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Erste Schritte

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Titel: Erste Schritte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 400
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[400] Erste Schritte. Die Litteraturgeschichte aller Nationen ist reich an merkwürdigen Beispielen für die Tragik des Kämpfens und Ringens der Dichter, und es zeigt sich fast immer, daß die Götter vor den Erfolg nicht nur den Schweiß, sondern auch die Enttäuschung gesetzt haben. Ja, man kann sogar behaupten, daß die meisten Autoren, die später zu hohem Ansehen gelangten, am Beginn ihrer Karrière mit einem exemplarischen Mißerfolg debütirten. So erging es Sardou, dessen Drama „La Taverne des Etudiants“ erbarmungslos ausgepfiffen wurde. Der Autor selbst hat dieses Stück später als seine größte Jugendsünde bezeichnet, aber das Fiasko brachte ihn nicht außer Fassung; einem Freunde schrieb er einmal darüber: „Das Pfeifen entmuthigte mich nicht, es zeigte mir deutlich die Fehler des Stückes. Das Theater erfordert Bewegung, Leben, Leidenschaft; meine Arbeit hatte nichts davon. Ich studirte nun Nächte, Wochen, Monate, studirte Alles, was zu einem Theaterstück gehört, und ich habe das Geheimniß dieses wunderbaren Organismus ergründet, in welchem das kleinste Rädchen seine Funktion hat wie im menschlichen Organismus.“

Noch ärger erging es dem fruchtbaren Scribe, dessen erstes Stück „Le dervis“ den Reigen der Durchfälle eröffnete, von welchen Scribe’s dramatische Thätigkeit vier Jahre lang begleitet war, bis endlich 1816 „Une nuit de la garde nationale“ eine Jahrzehnte währende Periode großer Erfolge einleitete. Auch der gefeierte Dumas père empfing seine erste Tragödie aus den Händen des Sekretärs vom Théâtre Français zurück; zur Aufführung des Dramas „Christine de Suède“ kam es gar nicht. Nicht besser erging es Augier mit seiner Erstlingsarbeit „La Cigue“. Merimé verschaffte seinen geistvollen Komödien erst Gehör, als er sie für „Uebersetzungen aus dem Spanischen“ ausgab und sogar eine spanische Schauspielerin Clara Gazul erfand, der er die Urheberschaft zuschrieb.

Die ersten Novellen Daudet’s und sein erster, später mit großem Beifall gelesener Roman wurden von Zeitschriften zurückgewiesen. Dasselbe Loos erlebten Feuillet und Théophile Gautier; auch ihnen wurden ihre ersten Arbeiten von den Redaktionen als unbrauchbar zurückgeschickt. Walter Scott erzielte mit seinen metrischen Uebersetzungen von Bürger’s Balladen keinen Erfolg, und mit dem meisterhaften Roman „Vanity fair“ ging Dickens[WS 1] lange Zeit in London bei den Verlegern hausiren. Auch der berühmte Roman „Jane Eyre“ ist von verschiedenen Verlegern zurückgewiesen worden. Die Verfasserin Currer Bell hatte bereits alle Hoffnung verloren, als Smith Elder und Kompagnie den Werth der Arbeit erkannten und mit Enthusiasmus an die Herausgabe der oftverschmähten Arbeit schritten.

Auch den deutschen Dichtern ging es zum großen Theil nicht besser, als sie ihre ersten Schritte thaten; die Litteraturgeschichte giebt darüber Aufschluß. Die gefeiertsten Dichter, die später die Poesie und den Geschmack des Publikums kommandirten, blicken auf dornenvolle Anfänge zurück, und gewöhnlich hieß auch hier die erste Station auf dem Passionsweg des deutschen Poeten „Mißerfolg“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nicht Dickens, sondern Thackeray schrieb Vanity Fair.