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Erinnerung und Freude

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Textdaten
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Autor: Agathon
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Titel: Erinnerung und Freude
Untertitel:
aus: Taschenbuch von der Donau. Auf das Jahr 1824, S. 180–182
Herausgeber: Ludwig Neuffer
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Stettinische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Ulm
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Exemplar der HAAB Weimar auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[180]

Erinnerung und Freude.

Ich war ein schmucker Jungeselle
Und griff die Lust aus erster Quelle,
War keinem blauen Aeuglein gram,
Und, eh’ ichs dacht’, ein Bräutigam.

5
Ich sprang, wie Lämmchen auf der Haide

Im Sonnenschein der neuen Freude,
Und wenn mein Saitenspiel erklang,
War nur die Liebe mein Gesang.

Nichts glich hienieden meinem Glücke;

10
Die Stunden floh’n wie Augenblicke,

Und eh’ ich mich es nur versah,
War ich der glücklichste Papa!

Ein Knäbchen, welche Himmelsgabe!
Holdlächelnd, wie Cytherens Knabe,

15
Lag mir im Arm’, in süßer Ruh’,

Und bald – sein Schwesterchen dazu.

[181]

Dem Himmel dankt’ ich für dies Pärchen;
Doch war zu Ende kaum ein Jährchen,
So stellte schon mit langem Bein

20
Der Storch sich wieder bey uns ein.


Alljärlich ward das Stübchen enger,
Der Tisch um einen Ansatz länger,
Und Abends sah oft Weib und Mann
Sich nasses Blicks und schweigend an.

25
Des guten Jünger Philipps Frage

War nun mit jedem neuen Tage
Die Losung: ach, du lieber Gott!
Woher für all die Küchlein Brod?

Die Harfe, von der matten Prose

30
Der Zeit, verdrängt aus meinem Schooße,

Hing oft, die Saiten abgespannt,
Viel Wochen lang im Staub der Wand;

Aus Kindern wurden mählig Leute,
Nun wuchs der Bach zur Stromes Breite,

35
Und was noch erst ein Sörglein war,

Bleicht itzt als Sorge mir das Haar,

[182]

Ein Schiffchen löste nach dem andern
Vom Lande sich, um fortzuwandern
Nach Nord und Süd, nach Ost und West

40
Und einsam stand das alte Nest.


Doch, wenn der Kinder frommer Reigen
Sich gleich des Oelbaums jungen Zweigen
Um uns nach Jahren wieder schloß,
War nur die Wonne doppelt groß.

45
Vergessen war des Lebens Plage,

Verstummt in froher Brust die Klage,
Herz lag an Herz, und Brust an Brust,
Und Jubel überall und Lust!

Der alte Himmel sank nun wieder

50
So schön, wie einst, zu mir hernieder,

Und neu beseelt und neu bespannt
Erklang die Harf’ in meiner Hand,

Sie tönte bis zum letzten Morgen!
Gott sorgt und wird noch fürder sorgen,

55
Und endigt sich des Lebens Lauf,

So flieg’ ich singend zu ihm auf!

 Agathon.