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Elektromagnetische Erscheinungen

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Textdaten
Autor: Hendrik Antoon Lorentz
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Titel: Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Geschwindigkeit bewegt
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aus: Das Relativitätsprinzip. Eine Sammlung von Abhandlungen. S. 6-26
Herausgeber: Otto Blumenthal, Arnold Sommerfeld
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1904, Englisches Original
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: B. G. Teubner
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Erscheinungsort: Leipzig und Berlin
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Originaltitel: Electromagnetic phenomena in a system moving with any velocity smaller than that of light
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: Proceedings of the Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences 6: 809–831
Quelle: Internet Archive, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
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Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Geschwindigkeit bewegt.
Von H. A. Lorentz.[1]


1. Wenn man durch theoretische Betrachtungen den Einfluß zu bestimmen versucht, den eine Translation, wie sie z. B. alle Systeme durch die jährliche Erdbewegung erfahren, auf elektrische und optische Erscheinungen ausüben könnte, so gelangt man in verhältnismäßig einfacher Weise zum Ziel, solange nur solche Größen betrachtet zu werden brauchen, die proportional der ersten Potenz des Verhältnisses der Translationsgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit sind. Fälle, in denen Größen von zweiter Ordnung, also von der Ordnung , wahrnehmbar sein könnten, bieten mehr Schwierigkeiten. Das erste Beispiel dieser Art ist Michelsons wohlbekannter Interferenzversuch, dessen negatives Ergebnis Fitzgerald und mich zu dem Schlusse führte, daß die Dimensionen fester Körper sich infolge ihrer Bewegung durch den Äther ein wenig ändern.

Einige weitere Versuche, in denen eine Wirkung zweiter Ordnung gesucht wurde, sind kürzlich veröffentlicht worden. Einmal haben Rayleigh[2] und Brace[3] untersucht, ob die Erdbewegung einen Körper doppelbrechend macht; man könnte dies zunächst erwarten, wenn man die eben erwähnte Veränderung der Dimensionen annimmt. Beide Physiker kommen jedoch zu einem negativen Ergebnis.

Dann haben sich Trouton und Noble[4] bemüht, ein Drehmoment zu entdecken, das auf einen geladenen Kondensator wirkt, dessen Platten einen Winkel mit der Translationsrichtung bilden. Die Elektronentheorie fordert unzweifelhaft die Existenz eines solchen Drehmoments, wenn man sie nicht durch eine neue Hypothese verändert. Um das einzusehen, genügt es, einen Kondensator mit Äther als Dielektrikum zu betrachten. Es läßt sich zeigen, daß in jedem elektrostatischen mit einer Geschwindigkeit [5] bewegten System eine gewisse „elektromagnetische Bewegungsgröße“ besteht. Wenn wir diese nach Größe und Richtung durch einen Vektor bezeichnen, so bestimmt sich das erwähnte Drehmoment durch das Vektorprodukt[6]

(1)

Wenn nun die -Achse senkrecht zu den Kondensatorplatten gewählt wird, die Geschwindigkeit eine beliebige Richtung hat, und wenn die in üblicher Weise berechnete Energie des Kondensators ist, dann sind die Komponenten von , bis zur 1. Ordnung genau, durch die folgenden Formeln gegeben[7]:

Setzen wir diese Werte in (1) ein, so erhalten wir für die Komponenten des Drehmoments bis zu Größen zweiter Ordnung genau:

Diese Ausdrücke zeigen, daß die Achse des Drehmoments in der Ebene der Platten, senkrecht zur Translation liegt. Wenn der Winkel zwischen der Geschwindigkeit und der Normalen zu den Platten ist, so wird das Drehmoment ; es sucht den Kondensator so zu drehen, daß die Platten sich parallel zur Erdbewegung einstellen.

Beim Apparat von Trouton und Noble saß der Kondensator am Balken einer Torsionswage von genügender Empfindlichkeit, um durch ein Drehmoment der erwähnten Größenordnung abgelenkt zu werden. Es konnte aber nichts derartiges beobachtet werden.

2. Die besprochenen Versuche sind nicht der einzige Grund, weshalb eine neue Behandlung der mit der Bewegung der Erde verbundenen Probleme wünschenswert ist. Poincaré[8] hat gegen die bisherige Theorie der optischen und elektrischen Erscheinungen bewegter Körper eingewandt, daß zur Erklärung des negativen Ergebnisses Michelsons eine neue Hypothese eingeführt werden mußte, und daß dies jedesmal notwendig werden könne, wenn neue Tatsachen bekannt würden. Sicherlich haftet diesem Aufstellen von besonderen Hypothesen für jedes neue Versuchsergebnis etwas Künstliches an. Befriedigender wäre es, konnte man mit Hilfe gewisser grundlegender Annahmen zeigen, daß viele elektromagnetische Vorgänge streng, d. h. ohne irgendwelche Vernachlässigung von Gliedern höherer Ordnung, unabhängig von der Bewegung des Systems sind. Vor einigen Jahren habe ich schon versucht, eine derartige Theorie[9] aufzustellen. Jetzt glaube ich den Gegenstand mit besserem Erfolg behandeln zu können. Die Geschwindigkeit wird nur der einen Beschränkung unterworfen, daß sie kleiner als die des Lichtes sei.

3. Ich gehe aus von den Grundgleichungen der Elektronentheorie.[10] Sei die dielektrische Verschiebung im Äther, die magnetische Kraft, die Volumendichtigkeit der Ladung eines Elektrons, die Geschwindigkeit eines Punktes eines solchen Teilchens und die elektrische Kraft, d. h. die auf die Einheitsladung gerechnete Kraft, die der Äther auf ein Volumenelement eines Elektrons ausübt. Wenn wir ein festes Koordinatensystem benutzen, so ist

(2)

Ich nehme nun an, daß das System sich als ganzes in der Richtung der -Achse mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegt, und bezeichne mit die Geschwindigkeit, die außerdem ein Punkt eines Elektrons haben möge; dann ist

Wenn gleichzeitig die Gleichungen (2) auf Achsen bezogen werden, die sich mit dem System bewegen, so wird:

4. Wir transformieren diese Formeln durch Einführung neuer Veränderlicher. Wir setzen

(3)

und verstehen unter eine weitere Zahlengröße, deren Wert später angegeben werden soll. Als unabhängige Veränderliche nehme ich

(4)
(5)

und definiere zwei neue Vektoren und durch die Formeln

Dafür können wir wegen (3) auch schreiben:

(6)

Der Koeffizient soll eine Funktion von sein, die für den Wert 1 annimmt und für kleine Werte von sich nur um Größen von der zweiten Ordnung von 1 unterscheidet.

Die Veränderliche heiße „Ortszeit“; in der Tat wird sie für , identisch mit dem, was ich früher darunter verstand. Setzen wir schließlich

(7)
(8)
und deuten die letzteren Größen als Komponenten eines neuen Vektors , so nehmen die Gleichungen die folgende Form an:
(9)
(10)

Die Symbole und in (9) entsprechen und in (2), nur müssen die Differentiationen nach , , durch die entsprechenden nach , , ersetzt werden.[11]

5. Die Gleichungen (9) führen zu dem Schluß, daß die Vektoren und sich durch ein skalares Potential und ein vektorielles Potential darstellen lassen.

Diese Potentiale genügen den Gleichungen[12]

(11)
(12)

Die Vektoren und lassen sich folgendermaßen durch sie ausdrücken:

(13)
(14)

Das Symbol ist eine Abkürzung für und bezeichnet einen Vektor, dessen Komponenten sind; der Ausdruck hat eine entsprechende Bedeutung.

Um die Lösungen von (11) und (12) in einfacher Form zu erhalten, nehmen wir , , als Koordinaten eines Punktes in einem Raum und ordnen diesem Punkte für jeden Wert die Werte , , , zu, die zu dem entsprechenden Punkte des elektromagnetischen Systems gehören. Für einen bestimmten Wert der vierten unabhängigen Veränderlichen sind die Potentiale und in dem Punkt des Systems oder in dem entsprechenden Punkt im Räume durch die Gleichungen gegeben[13]:

(15)
(16)

Hierin ist ein Raumelement in , seine Entfernung von , und die Klammem bezeichnen die Größe und den Vektor , so wie sie in dem Element für den Wert der vierten unabhängigen Veränderlichen erscheinen.

Statt (15) und (16) können wir auch unter Berücksichtigung von (4) und (7) schreiben:

(17)
(18)

Dabei sind die Integrationen über das elektromagnetische System selbst zu erstrecken. Es ist wohl zu beachten, daß in diesen Gleichungen nicht die Entfernung zwischen dem Element und dem Punkt bedeutet, für den die Berechnung ausgeführt werden soll. Ist das Element durch den Punkt charakterisiert, so müssen wir setzen

Wenn wir und für den Zeitpunkt bestimmen wollen, für den die Ortszeit in gleich ist, so müssen wir und den Wert geben, den sie im Element bei der Ortszeit des Elementes besitzen.

6. Es genügt für unseren Zweck zwei Sonderfälle zu betrachten, zunächst den eines elektrostatischen Systemes, d. h. eines Systemes, in dem die Translation von der Geschwindigkeit die einzige Bewegung ist. In diesem Falle wird , und folglich wegen (12) . Ferner ist von unabhängig, sodaß sich die Gleichungen (11), (13) und (14) vereinfachen zu

(19)

Nachdem wir durch diese Gleichungen den Vektor bestimmt haben, kennen wir auch die elektrische Kraft, die auf Elektronen des Systems wirkt. Wegen nehmen die Gleichungen (10) für sie die Gestalt an

(20)

Das Ergebnis läßt sich in einfache Form bringen, wenn wir das bewegte System , um das es sich handelt, mit einem ruhenden System vergleichen. Dieses soll aus dadurch hervorgehen, daß wir die Strecken in der Richtung der -Achse mit und die Strecken in der Richtung der - und -Achse mit multiplizieren. Wir wählen für diese Deformation passend das Symbol . In diesem neuen System, das sich in dem obenerwähnten Raume befinden möge, geben wir der Dichte den durch (7) bestimmten Wert , sodaß die Ladungen entsprechender Volumenelemente und entsprechender Elektronen in und gleich sind. Wir erhalten dann die auf die Elektronen des bewegten Systems wirkenden Kräfte, wenn wir zunächst die entsprechenden Kräfte in bestimmen und dann ihre Komponenten in der -Richtung mit und die dazu senkrechten Komponenten mit multiplizieren. Wir drücken dies passend durch die Gleichung aus

(21)

Man bemerke außerdem, daß mit Hilfe des aus (19) berechneten Wertes sich die elektromagnetische Bewegungsgröße im bewegten System, oder vielmehr ihre Komponente in der Bewegungsrichtung, leicht ausdrücken läßt. In der Tat zeigt die Gleichung

daß

Folglich wegen (6), da :

(22)

7. Beim zweiten Sonderfall betrachten wir ein Teilchen mit einem elektrischen Moment, also einen kleinen Raum mit der Gesamtladung , aber solcher Dichteverteilung, daß die Integrale , , von Null verschiedene Werte haben.

Es seien , , die Koordinaten in bezug auf einen festen Punkt des Teilchens — er heiße der Mittelpunkt —, und das elektrische Moment sei definiert als ein Vektor mit den Komponenten

(23)

Dann ist

(24)

Werden , , als unendlich klein betrachtet, so werden natürlich auch , , unendlich klein. Wir vernachlässigen Quadrate und Produkte dieser sechs Größen.

Wir benutzen nun die Gleichung (17) zur Bestimmung des skalaren Potentiales für einen äußeren Punkt in endlicher Entfernung von dem polarisierten Teilchen, für den Augenblick, in dem die Ortszeit dieses Punktes einen bestimmten Wert hat. Dabei geben wir dem Symbol , das sich in (17) auf den Zeitpunkt bezieht, für den die Ortszeit in gleich ist, eine etwas andere Bedeutung. Wir bezeichnen mit den Wert von für den Mittelpunkt und verstehen dann unter den Wert der Dichte am Punkte zu derjenigen Zeit , bei der die Ortszeit von gleich ist.

Man erkennt aus (5), daß dieser Zeitpunkt früher ist als derjenige, auf den sich der Zähler in (17) bezieht, und zwar um

Zeiteinheiten. In diesem letzten Ausdruck können wir für die Differentialquotienten ihre Werte im Punkte einsetzen.

In (17) haben wir nun durch

(25)

zu ersetzen, dabei bezieht sich wieder auf die Zeit . Wenn nun der Wert , für den die Berechnungen ausgeführt werden sollen, gewählt ist, wird diese Zeit eine Funktion der Koordinaten , , des Aufpunktes sein. Der Wert hängt infolgedessen von diesen Koordinaten ab, und man sieht leicht, daß

Deshalb wird (25) gleich

Ferner muß, wenn wir weiterhin mit die oben genannte Größe bezeichnen, der Faktor durch

ersetzt werden, sodaß schließlich im Integral (17) das Element mit

multipliziert wird.

Das ist einfacher als die ursprüngliche Form, weil weder noch die Zeit, für welche die eingeklammerten Größen genommen werden müssen, von , , abhängen. Benutzen wir (23) und bedenken, daß , so erhalten wir

In dieser Gleichung sind alle eingeklammerten Größen für denjenigen Augenblick zu nehmen, für den die Ortszeit des Mittelpunktes des Teilchens gleich ist.

Wir schließen diese Erwägungen mit der Einführung eines neuen Vektors , dessen Komponenten

(26)

sind. Gleichzeitig gehen wir zu , , , als unabhängigen Veränderlichen über. Das Schlußergebnis ist

Die Transformation der Gleichung (18) für das Vektorpotential ist weniger schwierig, weil es den unendlich kleinen Vektor enthält. Unter Berücksichtigung von (8), (24), (26) und (5) findet man

Das von dem polarisierten Teilchen hervorgerufene Feld ist nun völlig bestimmt. Die Gleichung (13) führt auf

(27)

und der Vektor ist durch (14) gegeben. Wir können ferner die Gleichungen (20) statt der ursprünglichen Gleichungen (10) anwenden, wenn wir die Kräfte betrachten wollen, die von dem polarisierten Teilchen auf ein ähnliches, in einiger Entfernung gelegenes ausgeübt werden. In der Tat können beim zweiten Teilchen, wie beim ersten, die Geschwindigkeiten als unendlich klein gelten.

Man bemerke, daß die Gleichungen für ein ruhendes System in den gegebenen Formeln enthalten sind. Für ein solches System werden die Größen mit Akzenten identisch mit den entsprechenden ohne Akzente; außerdem werden und gleich 1. Die Komponenten von (27) sind gleichzeitig die der elektrischen Kraft, die das eine polarisierte Teilchen auf ein anderes ausübt.

8. Bis dahin haben wir nur die Fundamentalgleichungen ohne neue Annahmen benutzt. Ich nehme jetzt an, daß die Elektronen, die ich im Ruhezustand als Kugeln vom Radius ansehe, ihre Dimensionen unter dem Einfluß einer Translation ändern, und zwar sollen die Dimensionen in der Bewegungsrichtung mal und die in den dazu senkrechten Richtungen mal kleiner werden.

Bei dieser Deformation, die durch bezeichnet werden möge, soll jedes Volumenelement seine Ladung behalten.

Unsere Annahme läuft darauf hinaus, daß in einem elektrostatischen System , das sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, alle Elektronen sich zu Ellipsoiden abflachen, deren kleine Achsen in der Bewegungsrichtung liegen. Wenn wir nun, um den Satz des § 6 anwenden zu können, das System der Deformation unterwerfen, haben wir wieder Kugelelektronen vom Radius . Wenn wir ferner die relative Lage der Elektronenmittelpunkte in durch die Deformation ändern und in die so erhaltenen Punkte die Mittelpunkte ruhender kugelförmiger Elektronen legen, so erhalten wir ein System, das mit dem in § 6 besprochenen erdachten System identisch ist. Die Kräfte in diesem System und die in stehen in der Beziehung zueinander, die durch (21) vermittelt wird.

Zweitens nehme ich an, daß die Kräfte zwischen ungeladenen Teilchen, ebenso wie die Kräfte zwischen ungeladenen Teilchen und Elektronen, durch eine Translation in genau derselben Weise wie die elektrischen Kräfte in einem elektrostatischen System beeinflußt werden.

Mit anderen Worten: Wie auch die Natur der Teilchen eines ponderabelen Körpers sei, immer sollen — vorausgesetzt, daß sich die Teilchen nicht gegeneinander bewegen — die in einem ruhenden System und einem bewegten wirkenden Kräfte durch die Beziehung (21) miteinander verbunden sein, wenn, hinsichtlich der gegenseitigen Lage der Teilchen, aus durch die Deformation und also aus durch die Deformation erhalten wird.

Daher muß, wenn für ein Teilchen in die resultierende Kraft verschwindet, das gleiche auch für das entsprechende Teilchen in der Fall sein. Wir vernachlässigen die Wirkungen der Molekularbewegung und nehmen an, daß sich an jedem Teilchen eines festen Körpers die Anziehungen und Abstoßungen, die von der Umgebung auf das Teilchen ausgeübt werden, im Gleichgewicht befinden. Machen wir außerdem noch die Annahme, daß nur eine Gleichgewichtskonfiguration möglich ist, so können wir schließen, daß das System von selbst in das System übergeht, wenn man ihm die Geschwindigkeit erteilt. Mit anderen Worten, die Translation bewirkt die Deformation .

Der Fall der Molekularbewegung wird in § 12 betrachtet.

Man sieht leicht, daß die früher in Verbindung mit Michelsons Versuch gemachte Hypothese in der jetzt ausgesprochenen enthalten ist. Jedoch ist die gegenwärtige Hypothese allgemeiner, weil die einzige Beschränkung der Bewegung die ist, daß ihre Geschwindigkeit kleiner als die des Lichtes sein soll.

9. Wir sind jetzt in der Lage, die elektromagnetische Bewegungsgröße eines einzigen Elektrons zu berechnen. Der Einfachheit halber nehme ich die Ladung als gleichmäßig über die Oberfläche verteilt an, solange das Elektron in Ruhe ist. Dann besteht eine Verteilung derselben Art im System , mit dem wir es in dem letzten Integral von (22) zu tun haben. Folglich wird

und

Man muß beachten, daß das Produkt eine Funktion von ist und daß aus Symmetriegründen der Vektor die Translationsrichtung hat. Bezeichnen wir mit die Geschwindigkeit dieser Bewegung, so haben wir allgemein die Vektorgleichung

(28)

Nun zieht jede Veränderung in der Bewegung eines Systems eine entsprechende Änderung in der elektromagnetischen Bewegungsgröße nach sich und erfordert deshalb eine gewisse Kraft, die der Größe und Richtung nach durch

(29)

gegeben ist.

Die Gleichung (28) läßt sich streng nur auf den Fall einer gleichförmigen geradlinigen Translation anwenden. Wegen dieses Umstandes wird die Theorie rasch wechselnder Bewegungen eines Elektrons sehr schwierig — obgleich (29) immer gilt —, und zwar um so mehr, als die Hypothese in § 8 die Forderung einschließt, daß Größe und Richtung der Deformation sich fortwährend ändern. Es ist sogar kaum wahrscheinlich, daß die Form des Elektrons sich allein aus der Geschwindigkeit im betrachteten Augenblick bestimmt.

Trotzdem erhalten wir bei Annahme hinreichend langsamer Geschwindigkeitsänderung eine genügende Näherung, indem wir (28) für jeden Augenblick benutzen. Die Anwendung von (29) auf eine solche quasi-stationäre Translation, wie sie Abraham[14] genannt hat, ist sehr einfach. Sei in einem bestimmten Augenblick die Beschleunigung in der Bahnrichtung und die dazu senkrechte Beschleunigung. Dann besteht die Kraft aus zwei Komponenten, welche die Richtung dieser Beschleunigungen haben und durch

und

gegeben sind, wenn

(30) und

Folglich verhält sich das Elektron bei Vorgängen, bei welchen eine Beschleunigung in der Bewegungsrichtung auftritt, als ob es die Masse hätte, bei Beschleunigung in einer zur Bewegung senkrechten Richtung, als ob es die Masse besäße. Diese Größen und werden deshalb passend die „longitudinale“ und „transversale“ elektromagnetische Masse genannt. Ich nehme an, daß außerdem keine „wirkliche“ oder „materielle“ Masse besteht.

Da und sich von der Einheit um Größen der Ordnung unterscheiden, finden wir für kleine Geschwindigkeiten

Das ist die Masse, mit der man zu rechnen hat, wenn in einem System ohne Translation die Elektronen kleine Schwingungen ausführen. Wenn dagegen ein Körper, der sich mit der Geschwindigkeit in der -Richtung fortbewegt, Sitz derartiger Elektronenschwingungen ist, müssen wir mit der durch (30) gegebenen Masse rechnen, sobald wir die Schwingungen parallel zur -Achse betrachten; dagegen kommt für Schwingungen parallel zu oder die Masse in Betracht.

Also kurz

(31)

wenn das Zeichen das bewegte, das Zeichen das ruhende System anzeigt.

10. Wir können jetzt dazu übergehen, den Einfluß der Erdbewegung auf optische Erscheinungen in einem System durchsichtiger Körper zu untersuchen. Hierbei richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die veränderlichen elektrischen Momente in den Teilchen oder „Atomen“ des Systems. Wir können auf diese Momente das in § 7 Gesagte anwenden. Der Einfachheit halber nehmen wir an, daß in jedem Teilchen die Ladung in einer gewissen Anzahl getrennter Elektronen konzentriert ist. Ferner sollen die „elastischen“ Kräfte, die an einem dieser Elektronen angreifen und zusammen mit den elektrischen Kräften seine Bewegung bestimmen, ihren Ausgangspunkt innerhalb der Begrenzung desselben Atomes haben.

Ich werde zeigen, daß man jedem in einem ruhenden System möglichen Bewegungszustand einen entsprechenden, gleichfalls möglichen Bewegungszustand in dem mit Translation begabten System zuordnen kann, wobei die Art der Zuordnung sich in folgender Weise charakterisieren läßt.

a) Seien , , , usw. die Mittelpunkte der Teilchen im System ohne Translation. Wir vernachlässigen Molekularbewegungen und nehmen diese Punkte als ruhend an. Das Punktsystem , , , usw., das von den Mittelpunkten der Teilchen im bewegten System gebildet wird, erhält man aus , , , usw. mit Hilfe einer Deformation . Entsprechend dem in § 8 Gesagten nehmen die Mittelpunkte von selbst diese Lagen , , , usw. ein, wenn sie ursprünglich, vor der Translation, die Lagen , , , usw. hatten.

Wir können uns vorstellen, daß jeder Punkt im Raume des Systems durch die erwähnte Deformation in einen bestimmten Punkt von übergeführt wird. Für zwei entsprechende Punkte und definieren wir entsprechende Zeitpunkte; der erste soll zu , der zweite zu gehören. Wir setzen nämlich fest, daß die wahre Zeit im ersten Zeitpunkt gleich der aus (5) für den Punkt bestimmten Ortszeit im zweiten Zeitpunkt sein soll. Unter entsprechenden Zeiten für zwei entsprechende Teilchen verstehen wir sich entsprechende Zeiten für die Mittelpunkte und dieser Teilchen.

b) Was den inneren Zustand der Atome betrifft, so nehmen wir an, daß die Konfiguration eines Teilchens in zu einer gewissen Zeit mit Hilfe der Deformation aus der Konfiguration des entsprechenden Teilchens in für den entsprechenden Zeitpunkt erhalten werde. Soweit diese Annahme sich auf die Form der Elektronen selbst bezieht, ist sie in der ersten Hypothese von § 8 enthalten.

Wenn wir von einem tatsächlich bestehenden Zustand im System ausgehen, haben wir offenbar durch die Festsetzungen a) und b) einen Zustand des bewegten Systems vollständig bestimmt. Doch bleibt die Frage offen, ob dieser Zustand auch ein möglicher ist.

Um das zu entscheiden, bemerken wir zunächst, daß die elektrischen Momente, die nach unserer Annahme im bewegten System auftreten und die wir mit bezeichnen wollen, bestimmte Funktionen der Koordinaten , , der Mittelpunkte der Teilchen (oder, wie wir sagen wollen, der Koordinaten der Teilchen) und der Zeit sind. Die Gleichungen, welche die Beziehungen zwischen einerseits und , , , andererseits ausdrücken, können durch andere Gleichungen ersetzt werden, die den aus (26) bestimmten Vektor und die durch (4) und (5) definierten Größen , , , enthalten.

Wenn nun in einem Teilchen des bewegten Systems, dessen Koordinaten , , sind, zur Zeit oder zur Ortszeit ein elektrisches Moment besteht, so wird nach den Annahmen a) und b) in dem anderen System in einem Teilchen mit den Koordinaten , , und zur wahren Zeit ein Moment bestehen, das gerade durch den durch (26) bestimmten Vektor vorgestellt wird. Man sieht in dieser Weise, daß die Gleichungen zwischen , , , , für beide Systeme dieselben sind, mit dem einzigen Unterschied, daß für das System ohne Translation diese Zeichen das Moment, die Koordinaten und die wahre Zeit bedeuten, während sie für das bewegte System eine andere Bedeutung haben. Denn hier sind , , , , mit dem Moment , den Koordinaten , , und der allgemeinen Zeit durch die Beziehungen (26), (4) und (5) verbunden.

Es ist bereits gesagt, daß Gleichung (27) auf beide Systeme Anwendung findet. Der Vektor ist folglich in und der gleiche unter der Voraussetzung, daß wir immer entsprechende Stellen und Zeiten vergleichen. Doch hat der Vektor nicht in beiden Fällen dieselbe Bedeutung. In stellt er die elektrische Kraft dar, in hängt er mit dieser Kraft durch (20) zusammen. Wir können deshalb schließen, daß die in und auf entsprechende Teilchen zu entsprechenden Zeiten wirkenden elektrischen Kräfte miteinander durch (21) verknüpft sind. Ziehen wir unsere Annahme b) in Verbindung mit der zweiten Hypothese von § 8 heran, so gilt die gleiche Beziehung zwischen den „elastischen“ Kräften. Die Gleichung (21) kann folglich auch als Ausdruck der Beziehung zwischen den an entsprechenden Elektronen zu entsprechenden Zeiten wirkenden Gesamtkräften angesehen werden.

Offenbar ist nun der im bewegten System vorausgesetzte Zustand dann wirklich möglich, wenn in und die Produkte der Masse und der Beschleunigung eines Elektrons zueinander in derselben Beziehung stehen, wie die Kräfte, d. h. wenn

(32)

Nun gilt für die Beschleunigungen

(33)

was sich aus (4) und (5) ableiten läßt. Verbinden wir dieses Ergebnis mit (32), so erhalten wir für die Massen

Ein Vergleich mit (31) zeigt, daß für beliebige Werte von diese Bedingung immer befriedigt ist hinsichtlich der Massen, mit welchen wir bei den zu der Translationsrichtung senkrechten Schwingungen zu rechnen haben. Wir haben also nur der einzigen Bedingung zu unterwerfen:

Wegen (3) ist aber

sodaß

Der Wert der Konstanten muß 1 sein, weil wir schon wissen, daß für wird.

Wir werden also zu der Annahme geführt, daß der Einfluß einer Translation auf Größe und Gestalt (eines einzelnen Elektrons und eines ponderablen Körpers als Ganzen) auf die Dimensionen in der Bewegungsrichtung beschränkt bleibt, und zwar werden diese -mal kleiner als im Ruhezustand. Nehmen wir diese Hypothese zu den bereits gemachten hinzu, so sind wir sicher, daß zwei Zustände möglich sind, der eine im bewegten System, der andere im gleichen ruhenden System, die sich in der früher gekennzeichneten Weise entsprechen. Übrigens ist dieses Entsprechen nicht auf die elektrischen Momente der Teilchen beschränkt. In entsprechenden Punkten, die entweder im Äther zwischen den Teilchen oder in dem die ponderablen Körper umgebenden Äther liegen, finden wir für entsprechende Zeiten denselben Vektor und, wie man leicht zeigt, denselben Vektor . Zusammenfassend können wir sagen: Wenn in dem System ohne Translation ein Bewegungszustand auftritt, für den an einem bestimmten Orte die Komponenten von , und gewisse Funktionen der Zeit sind, dann kann im gleichen System, nachdem es in Bewegung gesetzt (und folglich deformiert) ist, ein Bewegungszustand auftreten, bei dem an dem entsprechenden Orte die Komponenten von , und dieselben Funktionen der Ortszeit sind.

Nur ein Punkt fordert noch genauere Erwägung. Da die Werte der Massen und aus der Theorie der quasi-stationären Bewegung abgeleitet sind, so erhebt sich die Frage, ob wir mit ihnen bei den schnellen Schwingungen des Lichtes rechnen dürfen. Nun findet man bei genauerer Betrachtung, daß die Bewegung eines Elektrons als quasi-stationär behandelt werden kann, wenn sie sich nur um wenig ändert während der Zeit, in der sich eine Lichtwelle um eine Strecke von der Länge des Durchmessers fortbewegt. Das trifft bei optischen Erscheinungen zu, weil der Durchmesser im Vergleich zur Wellenlänge außerordentlich klein ist.

11. Man sieht leicht, daß die vorgetragene Theorie eine große Zahl von Tatsachen erklärt.

Betrachten wir zunächst ein System ohne Translation, für das in einigen Teilen ständig ist. Dann haben wir im entsprechenden Zustand des bewegten Systems in entsprechenden Teilen (oder, wie wir sagen können, in den gleichen Teilen des deformierten Systems) , , . Da diese Gleichungen , , nach sich ziehen, wie man aus (26) und (6) erkennt, bleiben offenbar alle Teile, die dunkel waren, als das System ruhte, auch dunkel, nachdem es bewegt wurde. Es ist deshalb unmöglich, einen Einfluß der Erdbewegung auf irgend welche optischen, mit einer terrestrischen Lichtquelle gemachten Versuche zu entdecken, bei welchen es sich um die Beobachtung der geometrischen Verteilung von Licht und Dunkelheit handelt. Viele Interferenz- und Beugungsversuche gehören hierher.

Wenn zweitens in zwei Punkten eines Systems Lichtstrahlen von gleichem Polarisationszustande sich in der gleichen Richtung fortpflanzen, so läßt sich zeigen, daß das Verhältnis zwischen den Amplituden in diesen Punkten durch eine Translation nicht geändert wird. Diese Bemerkung findet auf solche Versuche Anwendung, bei denen die Intensitäten in benachbarten Teilen des Gesichtsfeldes verglichen werden.

Die eben gemachten Schlüsse bestätigen frühere Ergebnisse, die aber durch Überlegungen erhalten waren, bei denen Größen zweiter Ordnung vernachlässigt wurden. Sie enthalten auch eine Erklärung von Michelsons negativem Ergebnis, und zwar allgemeiner als die früher gegebene und der Form nach etwas von ihr verschieden. Sie zeigen ferner, warum Rayleigh und Brace keine Anzeichen einer durch die Erdbewegung hervorgerufenen Doppelbrechung beobachten konnten.

Das negative Resultat der Versuche von Trouton und Noble wird sofort klar, wenn wir die Hypothesen des § 8 heranziehen. Aus ihnen und aus unserer letzten Annahme (§ 10) läßt sich schließen, daß die Translation nichts anderes bewirkt als eine Kontraktion des ganzen Systems der Elektronen und der anderen Teilchen, aus denen sich der geladene Kondensator, der Balken und der Faden der Drehwage zusammensetzen. Eine solche Kontraktion gibt aber keinen Anlaß zu einer merkbaren Richtungsänderung.

Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß ich diese Theorie mit allem Vorbehalt gebe. Obgleich sie nach meiner Meinung allen gut verbürgten Tatsachen gerecht wird, führt sie zu einigen Folgerungen, die sich noch nicht durch den Versuch stützen lassen. Z. B. folgt aus der Theorie, daß das Ergebnis des Michelson-Versuches negativ bleiben muß, wenn man die interferierenden Lichtstrahlen durch einen ponderablen durchsichtigen Körper hindurchgehen läßt.

Von vornherein kann man von unserer Hypothese über die Kontraktion der Elektronen weder sagen, daß sie plausibel noch daß sie unzulässig ist. Was wir über die Natur der Elektronen wissen, ist sehr wenig, und das einzige Mittel, um vorwärts zu kommen, besteht darin, solche Hypothesen zu prüfen, wie ich sie hier gemacht habe. Natürlich ergeben sich Schwierigkeiten, z. B. sobald wir die Rotation der Elektronen betrachten. Vielleicht werden wir annehmen müssen, daß bei Erscheinungen, bei denen im ruhenden System kugelförmige Elektronen um einen Durchmesser rotieren, die einzelnen Punkte der Elektronen im bewegten System elliptische Bahnen beschreiben, die in der § 10 angegebenen Weise den Kreisbahnen des Ruhefalles entsprechen.

12. Wir müssen noch einige Worte über die Molekularbewegung sagen. Wir können uns denken, daß auch Körper, bei denen sie einen merklichen oder gar überwiegenden Einfluß hat, denselben Deformationen unterworfen sind, wie die Systeme mit konstanter relativer Lage der Teilchen, von denen wir bisher gesprochen haben. In der Tat können wir uns in zwei Molekularsystemen und , von denen nur das zweite eine Translation hat, einander derart entsprechende Molekularbewegungen denken, daß, wenn ein Teilchen in eine bestimmte Lage zu einer bestimmten Zeit hat, ein Teilchen in zur entsprechenden Zeit die entsprechende Lage annimmt. Stellen wir uns dies vor, so können wir die Beziehung (33) zwischen den Beschleunigungen in allen den Fällen benutzen, für welche die Geschwindigkeit der Molekularbewegung sehr klein im Verhältnis zu ist. In diesen Fällen können die Molekularkräfte durch die relative Lage als bestimmt gelten, unabhängig von den Geschwindigkeiten der Molekularbewegung. Wenn wir uns endlich diese Kräfte auf so kleine Entfernungen beschränkt denken, daß für aufeinander wirkende Teilchen die Differenz der Ortszeiten vernachlässigt werden kann, so bildet ein Teilchen zusammen mit denen, die in seinem Anziehungs- oder Abstoßungsbereich liegen, ein System, das die oft erwähnte Deformation erleidet. Wegen der zweiten Hypothese des § 8 können wir deshalb Gleichung (21) auf die an dem Teilchen angreifende resultierende Molekularkraft anwenden. Folglich wird die richtige Beziehung zwischen den Kräften und den Beschleunigungen in beiden Fällen bestehen, wenn wir annehmen, daß die Massen aller Teilchen durch eine Translation in demselben Grade beeinflußt werden wie die electromagnetischen Massen der Elektronen.

13. Die Werte (30), die ich für die longitudinale und transversale Masse eines Elektrons als Funktionen der Geschwindigkeit gefunden habe, stimmen nicht mit den früher von Abraham erhaltenen überein. Der Grund ist allein darin zu suchen, daß in Abrahams Theorie die Elektronen als Kugeln von unveränderlichen Dimensionen behandelt werden. Nun sind Abrahams Ergebnisse, was die transversale Masse angeht, in bemerkenswerter Weise durch Kaufmanns Messungen der Ablenkung von Radiumstrahlen im elektrischen und magnetischen Felde bestätigt worden. Wenn ich nicht einen sehr ernsten Einwand gegen meine Theorie bestehen lassen will, muß ich zeigen können, daß diese Messungen mit meinen Werten nicht weniger gut als mit den Abrahamschen übereinstimmen.

Ich bespreche zunächst zwei Meßreihen, die Kaufmann[15] im Jahre 1902 veröffentlicht hat. Aus jeder Reihe hat er zwei Größen und , die „reduzierten“ elektrischen und magnetischen Abweichungen abgeleitet, die mit dem Verhältnis wie folgt zusammenhängen:

(34)

Die Funktion hat einen solchen Wert, daß die transversale Masse gleich

(35)

wird; und sind für jede Reihe Konstante.

Aus der zweiten Gleichung (30) geht hervor, daß meine Theorie auch zu einer Gleichung der Form (35) führt; es muß nur Abrahams Funktion durch

ersetzt werden.

Meine Theorie verlangt also, daß nach Einsetzung dieses Wertes für in (34) diese Gleichungen noch gelten. Natürlich dürfen wir, um eine gute Übereinstimmung zu erhalten, und andere Werte erteilen als Kaufmann; ferner dürfen wir für jede Messung einen geeigneten Wert der Geschwindigkeit oder des Verhältnisses annehmen. Schreiben wir für die neuen Werte , und , so können wir (34) in der Form ansetzen

(36)

und

(37)

Um seine Gleichungen zu prüfen, wählte Kaufmann einen solchen Wert für , daß, wenn er damit und aus (34) berechnete, die für die letztere Zahl gefundenen Werte in jeder Reihe möglichst genau konstant blieben. Diese Konstanz war der Beweis für genügende Übereinstimmung.

Ich habe ein ähnliches Verfahren angewandt, wobei ich mich einiger der von Kaufmann berechneten Zahlen bedienen konnte. Ich habe für jede Messung den Wert des Ausdrucks

(38)

berechnet, den man erhält, wenn man (37) mit der zweiten Gleichung (34) kombiniert. Die Werte für und sind den Kaufmannschen Tabellen entnommen, und für habe ich den von ihm gefundenen Wert mit multipliziert genommen. Den Koeffizienten wählte ich dabei in der Weise, daß für die Größe (38) eine gute Konstanz erzielt wurde. Die Ergebnisse finden sich in den folgenden Tabellen, die den Tabellen III und IV in Kaufmanns Arbeit entsprechen.

III.     
0,8510
0,7660
0,7270
0,6615
0,6075
2,147
1,860
1,780
1,660
1,595
1,721
1,736
1,725
1,727
1,655
0,794
0,715
0,678
0,617
0,567
2.246
2,258
2,256
2,256
2,175


IV.     
0,963
0,949
0,933
0,883
0,860
0,830
0,801
0,777
0,752
0,732
3,230
2,860
2,730
2,310
2,195
2,060
1,960
1,890
1,830
1,785
8,12
7,99
7,46
8,32
8,09
8,13
8,13
8,04
8,02
7,97
0,919
0,905
0,890
0,842
0,820
0,792
0,764
0,741
0,717
0,698
10,36
09,70
09,28
10,36
10,15
10,23
10,28
10,20
10,22
10,18

Wie man sieht, ist die Konstanz von nicht weniger befriedigend als die von , umsomehr als in jedem Fall nur aus zwei Messungen bestimmt worden ist. Der Koeffizient ist so gewählt worden, daß für die zwei Beobachtungen, die in Tabelle III an erster und vorletzter Stelle und in Tabelle IV an erster und letzter Stelle stehen, die Werte von denen von proportional werden.

Ich betrachte jetzt zwei einer späteren Veröffentlichung Kaufmanns[16] entnommene Meßreihen, die von Runge[17] nach der Methode der kleinsten Quadrate durchgerechnet worden sind. Dabei sind die Koeffizienten und so bestimmt worden, daß die für jedes beobachtete aus Kaufmanns Gleichungen (34) berechneten Werte von möglichst gut mit den beobachteten Werten von übereinstimmen.

Ich habe aus derselben Bedingung und gleichfalls nach der Methode der kleinsten Quadrate die Koeffizienten und der Gleichung

bestimmt, die aus meinen Gleichungen (36) und (37) abgeleitet werden kann. Wenn ich und kenne, finde ich für jede Messung mit Hilfe der Beziehung

Für zwei Platten, auf denen Kaufmann die elektrische und magnetische Ablenkung gemessen hat, sind die Ergebnisse die folgenden, wobei die Abweichungen in Zentimetern angegeben sind.

Platte Nr. 15.     
beobachtet berechnet
von R.
Diff. berechnet
von L.
Diff. berechnet von
R. L.
0,1495
0.1990
0,2475
0,2960
0,3435
0,3910
0,4370
0,4825
0,5265
0,0388
0,0548
0,0716
0,0896
0,1080
0,1290
0,1524
0,1788
0,2033
0,0404
0,0550
0,0710
0,0887
0,1081
0,1297
0,1527
0,1777
0.2039
— 16
02
+ 0 6
+ 0 9
01
07
03
+ 011
06
0,0400
0,0552
0,0715
0,0895
0,1090
0,1305
0,1532
0,1777
0,2033
— 12
04
+ 0 1
+ 0 1
— 10
— 15
08
+ 011
0 0 0
0,987
0,964
0,930
0,889
0,847
0,804
0,763
0,724
0,688
0,951
0,918
0,881
0,842
0,803
0,763
0,727
0,692
0,660
Platte Nr. 19.     
beobachtet berechnet
von R.
Diff. berechnet
von L.
Diff. berechnet von
R. L.
0,1495
0,1990
0,2470
0,2960
0,3435
0,3910
0,4370
0,4825
0,5265
0,0404
0,0529
0,0678
0,0834
0,1019
0,1219
0,1429
0,1660
0,1916
0,0388
0,0527
0,0675
0,0842
0,1022
0,1222
0,1434
0,1665
0,1906
+ 016
+ 0 2
+ 0 3
08
03
03
05
05
+ 010
0,0379
0,0522
0,0674
0,0844
0,1026
0,1226
0,1437
0,1664
0,1902
+ 025
+ 0 7
+ 0 4
— 10
07
07
08
04
+ 014
0,990
0,969
0,939
0,902
0,862
0,822
0,782
0,744
0,709
0,954
0,923
0,888
0,849
0,811
0,773
0,736
0,702
0,671


Ich habe keine Zeit gefunden, die übrigen Tabellen in Kaufmanns Arbeit durchzurechnen. Da sie, ebenso wie die Tabelle für Platte 15, mit einer ziemlich großen negativen Differenz zwischen den aus den Beobachtungen abgeleiteten und den von Runge berechneten Werten anfangen, können wir eine genügende Übereinstimmung mit meinen Formeln erwarten.


  1. Deutsche Übersetzung der in englischer Sprache erschienenen Abhandlung: Electromagnetic phenomena in a system moving with any velocity smaller than that of light. (Proceedings Acad. Sc. Amsterdam 6 (1904) S. 809.)
  2. Rayleigh, Phil. Mag. (6) 4 (1902) S. 678.
  3. Brace, Phil. Mag. (6) 7 (1904) S. 317.
  4. Trouton und Noble, London R. Soc. Trans. A 202 (1903) S. 165.
  5. Ein Vektor wird durch einen deutschen Buchstaben bezeichnet, seine Größe durch den entsprechenden lateinischen.
  6. Vgl. meinen Artikel: „Weiterbildung der Maxwellschen Theorie. Elektronentheorie“ in der Mathematischen Encyklopädie V 14, § 21a. (Dieser Artikel wird zitiert mit M. E.)
  7. M. E. § 56c.
  8. Poincaré, Rapports du Congrès de physique de 1900, Paris, 1 S. 22, 23.
  9. Lorentz, Zittingsverslag Akad. Wet. 7 (1899) S. 507; Amsterdam Proc. 1898—99 S. 427.
  10. M. E. § 2.
  11. Man wird bemerken, daß ich in dieser Abhandlung die Transformationsgleichungen der Einsteinschen Relativitätstheorie nicht ganz erreicht habe. Weder die Gleichung (7) noch die Formeln (8) haben die von Einstein angegebene Gestalt, und infolgedessen ist es mir nicht gelungen, das Glied in der ersten Gleichung (9) zum Verschwinden zu bringen und so die Formeln (9) genau auf die für ein ruhendes System geltende Gestalt zu bringen. Mit diesem Umstande hängt das Unbeholfene mancher weiteren Betrachtungen in dieser Arbeit zusammen.
    Es ist das Verdienst Einsteins, das Relativitätsprinzip zuerst als allgemeines, streng und genau geltendes Gesetz ausgesprochen zu haben.
    Ich füge noch die Bemerkung hinzu, daß Voigt bereits im Jahre 1887 (Göttinger Nachrichten S. 41) in einer Arbeit „Über das Dopplersche Prinzip“ auf Gleichungen von der Form
    eine Transformation angewandt hat, welche der in den Gleichungen (4) und (5) meiner Arbeit enthaltenen äquivalent ist. (Anmerkung von H. A. Lorentz, 1912.)
  12. M. E. §§ 4 und 10.
  13. M. E. §§ 6 und 10.
  14. Abraham, Ann. Phys. 10 (1903) S. 105.
  15. Kaufmann, Phys. Zeitschr. 4 (1902) S. 55.
  16. Kaufmann, Gött. Nachr., Math.-phys. Klasse 1903 S. 90.
  17. Runge, ebendort S. 326.