelterem und schon Gehörtem greifen mußte; sie mußte es, weil offenbarer Mangel an neuen, für das Concert passenden Compositionen, namentlich Symphonieen und Gesangstücken mit Orchester da ist. Das Bedürfniß aber nach solchen Werken wird immer dringender. Möchten sich unsere Componisten dies nicht umsonst gesagt sein lassen. Gänzlich vermissen wir auf dem Repertoir noch Berlioz. Es sind zwar nur einige Ouverturen von ihm gedruckt; gewiß aber würde es nicht schwer fallen, auch von seinen Symphonieen zu erhalten, und dazu nur der Anregung bedürfen. Fehlen aber sollte er nicht länger, der, wie er auch sein möge, durch Uebergehen in der Geschichte der Musik eben so wenig vergessen gemacht werden wird, wie durch bloßes Ueberschlagen ein Factum der Weltgeschichte, und zur Beurtheilung des Entwickelungsganges der neueren Musik doch immer von Bedeutung ist. Die großen Mittel, die seine Compositionen verlangen, ließen sich gerade von dem Institute der Gewandhausconcerte herbeischaffen, oder auch, wo sie an’s gar zu Abenteuerliche gränzen, mit Umsicht vereinfachen, daß man sie wenigstens in der Hauptsache kennen lernte.

Möchte auch die frühere Idee, in historischen Concerten [291] Ueberblicke über die verschiedenen Epochen zu geben, im künftigen Jahre wieder aufgenommen werden.

[H 6]

Außer den Gewandhaus- und Euterpe-Concerten hatten wir in der zweiten Hälfte des Winters noch sechs von der Direction der Gewandhausconcerte veranstaltete Abendunterhaltungen, die die Stelle der früher Matthäi’schen, dann David’schen Quartetten ausfüllten. Im gewissen Einverständniß mit den Wünschen des Publicums hatte man die frühern Gränzen dahin erweitert, daß in diesen Soireen auch größere Ensemblestücke, wie Solovorträge zur Ausführung kamen. Auch war zum Vortheil der Musik wie der Zuhörer der kleine Vorsaal, in dem früher die Quartette stattfanden, verlassen und in den großen Concertsaal gezogen worden. Die auf den Concertzeddeln versprochenen Meistercompositionen und Vorträge hatten immer ein auserlesenes und zahlreiches Publicum herbeigelockt; man kann nicht leicht Trefflicheres in trefflicherer Ausführung hören. Die im Quartett Mitwirkenden waren die HH. Concertmeister David, Klengel, Eckert und Wittmann; die gespielten Quartette von Mozart, Haydn, Beethoven, Cherubini, Franz Schubert und Mendelssohn. Außerdem wurden noch Nonett und Doppelquartett von Spohr, Octett von Mendelssohn, Quintett von Onslow, Trio’s von Beethoven, Mendelssohn und Hiller, Doppelsonate und dieser Art Verwandtes von Mozart, Beethoven und Spohr gegeben. Von diesen Stücken waren neu oder hier noch nicht öffentlich gehört ein Trio [292] von Mendelssohn für Pfte., Violine und Vcello. [D moll][H 7], das mit wärmstem Beifall aufgenommen wurde, ein Trio von Hiller [B dur, Werk 6][H 8], eine interessante Jugendarbeit Hiller’s, die früher schon in der Zeitschrift besprochen ist, und ein Rondo a la Spagnuola für Violine und Clavier von Spohr, ein sehr zartes, schwunghaftes Miniaturstück, das gleichfalls schon gedruckt ist. Auch spielte Mendelssohn in seiner immerfrischen Meisterschaft die chromatische Phantasie und Fuge, und die 5stimmige in Cis moll von J. S. Bach, und Hr. Concertmeister David in ausgezeichnetster Weise, und von Mendelssohn begleitet, zwei als Compositionen unschätzbare Stücke aus den Sonaten für Violine allein von Bach, denselben, von denen früher behauptet worden ist „es ließe sich zu ihnen keine andere Stimme denken“ – was denn Mendelssohn in schönster Art widerlegte, indem er das Original mit allerhand Stimmen umspielte, daß es eine Lust war zu hören.[H 9]

Wie wir hoffen, werden die so mit wahrem Künstlergeiste geleiteten Abendunterhaltungen auch in künftigen Jahren fortgesetzt werden. Gesang war diesmal ausgeschlossen. Von Zeit zu Zeit ein Lied würde mit Dank gehört werden. –

Ueberschlägt man nun die Leistungen der verschiedenen unserer Kunst gewidmeten Anstalten, die wir besitzen, rechnet man hinzu die des Theaters, die der Kirche, und die vieler anderen Vereine, wie der vom Hr. MD. Pohlenz geleiteten Singakademie, des unter Hrn. [293] Organist Geißler’s Leitung stehenden Orpheus, der Liedertafel, des Paulinergesangvereins u. A., so wird man vielleicht mit dem übereinstimmen, was wir zu Anfang dieses Aufsatzes sagten: daß in diesem kleinen Leipzig die Musik, vor allem die gute deutsche, blühe, daß es sich ungescheut neben die reichsten Städte des Auslandes stellen darf. So wolle der musikalische Genius noch lange segnend über diese Erdscholle wachen, die früher der Name Bach’s geweiht, jetzt der eines berühmten jungen Meisters, welcher letztere, wie alle die ihm nahe stehen, zum Gedeihen wahrer Kunst noch viele Jahre unter uns verweilen möge! –




  1. Tomaschek.
  2. Es ist die seitdem gedruckte in A dur.
  3. Ist seitdem geschehen.

Anmerkungen (H)

  1. Zusatz von [GJ]
  2. Zusatz von [GJ]
  3. [GJ] Anmerkung 51: Zu dieser ursprünglich nicht beabsichtigten Aufführung aller vier Ouvertüren gab ein Zufall die Veranlassung. Ein fremder Violinist war im ersten Theil des Concerts mit so entschiedenem Mißerfolg aufgetreten, daß er sich ganz sachte auf und davon machte und im zweiten Theil nirgends zu finden war. Um die dadurch entstandene Programmlücke auszufüllen, entschloß sich Mendelssohn kurz, den im ersten Theil bereits gespielten zwei Ouvertüren auch noch die beiden letzten – ohne vorherige Probe – folgen zu lassen. –
    Ueber die Reihenfolge, in der die vier Fidelio-Ouvertüren entstanden, hat erst Nottebohm das Richtige festgestellt. („Beethoveniana“.) Die jetzt als die erste bezeichnete Ouvertüre erschien 1832 bei Haslinger im Druck und erhielt die Werkzahl 138. Bis dahin kannte man in Wien nur zwei Leonoren-Ouvertüren: die als Nr. 3 bezeichnete aus dem Jahre 1806, und die vierte (E dur) aus dem Jahre 1814. Von der wirklich ersten, im Jahre 1805 geschriebenen Ouvertüre hatte man keine nähere Kenntniß. Diese wurde erst durch die Leipziger Aufführung vom 9. Januar 1840 bekannt. Mendelssohn kannte im Jahre 1835 nur zwei Ouvertüren zu Fidelio: die große in C (Nr. 3) und die vierte in E. Als er damals von einer „dritten“ Ouvertüre reden hörte, die Haslinger im Manuscript besitzen solle, wandte er sich an Aloys Fuchs um eine Abschrift der Partitur, die aber nicht zu erlangen war. Unterm 13. April 1838 schrieb Mendelssohn an Fuchs: „Sie könnten mir gewiß sagen, ob irgendwo noch ein Exemplar von der Beethovenschen Ouvertüre zu Leonore existirt, welche (wie es scheint) zu der großen aus C dur (bei Breitkopf und Härtel) die erste größere und schwerere Bearbeitung ist, mit demselben Thema, demselben Schluß, dem Trompetenstoß in der Mitte etc. Durch Herrn Schindler in Aachen haben Breitkopf und Härtels hier eine Abschrift dieser Ouvertüre, mit Bemerkungen von Beethovens Hand darin – aber am Ende fehlen 2–4 Seiten, und Herr Schindler behauptet, die seien nirgend zu finden, da diese Abschrift das einzige sei, was von der Ouvertüre existire. Ist das wahr? Oder wissen Sie Mittel und Wege, das Fehlende aus irgend einer andern Abschrift oder gar aus dem Manuscript zu ersetzen? Es sind die letzten 200 oder 300 Tacte (nach dem Eintritt des letzten Presto), von denen es sich handelt.“ Fuchs’ Nachforschungen waren erfolglos. So füllte denn Mendelssohn zu der ersten Aufführung dieser Ouvertüre (9. Januar 1840) die Lücke der Partitur durch eine entsprechende Stelle aus der dritten Ouvertüre aus, die auch in die, 1842 durch Breitkopf und Härtel veranstaltete Ausgabe aufgenommen wurde. II.524 Commons
  4. [GJ] Der Aufsatz (1839, XI, 145) eifert gegen die Anwendung des Orchesters in der Kirche. II.247 Commons
  5. [GJ] „Es ist bestimmt in Gottes Rath“ II.248 Commons
  6. [GJ] † Das zweite bedeutende Institut für Concertmusik in unserer Stadt ist die Gesellschaft „Euterpe“, ein in seiner Entstehung, Entwickelung und jetzigen Verfassung vielleicht einzig dastehender Verein, dem wir den wohlthätigsten Einfluß auf den Musikgeschmack, namentlich der mittleren Stände, zuschreiben müssen. Er zerfällt in zwei Sectionen. Die erste besteht aus gegen 40 Mitgliedern – nur Musikern, die zur Mitwirkung an den alle 14 Tage stattfindenden Concerten sich verpflichten; die andere aus ordentlichen Mitgliedern, denen auch Nicht-Musiker beitreten dürfen, und aus Ehrenmitgliedern,[Fußnote: Zu ihnen gehörte Schumann seit dem 24. December 1837.] auswärtigen wie einheimischen, die die erste Section im engeren Ausschuß alljährlich wählt. Die erste Section gab im vergangenen Winter zehn Concerte im großen Saale der Buchhändlerbörse. Die Mittel der Existenz [252] sichert der Gesellschaft das reich zuströmende, wenn auch geringe Abonnement; im Uebrigen muß man anerkennen, steht die Aufopferung an Zeit und Mühe, die die Herstellung der Concerte den Mitgliedern des Vereins kostet, mit der kleinen Entschädigung in einem Verhältniß, daß wir ihrer Liebe zur Sache nicht genug Lob spenden dürfen. Eben so uneigennützig wirkten mehrere Sängerinnen mit, unter diesen namentlich die beliebte jugendliche Frl. Louise Schlegel, die Frls. Auguste und Emma Werner, wie denn vorzüglich der Dirigent des musikalischen Theils, Hr. J. J. H. Verhulst, wie die des mehr geschäftlichen, Hr. Advocat Hermsdorf und Hr. Sensal Schütz, ihren Beistand aus wahrem Kunstinteresse und mit warmer Hingebung ihrer guten Sache angedeihen lassen. So hat sich der Verein in seiner allmählichen Entfaltung zu einem Lieblingsinstitute der Stadt emporgehoben, und auch ohne manche zufällige Nebenumstände, die ihm die Theilnahme des Publicums gesichert, würde das Streben, das er musikalischerseits bekundet, das Interesse der gebildeten Kunstfreunde in Anspruch nehmen müssen. Die Aufführung der Orchesterstücke giebt der im Gewandhaussaale an Frische nichts nach; die Wahl ist die beste. In jedem Concerte kommen regelmäßig eine Symphonie und zwei Ouvertüren vor, zwischendurch Solovorträge von Sängerinnen wie den obengenannten, von Mitgliedern der Gesellschaft wie von andern Musikern. Aufführung größerer Ensemblestücke, wie Herbeiziehung auswärtiger Künstler liegen außer den Zwecken des Vereins.
    Die im letzten Winter aufgeführten Compositionen waren fast ohne Ausnahme deutsche. Auch hier ist Beethoven der mit Vorliebe gegebene Meister; von ihm wurden fünf Symphonieen gespielt, von Mozart und Haydn je eine, von Kalliwoda zwei (die zweite während des Aufenthalts des Componisten in Leipzig). Eine neue Symphonie brachte Hr. Oberorganist Adolph Hesse aus Breslau mit und dirigirte sie selbst; sie ist die fünfte seiner Arbeit [C moll] und ein absichtliches Losringen von seinem Meister und Vorbild (Spohr) darin unverkennbar, dessen Einfluß sich in den früheren Compositionen Hrn. Hesses namentlich in der Harmonieführung und Wechselung äußerte. Im Uebrigen gab auch diese Symphonie von der tüchtigen Bildung des Componisten Zeugniß, insbesondere was Formenabrundung, contrapunktische Arbeit und reichklingende Instrumentirung anlangt; sie erscheint in wenigen Wochen im Druck und wir werden sie später ausführlicher besprechen.
    Von Ouvertüren brachte die Euterpe in meist guter Ausführung [253] außer bekannten Meisterwerken von Mozart, Beethoven, Weber, Mendelssohn u. a., auch die unverdient weniger bekannte zu „Shakespeare“ von Kuhlau, die uns ein in vollster Blüthe der Kraft geschriebenes Werk, wenn auch eines Künstlers vom zweiten Range, zu sein scheint, eine schon früher gehörte von Verhulst (Nr. 3), und dann vier neue, nämlich von Berlioz zu „Waverley“, von Embach, einem holländischen Componisten, Woldemar Heller aus Dresden und E. Leonhard aus Leipzig, von denen die von Berlioz (bereits gedruckt) in der Zeitschrift als ein viel phantastisches, seltsam instrumentirtes Charakterstück schon früher erwähnt wurde und großes Interesse erregte. Die von Embach verrieth nichts Genialisches, sonst aber Tüchtigkeit und Routine in Anwendung gefälliger Mittel, ihr ähnlich die von W. Heller gesunde Natürlichkeit und freundlichen Sinn, während die des jungen Leipziger Componisten nach charakteristischerer Bedeutung auf Beethovenschem Wege strebte, wo nur die Grazien ausgeblieben waren, die im Triumphzuge Beethovenscher Gedankenweise doch nie ganz fehlen. Es kann nach einmaligem Hören nur von Totaleindrücken die Rede sein, wie wir sie hier einfach ausgesprochen haben.
    Der Musikdirector des Vereins gab uns in den Concerten der Euterpe selbst nichts Neues, wohl aber in seinem Benefizconcert, von dem wir schon früher berichteten, daß es eine Theilnahme fand der Art, daß sich die Gesellschaft zum Besitz dieses lebendigen, umsichtigen, urtheilsgesunden jungen Künstlers nur Glück wünschen kann und ihn so lange wie möglich festzuhalten sich angelegen sein lasse.
    In freundlichster Weise unterstüzten, wie schon erwähnt, die drei jungen Sängerinnen, von denen noch keine das zwanzigste Jahr überschritten, mehrfach die Concerte, außerdem in mehr oder minder bedeutender Weise die HH. Uhlrich, als höchst fertiger, reiner, kräftiger und geschmackvoller Violinspieler bekannt, der auch noch immer fortschreitet, – die HH. Grabau und Winter, beide Violoncellspieler, L. Anger und Alfred Dörffel, Clavierspieler, Weissenborn, Fagottist, Gosebruch, Flötist, Inten, Violinist, Heinze jun., Clarinettist, Faulmann, Hoboebläser, und der bekannte alte Harfenspieler Prinz, dessen bescheidener, vielfach interessanter Künstlercharakter unter den Händen eines Hoffmann oder Tieck eine anziehende Novellenfigur abgeben müßte. † [Fußnote: Der auf Seite 251 beginnende Bericht über die Euterpe war gestrichen.] II.251–253 Commons
  7. Zusatz von [GJ]
  8. Zusatz von [GJ]
  9. [GJ] Anmerkung 52: Ueber den Vortrag der Ciaconna, die Mendelssohn (wie Hiller berichtet) frei am Clavier begleitete, sagt Schumanns Concertbericht in Brockhaus’ Allgem. Ztg. vom 1. März: „David spielte eine Ciaconna von J. S. Bach, ein [525] Stück aus jenen Sonaten für Violino solo, von denen Jemand einmal verkehrt genug geäußert, ‚es ließe sich keine andere Stimme dazu denken‘, was denn Mendelssohn Bartholdy in bester Weise dadurch widerlegte, daß er sie auf dem Flügel accompagnirte und zwar so wundervoll, daß der alte ewige Cantor seine Hände selbst mit im Spiele zu haben schien. Daß Bach sich sein Stück so oder ähnlich gedacht, mag möglich sein – denn der Meister gewordene Componist denkt sich sein Werk auch immer in reinster Vollendung, wenn es auch die Virtuosen nicht gern zugestehen wollen – aber gehört in solcher Vollkommenheit, solcher meisterlichen Naivetät hat er es sicher nicht.“ – Schumann schrieb Anfang 1853 eine Clavierbegleitung zu allen sechs Violinsonaten, eine Arbeit, die ihm „Mühe, aber noch viel mehr Freude gemacht.“ (Brf. an Härtel.) II.524–525 Commons
Trio’s für Pianoforte mit Begleitung Nach oben 1841
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