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Fliegende Blätter Heft 15 (Band 1)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 15 (Band 1)
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aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 15, S. 113–120
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München, Commons
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[113]



Nro. 15.
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunsthand- Erscheinen monatlich zwei bis drei Mal. Subscriptionspreis
lungen, sowie von allen Postämtern und Zeitungs- für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W. od. 2 Rthlr.
expeditionen angenommen. Einzelne Nummern kosten 12 kr. R.-W. od. 3 ggr.


Fritz Beutels wunderbare Fahrten und Abenteuer
zu Wasser und zu Lande.


Wer kennt den berühmten Freiherrn von Münchhausen nicht? Man möchte glauben, seine Abenteuer und Heldenthaten seien erlogen, wären sie nicht schwarz auf weiß gedruckt, und wo hätte man je erlebt, daß etwas Gedrucktes erlogen oder etwas Erlogenes gedruckt worden wäre? Kommen zu dem Gedruckten noch gar Illustrationen in Holzschnitt hinzu, so ist die Wahrheit gegen jeden Zweifel, selbst gegen die schärfsten polizeilichen und andern Maßregeln geschützt, da es außer den Grenzen der Menschenmöglichkeit liegt, daß man Etwas im Bilde darstellen und abconterfeien könnte, was nie und in keiner Gestalt und an keinem Orte geschehen wäre. Daher wird man unbedingt an die Thaten, Abenteuer und Fahrten Fritz Beutels glauben dürfen, der einige Aehnlichkeit und Geistesverwandtschaft mit dem Baron von Münchhausen offenbart und hauptsächlich in dem Punkte der unerschütterlichsten Wahrheitsliebe mit ihm zusammentrifft. Seine interessante und lehrreiche Bildungs- und Jugendgeschichte sparen wir uns auf eine andere Zeit auf, und beginnen hier sogleich mit einem seiner merkwürdigsten Lebensabschnitte, dem wir den Titel geben:


Fritz Beutel in Algier und als Erstürmer von Constantine.

Das gewöhnliche Auditorium hat sich im Weinhause um Fritz Beutel versammelt. Er ist heute in einer sehr guten Laune; er hat bereits, als Offizier und Anführer einer Compagnie, mehrere Stämme der Wüste überwältigt und einige glänzende Razzias ausgeführt. Gegenwärtig befindet er sich, um sich von seinen Kriegsstrapazen zu erholen, auf einer Löwenjagd, in welcher er bei einem alten afrikanischen Jäger Unterricht genommen.

„Nichts leichter als eine Löwenjagd,“ erzählt er; „ich habe lieber mit einem hungrigen afrikanischen Löwen, als mit einem sächsischen Hasen zu thun. Ich habe erlebt, daß ein solcher sächsischer Hase, auf’s Aeußerste gebracht, und in Wuth gesetzt, Kehrt machte, meinen Jagdhund mir nichts dir nichts, aus dem Felde biß, und, obgleich sein Pelz schon ganz und gar von Schrot und Kugeln durchlöchert war, mir mit großer Gewalt zwischen die Beine sprang und mich in den [114] Sand streckte. Als ich mich, den Sand aus meinen Augen reibend, verblüfft emporraffte, saß der Hase ein paar Schritte vor mir und machte Männchen, um mich, wie sich ganz deutlich bemerken ließ, zu verspotten; und doch hatte der Kerl meinen ganzen Vorrath an Schrot im Leibe. So etwas thut ein wüthender sächsischer Hase, und namentlich sollen die Hasen um Leipzig die allergefährlichsten Bestien seyn; aber von einem afrikanischen Löwen hat man dergleichen nicht zu befürchten.“



„Die Art ihn zu tödten ist die leichteste und einfachste von der Welt. Man denke sich einen ungeheuern hungrigen Löwen, welcher im Gebüsch auf Beute lauert. Es ist Nacht, aber die Augen des Unthiers funkeln wie zwei Gaslaternen, daß es rings hell ist wie am lichten Tage, man könnte eine Stecknadel vom Boden auflesen. Ich nähere mich dem Thiere; es wird unruhig, denn es wittert Menschenfleisch, und namentlich auf die Deutschen ist der Löwe merkwürdig erpicht, weil ihr Fleisch, in Folge der vielen ästhetischen Lectüre, außerordentlich schmackhaft ist. Der Löwe unterscheidet auch gleich, wer bei Hegel oder bei Schelling Philosophie gehört hat; die Schellingianer sind ihm lieber, denn ihr Fleisch ist zarter und hat einen gewissen mystischen Beigeschmack.“

„Ich komme dem Löwen näher und näher, er brüllt lauter als irgend ein deutscher Heldenspieler, er schlägt mit dem Schweife um sich, er blinzelt mit den Augen, und rüstet sich zum Sprunge. Jetzt ist der Moment da; die Bestie macht einen furchtbaren Satz gerad auf mich zu. In dem Augenblicke werf ich mich auf den Rücken, passe den Moment ab, wo gerade das Ungeheuer, im Sprunge begriffen, über mir schwebt, und jage ihm eine Kugel durch den Leib. Der Löwe ist einmal im Schuß, setzt seinen Sprung fort und fällt etwa zwanzig Schritt von mir mausetodt nieder.“

„Dies Verfahren trügt nie; ich habe auf diese Weise wohl hundert der stärksten Löwen getödtet, und jedesmal ging die Kugel gerad in der Mitte des Leibes durch, unten hinein und oben wieder heraus. Ja, ich habe auf diese Weise einmal drei Löwen, welche übereinander wegsprangen, mit einer und derselben Kugel getödtet; und die Aeser lagen auch richtig todt da, einer über dem andern, wie abgepaßt.“



„Uebung und Geschicklichkeit gehört allerdings dazu, damit man den richtigen Moment des Niederfallens und Abschießens nicht verfehle, sonst ist man freilich geliefert.“

„Aber in der Nacht,“ wirft ein noch etwas zweifelhafter Zuhörer ein, „kann man doch den darüber wegspringenden Löwen nicht wohl sehen.“

„Dazu gehört eben,“ erwiedert Fritz Beutel, „die genaue, ich möchte sagen mathematische Berechnung; zudem verbreitet das goldgelbe Fell des Löwen, wenn er wüthend ist, leuchtende elektrische Funken, wie die Katze, zu deren Geschlecht er ja auch gehört.“

„Endlich saugt auch der Sand der Wüste am Tage das Sonnenlicht ein und gibt es in der Nacht allmählich wieder von sich, so daß es in Afrika eigentlich nie recht finster wird. [115] Und ganz zuletzt die funkelnden Augen des Löwen! Rechnen Sie diese leuchtenden Dinge zusammen, und Sie können sich vorstellen, daß es in Afrika in der finstersten Nacht eigentlich heller ist als am lichten Tage.“

„Aber närrisch sieht es aus, wenn um Algier in der Nacht tausende von Lichtern herumschwärmen, die doch eigentlich nur die funkelnden Augen hungriger Löwen und Löwinnen find. Man braucht nur von den Thürmen Algiers auf ein solches funkelndes Löwenauge zu zielen, um im Umsehen ein paar Dutzend solcher Unthiere weggeputzt zu haben.“



„In der letztern Zeit jedoch fangen die Löwen bereits an einzusehen, daß ihre Augen in der Nacht den Bewohnern Algiers gleichsam als Zielscheibe dienen, weßhalb sie klug genug sind, die Augen entweder zuzukneipen oder immer nur nach hinten zu sehen.“

„Auch leuchten die Augen eines Löwen nach seinem Tode einige Jahre noch so stark, daß man sie in Algier Nachts statt der Dochte in die Laternen thut, um sich in den engen Strassen der Stadt zurecht zu finden.“

„Uebrigens verdanken die Franzosen die Eroberung von Constantine meinem zahmen Löwen, der ein Prachtkerl war. Gott habe ihn selig!“

„„Ihrem zahmen Löwen? das mag auch eine seltene Geschichte seyn!““ fährt ein Zuhörer dazwischen.

„Bei Gott Vater auf seinem himmlischen Throne!“ Beutels gewöhnlicher Schwur, „es ist wahr. Man braucht die Löwen in Algier zu allen möglichen Verrichtungen, besonders zu Jagdhunden, in welcher Eigenschaft sie mit größter Uneigennützigkeit das eingefangene Wild, afrikanische Hasen u. s. w., ihrem Herrn apportiren. So ein Emir liegt ruhig, unter seiner Palme, schlürft seinen Kaffee und raucht seine Pfeife, während sein als Jagdhund abgerichteter Löwe die Wüste durchstreift und das Wild neben ihn legt, auch die verschiedenen Wildpretarten gleich assortirt. Früher erhielt er dafür zum Frühstück und Mittag jedesmal einen Christensclaven, der besonders dazu abgerichtet war, sich mit Anstand fressen zu lassen. Jetzt ist man humaner, und füttert diese Löwen nur mit politisch verdächtigem Gesindel, dessen Fleisch ohnehin etwas ranzig ist. Die algierischen Damen brauchen die Löwen dagegen als Schooßhunde.“ –

Allgemeines Erstaunen! „Ist es möglich?“ fragen einige Zuhörer.

„Bei Gott Vater auf seinem himmlischen Throne!“ erwiedert Beutel, „so ist es. Man fängt die kleinen Löwensäuglinge ein, schnürt sie in Windeln, füttert sie mit Bonbons und Liqueurs, engagirt für sie einen deutschen Hauslehrer, der die Geschicklichkeit besitzt, ihren aufstrebenden Geist und somit auch ihr körperliches Wachsthum zu unterdrücken, kurz gibt ihnen eine ganz standesmäßige Verwahrlosung, und das Löwchen wird und bleibt ewig ein Miniatur-Löwe, eine Luxus- und Taschenausgabe von einer Bestie, welche alle, löblichen Eigenschaften eines civilisirten Möpschens entwickelt. Es gibt Damen zu Algier, welche wohl ein Dutzend solcher Schooßlöwen halten, weßhalb auch die Löwensteuer in Algier jetzt die einträglichste ist.

Ueberhaupt kann ich die merkwürdigsten Geschichten aus Algier erzählen. Sie mögen es glauben oder nicht, meine Herren! Wer eine Flasche von dem feurigen Algierer Wein im Leibe hat, der vermeide es ja, sich auf einen Wagen zu setzen, da er bei der Kraft des Weines offenbar Gefahr laufen würde, sammt dem Wagen umgeworfen zu werden. Mir ist dieser Fall wenigstens mehr als einmal passirt. Ja ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein ganzes Cavalerieregiment in den Sand gesetzt wurde, weil ein Feldwebel des Regiments ein Glas zu viel zu sich genommen hatte. Und das Merkwürdigste und Gefährlichste hierbei ist, daß der Geist des Weines vom Reiter auf das Pferd übergeht. Da übrigens der Wein von Algier zum größten Theile aus Aether besteht, so pflegt man daran nur zu riechen; ein guter deutscher Trinker hat eine Flasche Algierer Wein in etwa einer Stunde ausgerochen. Herr Wirth! eine Flasche Wein! ruft man. Der Wirth bringt das Verlangte. Man fragt nach der Bezahlung. Viertehalb Franks oder viertehalb Menschenköpfe! heißt es. Man greift in den Sack, den man zu dem Ende stets bei sich führt, läßt vier Beduinenköpfe auf den Tisch rollen und bekommt darauf einen halben Menschenkopf wieder [116] heraus. Ja, sehen Sie mich nur nicht so verwundert an, meine Herren! Dies ist die gewöhnliche Art der Bezahlung in Algier. Die Beduinenköpfe sind da so wohlfeil, daß jeder nur einen Frank gilt. War meine Börse, die freilich die Form und Größe eines Mehlsackes hatte, leer, so ritt ich hinaus in die Wüste, fing mir ein halbes Dutzend Beduinen ein, knüpfte drei davon rechts, die andern drei links an die Spitze meines Knebelbartes und ritt mit ihnen gemüthlich durch die Wüste nach Algier wieder zurück. Hier lieferte ich meine Gefangenen in die Münze, d. h. in die Anstalt, wo ihnen vorschriftsmäßig die Köpfe abgelöst wurden, und“ –

„Aber Ihr Löwe von Constantine?“ fällt ihm hier ein inzwischen unruhig gewordener Zuhörer ins Wort.

„Ach, die Vorstellungen drängen sich in mir so ungeheuer,“ fährt Fritz Beutel fort, „daß ich Eins über dem Andern vergesse. Was jenen merkwürdigen Vorfall betrifft, so muß ich zuvörderst erwähnen, daß ich Offizier in der berittenen Löwengarde war.“

„Löwengarde!“ Allgemeines Erstaunen; „davon haben wir ja in den Zeitungen gar nichts gelesen,“ sagt Jemand.

„Das glaub’ ich gerne,“ äußert Fritz Beutel stolzen Blickes, „ich selbst habe die afrikanische Löwengarde erfunden und organisirt, und weil ich einer aus dem Fremdenbataillon war, so beneideten mich die schurkischen Franzosen, namentlich der damalige Gouverneur, dessen Haß so weit ging, daß er zu jener Zeit alle Briefe erbrechen und jede Anspielung auf meine Löwengarde darin streichen ließ.“

„Denken Sie sich, meine Herrn, einen Trupp von tausend wohl gezähmten und einexercirten Löwen, und auf jedem einen trefflich bewaffneten Reiter, mich aber voran auf einem prächtigen Löwen, den ich mit eigener Hand eingefangen und zugerichtet hatte.“

„So erschienen wir vor Constantine. Der Sturm wurde befohlen! Vergebens! Muthlosigkeit ergriff die ganze Armee. Ich mit der Löwengarde stand als Reserve in langer Front aufmarschirt. Kaum war es noch möglich, die Löwen, welche durchaus stürmen wollten, in Zaum zu halten, sie brüllten so gewaltig, daß weder von dem Kanonendonner, noch von dem Kleingewehrfeuer Etwas zu hören war.“


„Da sprengt plötzlich der Gouverneur mit seiner Suite zu mir heran.“

„Bester Herr Beutel!“ redet er mich an, „Sie sehen, wie verzweifelt unsere Angelegenheiten stehen; Sie sind meine letzte Rettung, meine ultima ratio. Getrauen Sie sich, mit Ihrer Löwengarde das Hauptthor zu nehmen?“

„Eine Kleinigkeit“ antwortete ich, „ich mit meinem Löwen ganz allein!“

„Hierauf suche ich mir ein halbes Dutzend wackere Kerle aus, die alle hinter mir auf meinem Löwen aufsitzen müssen; ein anderes halbes Dutzend hängt sich in die Mähnen und ein weiteres halbes Dutzend an den mächtigen Schweif.“ –

„Vorwärts,“ rufe ich „Löwengarde!“ „In drei gewaltigen Sätzen ist mein Löwe an dem so lange vergebens bestürmten Hauptthor, mit dem vierten darüber hinweg; mein Löwe – Gott habe ihn selig! fällt von vierzig Kanonenkugeln durchbohrt, die er schon während des Sprunges erhalten hatte; aber achtzehn tüchtige Kerle, ich an ihrer Spitze, sind in der Stadt; wir hauen so blind um uns, daß wir nicht die Spur von einem Feinde vor uns sahen; wahrscheinlich hatte er auch aus Schreck bereits die Flucht ergriffen; – wie gesagt, in so gewaltiger Aufregung kümmert man sich nicht viel um solche Lumpereien und Kleinigkeiten – alles Uebrige kann man sich denken, – Constantine war unser – durch die Reihen der Franzosen tönte ein herzliches: Hoch lebe Herr Fritz Beutel!“

„Wollte Gott! sie hätten mir auch ein Lebehoch zugerufen, als ich zerschossen, zerhauen, zerspießt, verstümmelt, amputirt und operirt meinen Abschied nehmen mußte. Da thaten sie aber gar nicht, als ob es noch einen Fritz Beutel gäbe, welcher für sie Constantine erobert hatte. Ja, ich kann sagen, ich habe nicht Eine Schlange, sondern ein Heer von Schlangen in meinem Busen ernährt, die gesammte französische Armee in Algier. Zwanzig Kugeln hat man mir aus meinem Leibe geschnitten, die ich Ihnen alle zeigen könnte, wenn sie nicht in das französische Nationalmuseum gebracht worden wären, die einzige Anerkennung, welche ich gefunden habe. Nur eine vier und zwanzig pfündige Kanonenkugel besitze ich noch, die sich bei der Erstürmung von Constantine so in meinen Burnus verwickelte, daß sie mir weiter keinen Schaden brachte.“

„Es sind dies Dinge, welche sehr kurios klingen, aber wer einmal nach Algier kommt, der frage nur nach Fritz Beutel: es kennt ihn dort jedes Kind. Besonders die Araber verehrten mich wie ein übermenschliches Wesen. Damals hieß es auch: Es gibt nur Einen Gott und Einen Fritz Beutel, und Muhamed ist ihr Prophet!“




Hermann Marggraff.

[117]

Die Macht der Töne.



                         1.

     Es war einmal – das Datum wird
     So viel just nicht bedeuten, –
     Ein Spielmann aus der Schenke ging,
     Die Fidel an der Seiten;

5
Vor Lust das Herz ihm überschwoll,

Als war er süßen Mostes voll,
     Und hätt’ er Lieb im Leibe.


                         2.

     Schon war es Nacht, da mußt er noch
     Den Forst hindurch, den wilden,

10
     Drin, wie man sagte, Wolf und Bär

     Ihr Abendkränzchen hielten.
Es konnte Fall’ und Eisen nie
Ausrotten dieses Teufelsvieh,
     Noch zur Kultur bewegen.


                         3.

15
     In’s Herren Namen, denkt er sich,

     Jetzt geht es just in Einem;
     Ich bin zwar mit dem Wirth noch nicht,
     Doch mit der Seel’ in Reinem.
Komm’ ich erst heil aus dieser Noth,

20
So will ich meinem Herre Gott

     Ein mächtig Loblied singen!


                         4.

     So tritt er in den Wald; es rauscht
     Das Laub ihm unterm Fuße;
     Stockfinster ist’s, der Uhu schreit

25
     Ein Nachtlied ihm zum Gruße;

Und wie er taumelnd vorwärts dringt, –
Da weicht der Boden, und – er sinkt
     Zween Klafter tief hinunter.


                         5.

     Wie höhnisch lächelnd schaut der Mond

30
     Auf seinen Fall herunter;

     Doch – Gott sei Dank – er rafft sich auf
     Und ist noch frisch und munter.
Doch still – da rührt sich’s neben ihm,
Ein dickes, schwarzes Ungethüm

35
     Schleicht brummend ihm entgegen.



                         6.

     Und wie er lugt, da hätt’ ihn fast
     Der kalte Schlag gerühret!
     Es war ein Bär, den sein Geschick
     In’s gleiche Loch geführet!

40
Jetzt, heilige Cäcilia

Sei mir mit deiner Hilfe nah,
     Sonst heißt’s: Matthä am letzten!


                         7.

     Da griff er in der Herzensangst
     Nach Bogen und nach Geigen,

45
     Und fing zu musiciren an,

     Als gält’s den Kirmesreigen.
Der Bär – beim ersten Bogenstrich
Stellt auf die Hinterfüße sich,
     Als thäts ihm baß behagen.


                         8.

50
     Der Spielmann deß’ sich wohl versah,

     Den Braunen hinzuhalten.
     Er tischt ihm seine Stücklein auf,
     Die neuen und die alten;
Und war erschöpft sein Liederborn,

55
So fing er wieder an von vorn,

     Und schreit sich matt und heiser.


                         9.

     Und Bruder Petz, das wack’re Vieh,
     Kann sich nicht satt vernehmen!
     Solch’ musikalisches Genie

60
     Muß Menschen selbst beschämen.

Der Spielmann aber geigt und singt,
Und ob auch manche Saite springt:
     Er spielt zuletzt auf einer!


                         10.

     Doch mit der letzten Saite riß

65
     Auch die Geduld des Bären.

     Es wär auch Sünde an der Kunst,
     Noch Gnade zu gewähren.
Jetzt, Spielmann mach’ dein Testament,
Dein Lebensliedlein geht zu End’,

70
     Geschieht nicht bald ein Wunder!



                         11.

     Horch – Rüden klaffen in dem Wald,
     Muth – Muth – du wackrer Singer!
     – Der wickelt just den letzten Darm
     Sich krampfhaft um den Finger.

75
Und lockt noch einen reinen Klang,

Als wäre es sein Schwanensang,
     Hervor aus seiner Geige. –


                         12.

     Dann dacht’ er sich: „Nun ist es Eins,
     „Jetzt bin ich doch verloren!“

80
     Und schlug die Fidel mit Gewalt

     Dem Bären um die Ohren,
Daß sie in Trümmer rings zerfiel;
„Ich sterb’ mit meinem Saitenspiel!“
     So dacht’ er – und ergab sich.


                         13.

85
     Schon fühlt er sich vom braunen Fell

     Umschlungen an den Lenden:
     Da fiel ein Schuß – und Petz mußt just
     Zur rechten Zeit verenden!
Der Spielmann aber stieg heraus –

90
Ein Phönix aus dem Flammenhaus,

     Das ist die Macht der Töne.


E. F.

[118]

Die ehrsame Zunft der Steckenreiter.
(Fortsetzung.)



Der Landwehrhauptmann.

Seines Zeichens ist er ein Bader; seiner Leidenschaft nach durch und durch Militär. Während der letzten Freiheitskämpfe war er Feldscherer, dann führte ihn das Schicksal einer Baderswittwe in die Arme. Ein unbestimmtes Gefühl sagt ihm, daß er sich die Freiheit nicht erkämpft habe. Nach der Reorganisation der Landwehrmiliz ward er in Folge seiner Kriegserfahrungen zum Hauptmanne derselben erwählt. Sofort übertrug er das Geschäft des Bartabnehmens seiner Ehehälfte, und verlegte sich ausschließend auf die Kriegswissenschaft. Was in diesem Fache geschrieben wird, läßt er – wenn auch unbegriffen – doch nicht ungelesen. In unbelauschten Stunden aber öffnet er ein geheimes Fach seines Baderkästchens, nimmt ein Regiment hölzerner und bleierner Soldaten aus demselben, läßt sie in ganzen und halben Zügen defiliren, Wendungen machen, Carré bilden, zum Angriff blasen, und auf irgend einen unschuldigen Gegenstand einen Sturm wagen, der denn auch unter seiner Anführung selten mißglückt. – In letzterer Zeit hat sein ehelich’ Gemahl, blos, um ihn in Uebung zu erhalten, seiner Leidenschaft den Krieg angekündigt, der voraussichtlich lange dauern mag; denn diesem Feinde gegenüber verläßt ihn wunderbarer Weise allzumeist sein Feldherrntalent! – Wenn du gerade nach seiner Freundschaft lüstern sein solltest, brauchst du ihn nur „Herr Hauptmann“ zu tituliren. –





Die Geognostin.


Das ist die mächtigste Wirkung der Wissenschaft, daß sie in’s Leben greift, und mit der Zeit den Strickstrumpf verdrängt. Seitdem Professor Leonhard durch sein Lehrbuch die Geologie populär gemacht, und Dr. Hauff seine geologischen Briefe in die Augsburger Allgemeine drucken ließ, hat auch das zarte Geschlecht angefangen zu lernen, wie man den Berghammer handhabt, und welch ein Unterschied sei zwischen einer hexagonalen Pyramide und einer Kartoffelsuppe. Man spricht von einem weiblichen Lehrstuhl, welcher auf der Universität Y für dieses Fach errichtet wird. – Auf unserem Bilde begegnen wir solch einer Freundin der Geognosie. Sie hat von Karlsbad aus, einen Ausflug in’s Gebirge gemacht, von ihrem alten Ehegatten und einem jungen Naturforscher begleitet. Während sich Ersterer auf Befehl seiner schönen Hälfte mit einem antediluvianischen Hirschgeweih[1] abschleppt, das ihm während der Partie unvermuthet in den Weg kam, setzt dieser mit der gelehrigen Freundin die naturhistorischen Studien auf’s Eifrigste fort, und sie kann nicht umhin, über die Loupe weg beständig auf ihn hinüber zu schielen, um ja kein Wort aus seinem Munde zu verlieren. Ihre Forschungen drehen sich gerade um einen fossilen Mammutsknochen, und die Schülerin fragt eben mit der liebenswürdigsten Naivität, ob nicht etwa die Mammutsknochen von den Mamelucken abstammen, oder umgekehrt?


  1. Anm. Wir entnehmen hieraus die Bestätigung der oft widerstrittenen Behauptung, daß Hirschgeweihe schon vor der Sündfluth existirten.


[119]

Mei Schatz.
(Ansbacher Mundart.)


Du Herzblatt und du Tausendschatz,
Und allaweil me͡i Schatz,
Ih hob im Herz’n Tog und Nacht
For diech all͡a nor Platz.





5
Und lieg ih af meim Spreiersack

Und schlaof als wie a Ratz,
So tramt’s mer, bis der Gögger schreit,
Von nix, als von meim Schatz.

Am Sunntog, wenn’s in d’Kerch’n läut’t,

10
Steh ih am Kerchhofthor:

O, hob ih dao a stilla Freud’,
Kummst du de͡i Gäßla vor.





De͡i Gang so munter und so flink,
De͡i Gruß so sanft und gut,

15
De͡i Aug’ so züchti und so klug,

De͡i G’sicht wie Milch und Blut.

D’rum, wenn die Org’l prächti klingt,
Und singt die ganza G’ma,
Ih horch und horch und hör’ halt nor

20
Dei hella Stimm’ all͡a.


Und liest das Evangelium
Hernach der Pfarrer vor,
Dao kummst mer du so still und frumm
Als wie a n’Engl’ vor.





25
Am Muntog d’rauf in aller Fruh,

Dao bist du scho im Feld.
Es grost so fleißi als wie du
Ka Madla af der Welt.

Und schau ih manchsmaol in dein Stall,

30
Schau in dein Tenna ne͡i:

In Münch’n drob’n beim König
konn’s Meinad[1] nit schönner se͡i.




Im Winter in der Rock’nstub’n:
Wer spinnt’n schönnst’n Flachs?

35
Wer hat im Frühjaohr af der Blach

A Tuch, als wie a Wachs?

Des bist halt du me͡i Tausendschatz
Und allaweil me͡i Schatz!
Mei Herz, als wie a Heinzerla,[2]

40
Es macht vor Freud’ an Satz. –


A Veichela, a Rosmar͡i,
Des senn zwa schöna Blumma
O, wie vill Zeit gäht woll no h͡i,
Bis mir a maol z’samm kumma.



Joh. Frank.



Anmerk.      ao, ein Mittelton zwischen a und oe͡i und ͡a ein Nasenlaut.


  1. Bei meinem Eid.
  2. Ein Füllen.

[120]

Träume.



Der Traum des Jagdliebhabers.



Der Traum des Geizigen.



Der Traum des Theaterdichters.



Der Traum des Recensenten.




München, Verlag von Braun & Schneider.Papier und Druck von Fr. Pustet in Regensburg.