Epistel an Susalis
[65]
Epistel an Susalis. Im Rosenmonath 1790.
Susalis, seufzest du wieder!
Birgt sich die Sonne des Glücks
Abermahls unter ein Wölkchen?
Siehest du trauriges Blicks
Ach, ich hatte sie lieb,
Eh’ der kommende Frühling
Ihre Knospe noch trieb.
Ich lobsinge dem Schöpfer,
Denn wir wissen es alle,
Rosendüfte sind süß
An der stützenden Krücke
Dem vermagerten Greis,
Oder glänzendes Eis.
[66]
Ich, ein pures Gerippe
Überzogen mit Haut,
Freue mich über die Rose,
Und der Abend beregnet.
Ich vergesse darob
Hundert künftige Sorgen,
In der Seele voll Lob;
Fühle mich stärker, im Geist;
Werde mit lieblichem Honig
Lächelnder Hoffnung gespeist;
Glaube noch bessere Zeiten. — —
Mache durch nagenden Kummer
Deine Wange nicht bleich,
Und dein Auge verloschen.
Hast ja Kinder, die dich
Hast ja Kinder, die sich
Grämen ums Leben der Mutter,
Wann die Mutter sich grämt;
Hast’s erfahren, wie endlich
[67]
Seines Wolkenverkriechens,
Dein oft mürrisches Glück.
Darum wende nicht traurig
Deinen schwimmenden Blick
Ist der Garten nicht dein,
Sind doch unter den Rosen
All’ die süßesten dein.
Denn da blühen viel tausend,
Brich, und heiße den Mißmuth
Von der Stirne entfliehn!
Anne Luise Karschinn.