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Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/Kirchenaufführung in Leipzig (2)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Musikfest in Zwickau Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854) von Robert Schumann
Kirchenaufführung in Leipzig
Lied und Gesang (1)


[120]
Kirchenaufführung in Leipzig.
Am 26sten Juli 1837.


Das Concert, das Hr. MD. Pohlenz vergangenen Sonntag zu einem milden Zweck[H 1] in der Thomaskirche veranstaltet hatte, war durch Wahl, Besetzung und Ausführung der Compositionen eines der vorzüglichsten. Die Ouverture zur Tauris′schen Iphigenie[H 2] fing an und mag sich in der Kirche wohl prächtiger als irgendwo ausnehmen; sie ist urkräftig und wirkt ewig gleich. Eine Arie aus der Schöpfung[H 3] folgte, die bekannte des Engel Gabriel „Auf starkem Fittig,“ so vollkommen schön gesungen,[H 4] daß sich weiter gar nichts darüber sagen läßt. Hr. Concertmeister David spielte hierauf einen ersten Satz eines neuen Concerts in H moll auch daß sich darüber nichts sagen läßt, bis auf einige neckische Figuren der Flöten, die mehr in den Concertsaal gehören. Hätte es mit dem Concert keine Eile gehabt, so hätten wir vielleicht ein Bach’sches Violinconcert zu hören bekommen. Bittgesang, Terzett und Schlußchor aus den „Jahreszeiten“ von Haydn schlossen den ersten [121] Theil; eine Fülle von Musik. – Mit ganz besonderem Dank gegen den Dirigenten müssen wir aber die Aufführung der neuesten Messe[H 5] von Cherubini erwähnen, eines der Werke, von denen der Buchstabe auch nicht einen entfernten Begriff beibringen kann. Nenne man es hochkirchlich, wundersam, so sind dies noch alles keine rechten Worte für den Eindruck, den es im Ganzen, aber besonders in einzelnen wie aus den Wolken klingenden Stellen macht, wo es Einen schaurig überläuft; ja was selbst weltlich, curios, beinahe bühnenartig klingt, gehört wie der Weihrauch zum katholischen Ceremoniell und wirkt auf die Phantasie, daß man den ganzen Pomp eines solchen Gottesdienstes vor sich zu haben glaubt. An harmonischer Kunst übertrifft die Messe sogar sein Requiem in C moll, obgleich dies in anderer Beziehung ohne Gleichen in der Welt dasteht. Des Merkwürdigen und Mächtigen enthält aber wie gesagt auch die Messe so viel, daß man sich alles Einzelne nur mit der Partitur, die ich leider noch nicht erlangt, wieder vergegenwärtigen könnte. Wie der einzelne Künstler seine „schönen Tage“ hat, wo ihm nichts mißlingt, so auch die Messe;[H 6] und wie an demselben Morgen kein Flecken den blauen Himmel draußen störte, war auch der Vortrag der Messe klar und schön. Den An- und Ausführenden gebührt daher der lebhafteste Dank für den milden und künsterlischen Zweck, den sie diesmal in seltener Vereinigung erreicht haben. –




Anmerkungen (H)

  1. [GJ] II.45: Zum Besten der Abgebrannten in Schleiz. Commons
  2. [WS] Iphigenie in Tauris, Oper von Christoph Willibald Gluck.
  3. [WS] Die Schöpfung, Oratorium von Joseph Haydn.
  4. [GJ] II.45: von Frau Dr. Livia Frege. Commons
  5. [GJ] II.45: der vierten, in C. Commons
    [WS] Messe Solenelle C-Dur (1816)
  6. [WS] Vorlage: Masse
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