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Evangelien-Postille (Wilhelm Löhe)/Himmelfahrtstag

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Evangelien-Postille (Wilhelm Löhe)
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Am Himmelfahrtstage.

Evang. Marc. 16, 14–20.
14. Zuletzt, da die Eilfe zu Tische saßen offenbarte Er Sich und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubet hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden. 15 Und sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Creatur. 16. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. 17. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, 18. Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödtliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es beßer mit ihnen werden. 19. Und der HErr, nachdem Er mit ihnen geredet hatte, ward Er aufgehaben gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes. 20. Sie aber giengen aus und predigten an allen Orten; und der HErr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.

 WIederum verlaße Ich die Welt und gehe zum Vater,“ so sprach der HErr vor Seinem Leiden weißagend von Seinem Hingang, und hier wird uns nun die Erfüllung der Weißagung gezeigt, hier sehen wir JEsu Hingang. Und zwar erscheint uns Sein Hingang als Ausgang und als Eingang. Wir sehen Seinen Ausgang, Seinen Abschied von der Welt, aber auch Seinen Eingang in den Himmel. Wir sehen aber nicht bloß JEsu Aus- und Eingang, sondern zugleich die neue Zeit, welche als eine Folge Seiner himmlischen Verklärung anerkannt werden muß. Wie nun das alles im Evangelium aufeinander folgt, so wollen auch wir es vorbringen und miteinander betrachten.

 Das Evangelium gibt uns einen kurzen Ueberblick über die Geschichte der vierzig Tage, welche sich mit dem heutigen schließen. Alle hauptsächlichen Dinge, welche der HErr in jenen Tagen gesagt und gethan hat, faßt es zusammen. Wir lesen nach einander von des HErrn letztem Schelten, Seinem letzten Befehl, Seiner letzten Verheißung und Drohung, Seinem Ausgang aus der Zeit und Seinem Eingang.

 Des HErrn letztes Schelten, was betraf es? Den Unglauben der Jünger und ihre Herzenshärtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden. Wer hatte Ihn nun gesehen? Die Frauen hatten Ihn gesehen; ihnen hatten die Jünger nicht geglaubt, Weibern hatten sie nicht geglaubt. Der Weiber Reden beruhte zwar auf Augenzeugnis; aber es kam doch immerhin von Frauen, deren Geschlecht man Betrüglichkeit und Einbildung mehr als dem männlichen Geschlechte zutraut. Dazu waren diese Frauen nicht wie hernachmals die Zeugen JEsu, die Apostel, durch Gottes Geist vor Irrtum bewahrt, sie hatten bei Auffaßung und Verbreitung der von ihnen gesehenen Dinge sich keiner unmittelbaren An- und Handleitung von oben zu getrösten.| Man sollte deshalb denken: Unglaube an Weiberworte müße nicht nothwendig aus Herzenshärtigkeit gestammt, könne gute Gründe gehabt haben, könne wenigstens entschuldigt werden. Und doch entschuldigt der HErr nicht, sondern Er schilt den Unglauben, und nennt Herzenshärtigkeit als Ursprung desselben. − Daraus können wir uns manches abnehmen, liebe Brüder! Gesetzt es wäre das Zeugnis der Apostel, die JEsum auferstanden sahen, weiter gar nichts, als was den Weibern auch zugestanden werden muß, Augenzeugnis, Augenzeugnis einfacher, redlicher, durch keine göttliche Leitung und Eingebung über alle Zweifel erhabener Männer; so würden wir uns doch, wofern wir nicht glauben wollten, das Misfallen des HErrn zuziehen; nicht für Weisheit und Verstand, sondern für Herzenshärtigkeit würde Er das auslegen, Er der Herzen und Nieren forschet; schelten würde Ers. Was wird Er denn also thun, wenn wir denen nicht glauben, durch welche der heilige Geist Selbst Zeugnis gibt, deren menschliche Glaubwürdigkeit durch eine göttliche erhöht ist? Wird Ers minder für Herzenshärtigkeit erkennen, weniger schelten? Das zu beantworten, ist so leicht, daß ich mir die Antwort sparen kann. Christus will es nicht haben, daß wir einen Zweifel in das apostolische Zeugnis setzen; vielmehr zeigt Sein letzter Befehl, daß Er alle Welt an das Wort der Apostel und an den Glauben weist, den wir diesem Worte schenken.
 Des HErrn letzter Befehl ist: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Creatur.“ Gehen, rastlos, in alle Welt hingehen, predigen, das Evangelium von der Auferstehung Christi predigen, es aller Creatur predigen, das ists, was den Jüngern aufgetragen wird. Es war des HErrn letzter Auftrag, wir wißen keinen spätern aus Seinem Munde. Deshalb sollte er uns wichtig, werth und heilig sein, vieltausendmal mehr als ein letztes Vater- oder Elternwort. Es war ein Auftrag, der nicht klein war; denn die Apostel sollten ja in alle Welt gehen und aller Creatur das Evangelium predigen. In alle Welt gehen, das ist ein weiter Gang, zumal sich die Jünger ihre Aufgabe schwerlich durch die Auslegung verringert haben werden, welche heut zu Tage gäng und gebe ist. Sie werden schwerlich aus den Worten „in alle Welt“ ein „möglichst weit in die Welt“ gemacht, sie werden wohl nicht geglaubt haben, daß der HErr Seinen letzten Befehl durch eine sprichwörtlichübertreibende Redensart verhüllt und undeutlich gemacht habe: sie werden die Worte verstanden haben, wie sie lauteten. Das war denn freilich ein gewaltiger Auftrag, auch wenn man gar nicht an die dreifache Erweiterung desselben denkt, die sich in einem andern Evangelium aufgezeichnet findet, nicht an das „machet zu Jüngern,“ „taufet,“ „lehret sie halten alles, was Ich euch befohlen habe.“ Ueberdieß erwarteten die Jünger die Zukunft des HErrn in Baldem und konnten Seinen Befehl nicht anders als so nehmen, daß er bis zur Stunde Seiner nahen Wiederkunft jeden Falls erfüllt sein sollte. Welch einen Sporn wird ihr Herz empfangen haben, so oft sie bedachten, daß für die kurze Frist ihnen und denen, die durch ihr Wort gläubig geworden waren, ein so weites Arbeitsfeld, eine so große Arbeit aufgethan und angewiesen war! − Und doch war der Befehl, selbst wenn man ihn in der Vollständigkeit nimmt, wie ihn Matthäus erzählt, ganz gemäß jenem Worte Christi: „Der heilige Geist wird zeugen, und ihr werdet auch zeugen.“ Er legte nicht auf menschliche Schultern, was sie nicht zu tragen vermochten, was nur der heilige Geist durch sie wirken konnte; bloß eine menschliche Thätigkeit legte ihnen der HErr auf. Nicht bekehren, nicht befriedigen, nicht heiligen, nicht vollenden sollten sie, sondern nur predigen, taufen, lehren; das sollten sie und konnten sie, das sollen und können nach ihnen auch wir. Das wollen wir auch, und nehmen es gerne und mit Freuden auf uns, weil nur unsere Gewißen geschont, weil uns nur nicht auferlegt ist, was uns unmöglich und zu schwer werden würde, nemlich die Wirkung des Predigens und Lehrens und deren Verantwortung! Freuen wir uns des weisen Befehles JEsu! Predigen sollen wir den Aposteln nach und predigen laßen, wenn wir selbst nicht Prediger sind; das zu bewerkstelligen, soll uns weder Fleiß noch Opfer fehlen. Aber wenn neben dem Predigen auch der Glaube, der aus der Predigt kommt, uns auf Rechnung käme, und wir den verantworten sollten: wer würde da Prediger sein wollen? Wer sein können? Der Glaube ist eine Gabe und Gnade Gottes und gehört in unserm Evangelium nicht zum| Befehl, sondern zur Verheißung, von der wir alsbald zu reden haben.

 Die Predigt hat in unserm Texte gestrengen Befehl, es ist aber auch eine gedoppelte Weißagung, eine Verheißung und eine Drohung mit ihr verbunden. Dem Glauben gehört die Verheißung und dem Unglauben an die Predigt die Drohung. Die Verheißung, welche der Glaube empfängt, ist wieder doppelt, sie umfaßt Zeit und Ewigkeit; die Drohung hingegen ist einfach, erstreckt sich nur auf die Ewigkeit. In der Ewigkeit wiegt sich Heil und Fluch auf, in der Zeit aber wiegt die Gnade den Fluch auf, darum daß uns in Christo JEsu die Zeit zur Gnadenfrist umgewandelt ist. So rühmt sich im Ganzen die Barmherzigkeit wider das Gericht.

 Wenn wir nun die Segnungen und den Fluch, welche unser Evangelium enthält, genauer betrachten wollen, wird es jeden Falls das Beste sein, die Ordnung einzuhalten, welche der Text selbst einhält. Das geschieht, wenn wir zuerst die Segnungen und den Fluch aufzählen, welche jenseits auf Glauben und Unglauben folgen, und dann erst die zeitlichen Verheißungen erwähnen, die der HErr Seiner Kirche gab.

 „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden,“ das ist die ewige Verheißung. „Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden,“ das ist der Fluch. Seligkeit und Verdammnis eröffnet sich jenseits, und ihnen entsprechend zwei zeitliche Zustände, welche ganz von der Aufnahme der Predigt abhangen, nemlich Glaube und Unglaube. Zwiespältig, zweitheilig ist die Zeit, − zwiespältig die Ewigkeit. Der HErr läßt keinen Raum und keine Bleibstätte zwischen Glauben und Unglauben, und eben so wenig zwischen Seligkeit und Fluch. Nichts ist zwischen Verheißung und Drohung; Sein Wort wie Sein Lohn sind nur zweitheilig. Scheint nun dieß manchem ein schweres oder schreckendes Entweder-Oder; so kann man doch nicht sagen, daß es schwer ist, die rechte Wahl zu treffen. Wenn ich die Wahl habe nur zwischen Leben und Tod, so kann ich erschrecken, weil ich, indem ich nur zwischen zweien zu wählen habe, so nahe am Tode hinstreiche; aber ich muß mich doch auch freuen, daß ich das Bestmögliche, was ich wünschen kann, so nahe habe, so gar nahe, daß, wenn ich den Tod nicht will, ich gar nichts weiter nehmen kann als das Leben. So ist es hier. Ich erschrecke über die Wahl zwischen Seligkeit und Verdammnis, die ich habe, denn auch wenn ich recht wähle, streife ich hart an der Verdammnis vorbei. Aber ich muß mich doch auch freuen, denn da ich Verdammnis nicht will, kann ich nur das Leben wählen. Und dieß zu erlangen, ist der Weg geebnet, denn es bedarf weiter nichts, als Glauben. Glaube an die angenehme Botschaft der Apostel, Annahme des seligen Bades der Wiedergeburt, das ist alles in allem, was als Bedingung des ewigen Lebens genannt wird, wenn es anders den Namen einer Bedingung führen darf. Der HErr hätte das köstliche Kleinod des ewigen Lebens an ganz andere Bedingungen knüpfen können, ohne daß es deshalb dem Menschen hätte brauchen gestattet zu werden, die himmlische Gabe als Verdienst seiner Pflichttreue sich anzueignen. Aber Er wollte nicht. Gleichwie ein Wohlthäter, der vor einem Bettler vorübergeht, von diesem nichts verlangt, als Anerkennung seines Vermögens und guten Willens und Ausstreckung der bedürftigen Hand; so will Gott auch das ewige Leben den Menschen als himmlisches Almosen aus freier Gnade zuertheilen und begehrt nichts als Glauben an Seine Macht und Seinen treuen Willen, zu geben und selig zu machen. Ich wüßte in der That nicht, meine Freunde, wie der HErr die Erde gnädiger, erbarmender hätte verlaßen sollen. Er will keinen verdammt wißen als den, welcher im Unglauben dahin stirbt; dagegen will Er jeden selig machen, der an Sein Wort glaubt. Ist nicht Sein letztes Wort das allerbeste? Hätte Er die Seligkeit näher, die Verdammnis als leichter vermeidbar bezeichnen und zeigen können? Ist nicht zur Seligkeit so sanft und süß gelockt als möglich, nicht die Drohung in möglichst linde Worte gefaßt? Was könnte wohl schonender gesagt sein, als: „Wer nicht glaubt, soll verdammt werden“? Man sollte ja denken, an Ihn, der für uns starb und auferstand, der zu unserm Heile gen Himmel fuhr, müßte die ganze Welt mit größter Lust glauben. Man sollte denken, da wir alle Sünder sind, würden wir die angebotene Hilfe und den eröffneten Weg, zu entfliehen alle dem, das im Worte Verdammnis zusammengefaßt ist, mit größtem Dank und behendester Eile ergreifen. Kann man denn die Welt häßlicher schildern, als mit| dem Worte Unglaube, und die Hölle abscheulicher als mit dem Worte Verdammnis?

 Indes, der HErr läßt es nicht bei Verheißung und Drohung, die beide in die Ewigkeit hineingreifen; Er bekräftigt und bethätigt Seinen gnädigen Willen, lieber selig zu machen, als zu verdammen, durch zeitliche Gaben, welche sammt und sonders zu keinem andern Zweck verheißen, zu keinem andern gegeben werden, als dazu, die Menschen vom Weg des Verderbens auf den des ewigen Lebens zu führen. Alle diese Gaben sollen den Dienern und Gliedern der Kirche gegeben werden und die Predigt des Evangeliums über den Erdboden begleiten; sie sollen folgen denen, die da glauben und im Glauben reden, auf daß die Herzen durch sie der Welt entzogen und zum Glauben, so wie zum Eintritt in die heilige Kirche, geneigt gemacht werden. − Der Satan und seine Engel widerstreben der Heiligung des Menschen; ihre Bosheit dehnt sich bis zu Besitzung und Beseßenheit aus. Da verheißt nun der HErr eine Hilfe. Diese Hindernisse sollen verschwinden. „In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben,“ spricht Er von den Seinen − und verheißt also nichts anders, als daß die Hölle vor Seinem Namen zittern und ihre Glieder vor demselben aus Burg und Haus entfliehen sollen. − Die Menschenzunge, so wie sie ist, ist zu schwach, die großen Thaten Gottes zu preisen; die alten Sprachen der Welt reichen nicht aus für die brennende Liebe des heiligen Geistes, wenn Er über die Jünger kommt mit Seinem Lichte und Seiner Offenbarung. Neues bringt Er vom Himmel, neues Leben wirkt Er, neue, nicht bloß andere (Luc. 2, 4.) Zungen gibt Er und neue, nie gekannte Sprachen für das neue Leben. Alles ist neu. Neu tönts innen, neu tönts aus dem Innern heraus: sich und andern zum Zeichen und Wunder stehen die Kinder des neuen Testamentes − und „reden in neuen Zungen,“ denen unter ihren Brüdern allein verständlich, welchen der Geist gibt, zu verstehen, wie Er den heiligen Rednern gibt, auszusprechen. Sieh, hier ist das Gegentheil der Beseßenheit und der Wirkungen des Teufels erkennbar − Gottes voll sind die Heiligen, wie die Beseßenen des Teufels voll sind. Sie bewältigen durch Gnade den Teufel − und sind selbst bewältigt vom Geiste des HErrn: frei von Hindernissen ist ein mächtiges Fördernis des eigenen Lebens über sie gekommen. Sie sind Gefäß? und Werkzeuge des heiligen Geistes: was ist anders zu erwarten, als daß vor solcher innerlicher Macht, vor welcher die Teufel weichen, auch die Uebel entfliehen oder ihre Kraft verlieren müßen, welche man natürliche zu nennen pflegt. Es gibt Uebel in der Natur, welche, wie sie aus der Sünde stammen, auch oftmals mächtige Hindernisse des Reiches werden, deßen letztes Ende und letzte Absicht eine Erlösung von aller Sünde und von allem Uebel ist. Darum müßen auch sie weichen vor den mächtigen Boten des Evangeliums. Es soll am Anfang des Reiches Gottes schon die Herrlichkeit des Endes kund werden; im Anfang soll sich das Ende spiegeln. Die Gläubigen der ersten Tage − und welche ihnen gleich sein werden in der Folgezeit − sollen „Schlangen vertreiben,“ auf daß des Weibessamens Sieg über allen Schlangensamen kund werde, und selbst wenn sie „etwas Giftiges trinken soll es ihnen nicht schaden.“ Weder der Thiere, noch der Menschen Bosheit, noch des Schierlings und anderer Kräuter Gift soll also den segensreichen Flug des Evangeliums über die Erde hin aufhalten; vielmehr soll alles Uebel weichen, wenn Gottes Boten kommen, selbst die leiblichen Krankheiten entfliehen und die leiblich Kranken unter den Händen der Friedensboten genesen, auf daß auch ihre Seelen während der Gnadenfrist noch genesen und zum ewigen Leben kommen können, ehe sie sterben.

 Als der Prophet Elia gen Himmel fuhr, ließ er seinem Nachfolger Elisa seinen Mantel zurück, durch welchen dieser Wunder that. Aber was ist der Mantel Eliä gegen die nachgelaßenen Kräfte und Verheißungen JEsu, durch welche alle Hindernisse, die von Teufeln, Menschen, Thieren, Pflanzen stammen, weggeräumt und herbeigebracht werden[.] Sicherheit und Gesundheit des Leibes nicht allein, sondern auch Seligkeit der Seelen! Denn es werden von dem HErrn alle die zeitlichen Gaben, welche unser Evangelium benennt, doch nur verheißen zum Fortgang Seines Reiches, zur Hinderung und Minderung der Verdammnis und zur Mehrung der Seligkeit. Es muß alles dem heiligen Amte dienen, das Er Seinen Boten auftrug, nemlich die verlorenen Schafe herbeizubringen aus allen Kreaturen und Seine heilige Kirche zu sammeln.


|  Das letzte Schelten des HErrn, Sein letzter Befehl, Seine letzte Verheißung, Seine zuletzt verheißenen Gaben, es macht doch alles zusammen in der That nur den Eindruck der größten Liebe. Wie am Kreuze, so bei Seinem völligen Hingang ist der HErr ganz einer, Er will nichts als das Heil der Welt. Dieser Eindruck, meine Freunde, wird vollkommen, wenn man einen Zug herzunimmt, den zwar unser Evangelium nicht erzählt, den wir aber im letzten Capitel des Evangeliums Lucä, V. 50, 51, aufbewahrt finden. Da heißt es: „Der HErr führte Seine Jünger hinaus gen Bethanien und hub die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, da Er sie segnete, schied Er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.“ Zum Segen der Welt hat Er gelebt, zu ihrem Segen ist Er gestorben und auferstanden, und segnende Gaben, Segen, nichts als Segen ist es, was Er hinterläßt. Hohenpriesterlich, segensreich ist Sein Scheiden. Die Segensgebärde ist die letzte, welche die Erde von Ihm sah, und segnendes Gebet für sie ist es, was Er mit Sich in den Himmel nahm. Nicht so an Seine eigene Herrlichkeit dachte Er bei Seiner Auffahrt, als an die Seligkeit der Menschen. Wie Er im zeitlichen Leben für Sein Volk gelebt hatte, so lebte Er für dasselbe auch nach Seiner Auferstehung, so lebt Er ewig für sie und bittet für sie. Indem Er nicht das Seine suchte, gewann Er alle Gewalt im Himmel und auf Erden, auf daß Er Himmel und Erde zum Besten Seiner Menschen regieren könnte. Er Selbst wurde ewig groß und reich, und Himmel und Erde haben ihrer Seits an Ihm den größten Reichtum gewonnen.

 Der Ausgang des HErrn aus der Welt war also Segen und Sein Eingang in den Himmel wird uns von Marcus selbst genauer beschrieben.

 Der HErr war aufgehaben, leiblich aufgehaben. Er sollte und wollte von nun an mehr und kräftiger bei den Seinigen sein, als zuvor; das Wort: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende,“ sollte wahr werden zu Seinem ewigen Preis und zum Heil und Preis Seines wahrhaftigen Volkes Israel. Aber Er wollte und sollte auch wahrhaftig aufgehaben, Seine sichtbare Gegenwart sollte von der Erde wahrhaftig weggenommen werden. Seine göttlich-menschliche Allgegenwart und Seine Erhebung zu einem besondern Ort der Ehre sind beide gleich wahr und widerstreiten sich nicht.

 Der HErr wird leiblich aufgehaben gen Himmel. Es ist also der Himmel ein wahrhaftiger Ort für verklärte Leiber, nicht bloß ein seliger Zustand Leibes und der Seele. Gen Himmel und zum Himmel und in den Himmel auf fuhr der HErr. Zwar wißen wir wohl, daß Er auch aufgefahren ist über alle Himmel, aber das schließt mit nichten aus, daß Er in der Stadt der erlösten Seelen und heiligen Engel, daß Er in dem himmlischen Jerusalem Seinen Ehrenthron habe, wo Ihn Seine Seligen von Ewigkeit zu Ewigkeit schauen. Wie Seine heilige Seele im Tode den Weg ins schöne Paradies gegangen und in diesem seligen Ort angelangt ist, so betritt nun Leib und Seele zusammen den Himmelsweg und beide zusammen gelangen auch fröhlich dahin, zu unserm Trost. Damit wird uns unser ewiges Heimathland gezeigt. Es ist nun kein Traum mehr, wenn wir behaupten, unser Weg gehe aufwärts; nicht vergebens sehen unsre Augen betend und verlangend hinauf, nicht vergebens heben wir unsere Hände zum Himmel empor. Wir thun es mit Recht; dorthin, Christo nach, geht unser Weg für Leib und Seele, dort ist unsre ewige Wohnung, unser Wandel. Heute werden wir des gewis.

 Der HErr sitzt zur rechten Hand Gottes. Ganz richtig erkennen wir in diesem Ausdruck eine Erklärung der Herrlichkeit Christi, Seiner Theilnahme an Gottes ewigem Regimente, Seines Eintritts in den völligen Besitz der göttlichen Eigenschaften auch für Seine Menschheit. Er trat ein ins ewige Reich; Er ergriff die Zügel der Welt und regiert alles zu unsern Gunsten, zur Ausbreitung Seines seligmachenden Ruhmes, des Evangeliums, bis Er dem Vater das ganze Reich gewonnen, alle erlösete Seelen herbeigeführt haben wird und dann dem Vater das Reich und alle, die durch ihn geheiligt wurden, wieder übergeben kann, und dann aufhört das Werk der Erlösung und der Heiligung, und Gottes Preis und Ehre völlig, Gott Selbst alles in allem wird. Heute wird Er inthronisirt, heute wird Er zum Könige Gottes eingesetzt auf dem heiligen Berge Zion, zum ewigen Könige, denn auch wenn das Reich dem Vater wieder übergeben ist, wird Er nicht aufhören König zu sein; Er wird nur nicht mehr König sein im Sammeln des Reiches, in Ausbreitung Seines Evangeliums; das wird ein Ende haben,| aber alle gesammelten, erhöhten Menschen werden dennoch das Lamm ehren und anbeten sammt dem Vater, und wenn Gott sein wird alles in allem, wird der Vater dennoch mit dem menschgewordenen Sohne, wie mit dem heiligen Geiste ewig, ewig anzuschauen und anzubeten sein.

 Wer will das ausreden, was im Himmel vorgegangen ist, als der Sohn heimkehrte zu dem Vater, nicht ein verlorener Sohn, der sein Erbtheil verpraßt, sondern ein Sohn, der ein ewiges Erbe nicht für Sich allein, sondern für alle Seine armen Brüder nach dem Fleische gewonnen hatte. Er kam heim und hatte die Fürstentümer und Gewaltigen ausgezogen und einen Triumph aus ihnen gemacht; die Gewalt des Todes hatte Er dem Satan abgenommen, der Höllen Pforten zerbrochen und ihre Burg zerstört. Er kam heim ein Herzog der Seligkeit, ein Erstling unter denen, die schlafen, vor Gott und Seinen Engeln ein König des Lebens. Wenn schon Freude ist über einen Sünder der Buße thut; welche Freude mag im Himmel bei allen Engeln und Auserwählten gewesen sein, als der Heiland kam, in dem alle Sünder allein selig werden können! Wer will das Jauchzen, wer die Gesänge, wer das Halleluja beschreiben, denken oder ahnen, das unsern HErrn JEsus Christus empfieng? Seit die Morgensterne den HErrn in Seiner Schöpfung lobten, war kein Tag gewesen, wie der Himmelfahrtstag. Das ist der größte Festtag, ja mit dem Tage begann im Himmel ein immerwährender Festtag, des Lobgetöne bis heute nicht verstummt ist und ewig nicht verstummen wird. Jedoch das sind Dinge, von welchen wir aus Mangel beides an Worten und an Gedanken nur wenig reden können. Wir werden aber Theil haben an alle dem, wenn unsre Zeit kommen, wenn unsre Seelen im Sterben gen Zion kommen und unsre Leiber am jüngsten Tage ihre Himmelfahrt halten und durch die Luft Christo beigefügt werden, wie St. Paulus schreibt.

 Beßere Einsicht haben wir in ein anderes freudiges Regen und Bewegen, von welchem der Schluß unsers Textes spricht. − Wir konnten schon bemerken, daß unser Evangelium nicht bloß von der Himmelfahrt Christi redet, sondern auch erzählt, was vorhergieng und darauf kam. Es umfaßt die ganze Summa aller Herrlichkeit Christi und Seines Reiches, und es ist nicht umsonst, daß grade dieses Evangelium für den heutigen Tag gewählt ist. Himmelfahrt sollte in ihrer ganzen Bedeutung erkannt werden. Wir sehen den HErrn auffahren, aber wir sehen auch die Kräfte von Ihm ausgehen, die Er verheißen hat, wir sehen schon in Pfingsten hinein, sehen weiter, sehen die Apostel ausgehen, sehen die Kräfte und Zeichen mit ihnen wandern von Ort zu Ort, von Volk zu Volk, sehen die Völker sich bewegen, scheiden, Gottes Kirche sich sammeln, das Werk der letzten Stunde in voller Macht vorwärts schreiten, sehen, wie die selige Bewegung, welche den Himmel erfüllt, auch auf die Erde übergeht und wie die Erde durch die sich ausbreitende Kirche ein Vorhof des Himmels wird. Des sind wir fröhlich und wünschen uns, daß die Himmelfahrtsfreude der seligen Geister auch uns heimsuchen und voll Sehnsucht nach unsrer Himmelfahrt machen möge.


 Wo wäre Pfingsten ohne Himmelfahrt, wo ohne Himmelfahrt die ganze Pfingstzeit bis auf den heutigen Tag? An Seinem Auffahrtstage empfieng der HErr die Gaben und Kräfte, die Seine Kirche seitdem genießt. Vom Himmelfahrtstage beginnt die letzte schöne Stunde der Welt; am Himmelfahrtstag ist der Quell, der an Pfingsten herunterflutete und segensreich seitdem durch die Kirche strömt, im Himmel selbst eröffnet worden. Am Himmelfahrtstage schloß sich die Vorbereitungszeit auf Christi Königtum. Nun regiert Er. Nun vertraut man auf Ihn. Nun sucht man Ihn. Nun betet man Ihn an. Nun trachtet man nach dem, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. − Nun vertraut man, sucht man, betet man, trachtet man, habe ich gesagt. Gott verleihe, daß wir sprechen können: Nun vertrauen wir, nun suchen wir, nun beten wir, nun trachten wir! Gott verleihe, daß wir nicht bloß suchen, beten, trachten, sondern auch finden, danken und selig ruhen, wenn wir erwachen nach Seinem Bilde und Sein Angesicht ewig schauen! Amen.




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