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Entgegnung zum „Aberglauben des Soldaten im Kriege“

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Textdaten
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Titel: Entgegnung zum „Aberglauben des Soldaten im Kriege“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 184
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Zum Kartenspiel unserer Soldaten im Felde, 1871, Heft 24
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[184] Entgegnung zum „Aberglauben des Soldaten im Kriege“. In mehreren Artikeln der Gartenlaube haben wir die Behauptung gefunden, der Soldat habe den Besitz von Karten für verhängnißvoll gehalten und diese vor dem Gefecht weggeworfen.

Wir Unterzeichnete, den verschiedensten Armeecorps während des Feldzugs angehörend und durch monatelanges Zusammenleben genau mit der Anschauungsweise der Soldaten bekannt, halten die obige Behauptung für unrichtig und können es nicht unterlassen dagegen anzukämpfen, daß man unserm Volke einen Aberglauben andichtet, welcher in der That wohl nur bei Wenigen existirt.

Es wurden nicht nur die Karten während des Gefechts sorgsam verwahrt, sondern Einer der Mitunterzeichner hat sogar gesehen, wie einzelne Soldaten ihren verwundeten Cameraden im Feuer die Karten zum späteren Gebrauch abgenommen haben. Ein Anderer bezeugt, daß er vor Metz, wenn er nicht durch Dienstgeschäfte verhindert war, täglich zwölf Stunden lang gespielt habe. Am siebenten October, dem Tage des bekannten großen Ausfalls, wurden er und seine Cameraden in dem Augenblick, als gerade die Karten ausgegeben waren, durch das Alarmsignal gestört. Es hinderte dasselbe jedoch nicht im Geringsten, daß Jeder seine empfangenen Karten aufbewahrte und mitnahm, um das Spiel nach der Schlacht fortzusetzen, was auch wirklich geschah.

Wenn etwa da und dort Karten weggeworfen wurden, so geschah es meist wohl deshalb, weil so ungefähr die Hälfte der Blätter fehlte, und der erfinderische Geist der Soldaten nicht mehr ausreichte, das Spiel wieder zu ergänzen.

Von der Erfahrung Ihres geehrten Berichterstatters, des Herrn Christian Sell, welcher im Felde nur einmal Soldaten Karten spielen sah, weicht die unsrige auch insofern ab, als wir die Soldaten tagtäglich und unter allen Umständen nicht nur im Cantonnement, sondern auch auf Feldwache, vor und nach Gefechten mit Kartenspielen beschäftigt gesehen haben, und im Interesse der Wahrheit bezeugen wir, daß das Spiel beim Soldaten schließlich zur wahren Leidenschaft wurde, weil es fast das einzige Mittel war, ihn die Jämmerlichkeit und Langeweile seines Lebens vergessen zu machen. Einer der Unterzeichner, der früher einen entschiedenen Widerwillen gegen das Kartenspiel hegte, hat es sogar nothgedrungen im Felde erlernt, und wir glauben deshalb, daß diese beiden letzten Punkte der Bemerkung Ihres geehrten Herrn Correspondenten „und es ging auch so“ (d. h. ohne Kartenspiel) jedenfalls den Charakter einer in der ganzen Armee gemachten Erfahrung nehmen dürften.

Mit der Bitte, obige Zellen nicht als müßige Bemerkungen, sondern als aus der Quelle ernster Wahrheitsliebe entsprungen ansehen und den betreffenden Artikel gütigst modificiren zu wollen, zeichnen wir

Hannoverisch Münden, den 18. Februar 1872.

 hochachtungsvoll

W. Martin, hess. Feld-Art.-Reg. Nr. 11, 11. Armeecorps.
H. Paar, 1. hess. Inf.-Reg. Nr. 83, 22. Div.
W. Dettmar, 3. hann. Inf.-Reg. Nr. 79, 10. Corps.
T. Gieße, hess. Füsilierreg. Nr. 80, 21. Div.
K. Roth, 1. bad. Grenadierreg. Nr. 109, 14. Corps.
E. Paulus, 22. Div., 11. Corps.
L. Wellendorf, 8. Div., 4. Corps.
R. Schladitz, 4. M. Jägerbat., 7. Div.
W. Klingemann, 7. westph. G.-Reg. Nr. 56, 10. C., 20. Div.
Studirende der Forstakademie zu Münden.