Finnland mit Aland
Der Admiral Napier hat in einem Tagesbefehl an die von ihm befehligte Flotte den Beginn der Feindseligkeiten gegen Rußland angekündigt, und da die milde Witterung das Eis des Nordens früher als gewöhnlich gebrochen hat, so werden wir die englische Flotte nächstens an den russischen Küsten der Ostsee erblicken.
Angesichts der dort sich vorbereitenden Ereignisse führten wir unsere Leser schon in der vorhergehenden Nummer an die Gestade des baltischen Meeres, mögen sie uns heute nochmals dahin folgen, und zwar nach Finnland, das von besonders wichtiger Bedeutung zu werden verspricht.
Petersburg und Tornea bilden die beiden äußersten Häfen des finnischen und bothnischen Meerbusens, in welche Finnland wie in den aufgesperrten Rachen eines Alligators (das baltische Meer, die Ostsee) hineinragt. Der äußerste Vorsprung liegt der schwedischen Hauptstadt Stockholm gegenüber. Wenn die Schwedenkönige früher ihr geliebtes Finnland besuchen wollten, brauchten sie nur aus dem Schlosse herab unmittelbar in’s Schiff zu steigen. Aber wie Rußland nach dem schwarzen Meere hin schrittweise und unaufhaltsam seine Grenzen ausgedehnt hat, schritt es auch nach der Ostsee vor, und Finnland, einst der schönste Theil Schwedens, ist eine russische Provinz geworden.
Man fühlt sich auf das Angenehmste überrascht, wenn man nach der öden, trostlosen russischen Steppenreise von Petersburg an dem westlichen Endpunkte Finnlands den bothnischen Meerbusen anlangt. Der Distrikt Abo-Björneborg, der die Insel Aland im bothnischen Meerbusen in sich schließt, gewährt das anmuthigste Bild. Die Hauptstadt Abo mit 14,000 Einwohnern, 50 Meilen von Petersburg, hat einen bedeutenden Hafen vor sich, in welchem die größten Schiffe ankern können. Kleinere kommen dicht heran in der Mündung des Flusses Aurajoki. Abo hat eine alte, mit vielem Unglück verwobene Geschichte. Im Jahre 1827 brannte sie beinahe ganz nieder. Seitdem ist sie in großer Ausdehnung wieder erstanden, da fast alle Häuser einzeln stehen. Sie wird schon in der Mitte des 12. Jahrhunderts erwähnt. Das befestigte Schloß ist eben so alt und trotzte oft den Russen. Jetzt dient es als Gefängniß. Am 17. August 1743 mußte Schweden hier die Abtretung von Ingria, Liefland, Esthland und Kymmenegard mit den Festungen Fredrichsham und Wilmanstrand und der Hafenstadt Nyslot, unterzeichnen. Im Jahre 1809 kam durch den Frieden von Frederikshawn das übrige Finnland an Rußland.
Eine der reizendsten Wasserpartien bildet der bothnische Meerbusen zwischen Abo und Stockholm, ein dichtes Gedränge von kleinen Inseln, die mit Ausnahme eines geringen Theiles von offener See, wie Flußufer sich durcheinander schlingen, theils kahl und öde, theils grün und luftig mit schönen Landhäusern besternt. Dieser kleine Archipelagus, von den Finnen „Ahvenamnae“ genannt, [189] dehnt sich etwa 5 Meilen lang in einer Breite vor uns aus und besteht aus 60 bewohnten grünen und 200 unbewohnten, steinigen, kahlen Inseln und Inselchen. Die etwa 15,000 Bewohner treiben Fischerei und Viehzucht. Der Boden ist fast überall Granit, von der befruchtenden Zeit hier und da nur dünn mit Erde bedeckt, welche oft viel Mühe hat, die in ihr wachsenden Bäume zu halten. Die größte unter diesem Inselmeer Aland mit guten Häfen, etwa 56 Geviertmeilen groß, hat nur 8–9000 Bewohner. Der Hafen Ytternas an der Westseite soll die große russische Flotte und die Citadelle Bomarsund – blos 5 Meilen von Schweden – 60,000 Mann beherbergen können. Der bedeutendste Ort auf Aland ist Castelholm auf einem isolirten, großen, rothen Granitfelsen einer Landzunge. Aland war bis zu seiner Abhängigkeit von Finnland ein eigenes Königreich.
Im Jahre 1634 kam es mit Finnland zu Schweden und 1809 mit allen seinen kleinern 260 Collegen an Rußland. Diese Inseln gewähren der russischen Flotte sichere Häfen, welche von hier aus den Mälarsee und den schwedischen Küstenhandel an der Westseite des bothnischen Meerbusens beherrschen können. Nahe bei Aland gewann Peter der Große 1714 den ersten großen Seesieg gegen Schweden, dessen König nach der Schlacht bei Pultowa (1709) in der Türkei gefangen gehalten ward. Der Sieg war wegen dieser Abwesenheit des furchtbaren Soldaten- und Schlachtenkönigs Karl XII. freilich um so weniger ein Wunder, als es Schweden zugleich mit Preußen und Dänemark zu thun hatte.
Von den kleineren Städten Finnlands ist Tornea, am Flusse gleiches Namens, im äußersten Norden den bothnischen Meerbusens gelegen, von wo sich die russisch-schwedische Grenze hinunter zieht, voll eigenthümlicher Verkehrsbilder, da die 800 Einwohner der Stadt den Handelsmittelpunkt lappländischer Producte bilden. Die kleinen, gelben, schmierigen Lappen kommen hier weit aus ihrem öden, großen Lande zusammen, um gegen ihre Rennthierfelle, Salzfische u. s. w. Branntwein, Butter, Brot und sonstigen Luxus einzutauschen. Sie sehen in ihren spitzigen Pelzmützen und thierischen Kleidern (Fellen, oft blos um den Körper festgebunden) gar malerisch aus in einiger Entfernung. Zu nahe Berührung bringt freilich leicht die Geruchsnerven in Aufruhr, wenn es zufällig nicht sehr kalt sein sollte. Die durch den größten Theil des Jahres herrschende Eisluft verhindert dieses Menschenblüthen des Nordens wohlthätig am Duften.
Die Finnen sind ein eigener, schöner, gemüthlicher, tapferer Menschenstamm mit eigener Sprache, Literatur und Geschichte. Letztere weis’t sie patriotisch auf Schweden hin. Mit den Russen haben sie nichts gemein. Die „stahlbepanzerten“ Finnen bildeten unter Gustav Adolph die siegreiche Hauptmacht gegen „die Kaiserlichen“ des dreißigjährigen Krieges. Unter Karl XII. verdienten sie die meisten Lorbeeren bei Narva, und ihre unbeugsame Tapferkeit bewährte sich am Schönsten in der vergeblichen Anstrengung, den Todesstreich, der Schweden bei Pultowa von den Russen beigebracht ward, zu rächen. Sie sind ein gutmüthiges, offenherziges, zuthunliches Völkchen von unermüdlicher Höflichkeit und unbestechlicher Ehrlichkeit. Selten wird ein Reisender in der Welt mit Menschen zusammentreffen, die so treuherzig und zugänglich sind. Nirgends wird er sich so leicht mit fremden Menschen befreunden, als in Finnland und in Schweden.
Admiral Napier scheint die Insel Aland zum Mittelpunkt [190] für seine Operationen gegen Rußland ausersehen zu haben, und da ihm die Insel schwerlich streitig gemacht werden könnte, so soll die russische Regierung jetzt schon entschlossen sein, ihre Behauptung nicht zu versuchen. Die Besetzung Alands durch die Engländer würde übrigens noch kein folgenschweres Ereigniß sein. Mittlerweile dauert jedoch die Verstärkung der englischen Ostseeflotte, und die Einschiffung von Truppen und Kriegsmaterial ist in den Häfen Albions in vollem Gange. Ganz besondere Schwierigkeiten macht dabei der Transport von Pferden, für welche die Seekrankheit, der sie häufig erliegen, um so gefährlicher ist, als das Pferd von Natur aus nicht brechen kann. Auch das Ein- und Ausschiffen der Pferde, wovon wir heute dem Leser eine bildliche Darstellung geben, ist eine schwierige und umständliche Operation, obwohl durch die jetzt angewandte Verfahrungsweise ein Pferd binnen zwei Minuten vom Lande aus auf das Verdeck des Schiffes gebracht wird. Eine nähere Beschreibung dieses Verfahrens selbst halten wir für überflüssig, da unser Bild dasselbe hinlänglich veranschaulicht und erläutert.