Zum Inhalt springen

Fünfzig Bühnenjahre

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Fünfzig Bühnenjahre
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 480
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[480] Fünfzig Bühnenjahre. Eine Periode des Braunschweiger Theaters, an welche die alten und ältesten Theaterfreunde immer noch mit Entzücken zurückdenken, und die auch in der Geschichte des deutschen Schauspiels eine ehrenvolle Stelle einnimmt, ist die des „Nationaltheaters“, welches im Jahre 1818 durch den Zusammentritt angesehener Kunstfreunde gegründet wurde und aus dem dann acht Jahre später das herzogliche Hoftheater hervorging. – Aehnlich wie einst in Mannheim unter Dalberg, in Hamburg unter Schröder und in Weimar unter Goethe, sammelte sich in Braunschweig unter August Klingemann’s Direction eine Schaar junger, talentvoller Künstler, die in einem mustergültigen Zusammenwirken Vortreffliches leisteten. Wir nennen hier nur die Namen: Meck, Leo, Gaßmann, Marr, Günther, Bachmann, Kiel, – dann die Damen: Klingemann, Wilhelmine Fischer, Kiel u. a. m., Namen guten Klanges, die den nachwachsenden Kunstjüngern als Muster vorgeleuchtet haben. Der Ruf, welchen sich das Nationaltheater rasch erwarb, vor Allem aber die Persönlichkeit seines artistischen Leiters, dem, wie er sich als dramatischer Dichter einen Namen gemacht hat, auch das Verdienst gebührt, Goethe’s Faust zuerst in Scene gesetzt zu haben, führte eine große Zahl von Schülern nach Braunschweig, deren sich der Director mit Wärme annahm, sobald er Talent und Eifer bei ihnen wahrnahm.

So kam im Sommer 1819 auch ein junger, schöner Mann zu Klingemann mit der Bitte, ihm ein erstes Debut in Braunschweig zu gestatten. Er war ein „Berliner Kind“ und, obgleich eben erst zwanzig Jahr alt, hatte er schon den Feldzug nach Frankreich mitgemacht und bei Belle-Alliance für Deutschlands Befreiung gefochten. Er brachte ein Empfehlungsschreiben von Meister Ludwig Devrient mit, und letzterem besonders hatte er es zu danken, daß ihm der erste theatralische Versuch zugesagt wurde. Am 28. Juli gab man Schiller’s „Wilhelm Tell“. – Der Zettel für diese Aufführung liegt uns im Original vor, er enthält unter dem Personenverzeichniß eine von Klingemann verfaßte Mittheilung, welche so lautet:

„Herr Devrient, Neffe des berühmten Schauspielers gleichen Namens, wird hier seine theatralische Laufbahn eröffnen, und sich in der Rolle des Ulrich von Rudenz versuchen. Seine Neigung und sein sichtbares Talent für die Bühne werden ihm die gütige Nachsicht des geehrten Publicums zusichern.“

Der mit diesen Worten bei den Braunschweigern eingeführte Debutant war der jetzige Königliche Hofschauspieler Karl Devrient, der drei Monate später als sein jüngerer Bruder Eduard die Bühne betrat und somit am 28. Juli dieses Jahres sein fünfzigjähriges Künstlerjubiläum feiert. – Fünfzig Jahre! – ein langer Zeitabschnitt, in welchem auch auf dem Gebiete der Kunst große Wandelungen vorgegangen sind. – Vor uns steht jetzt der Altmeister Karl Devrient, eine Zierde des deutschen Theaters, ein Künstler, welcher den Empfehlungen seines großen Oheims und Klingemann’s Ehre gemacht hat. Von denen, die ihn einst als jugendlichen Rudenz sahen, werden nur wenige übrig sein. Von dem zahlreichen Personale, das in der Aufführung des „Tell“ am 28. Juli 1819 mitwirkte, sind nur noch zwei am Leben: Frau Kiel, eine hochbetagte Greisin, welche damals Tell’s Gattin spielte, und deren Tochter, Frau Francisca Cornet, die als Fränzchen Kiel in der Rolle von Tell’s Knaben auftrat; beide, Mutter und Tochter, sind nach einer ehrenvollen Künstlerlaufbahn wieder nach Braunschweig zurückgekehrt, während der Jubilar seit fast dreißig Jahren, und zwar jetzt im Fache älterer Charakterrollen, wie Lear, Philipp der Zweite, Nathan, Shylok, Falstaff etc., Mitglied des Königlichen Hoftheaters in Hannover ist.