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Evangelien-Postille (Wilhelm Löhe)/Epiphanias 03

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Am dritten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.

Evang. Matth. 8, 1–13.
1. Da Er aber vom Berge herab gieng, folgte Ihm viel Volke nach. 2. Und siehe, ein Aussätziger kam und betete Ihn an und sprach: HErr, so Du willst, kannst Du mich wohl reinigen. 3. Und JEsus streckte Seine Hand aus, rührete ihn an und sprach: Ich will es thun, sei gereiniget. Und alsbald ward er von seinem Aussatz rein. 4. Und JEsus sprach zu ihm: Siehe zu, sags niemand, sondern gehe hin und zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Moses befohlen hat, zu einem Zeugnis über sie. 5. Da aber JEsus eingieng| zu Kapernaum, trat ein Hauptmann zu Ihm, der bat Ihn; 6. Und sprach: HErr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gichtbrüchig und hat große Qual. 7. JEsus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8. Der Hauptmann antwortete und sprach: HErr, ich bin nicht werth, daß Du unter mein Dach gehest, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 9. Denn ich bin ein Mensch, dazu der Obrigkeit unterthan, und habe unter mir Kriegsknechte; noch wenn ich sage zu einem: Gehe hin, so geht er; und zum andern: Komm her, so kommt er; und zu meinem Knechte: Thue das, so thut ers. 10. Da das JEsus hörete, verwunderte Er sich und sprach zu denen, die Ihm nachfolgten: Wahrlich, Ich sage euch, solchen Glauben hab Ich in Israel nicht funden. 11. Aber Ich sage euch: Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend, und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen. 12. Aber die Kinder des Reichs werden ausgestoßen in die äußerste Finsternis hinaus, da wird sein Heulen und Zähnklappen. 13. Und JEsus sprach zu dem Hauptmann: Gehe hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht ward gesund zu derselbigen Stunde.

 DIeses Evangelium ist eines von den vielen im Kirchenjahre, welche uns Wunder des HErrn berichten. Alle diese Texte kommen mit dem vorigen Sonntagsevangelium darin überein, daß sie vor unsern Augen die Herrlichkeit Christi offenbaren. Es hat aber auch ein jeder von ihnen so viel Besonderes, daß ein Prediger nicht in Gefahr kommt immer einerlei zu sagen. Von dem einen HErrn und Heiland immer anderes und neues lesen und lernen wir, auf daß wir Ihn, die einzige Sonne, in Seinem mannigfachen Lichte desto reichlicher erkennen und durch Betrachtung und Erfahrung der mancherlei Weisheit und Gnade immer näher an Ihn gezogen und immer inniger mit Ihm vereinigt werden. Laßet mich nun einmal einiges von dem euch vortragen, was aus der Fülle dieses Evangeliums an Lehre und Erkenntnis geschöpft werden kann.


 Er selbst, der HErr, ist also, wie es sich von selbst versteht, in diesem Evangelium, wie in allen andern die große, heilige Person, vor welcher alle andern gleichsam ihre Herrlichkeit niederlegen und wie verschwinden. Erinnert euch an die Evangelien der vorigen Sonntage. Am vorigen zweiten Sonntag nach der Erscheinung sehen wir den HErrn am Anfang Seiner Werke und Wunder − Maria, Seine Mutter, tritt in den fernen Hintergrund zurück. Am ersten Sonntag überstrahlt das Kind, der Schüler JEsus Seine Eltern und die Lehrer Israels. Wie kann es anders sein, als daß heute der Mann JEsus, der Heiland in voller Kraft und Wirksamkeit über die hervorragt, mit denen Er es nach den Textgeschichten zu thun hat? Ein Aussätziger, groß an Glauben, − ein heidnischer Hauptmann von noch größerem Glauben nahen Ihm. Der Glaube macht in den Augen JEsu groß: groß in Seinem Reiche ist drum der Aussätzige, − noch größer der Hauptmann; der ist größer als ganz Israel, weil das scharfe, untrügliche Auge Christi in ganz Israel keinen Glauben erspähen kann, welcher dem des Hauptmanns hätte verglichen werden können. Aber hebe die beiden so hoch du willst: wird ihr Glaube den Glauben Marien und Joseph heruntersetzen? werden sie an Glauben größer sein als diese, welche der HErr in Sein gestrenges Urtheil über Israel so wenig eingeschlossen hat, als Er sie einschließen konnte, deren Glaube im Gegentheil durch viele Proben als eine unbezweifelte, himmelhohe Ausnahme in dem ungläubigen Israel an sonderem Orte, von dem HErrn unbesprochen und dennoch vor Ihm und Seiner Kirche in höchster Anerkennung steht? Der Aussätzige, der Hauptmann sind schöne Sterne am Lebenshimmel JEsu; aber wie der Abendstern und Morgenstern die andern Sterne, so überstrahlt der Glaube jener Jungfrau, die „durch den heiligen Geist, im Glauben“ Gottes Mutter wurde, den des Aussätzigen und des Hauptmanns, − und der über dieser wie eine Sonne leuchtet und ihr den Glanz nimmt, den Er ihr gegeben, auf daß Er über alles herrlich sei, der wird mit Seinem Glanze noch viel mehr über dem Aussätzigen und dem Hauptmann triumphieren. − Wie könnte das auch anders sein? Groß an Glauben kommen beide zu JEsu: aber sind sie nicht hilfsbedürftig und hilflos, und ist Er nicht ihr auserwählter Helfer, der allem Elend Rath weiß, bei dem sie auch allein im Glauben Hilfe suchen? Er kann auch helfen und hilft ja auch: Er ist ein HErr über die Uebel des Lebens, sie mögen Ihm nahen oder von Ihm ferne sein; Er beweist es durch ein mehr als königliches, durch ein göttliches Gebieten.| Der Aussatz des Aussätzigen ist vor Seinen Augen, das gichtbrüchige Wehe des Hauptmannsknechtes ist ferne von Ihm: Er herrscht aber über beide. Ein Wort − und der nahe Aussatz schwindet, ein Wort − und die Krankheit des entfernten Knechtes entflieht. JEsu mächtiger Wille bewältigt alles; Seiner Macht entzieht sich nichts.

 Und was einerseits als Beweisung Seiner Macht erscheint, das erscheint anderer Seits auch als lautredender Beweis Seiner unaussprechlichen Güte und Menschenfreundlichkeit. Es ist vollkommen richtig, was der Hauptmann meint: die Uebel des Lebens müßen dem HErrn gehorchen, wie dem Hauptmann seine Soldaten und Kriegsknechte. Aber dieser Gehorsam, diese offenbare, schnelle Fügsamkeit − sie haben mit dem freudigen Herrendienste frommer Knechte nichts gemein. Die Lebensübel gehören an und für sich selbst nicht zum Reiche Christi, sie stammen nicht aus demselben, sie sind von der Sünde geboren und dem Reiche der Finsternis entstammt. Sie sind vom König der Finsternis nicht gezeugt, um sich mit dem Himmelskönig zu Dienst und Heil der Menschen zu vereinigen. Dienen sie, so ist es des HErrn Macht, welche sie dazu zwingt − und fliehen sie, so ist es Sein unwiderstehliches Gebot, was sie von dannen schreckt. Er aber ist, wenn Er sie mächtig bezwingt, wenn Er ihnen hart und scharf gebeut, voll Lieb und Freundlichkeit gegen uns − und was Seine mächtige Hand regiert, Seine großen Thaten in’s Werk und zur Vollendung ruft: es ist nichts als Güte und Heilandstreue. Groß an Macht − nicht minder groß an Liebe, Güte, Treue erscheint Er, wenn Er unsre Uebel bezwingt. Er stellt Sich wider alles Uebel, das wir verschuldet haben, auf unsre Seite, handelt nach unsern sehnlichen Wünschen, verjagt das Uebel und gibt dem Aussätzigen, dem Knechte des Hauptmanns und allen Leidensbrüdern, die es begehren und denen es also gut ist, das selige Erfahren der Befreiung von ihren Uebeln und drückenden Leiden, das Vorspiel und den Anfang Seiner vollkommenen Erlösung und Freiheit Leibes und der Seelen, auf die wir von Tag zu Tage sehnlicher warten und danach verlangen. Und eben damit wird der HErr, vor dessen Größe wir im Staub liegen, doppelt groß in unsern Augen: groß wenn Er uns demüthigt, noch einmal groß und größer als zuvor, wenn Er uns durch Hilfe und Heil erhöht und die armen, verschmachteten Schafe in Seine heilenden Arme nimmt.

 Zwar sind es nur leibliche Gebrechen und Leiden, die wir in unserm Texte den Worten JEsu weichen sehen: aber ists nicht dennoch eine göttliche Macht, welche sie zum Weichen bringt? Und ist nicht derjenige, auf deßen Machtgebot sie weichen, derselbe Heiland und Erlöser, der auch unserer Seelen ewiger Noth Rath und Hilfe erfunden, zuwege und ans Licht gebracht hat? Was ist der eigentliche Zweck des Daseins, der Menschwerdung, des Lebens und Wirkens dieses Menschensohnes? Unsre ewige Erlösung ist Sein Lebenszweck − dahin ringt Er, und von diesem großen Werke sind all’ Seine leiblichen Wunderwerke und Hilfleistungen nur Andeutungen, Weißagungen, Vorboten, Pfänder, − ja, man könnte sagen, sie gehören zur Erlösung selbst. Man könnte es sagen, − warum red’ ich also? Man muß es sagen. Er will uns nicht bloß die Seele retten und den Leib verachten, in seinen Plagen liegen laßen; sondern gleichwie Er in der Schöpfung den Menschen aus Leib und Seele zusammengefügt hat, Leib und Seele in alle Ewigkeit des Menschen innigstverbundene Bestandtheile sein sollten; so will Er auch mit den Seelen die Leiber, die Leiber wie die Seelen retten, und zum Pfande dereinstiger ewiger Genesung unsers Leibes schenkt Er eben den Kranken Seiner Zeit die zeitliche Genesung des Todesleibes. Alles, was Folge und Strafe der Sünde ist, auch Leibeskrankheit und Uebel dieser Zeit, wird in Seinen Leidenskelch gemischt − und mit vollkommener Wahrheit geschieht die Anwendung, welche Matthäus in unserm Texte (Vers 17.) von jener hochberühmten Stelle Jesaiä macht: „Er hat unsre Schwachheit auf Sich genommen und unsre Seuche hat Er getragen.“ In Kraft Seiner Leiden, die Er überwinden wird, − weil Er leidet und leiden und büßen und abbüßen wird, weil Er alle Seuchen und Krankheiten auf Sich nehmen wird, darf Er seine Gottesmacht ohne Verletzung der Gerechtigkeit Gottes anwenden, schon vor Seinem Leiden Genesung und Gesundheit zu schenken. In der Kraft Seiner Leiden wandelt Er in den Tagen Seines Erdenlebens umher und erweist Sich allenthalben als einen Heiland in allen Leibesnöthen. Was einem jeden fehlt, Kleines oder Großes, das hat Er; was einen jeden drückt und beschwert, das weiß Er zu nehmen. Seis Wein und Freude, seis Brot und Stärke, seis Gesundheit oder Leben, − was man bedarf, Er ist kraft Seiner Leiden reich über alle. Seis Aussatz, seis Gichtbrüchigkeit,| Krüppelhaftigkeit, Blutflüßigkeit, was du nur nennen willst, der Erlöser kann helfen. Er ist ein Gott, der da hilft, ein HErr HErr, der auch vom Tode errettet; Er legt uns wohl eine Last auf, aber Er hilft uns auch − und Sein Ruhm ist, so groß und hehr, so gewis er ein Gottesruhm ist, auch ein Heilandsruhm, ein Ruhm der Leiden, durch welche Er einzig dasteht im Himmel und auf Erden.

 Ein mächtiger, hilfreicher Heiland ist Er, das sahen wir; das werden wir ferner inne werden, wenn wir von dem Glauben reden, was uns unser Text lehrt. Es wird scheinen, als hörten wir auf von dem HErrn zu sprechen; Sein Thun wird scheinbar ein wenig zurücktreten; aber Er wird dennoch gegenwärtig bleiben, als ein Anbetungswürdiger nicht allein, als ein Angebeteter wird Er uns erscheinen; denn der Glaube, von dem wir reden werden, was ist er anders als Anbetung, als tiefste Anbetung der Seelen? In der Mitte der Seinen, der Gläubigen, unter den Lobgesängen Israels wohnt der HErr! So wird Er auch bei uns bleiben und unter uns wohnen, wenn wir nun den Ruhm des Glaubens beginnen.

 Der Glaube des Aussätzigen und der des Hauptmanns sind einerlei Wesens. Beide hoffen von Ihm eine Hilfe, die sie noch nicht sehen, und setzen in Seine hilfreiche Macht keinen Zweifel. Jene herrliche Erklärung des Wortes „Glaube“ in Ebr. 11, 1. könnte namentlich an des Hauptmanns Beispiel gut erläutert werden. Indes haben wir uns nicht vorgenommen, vom Wesen des Glaubens zu reden; das, was alle Arten und Stufen des Glaubens mit einander gemein haben, wird unter uns oft genug besprochen. Es sind einige besondere Wahrnehmungen, welche wir in Betreff des Glaubens, gemäß unserm Texte, vorzulegen haben.

 1. In beiden Fällen, welche unser Text berichtet, finden wir bei den Hilfesuchenden schon einen Glauben, ehe sie noch mit JEsu sprechen. Denn es muß doch Glaube bei beiden vorhanden gewesen sein, da sie sich in so großen, durch keine Menschenhilfe zu beseitigenden Nöthen an den HErrn gewendet haben. Könnten wir darüber noch in Zweifel sein, so würde doch der Wortlaut ihrer Bitten und die ausdrückliche Anerkennung JEsu Beweises genug sein. Ja, es ist eben daraus zu erkennen, daß beide Männer nicht bloß einen geringen Glauben hatten. Woher ist ihnen nun dieser Glaube und diese Glaubenszuversicht gekommen? Eigene Erfahrung hatten sie keine, so muß es fremde Erfahrung gewesen sein, die sie für ihre eigene Noth so Großes von dem HErrn hoffen lehrte. Man könnte annehmen, daß gehörte Predigten des HErrn die Gemüther der beiden Notleidenden so mächtig zum Glauben an Ihn bewegt haben. Aber wenn wir schon von dem Hauptmann wenigstens nicht mit Sicherheit wißen oder schließen können, daß er, der Heide, sich in die Synagoge begeben habe, wenn JEsus Christus predigte, oder daß er bei andern öffentlichen Predigten des HErrn außerhalb der Synagoge zugegen gewesen sei; so bleibt uns bei dem Aussätzigen, der wie alle seines Gleichen von der menschlichen Gesellschaft ausgeschloßen war, dafür nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit. Es muß deswegen mindestens bei diesem der Glaube, der ihn zu JEsu und zur Bitte an Ihn trieb, von dem Gerücht bewirkt worden sein, welches auch ihn in seiner stillen Abgeschiedenheit erreichte. Ich hebe dieß hier nur mit wenigem hervor und verschiebe es auf spätere Texte, davon mehr zu sagen. Jeden Falls aber halte ich es öfterer Erwähnung werth, daß nicht bloß die Predigt mit Amtsgnade ausgestatteter Prediger, sondern auch die Rede von JEsu, wie sie aus dem Munde anderer Leute kommt, die heilsame Kraft des Evangeliums ausüben kann, wenn nur der Inhalt derselben Evangelium ist. Es liegt in diesem einfachen, kaum von irgend wem bestrittenen Satze viel Trost für den Nachdenkenden, denn das Gerücht und die Rede vom HErrn ist allezeit viel weiter und ferner zu den Menschen hindurchgedrungen, als die Füße der eigentlichen Prediger und ihre Predigt, − und wohin kein Evangelist gekommen, dahin ist die Gnadenkraft des Heiligen Geistes mit dem Gerüchte von Christo, dem Gespräche und der Erzählung derjenigen gekommen, die nicht wußten, wie heilsame, sproßende Samenkörner sie mit ihren Worten in die Herzen sehnsüchtiger, nach dem Himmlischen verlangender Menschen brachten. So säet der Säemann seine Saat − und meint allein sein Land zu besäen: der HErr aber hat Wind und Wellen und mancherlei Mittel, um von dem gestreuten Samen auch dahin mitzutheilen, wohin der Säemann nicht gedacht. Denn Er kennet, die wir nicht kennen, und gedenket ihrer, wenn wir ihrer weder gedenken, noch gedenken können.

|  2. Indes leugnen wir gar nicht, daß aus den, sei es auch treuen Gerüchten und zufälligen Reden solcher, die selbst nicht in die Geheimnisse des Himmelreichs eingeweiht sind, nur ein Anfang des Glaubens hervorzugehen pflege und nach der Natur derselben meistens auch nur hervorgehen könne. Schon in dem vorigen Evangelium lasen wir, daß die Jünger durch das Wunder in Cana im Glauben fortgeschritten seien. Es gibt Stufen des Glaubens, sofern nicht ein Glaube dieselbe Klarheit und Kraft gibt, wie der andere. Je mehr den gläubigen und glaubenswilligen Gemüthern offenbart wird, was sie glauben sollen, desto mehr wandeln sie aus Glauben in Glauben, und jede neue Stufe des Glaubens gibt alsdann dem, der sie ersteigt, das Gefühl, als sei er nun erst recht zum Glauben gekommen. Von diesem Wachstum des Glaubens gibt uns auch dieß Evangelium Zeugnis.

 Wir sehen die Bittenden zu JEsu kommen und hören den HErrn mit ihnen reden, und Seine Rede wirkt auf sie, wie Oel auf die düstere, verlöschende Lampe. Eine Lampe brennt durch Zuguß des Oeles nicht bloß länger, sondern auch schöner. So wird der Glaube des Aussätzigen und des Hauptmanns durch die Rede des HErrn emporgerichtet und zum schöneren Leuchten gebracht. Schon zuvor hatten beide etwas gehabt, woran sie sich fest hielten, das nemlich was sie von JEsu Wort und Seiner wunderbaren Hilfe durch andere vernommen hatten. Nun aber hören sie Sein selbsteigenes, zu ihnen gerichtetes Wort; durch dieses Wort hat ihr Glaube neues Oel gefunden, ja, an demselben flammt er empor wie das Licht an einem neuen Docht, welchen ein Weib am alten entzündet und in die frisch gefüllte Lampe gelegt hat. Eine neue Kraft durchdringt sie, da ihr Glaube aus einer Zuversicht, von JEsu Können nun in die schönere von Seinem gnädigen Wollen verwandelt wird.

 Liebe Brüder! Unser Glaube hängt auch an JEsu; wir wißen, daß Er uns in allen Nöthen helfen kann und wird; aber freilich die Zeit und Art Seiner Hilfe wißen wir nicht, und wir können es uns selbst nicht verbürgen, ob unsere Bitten Ihm in allen Fällen wohlgefällig sind; wenigstens ist es oft so − und es kann auch nicht leicht anders sein, als daß wir bei allem Vertrauen auf Sein Können und Wollen dennoch oftmals im Dunkeln wandeln. Was uns fehlt, ist ein so bestimmtes Wort von Ihm, wie das: „Ich will, sei gereinigt,“ das der Aussätzige, oder das: „Ich will kommen und ihn gesund machen!“ welches der Hauptmann erhielt. Hätten wir auch in jedem Falle eine solche ins Einzelne gehende, bestimmte Verheißung; so würde auch unser Glaube daran lichterloh entzündet werden. Da wir sie nun aber nicht haben und nicht haben werden, so fragt es sich: warum entbehren wir das? Und sind wir nicht verkürzt? Die Antwort ist: Gewis nicht, wir sind recht betrachtet sogar im Vortheil. Unsre Aufgabe ist allerdings die schwerere. Da sie uns aber von dem HErrn angewiesen ist, so haben wir zu erwarten, daß uns durch Seine Kraft auch das Schwerere gelingen soll. Ohne den Wunderglauben, ohne seine lebhafte Glut, ohne einzelne oder ins Einzelne gehende Verheißungen wißen wir dennoch, daß wir Sein sind. Wir haben Generalverheißungen Seiner Gnade, wißen, daß alles in Gnaden gefügt sei, was uns trifft, daß alle unsre Gebete erhört sind: da üben wir denn unsern Glauben auch in einzelnen schweren Fällen und die stille hoffnungsvolle Lampe des Glaubens verlischt nicht, so finster es auch zuweilen um uns her werde. Im Gegentheil, je mehr wir an der Verheißung erstarken, desto mehr erweist sich unser Glaube als dem des Aussätzigen und des Hauptmanns ebenbürtig, weil er in uns ganz dasselbige wirkt, was der des Aussätzigen und des Hauptmanns wirkte.

 3. Diese Wirkung sehen wir am Hauptmann. Der Glaube wirkt eine ganz verschiedene Beurtheilung aller Dinge im Vergleich mit derjenigen, welche man zuvor gehabt hat. Wer lehrte den Hauptmann, Christum als das Haupt aller Dinge, alle Dinge unter diesem Haupte zu sehen und anzunehmen, daß Ihm alles Gehorsam leiste? Es ist der Glaube. So gieng es dem Hauptmann im Evangelium, so geht es allen, die gläubig werden. Ehe sie glaubten, dachten und urtheilten, redeten und sprachen sie anders. Daher sollte man eben auch von den Ungläubigen die Gedanken und Urtheile und Reden der Gläubigen nicht erwarten, es ihnen so hoch nicht anrechnen, wenn ihr ganzer Gedankenkreis und ihre ganze innere Strömung von der unsrigen verschieden ist. Wie können sie anders als ungläubig denken, urtheilen und reden, da sie nun einmal ungläubig sind? Erst mit dem Glauben ändert sich vom tiefsten Seelengrunde heraus das ganze Leben. Da ist doch in der Welt| kein Ding, welches nicht ganz anders angeschaut würde, so wie einmal der Glaube an unsern HErrn unsere Herzen und Sinne erleuchtet hat. Es ist wahr, das Runde bleibt auch dann rund, die Zeit bleibt Zeit, und die Farbe bleibt in ihrer Würde, man mag nun gläubig oder ungläubig sein. Aber es wird doch selbst die natürliche Erkenntnis, obschon ihr Inhalt unverändert bleibt, durch den Glauben eine Quelle neuer, ungewohnter Gedanken und Urtheile. Die Erkenntnis göttlicher und geistlicher Dinge! Wie wird da alles Denken umgewandelt! Ueber Gut und Bös, Schön und Häßlich, Weisheit und Thorheit, Segen und Fluch, Freude und Leid lernt man so ganz verschieden denken und reden, sobald man nur den höchsten Gedanken, JEsum, und Sein heiliges Wort, den Ausfluß der allerhöchsten Weisheit, erfaßt hat! Man verlange es doch nicht anders. Wir haben das aus des Hauptmanns Beispiel entnommen. Da er sah, was damals wenige sahen und vielleicht niemand mit derselben Klarheit wie er, daß Christo alles unterthänig ist, da wurde es ihm ein Kleines und Leichtes, in den Krankheiten und Uebeln des Lebens auch nichts anders zu schauen, als lauter Knechte, die auf ihres HErrn Wort kommen und gehen. − Wir können das aus dem Beispiel des Hauptmanns noch mit einem andern, verwandten Zuge belegen. Der HErr bietet dem Hauptmann an mit Ihm hinab zu gehen und den Knecht zu heilen. Der Hauptmann aber will das nicht, verbittet sichs, will sein Haus von JEsu nicht betreten haben, ähnlich wie Petrus nach dem großen Fischfang JEsum bittet, ihn und sein Schiff zu verlaßen. Vor unsern Augen scheint es das Leichtere, den Kranken zu heilen, vor dem man steht, und die Noth lehrt uns deshalb flehentlich bitten, wie Jairus gebeten hat, daß der Arzt zum Kranken komme. Wir wollten dem Arzte auch gerne die Mühe des Kommens ersparen, aber der Jammer zwingt uns, jede Rücksicht auf den Arzt hintanzusetzen und dringlich zu werden um der Noth willen. Ganz anders bei dem Hauptmann. Er sieht nun einmal in JEsu keinen gewöhnlichen Arzt, sondern einen über alle Uebel des Lebens herrschenden König. Damit kommen ihm ganz andere Begriffe von Leicht und Schwer. Dem, der in der Ferne so gewaltig gebieten kann, wie in der Nähe, ist freilich Mühe erspart, wenn Er am Orte, wo Er sich befindet, heilen und helfen darf: bei Ihm heißt es: „Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund!“ und Ihm gegenüber wird schicklich, was vor und von andern zu verlangen unschicklich wäre.

 Noch ein drittes Beispiel, wie der Glaube die Gedanken ändert. Er zeigt uns, daß wir eine ganz andere Stellung zu JEsu einnehmen, als wir uns träumen laßen, so lange wir noch nicht mit dem Hauptmann vor Sein Angesicht getreten sind und Ihm in gläubiger Verehrung in’s Auge geschaut haben. Indem uns der Glaube Gott näher bringt, erkennt man Ihn und sich selbst im Vergleich gegen Ihn deutlicher und man lernt das rechte Maß von Nähe und Ferne kennen, welches dem betenden Sünder vor und zu Gott geziemt. Derjenige, welcher Gottes Wort nicht völlig recht vernommen, Gottes Werk und Wesen und sich selbst gegenüber Ihm nicht recht erkannt hat, redet nur vom nöthigen Nahen zu Gott und findet sich immer nicht nahe genug bei Ihm, und da wir von dem Bleigewichte unserer Sünde immer abwärts und von Gott weg gezogen werden, so scheint des Glaubens Werk in der That im Nahen zu Gott vollbracht zu werden. Und wer wollte es auch leugnen, daß der Glaube ein Nahen zu Gott ist, eine Aufhebung der Trennung zwischen Schöpfer und Geschöpf? Aber − der Glaube ist das Nahen eines Sehenden zu Gott, der Glaube sieht − und zwar im Verlaufe des Lebens und der Erleuchtung je länger, je mehr, − wie groß und heilig Gott ist gegen unsre Kleinheit und Sündennacht, und lehrt uns allgemach verstehen und sprechen, was im Prediger steht: „Gott ist im Himmel und du bist auf Erden, darum laß deiner Worte wenig sein.“ So kommen der Aussätzige und der Hauptmann betend zu Christo und wollen, daß auch Er sich ihnen wieder hilfreich nahe; aber beide verstehen auch, wer Er ist und wer sie; darum spricht der Aussätzige: „So Du willst, kannst Du mich reinigen“ − und noch demüthiger der Hauptmann: „Ich bin nicht werth, daß Du unter mein Dach gehest.“ − Glaube nahet, und weil er Gottes Herrlichkeit erkennt, fernt er auch wieder, und erst so entsteht die schöne liebliche Art des inwendigen liebenden, ehrenden, bräutlichen Wesens eines Gläubigen, die rechte Mitte zwischen Verzagtheit und blinder Verwegenheit, das Leben, deßen innerstes Bewußtsein Gnade ist, nur Gnade, aber volle, strömende Gnade.


|  Wo nun der Glaube so auftritt und leuchtet, da, meine Freunde, fehlt ihm auch nicht ein Auge voll Wohlgefallens von dem hochgelobten König aller Gläubigen. Seine Augen sehen nach dem Glauben und suchen gläubige Seelen, gleichwie die Sonne sonnenhafte Augen sucht. Was nicht sieht, wandelt in Finsternis, und was nicht glaubt, wird des Wohlgefallens Gottes nicht gewahr, erfährt es auch nicht, sondern bleibt im Tode eines fleischlichen, finstern Sündenlebens. Wohl dem Gläubigen, den Jesu Auge findet, Jesu Mund lobt, wie Er den Glauben des Hauptmanns lobte und pries. Ein solcher wird die Herrlichkeit Gottes schauen. Gott hat solchen Glauben geschaffen, darum nennt Er ihn wie alle Seine Werke „sehr gut“, darum führt Er ihn von Licht zu Licht und verklärt ihn im Schauen. − Zu diesem hochgerühmten, bei Gott beliebten Glauben und allen seinen seligen Folgen beruft der HErr den aussätzigen Juden und den heidnischen Hauptmann. Juden und Heiden, alle Menschen sollen durch ihn vereinigt werden zu einer gottwohlgefälligen Kirche, und durch ihn sollen sie zu den Tischen des ewigen Hochzeitmahles versammelt werden. Der HErr eröffnet uns ja einen Blick in die Ewigkeit. Die Tische stehen, Abraham, Isaak und Jakob, die Väter der Gläubigen, sitzen seliglich an ihnen, und zu ihnen sammelt sichs von allen Nationen, von Aufgang und von Niedergang, von Mittag und Mitternacht. Nicht die leibliche Abstammung von Abraham sammelt zu Abrahams Volk und ewiger Gemeinschaft: der Ruhm ist aus und wehe, wer dem vertraute! Die Gemeinschaft des Glaubens Abrahams macht Abrahams wahre Kinder, und wer sie hat ist sein und mit ihm an Gottes Tischen, sei er vom gelobten Lande oder vom fernen Norden oder woher immer entsproßen. Das laßt uns nie vergeßen! Nichts füllt den Himmel, Nichts bringt uns hinein, als der Glaube, der aus dem Wort gezeugt, am Worte hält, das Auge voll Licht, die Seele voll anbetender Demuth macht. Es ist kein Heil außer dem Glauben. Der Jude verfehlt bei allen Vorzügen, die ihm Gott gegeben, ohne den Glauben das ewige Ziel; und der Heide, bei allem Jammer, bei aller Finsternis, in welcher er gewandelt hat, wird doch selig und mit Armen des wonnigsten Erbarmens aufgenommen, wenn er nur den Glauben findet, ehe er hinfährt.

 Von der Herrlichkeit des HErrn und vom Glauben haben wir gesprochen, liebe Brüder! und ich hoffe, wir haben, indem wir vom Glauben sprachen, uns von Ihm Selbst, dem HErrn, mit nichten entfernt. Aller Glaube nahet JEsu und hängt und bleibt an Ihm, obschon er auch kennt und weiß, mit wem er sich vereint. Aber ich habe mir noch ein Drittes zu erwähnen aufgespart, das zwar in unserm Text nicht so, wie des Glaubens Preis, zu Tage liegt, auch nicht so gebieterisch Erwähnung fordert, das aber doch aller Erwähnung und Erwägung und noch einer kurzen Aufmerksamkeit werth ist. Laßet mich es vor euch nennen und rühmen!

 Es erscheint nemlich im Evangelium eine dreifache Ordnung, und jede wird von dem HErrn geehrt und gelobt. Dem geheilten Aussätzigen wird von Christo befohlen, sich den Priestern zu zeigen, denen nach alttestamentlichem Befehl das Reinsprechen genesener Aussätzigen zukam. Auch wird er angewiesen, die von Mose angeordnete Gabe zu opfern. Hier tritt uns also die heilige Ordnung des alten Bundes entgegen, und Christus will sie gehalten wißen. Die Priester, die Opfer, − beide stehen bei dem HErrn in Ehren. Zwar ist es auch eine Absicht des HErrn gewesen, durch diesen Gehorsam gegen die alttestamentliche Ordnung den Priestern das geschehene Wunder nahe zu bringen, sie zur Ueberlegung und Betrachtung des wunderbaren Wirkens Jesu anzuleiten, ein Zeugnis über sie abzulegen; aber alles das hätte auch auf anderem Wege geschehen können, und daß gerade der Weg alttestamentlicher Ordnung gewählt wird, ehrt diese und beweist, daß eben sie nach des HErrn Sinn eine gebahnte Straße zu Ihm sein und werden sollte.

 Ferner: der Hauptmann erkennt Christum als das Haupt aller Dinge, alle Creaturen, alle Krankheiten und Uebel sieht er um Seinen Thron her stehen als Knechte und Diener, die Seines Winkes warten, deren jedem Er sagen kann: „Komm her“, so kommt er, und „Thue das“, so thut ers. Auch das ist Ordnung, denn es ist Ueberordnung und Unterordnung, und wo diese sind, da eben ist Ordnung, die rechte Ordnung in Hoheit und Demuth, in schönster Zier. Es ist aber nicht eine Ordnung des alten, sondern des neuen Testamentes, eine Ordnung des Gnadenreiches und des Heils, und es ordnen sich alle Dinge dem HErrn unter, auf daß Sein Vorsatz, die Menschen von| allem Uebel zu erlösen, hinausgehe. Ein Kriegsmann, ein Mann der zeitlichen Ordnung, wird, obwohl ein Heide, gewürdigt, im Glauben Christi Thun als ein Walten in heiliger Ordnung zu schauen, und wie ganz seine Erkenntnis von Gott gekommen, sahen wir an dem großen Beifall, welchen ihr der König der Ordnung spricht.

 Ferner eröffnet uns der HErr selbst eine Aussicht, welche uns die Straße von der Erde zum Himmel und das heilige Wachstum Seines Reiches enthüllt. Oben im Himmel sehen wir an Tischen des ewigen Lebens die Schaar der Auserwählten sitzen, und diese Tische ordnen und überschauen die Väter der Gläubigen, die Fürsten beim ewigen Hochzeitmahle, Abraham, Isaak und Jakob. Und hinauf zum hohen Saale der ewigen Freuden ziehen auf Wegen des Glaubens vom Aufgang und Niedergang, aus allen Völkern die berufenen und erwählten Kinder Gottes. Alles, was ankommt, reiht sich an die Tische, wo schon Millionen seliglich sitzen und des Tages der Herrlichkeit warten, alles ordnet sich unter den gütigen Blick und das freundliche Regiment der Patriarchen. Eine Ordnung des himmlischen Reiches, die Ordnung, wie aus dem Gnadenreich das Reich der Herrlichkeit sich gestaltet, eine heilige Tisch- und Hochzeitmahles-Ordnung, eine Ordnung der Seligkeit wird uns gezeigt.

 Also ein gemeinsames Gut des alten und neuen Testamentes, des Gnadenreiches und des Reiches der Herrlichkeit, der Zeit und der Ewigkeit ist Ordnung. Die Welt ist ein wirrer, ungeordneter Haufe, ein Nebel, in dem es wallet und webet und sich versucht, zur Ordnung zu kommen, aber es kommt zu keiner Ordnung; denn die Ordnung ist Gottes − und Welt und Satan mühen sich vergeblich, Gott hierin nachzuahmen. Wo aber in aller Welt Christus gepredigt wird, da fährt in den Nebel ein mächtiges, ordnendes Sonnenlicht, und der oberste Grundsatz göttlicher Ordnung ist gefunden: Christus über alles, alles unter Ihm. Alle, die selig werden, reihen sich nun an Ihn an, wie Glieder ans Haupt, und vom Haupt aus wächst und füget sich aus der Menge heiliger Glieder der Leib, die neue ewige Schöpfung Gottes in Christo JEsu, die Kirche. Und die Verbindungsglieder, die Sehnen und Bänder, welche die Glieder zum Leib verbinden, durch welche sich die himmlische Schönheit der Kirche gestaltet, das sind die Diener Christi, welche Sein Amt tragen, Ihm Seine Braut vermählen, Seine Gläubigen Ihm einverleiben. Sie sind, wie der Apostel sagt, die Gelenke und Fugen, durch welche der gesammte Leib Christi zusammenhängt. So ist, so wächst Seine Kirche durch immerwährende Vereinigung dem vollkommenen Alter und der göttlichen Größe entgegen. Und wenn nun alle hinangekommen sind, die erwählet sind, und das letzte Glied zum Leibe sich gefunden hat, und die Ewigkeit beginnt, die himmlische Stadt auf die neue Erde herunterkommt, so wird auch dann Ordnung sein, und Gott wird ewig sein ein Gott der Ordnung, wie uns dahinein herrliche Blicke die letzten Capitel der heiligen Schrift gewähren.

 Ich weiß nicht, meine geliebten Freunde, ob euch der Gedanke der heiligen Ordnung in seiner vollen Wichtigkeit erscheint. Aber das weiß ich gewis, daß es ein göttlicher Gedanke und daß die Ordnung selbst ein göttliches Werk ist. Sehen wir auf das alte Testament, in welchem sich unter Hohenpriestern, Priestern und Leviten die heilige Menge des Volkes Gottes ordnet: wer hat es also befohlen, wer ist der Ordnung Vater, wenn nicht Gott selber, der den Körper in Christo und vor dem Körper her den heiligen Schatten geschenkt hat, an dem man des Körpers kommende Gestalt inne werden konnte? Im Gnadenreiche erscheint Christus als das Haupt, Ihm unterthan Sein Leib und außer diesem auch alle Dinge. Wer hat Ihn gesetzt zum Haupt der Gemeine über alles, und wer hat gesagt, daß die Gemeine Sein Leib ist und die Fülle des, der alles in allem erfüllet? Wer lehrt uns, was kein natürlicher Verstand erkennt, daß wir durch unsere Taufe Christi Glieder sind, die zusammenhangen durch Fugen und Gelenke? Es ist der Geist und Gott der Ordnung. Und warum wird uns jenseits an den ewigen Tischen eine heilige Ordnung gezeigt, die Patriarchen an der Tische Spitzen? Ists ein Mährchen, daraus wir diese Züge des ewigen Lebens erkennen? Und ist die Offenbarung, die St. Johannes niederschrieb, ein Mährchen, da wir den HErrn über den Cherubim thronen, um Ihn her Stühle und Harfenspieler und Sänger und Erzengel und Engel schauen? Ists irdische, sinnliche Eitelkeit, ists kindische Verwegenheit, daß wir vom Himmel so zu denken und zu reden uns unterwinden? Es ist der HErr, der uns auch jenseits Ordnung, Ueberordnung, Unterordnung, Anbetung, Gottesdienst und Liebesübung zeigt. Der HErr selbst legt uns diese heiligen Gedanken in| unsre Seele und macht uns durch Offenbarung einer der zeitlichen verwandten, ewigen Ordnung den Himmel heimatlich und angenehm. Er erhebt des Hauptmanns Worte von der Ordnung in Seinem Reich durch Sein Wohlgefallen und durch die eigenen Auslegungen Seines Mundes, Seiner Apostel und Propheten zu göttlicher Offenbarung.

 So haben wir also den HErrn in Seiner Herrlichkeit, den Glauben in mancher Seiner Eigenschaften und alle beide in der heiligen Ordnung des Reiches Gottes erkannt. Wie der HErr voll Herrlichkeit ist, so auch die Gemeine, Seine Braut. Sie ist herrlich inwendig durch den Glauben und der Glaube wirkt auch die herrliche Schönheit ihrer erscheinenden Gestalt, die schönste Unterordnung unter ihr hochgelobtes Haupt, die liebliche Gliederung ihres ganzen Leibes.

 Gottes Kinder haben Gottes Art. Er ist ein Gott der Ordnung, und sie sind Kinder der Ordnung Gottes. Alles, was zur Ordnung Gottes gehört, ist ihnen lieb und angenehm. Sie wandeln gottergeben in der Ordnung des Heils von der Welt zum Himmel. Sie freuen sich der Ordnung der Gottesdienste, welche so völlig übereinstimmt mit der Ordnung des Heils. Was der Dienst im alten Testamente, was die Stiftshütte und der Tempel, was der ganze Dienst im Tempel versinnbildlicht hat, das finden sie in Geist und Leben wieder in den schönen Gottesdiensten des neuen Testamentes. Vom Brandaltar bis zum Allerheiligsten, vom Leviten bis zum Hohenpriester, von einem Feste des Tempels zum andern finden sie alles wieder, nur alles nicht als Schatten, sondern wesenhaft − und sie nehmen deshalb nicht spielend mit heiligen Gebräuchen, sondern kindlich fröhlich und tief erquickt an allen Gottesdiensten des HErrn ihren Theil. Die heilige Ordnung des Gottesdienstes ist in ihnen Leben, Friede, Freude, Vorschmack des Himmels. Ihre Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen − ihr Gang vom Worte zur Anbetung und zum Sacramente ist ihnen eitel heilige Ordnung auf der Pilgerfahrt zum Himmel, eitel Himmelsweg. Und wenn der HErr gebeut, den Aeltesten unterthänig zu sein, wenn der Aelteste in der Gemeine der Gesunden, der Diaconus unter den Armen und Kranken weidend, leitend, ordnend, segnend waltet, so freut sich ihr Herz und sie heißen lieblich die Füße der Hirten und die Hände der Diener. Gesegnet sind die Kinder Gottes, die Gläubigen JEsu, welche den Schmuck der Zeit, die heiligen Ordnungen Gottes, sich zur Lebensfreude erwählten. Wie werden sie vorbereitet für die Freude der ewigen Ordnungen! Wie winken ihnen die Tische und die Patriarchen, − und der HErr unter ihnen und über allen! − HErr, Dein guter Geist leit uns auf Deiner ebenen Bahn zu den Freuden Deiner Auserwählten! Amen.




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