Flachsaufbereitung, mit Flachsgeschäft von Friedrich Lohse in Schlettau
[25] Wir wenden uns jetzt zu einer Anstalt des oberen Erzgebirges, die in ihrer Branche zu den wohlrenommirtesten und besteingerichtetsten unseres Vaterlandes gehört, zu der
Dieses Etablissement liegt gänzlich isolirt in romantischer Gegend am Sehmafluß, eine Viertelstunde von Schlettau entfernt, und in der Nähe der Dörfer Walthersdorf, Cranzahl, welches einst den Ruf hatte, daß von seinen Bewohnern der schönste Gorl Sachsens gefertigt würde, und Sehma, bekannt durch seinen Gewerbfleiß, und wo durch den um die Industrie des Erzgebirges hoch verdienten ehemaligen Bürgermeister von Annaberg, Eisenstuck, eine der ersten Spinnschulen Sachsens entstand, welche auch jetzt noch besteht.
Die Gebäude dieses Etablissements bestehen in
- einem durchgängig massiv erbauten, zwei Stockwerk hohen Hauptgebäude, welches die zum Geschäftsbetrieb nöthigen Maschinen enthält;
- einem Nebengebäude, in dem der fertige Flachs gebündelt und gepackt wird, und einer in der Nähe der Stadt gelegenen sehr großen Scheune, zum Lagern der auf dem Halme gekauften und der gerösteten Flachsstengel.
In der Stadt selbst endlich befindet sich das Wohngebäude des Besitzers; der Hauptsitz des ganzen Geschäfts.
Hierzu gehören zwei Acker Land, nebst einem großen Plan zum Auslegen des Flachses.
Als Branchen umfaßt dieses Etablissement
- die Flachsaufbereitung und
- das Flachsgeschäft,
und die Haupterzeugnisse sind: wassergerösteter und thaugerösteter geschwungener und gereinigter Flachs, welcher seinen Absatz theils an die Maschinenflachsspinnerei in Hirschfelde, theils nach Böhmen und Baiern findet.
An Maschinen besitzt die Anstalt
- eine große Flachsbrechmaschine und
- eine große selbstthätige Flachsschwingmaschine, neuester Construction.
Diese Maschinen werden durch eine zwölf bis vierzehn Pferdekraft ausübende Wasserkraft in Bewegung gesetzt.
Von dem Etablissement werden durchschnittlich zwanzig bis fünfundzwanzig Personen, männlichen und weiblichen Geschlechts, beschäftigt.
Diese Anstalt ist in ihrer Branche die älteste Sachsens. Sie wurde im Jahre 1843 von dem jetzigen Besitzer, Herrn Friedrich Lohse und dem Oekonom Herrn Jungmichel gegründet und führte zuerst die Firma Lohse u. Jungmichel. Die Begründer hatten zunächst im Auge, die thaugerösteten Flächse der Landwirthe der Umgegend, welche sich mit Flachsbau beschäftigten, auf eine rationelle Weise und entschieden gegen das bis dahin befolgte, althergebrachte Verfahren, auf mechanischem Wege zuzubereiten. [26] Es gelangen die ersten Versuche auch vollkommen und das, für die Begründer allerdings mit sehr bedeutenden Opfern verbundene Unternehmen erregte nicht nur in den weitesten Kreisen allgemeine Aufmerksamkeit, sondern fand auch höchsten Ortes beziehentlich seiner Leistungen die gnädigste Anerkennung, welche die Besitzer anspornte, in ihren Anstrengungen, den Betrieb des Geschäfts zu erweitern und zu verbessern, nicht zu ermüden. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten sie alle neu auftauchenden Verbesserungen und Erfindungen in dieser Branche und suchten dieselben, soweit sie sich als praktisch bewährt hatten und ihre Anwendung bei den bestehenden Verhältnissen überhaupt möglich war, sich zu eigen zu machen. So wurden viele mechanisch-technische Einrichtungen getroffen; namentlich in der Neuzeit auch eine in ihrer Art einzige Ventilation, welche ihrem Zweck, der weiteren Zubereitung der thaugerösteten Flachsstengel, auf das Vollkommenste entspricht.
Im Jahre 1847 verbanden die Besitzer diese Anstalt mit einer Kaltwasserröste und kauften von da ab ununterbrochen Flachs auf dem Halme, nach Flächeninhalt, wodurch sie höchst anregend und aufmunternd auf die Flachscultur jener Gegend wirkten; der Flachs wurde sowohl nach belgischer Methode geerntet, als auch die Zubereitung nach belgischem System erfolgte.
Im Jahre 1857 übernahm der Mitbegründer und zeitherige Mitbesitzer, Herr Friedrich Lohse, die Anstalt auf eigene Rechnung. Herr Lohse war schon früher die Seele des Ganzen gewesen und deshalb erfuhr durch diese Besitzveränderung der Gang des ganzen Geschäfts nicht nur keine Störung, sondern es blühte immer mehr auf. Der nicht ermüdenden rastlosen, umsichtigen und aufopfernden Thätigkeit des Herrn Besitzers gelang es, das Geschäft nach allen Richtungen zu heben; er setzte nicht nur den Flachseinkauf auf dem Halme nach Flächeninhalt in erweitertem Maßstabe fort, sondern erreichte auch das schon seit Jahren mit großen Opfern angestrebte Ziel, eine Flachsschwingmaschine construiren zu lassen, welche nach ihrer Aufstellung wirklich Ueberraschendes leistete und allen davon gehegten Erwartungen vollkommen entsprach. Diese Maschine ist selbstthätig und die sie bedienenden Arbeiter sind nur in so weit dabei beschäftigt, daß sie den geknickten Flachs auf der einen Seite einlegen und ihn dann vollkommen geschwungen auf der anderen Seite wieder herausnehmen.
Die Leistungen der gedachten Maschine sind von Sachkennern außerordentlich belobt worden, der Flachs kommt aus derselben vorzüglich glänzend und bänderreich, und die Fiebern des Flachses sind dabei nicht im Geringsten verletzt. Die Productionsfähigkeit der Maschine ist höchst überraschend.
Auch die hier im Gange befindliche Flachsbrechmaschine ist von colossaler Größe; sie enthält acht Walzenpaare von bedeutendem Durchmesser, theils aus Gußeisen, theils aus Schmiedeeisen, in verschiedenen Dimensionen gereifelt und ist fähig, täglich vierzig bis fünfzig Centner Flachsstroh mit Leichtigkeit zu verarbeiten.
Aus dieser Anstalt gehen jährlich tausend bis zwölfhundert Centner theils wassergerösteter, theils thaugerösteter gereinigter und geschwungener Flächse hervor.