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Elephantenleben in der Wildniß

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Textdaten
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Autor: Stanislaus von Jezewski
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Titel: Elephantenleben in der Wildniß
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 16–19
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Elephantenleben in der Wildniß.


Als Alexander der Große auf seinem Siegeszuge gegen Indien vordrang, führten die Völker des Südens gegen die griechischen Phalangen riesige Ungeheuer in’s Feld, die auf ihren Rücken Thürme trugen und mit ihren schweren Füßen die Reihen erzgepanzerter Krieger wie Strohhalme niederstampften. Wohl kannten schon damals die Griechen das kostbare Elfenbein und hatten früher von den merkwürdig gestalteten Rüsselthieren gehört, aber erst in der Schlacht von Arbela, wo Darius gegen Alexander fünfzehn Elephanten verwendete, machten sie mit ihnen zum ersten Male nähere Bekanntschaft. Die Barbaren wurden geschlagen, und das griechische Heer erbeutete die feindlichen Kriegselephanten, nach welchen Aristoteles, der gelehrte Begleiter des große Macedoniers, für die europäischen Völker die erste naturgetreue Beschreibung dieses Thieres lieferte. Später spielten in den Kämpfen, welche Rom um die Weltherrschaft mit den Völkern Afrikas und Asiens führte, die Elephanten eine wichtige Rolle, bis die Tapferkeit der Legionen und die Kriegskunst der Consuln über das Erdenrund den endlichen Sieg davontrugen. Von nun an mußten diese klugen Thiere nicht auf Schlachtfeldern, sondern auf dem Sande des römischen Circus mit den Tigern der Wüste auf Leben und Tod kämpfen oder zur Belustigung des Volkes allerlei komische Kunststücke verrichten. So wurden die Europäer mit gezähmten Elephanten wohlvertraut, und noch heute sind diese Dickhäuter in den zoologischen Gärten größerer Städte bevorzugte Lieblinge der Menge.

Wiewohl man aber täglich die Gelegenheit hatte, das kluge Benehmen und die Gutmüthigkeit der Thiere zu beobachten, wurden dennoch über ihre Lebensgewohnheiten in der Wildniß vielfache irrthümliche Vorstellungen im Volke verbreitet, bis zuletzt in diesem Jahrhundert gelehrte Reisende durch glaubwürdige Berichte und fesselnde Beschreibungen einer neuen wahrheitsgemäßen Anschauung zum Siege verhalfen.

Alle Elephanten, sowohl die afrikanischen wie die ostindischen, deren naturgeschichtliche Merkmale unseren Lesern aus den früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“ bekannt sind, leben in Heerden oder Familien, welche unter sich geschlossene Verbände bilden. Die Kopfzahl einer solchen Familie schwankt zwischen zehn bis über fünfhundert. Kirk behauptet sogar, am Sambese einer Heerde von achthundert Stück begegnet zu sein, welche einen über eine englische Meile langen Zug auf ihrem Marsche bildete. In diese natürlichen Verbände werden Thiere aus einer fremden Familie niemals aufgenommen, und Elephanten, welche durch irgend einen Zufall von ihrer Heerde getrennt wurden, müssen ein förmliches Einsiedlerleben führen.

Freilich suchen sie, dem angeborenen Gesellschaftstriebe folgend, sich den Heerden, denen sie begegnen, anzuschließen, aber stets werden sie auf wenig zuvorkommende Weise aus denselben ausgestoßen und weiden dann allein in einer respectablen Entfernung von der Familie. Dieses einsame Leben übt auf ihren Charakter einen merklichen Einfluß. Während die Elephanten im allgemeinen sich

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Elephantenwanderung.
Originalzeichnung von F. Specht.



[18] durch ihre Gutmüthigkeit auszeichnen, Menschen und Thieren friedlich aus dem Wege gehen, sind die einzeln sich umhertreibenden Thiere, von den Indiern Gundâs oder auch Rogues genannt, wegen ihrer Wuth gefürchtet. Auf sie veranstaltet man daher besondere Jagden, und da sie auch in der Gefangenschaft die wilde Natur nicht unterdrücken können, so werden sie ohne Rücksicht niedergeschossen.

Die klugen großen Elephanten huldigen nicht – wie die kleinen fleißigen Ameisen – republikanischen Grundsätzen in der Anordnung ihrer Verbände; sie sind auf der patriarchalisch-monarchischen Entwickelungsstufe stehen geblieben. Nur ist ihre Monarchie nicht erblich, sondern Derjenige unter ihnen darf allein auf die Führerschaft Anspruch erheben, der gerade der klügste von Allen ist. Seine Pflicht ist es nun, für die Sicherheit seiner Untergebenen Sorge zu tragen; er untersucht die Gegend, wählt Weideplätze aus, achtet auf Gefahren. Sein Amt ist ein ununterbrochenes Wittern und Spähen, und nicht eine Reihe von Vergnügungen und Genüssen bringt dieses Amt mit sich, sondern es bildet eine lange Kette mühevoller Arbeiten. Treu ist dafür das Volk seinem Führer ergeben; mit blindem Gehorsam folgt ihm die Heerde, mag er sie retten oder in’s Verderben stürzen. – Und welche Feinheit der Sinne dazu gehören muß, um Elephantenkönig zu sein, das kann nur derjenige begreifen, der es mit eigenen Augen gesehen hat, wie schlau und vorsichtig diese Dickhäuter sind.

So wollen wir auch hier einen Augenzeugen, den Major Skinner, über den Gang der Elephanten zur Tränke berichten lassen, wie er ihn in einer der hellen tropischen Vollmondsnächte, in den Zweigen eines Waldriesen versteckt, beobachtet hatte.

„Endlich,“ schreibt unser Gewährsmann, „schlüpfte, etwa dreihundert Schritte vom Teiche entfernt, ein großer Elephant aus dem dunklen Walde, ging mit höchster Vorsicht beiläufig zweihundert Schritte vor und stand still, um zu lauschen. Er war so ruhig gekommen, daß nicht das leiseste Geräusch gehört werden konnte, und blieb mehrere Minuten stehen, bewegunglos wie ein Felsblock. Dann erst rückte er in drei Absätzen weiter und weiter vor, zwischen jedem Vorrücken mehrere Minuten lang anhaltend und die mächtigen Ohren nach vorwärts öffnend, um auch das leiseste Geräusch aufzufangen. So bewegte er sich langsam bis an das Wasserbecken. Er dachte nicht daran, seinen Durst zu löschen, obgleich er dem Wasser so nahe stand, daß seine gewaltige Gestalt in ihm sich widerspiegelte. Minutenlang verweilte er lauschend, ohne ein Glied zu rühren. Dann drehte er sich vorsichtig und leise um, und ging nach derselben Stelle des Waldes zurück, von woher er gekommen war. Nach einer kleinen Weile zeigte er sich wieder nebst fünf anderen, mit denen er wiederum ebenso vorsichtig, aber weniger lautlos als früher, auf das Wasser losging. Die Fünf wurden als Wächter aufgestellt. Er kehrte in den Wald zurück und erschien nochmals, umgeben von der ganzen aus etwa achtzig bis hundert Stück bestehenden Heerde, und führte diese über die Blöße mit solcher Stille, daß ich trotz der Nähe die Thiere nur sich bewegen sah, nicht aber auch bewegen hörte. In der Mitte der Blöße blieb die Heerde stehen. Der Leitelephant ging von Neuem vor, verkehrte mit den Wächtern, untersuchte Alles, überzeugte sich von der vollständigen Sicherheit, kehrte zurück und gab nun Befehl zum Vorrücken. In demselben Augenblicke stürzte die Heerde gegen das Wasser los und warf sich ohne jede Scheu und ohne an Gefahr zu denken, mit aller Wollust in die Fluthen. Von Schüchternheit und Furchtsamkeit war keine Spur zu bemerken. Alle vertrauten ihrem Führer so vollkommen, daß sie sich um nichts mehr zu kümmern schienen. Nachdem die verschmachteten Thiere den Teich eingenommen hatten, und als auch der letzte, der Leitelephant, eingetreten war, überließen sie sich gleichsam frohlockend der Wonne, ihren Durst zu stillen, sowie der Wohlthat des Badens. Niemals hatte ich solche Menge von thierischem Leben in einem so engen Raume gesehen. Es wollte mir scheinen, als tränken die Elephanten den ganzen Teich trocken. Nur einen kleinen Zweig brauchte ich zu brechen, und die ganze feste Masse kam augenblicklich in Aufruhr und floh dahin, wie eine Heerde aufgescheuchten Wildes in toller Hast und Eile.“

Nicht weniger interessant als die Tränke ist die Mahlzeit dieser Thiere anzusehen und anzuhören. Ueberrascht man sie bei solcher Mahlzeit, während sie sich in Sicherheit wähnen, so bemerkt man, wie sie Zweige von Bäumen brechen, um gemüthlich das frische Laub zu verzehren, mit ihren mächtigen Ohren klatschen, die Erde mit den plumpen Füßen stampfen und schmetternd in die Lüfte brüllen, einen ohrbetäubenden Höllenlärm erzeugend, wie ein anderer Augenzeuge, Heuglin, berichtet.

Ihr Lieblingsfutter bilden frisches Laub und kleinere Baumzweige, wiewohl sie öfters auch armstarke Aeste verschlingen. Seltener verzehren sie saftiges Gras, indem sie ganze Büschel aus der Erde herausreißen und diese alsdann an einen Baumstamm klopfen, um sie von Sand und Erde zu reinigen, bevor sie mit dem Rüssel in das Maul gestopft werden. Von Zeit zu Zeit dringen die Elephanten in Reisfelder ein und – merkwürdig genug! – verschonen sie in der Regel die schwachen Rohrzäune, mit welchen die Indier ihre Felder umgeben, als ob sie diese von der Menschenhand errichteten Grenzen achteten. Schon eine Vogelscheuche reicht übrigens hin, um eine ganze Elephantenheerde von bebauten Feldern fernzuhalten. Das wissen die schlauen Priester des Propheten aus Mekka und verkaufen den Gläubigen Schutzbriefe, welche auf den Feldern ausgehängt werden, und vor denen die „Fihls“, das heißt die afrikanischen Elephanten, eine so heilige Scheu empfinden sollen, daß sie solche „versicherte Aecker“ niemals zu betreten wagen. Unter welchen verschiedenartigen Vorwänden versteht nicht das theokratische Raffinement in allen Ländern und Völkern die gläubige Dummheit dazu zu benutzen, um den leichten Beutel der großen Menge noch leichter zu machen! Wenn die Noth sie dazu zwingt, so kümmern sich die Elephanten freilich herzlich wenig um die Schutzbriefe des gottgesandten Mannes, und plündern die Felder und decken selbst das Dach der im Walde einsam stehenden Negerhütte auf, um nachzusehen, ob in ihr Getreide oder Futter vorhanden ist.

Der griechische Arzt Ktesias, der noch vor der Schlacht bei Arbela in Babylon einen Elephanten gesehen, behauptete, das Thier habe keine Gelenke an den Beinen und könne sich nur schwerfällig und langsam vorwärts bewegen, niemals aber niederlegen. Bald wurde dieser Irrthum widerlegt, aber noch heute haben Viele von der Geschwindigkeit der Elephanten eine falsche Vorstellung. Was würden sie wohl zu der verbürgten Nachricht sagen, daß diese Rüsselthiere, wenn sie einen andern Theil ihres unermeßlichen Weidegebietes aufsuchen, so rasch wandern, „daß sie heute hier, morgen zweihundert Kilometer weiter sein können“? Und bei diesen Märschen, auf welchen sie stets in langen Colonnen geordnet erscheinen, giebt es für sie keine Bodenhindernisse. Sie durchschwimmen Flüsse und Seen, klimmen felsige, steile Höhen hinauf und steigen auf abschüssigen Bahnen in das Thal hinab. Sö wird der Elephant geradezu zum kletternden Thiere.

„An einem Gefangenen, welchen ich pflegte,“ berichtet Brehm in seinem „Thierleben“, „habe ich mit wahrem Vergnügen gesehen, wie geschickt er es anfängt, schroffe Gehänge zu überwinden. Er biegt zunächst sehr klug seine Vorderläufe in den Handgelenken ein, erniedrigt also den Vorderleib und bringt den Schwerpunkt nach vorn; dann rutscht er auf den umgeknickten Beinen vorwärts, während er hinten mit gerade ausgestreckten Beinen geht. Bergauf also fördert die Wanderung ziemlich gut; bergab hat dagegen das schwere Thier selbstverständlich wegen seines ungeheueren Gewichtes größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wollte der Elephant in seiner gewöhnlichen Weise fortgehen, so würde er unbedingt das Gleichgewicht verlieren, nach vorn sich überschlagen und solchen Sturz vielleicht mit seinem Leben bezahlen. Das kluge Geschöpf thut dies jedoch nicht, kniet vielmehr am Rande des Abhanges nieder, sodaß seine Brust auf den Boden zu liegen kommt, und schiebt seine Vorderbeine höchst bedächtig vor sich her, bis sie irgend wieder Halt gewonnen haben, zieht hierauf die Hinterbeine nach und gelangt so, gleitend und rutschend, nach und nach in die Tiefe hinab.“

Mit weniger Mühe bahnt sich die Heerde durch den Urwald ihren Weg. Ruhig und langsam schreitet das leitende Thier an der Spitze der Seinigen; das Unterholz bricht unter seinen schweren dröhnenden Tritten zusammen; Aeste, die den Weg versperren, werden mit dem Rüssel abgeknickt, starke Bäume entwurzelt oder gebrochen. Ein breiter Pfad bleibt hinter der Heerde offen, während sich die schwarze Masse unter dem Krachen der Bäume und dem Dröhnen des Erdbodens unaufhaltsam vorwärts wälzt. So wandert der Riese der Thierwelt durch das undurchdringliche Dickicht des tropischen Urwaldes mit einer majestätischen Gewalt, welche das Wort des Erzählers oder der Pinsel des Künstlers nur in schwacher Nachahmung wiederzugeben vermag. In den Urwäldern des Blauen Nils ziehen sich solche Wege oft meilenlang hin, und dort waren [19] die Elephanten förmliche Straßenbauer, auf deren Spur es dem Afrikareisenden Brehm allein möglich wurde, tief in den „dunklen Welttheil“ einzudringen.

Früher sah man oft phantastische Bilder und las grausenerregende Erzählungen, auf welchen und in welchen Elephanten in tödtlichem Kampfe mit Löwen, Tigern und Leoparden dargestellt wurden. Nach übereinstimmenden Berichten der Reisenden sind alle die Erzählungen von den Kämpfen der Elephanten mit wilden Thieren in das Reich der Fabel zu verweisen. Raubthiere greifen nie Elephanten an, und diese gehen wiederum jedem, selbst dem kleinsten Geschöpfe aus dem Wege. Ihr ärgster Feind ist die Fliege. Daraus erklärt sich auch die Freundschaft, welche die afrikanischen „Fihls“ mit dem Kuhreiher zu schließen pflegen. Oft sitzt ein Dutzend dieser weißen kleinen Vögel auf dem Rücken des schwarzen Kolosses, geschäftig die Falten seiner Haut untersuchend, um dort nach verschiedenen Kerbthieren Jagd zu machen.

Ruht die Heerde am schattigen Platze des Waldes, so bieten vor Allem die spielend munter umherlaufenden Jungen ein anmuthiges Bild der fröhlichen Unschuld. Charakteristisch ist es, daß die Liebe der Mutter zu ihrem Kinde bei diesen sonst doch so gutmüthigen Thieren nicht besonders groß ist, während alle weiblichen Elephanten sich der Jungen mit gleicher Zärtlichkeit annehmen und ohne Rücksicht auf ihre Abstammung allen das Euter bieten.

Ueber das Alter, welches der Elephant in der Wildniß zu erreichen pflegt, lauten die Ansichten verschieden. In der Regel wächst er zwanzig bis vierundzwanzig Jahre, ist aber schon mit sechszehn Jahren fortpflanzungsfähig. Man behauptet zwar, daß einige Elephanten in der Gefangenschaft über hundert Jahre gelebt haben, wiewohl die Erfahrungen, welche die englische Regierung mit ihren gezähmten Thieren gemacht hat, dagegen zu sprechen scheinen; denn von allen diesen Elephanten, über welche genaue Listen geführt wurden, lebte nach zwanzig Jahren nur ein einziger. Dennoch wird es im Allgemeinen angenommen, daß wilde Elephanten das beneidenswerthe Alter von anderthalb Jahrhundert erreichen können. Freilich ist dabei ihre Vermehrung eine äußerst langsame, da das Weibchen zwanzig bis einundzwanzig Monate trägt und gewöhnlich nur ein Junges wirft. Immer enger wird auch das Gebiet, auf dem der Elephant ungestört weiden kann, seine Zucht bringt wenig Nutzen, da zum Ackerbau Pferde und Rinder stets passender sind, während seine glänzenden Stoßzähne, welche das Elfenbein liefern, die beutelustigen Jäger zur Vertilgung der Art anspornen. So hat, wie für den nordischen Auerochsen, auch für den Elephanten die Stunde seines Unterganges geschlagen.

Wohl liefern noch die Jagd und die Zähmung der Elephanten Stoff genug zu unterhaltender und belehrender Erzählung, aber wir schließen hiermit, denn es lag nicht in unserer Absicht, die Qualen des besiegten und durch die Knechtschaft erniedrigten Thieres zu schildern, sondern vor den Augen der Leser ein, wenn auch unvollkommenes Bild seines Treibens in der ungebundenen

Freiheit zu entrollen.