| 10. Stunde
am Donnerstag, den 11. Oktober, Nachmittags.
Lied 559. Psalm 96. Kollekte 226, 55.
Die Zukunft der Kirche der Reformation.
Die Betrachtung der Reformation der Kirche hat uns zur Kirche der Reformation geführt. Die Reformation wäre nicht die richtige, keine kraftvolle Reformation gewesen, wenn sie nicht zu einer Kirche der Reformation geführt hätte. Es gab nur zwei Möglichkeiten, die eine, daß die ganze Kirche, die ganze Christenheit, das Zeugnis der Wahrheit annahm und sich auf eine höhere Stufe der Erkenntnis emporheben ließ. Wie herrlich wäre das gewesen, man möchte fast sagen, zu schön für diese Welt. Aber wenn und weil das nicht so kam, weil nicht die ganze Kirche das Zeugnis annahm, weil insbesondere der Papst ihm widerstrebte, so blieb nichts anderes übrig als daß eben eine sonderliche Kirche der Reformation erstand. Wir sind nicht so fanatisch und anmaßend, daß wir sagen wollten: unsere Kirche, die Kirche der Reformation, sei die Kirche schlechthin. Der Römischen und zum Teil der Reformierten Kirche müssen wir ernstlich den Vorwurf der Intoleranz machen, der Unduldsamkeit. Die Römische Kirche insbesondere erklärt sich für allein seligmachend und der Papst erhebt den Anspruch, daß alle Christen ihm angehören, und daß er berechtigt sei, sie unter Umständen mit Gewalt unter seine Herrschaft zurückzuführen. Der Reformierten Kirche kann wenigstens der Vorwurf nicht erspart werden, daß sie da, wo sie sich ausgestalten konnte wie sie wollte, etwa in Zürich und Genf, mit ihrem Gottesstaat, den sie in alttestamentlicher Weise begründen wollte, auf eine falsche Bahn sich führen ließ, so daß sie auch Zwang in Glaubenssachen gebrauchte, wie zumal von Calvin schon erwähnt worden ist. Unsere Kirche ist auch nach dieser Seite hin zwar nicht ohne allen Flecken und Makel; doch im ganzen hat sie stets als duldsame Kirche sich gezeigt. Die Duldsamkeit liegt in ihrem Grundsatz, ihrer richtigen Erkenntnis desen, was die Kirche ist. Wenn die Kirche sichtbar ist durch Wort und Sakrament, so ist die Kirche eben überall noch vorhanden, wo irgend Wort und Sakrament noch gebraucht werden. Und so vermögen wir die andern Kirchen durchaus als christliche Kirchen anzuerkennen, nur das nehmen wir in Anspruch, daß unter den verschiedenen Konfessionen unsere Kirche die sei, die das Wort Gottes rein und lauter lehrt und die Sakramente nach Christi Einsetzung verwaltet. Unsere Kirche hätte sich am liebsten keine Sonderbenennung gegeben, sich am liebsten die „christliche“ oder wenigstens die „evangelische“ Kirche genannt. Da aber andere auch auf diese Benennung Anspruch erhoben, war
| unsere Kirche genötigt, eine menschliche Benennung sich beizulegen und so nennt sie sich, nachdem Gott die erneuerte Kirche durch Luthers Zeugnis erstehen ließ, die „lutherische Kirche“ oder „Kirche Augsburgischen Bekenntnisses“. Aber sie ist die Kirche der Reformation und als solche schließt sie die Vergangenheit der Kirche ein, wie wir durchweg gesehen haben. Man kann in gewissem Sinn sagen: sie schließt die bisherige Lehrentwicklung ab. Wenn wir auch nicht leugnen wollen, daß manche Lehrpunkte in der Reformationszeit noch nicht zur völligen Klärung gelangt sind, so werden wir andererseits sagen müssen, wenn auch die Kirche tiefer in das Verständnis der Schrift eingedrungen ist durch Schriftforschung und die sonstige Arbeit der theologischen Wissenschaft, hinsichtlich der eigentlichen Heilserkenntnis hat sie seit Abschluß des Bekenntnisses keinen wesentlichen Schritt vorwärts getan.
Aus der Vergangenheit der Kirche müssen wir ihre Gegenwart verstehen. Wenn die Kirche der Reformation sich als Landeskirche gestaltet hat, kann das sehr verfehlt erscheinen und Kritik ist auch da sehr billig. Gewiß ist es ein sonderbarer Umstand, daß in unserm Land der katholische König der oberste Bischof der evangelischen Landeskirche ist, aber dieser Umstand will aus der Vergangenheit, aus der Geschichte, verstanden sein. Dieser Nachweis wurde ja auch von uns geliefert. Wer die Vergangenheit der Kirche recht kennt, beurteilt die Gegenwart derselben richtig und wer aus der Vergangenheit die Gegenwart erkennt, wird auch über die Zukunft der Kirche ein Urteil sich bilden können. Schon der weltliche Dichter tut den merkwürdigen Ausspruch: „Liegt dir Gestern klar und offen, wirkst du heute kräftig, frei, kannst auch ein Morgen hoffen, hoffen daß es glücklich sei.“ Das ist geredet nach menschlicher Weisheit. Auf das Gebiet der Kirche übertragen ist es durchaus richtig, daß man durch die Kenntnis der Vergangenheit das rechte Verständnis für die Gegenwart und durch das Verständnis der Gegenwart die richtige Beurteilung der Zukunft gewinnt.
Wir reden
von der Zukunft der Kirche der Reformation
und zwar
- 1. von der Zukunft der Kirche, soweit sie sich aus der Gegenwart erkennen läßt,
- 2. von den uns lutherischen Christen damit gestellten Aufgaben,
- 3. vom Ausgang der Kirche, wie er sich im prophetischen Wort darstellt,
- 4. von der Aufgabe, welche damit denen gestellt ist, welche auf die Erscheinung des Herrn warten.
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Als Martin Luther seine Augen schloß in Eisleben, wo er geboren war, am 18. Februar 1546, einem Donnerstag früh zwischen 2 und 3 Uhr, da galt eines seiner letzten Worte noch der Sorge für die Kirche. Er erinnerte daran, daß der Papst das Evangelium noch immer stark anfechte. Er pries Gott dafür, daß er ihm seinen Sohn geoffenbart habe, den er geliebt, gelobt und für den er gezeugt habe. Nach Luthers Tod folgten dann auch, wie wir schon sagten, zunächst schwere Zeiten für die Kirche der Reformation, doch traten auch wieder bessere Zeiten ein, als das Bekenntnis durch die Konkordienformel und das Konkordienbuch zum Abschluß gelangt war. Eine stattliche Anzahl von Reichsstädten, Fürsten und Theologen hatten sich zu demselben bekannt und während der Regierungszeit Max
II. sind neun Zehntel Deutschlands dem Evangelium zugetan gewesen. Das ganze Bamberger und fast das ganze Würzburger Bistum war tatsächlich evangelisch. Steiermark, Kärnten waren evangelische Länder. Noch im Jahre 1599 traf es sich, daß als der der Erzherzog Ferdinand unseligen Angedenkens (der Urheber des 30jährigen Krieges) in Graz in Steiermark weilte, er ganz allein das Abendmahl nach katholischer Form suchte, während alle anderen es nach evangelischer empfingen. Freilich war damals in mancher Hinsicht schon der Höhepunkt überschritten. Wir sprachen gestern von der sogen.
katholischen Restauration im Zusammenhang mit der inneren Kräftigung, die der Katholizismus durch Nachwirkungen der Reformation in sich selbst erfahren hat. Es begannen die päpstlich gesinnten Landesfürsten, von ihrem Recht Gebrauch machend, die schon eingeführte Reformation wieder abzuschaffen. Seit 1584 regierte in Würzburg der Bischof Julius Echter, der zuerst gedacht hatte, aus seinem Bistum ein weltliches Fürstentum im Anschluß an die Reformation zu gestalten. Dann aber als er sehen mußte, daß ihm das nicht gelingen konnte (nach Vorgang Kölns), ist er einer der gewaltsamsten Gegen-Reformatoren geworden und hat unsere unterfränkischen Landesteile mit Gewalt zum Katholizismus zurückgeführt. Im Jahre 1609 wurde die evangelische Reichsstadt Donauwörth durch Maximilian von Bayern zur katholischen Kirche gezwungen. Im Jahre 1613 trat der Erbprinz Wolfgang Philipp von Pfalz-Neuburg zur katholischen Kirche über. Sein treu lutherischer Vater Philipp Ludwig, der das Jahr darauf starb, sagte sterbend zu seiner Umgebung: „Mir geht es nun gut, euch aber sehr übel.“ Der ganze Landstrich in der Mitte Bayerns von der württembergischen Grenze bis zur Grenze Böhmens ist damals evangelisch gewesen und wieder dem Katholizismus zugeführt worden. Im 30jährigen Krieg wurde zwar Religionsfreiheit für die evangelischen Reichsstände erkämpft, aber freilich Fortschritte hat das Evangelium nicht mehr machen können, nur Rückschritte. Nur vorübergehend konnte Gustav
| Adolf im Dom zu Würzburg und in dem zu Augsburg evangelisch predigen lassen. Oesterreich war vom 30 jährigen Kriege an aus der Reihe der evangelischen Länder gestrichen.
Das war die eine Gefahr. Eine weitere Gefahr drohte durch das Eindringen der Reformierten. In Kursachsen wurde ein Versuch gemacht, bei dem besonders Melanchthons Schwiegersohn, der kurfürstliche Leibarzt Dr. Kaspar Peucer, beteiligt gewesen ist, den reformierten Lehrbegriff durch gefälschte Katechismen und auf andere Weise einzuschmuggeln. Die Rheinpfalz hat am traurigsten unter dem Recht des Landesherrn über die Konfession der Untertanen zu bestimmen leiden müssen. Kurfürst Ottheinrich, der den bekannten Bau in Heidelberg errichtete, war lutherisch, sein Nachfolger Friedrich III. reformiert, desen Nachfolger Ludwig VI. wieder lutherisch, darnach Johann Kasimir wieder reformiert; nur wenige lutherische Gemeinden im Lande hielten sich. In Anhalt, in Bremen, in Lippe, in Hessen (dem ehemal. Kurhessen) wurden die Landesherren reformiert und suchten ihre Untertanen zu ihrem Glauben herüberzuführen.
Einschneidend war der Uebertritt des Kurfürsten Sigismund von Brandenburg im Jahre 1613 zur reformierten Kirche. Daran knüpfen sich die weiteren Verluste unserer Kirche an durch die freilich erst zweihundert Jahre später ins Leben getretene
Einführung der Union. Ich sagte schon, daß durch sie unsere Kirche in Deutschland um die größere Hälfte ihres Bestandes gebracht worden ist. Der gegenwärtige Bestand der lutherischen Kirche in der ganzen Welt kann höchstens auf 30 Millionen veranschlagt werden. Die größte lutherische Landeskirche, die es gibt, ist die Schwedens, 4 Millionen umfassend, die nordischen Länder zusammen 8 Millionen. In Deutschland etwa 12 Millionen, worunter die königl. sächsische Landeskirche mit 3
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2 Millionen die größte ist; in Oesterreich 1
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2 Millionen, in Rußland mit Finnland 2 Millionen, in Amerika 1
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2 Millionen, in weiteren Weltteilen nur kleinere Missions- oder Diaspora-Gemeinden. Man schätzt den Bestand der Menschheit auf 1500 Millionen, wovon 500 Millionen Christen sind, nämlich 200 Millionen römisch-katholische, 195 protestantische, 105 griechisch-katholische. Nur auf 30 Millionen kann man die Zahl der lutherischen Kirche schätzen, eine kleine Zahl und diese Zahl kann nicht einmal als gesicherter Bestand angesehen werden. Wir schätzen die Zahl der Lutheraner in Deutschland auf 12 Millionen. Darunter befinden sich aber Länder, die nur dem Namen nach lutherisch sind wie die thüringischen Staaten, Sachsen-Weimar, Coburg, in denen tatsächlich der Unglaube regiert. Die württembergische Landeskirche ist rechtlich zweifellos der ungeänderten Augsburischen Konfession zugehörig und die Spendeformel beim heiligen Abendmahl ist durchaus die lutherische; sonst trägt die Kirche unseres
| Nachbarlandes ziemlich unierten Charakter, zumal durch die enge Verbindung mit der Basler Mission. Die Union führt sich in der Gegenwart wie von selbst ein durch die große Mischung der Bevölkerung. Und wie werden in dieser Hinsicht die Folgen des gegen Krieges sein? Vielleicht hat er zunächst ein Aufhalten gewirkt, denn was ohne den Krieg das Jahr 1917 gebracht hätte, wissen wir nicht. Die Sorge treuer Lutheraner war groß, daß nachdem der 31. Oktober 1817 den Anfang der Union bezeichnet, der 31. Oktober 1917 einen weiteren Schritt vorwärts auf dem Gebiet der Durchführung der Union bringen möchte. Der Wille dazu ist ohne Zweifel vorhanden gewesen. Wenn der Krieg uns darin eine Bewahrung gebracht haben sollte, so werden wir fürchten müssen, daß er auf einer anderen Seite mehrfach der Union den Weg bereiten kann. Es war in diesem Krieg und ist in einem solchen Krieg nicht möglich, reine Sakramentsverwaltung festzuhalten. Selbst unsere Schwestern sind da und dort genötigt oder wenigstens veranlaßt gewesen, auch an einer Sakramentsfeier von seiten der unierten Militärgeistlichkeit teilzunehmen, obwohl sie sich möglichst deselben zu enthalten angewiesen und gewillt waren. Noch weniger vermochten die Feldgeistlichen Unterschiede zu machen. Nur separierte Lutheraner aus Preußen haben in großer Treue ihre eigenen lutherischen Soldaten aufgesucht. Aber auch sie haben in richtiger Beurteilung der Sachlage im einzelnen Fällen landeskirchlich unierte Lutheraner, wenn sie das Bekenntnis vom Abendmahl teilten angenommen; schweigen doch – wie schon die Römer sagten – während des Krieges die Gesetze.
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Aber noch ein anderer Punkt ist es, der uns in der Gegenwart im Blick auf die Zukunft noch bedenklicher macht, das ist das
Eindringen der modernen Richtung. Als ich vor 45 Jahren in den Dienst der bayerischen Landeskirche eintrat, sagte mir ein damaliger Kirchenoberer: „Unsere Pfarrer sind alle orthodox, wenn auch nicht alle gläubig“, wie er merkwürdiger Weise hinzufügte. Tatsächlich war es so, daß in der ganzen Geistlichkeit kaum eine Stimme nach Seiten des Unglaubens laut geworden wäre. Das ist durch das Eindringen der modernen Richtung ganz anders geworden. Man kann nicht mehr von allen Pfarrern der Landeskirche sagen, daß sie rein und lauter das Evangelium Jesu Christi predigen. Zwar wird man wenig irrige Predigten hören nach der Seite, was sie aussagen, aber nach der Seite, was sie verschweigen. So wird an Ostern wohl viel davon geredet, daß Jesus lebt, fortlebt durch seinen Geist, durch seine Geistesmacht, in seinem Reich, aber daß er persönlich leiblich auferstanden ist von den Toten, wird oft verschwiegen. Der Sohn Gottes wird er auch genannt, aber nicht im Sinn des Bekenntnisses der Christenheit „vom Vater in Ewigkeit geboren“, sondern in dem Sinne, daß er zuerst unter allen Menschen
| als Kind Gottes sich erkannt hat. Auch hinsichtlich der Form und Feier des heiligen Mahles ist es wohl schon vorgekommen, daß die Konsekration oder Segnung der Elemente mit den Worten der Einsetzung Christi nicht richtig ausgeführt wurde. Gegenwärtig ist unser Kirchenregiment auf diesem Gebiet nicht gewillt, irgend eine Unterlassung, die ihm bekannt wird, durchgehen zu lassen. Aber wie wird es in der Zukunft mit der Stellung der Modernen in der Kirche werden? Schon vor Jahren hat am Schluß einer Generalsynode der damalige Leiter derselben, der längst heimgegangen ist, die zwei Fragen gestellt: werden wir der modernen Richtung die Gleichberechtigung in der Kirche gestatten dürfen? Die Antwort lautete in seinem Sinne: nein. Werden wir das Eindringen der modernen Richtung hindern können? Da mußte er stillschweigend wieder mit nein antworten. Landeskirchliche Verhältnisse lassen es schwer zu, moderne Pfarrer auszuscheiden, was nicht genug betont werden kann. Auch unser oberstes Kirchenregiment ist nicht imstande einen Geistlichen abzusetzen. Das kann nur durch die Staatsgewalt geschehen, da jede einzelne Ernennung, vollends jede Absetzung in der Hand des Königs liegt, und ihm vorgetragen werden muß. Unser jetziger König sieht die Sache von seinem streng katholischen Standpunkt aus so an: Katholizismus ist Glaubenseinheit, der Protestantismus ist Glaubensfreiheit; also bei diesem ein weiteres Einmischen durch Absetzung von Geistlichen nicht begründet und würde von der Staatsgewalt schwerlich verfügt werden. Was wird dann das Ende sein? Doch wohl nur Scheidung nach irgendwelcher Seite hin. So hat es auch unser verstorbener Herr Präsident angesehen und öfter ausgesprochen. Wie das werden soll, liegt im Schoß der Zukunft. Daß Ungläubige oder Halbgläubige aus der Kirche austreten, ist nicht anzunehmen: es wird wohl eher früher oder später das Umgekehrte geschehen müssen. Jedenfalls werden wir sagen können, daß die künftige Kirchenform die
bekenntnismäßige Freikirche sein wird. Anfänge freikirchlicher Gestaltung liegen längst vor. In Amerika, Australien, in den von der Union in Besitz genommenen Ländern: Preußen, Baden, Hessen-Darmstadt, Waldeck finden sich Freikirchen lutherischen Bekenntnisses, die auf eigene Kraft sich stellen. Dann wird ein kleines Häuflein zum Vorschein kommen. Umfaßt doch beispielsweise die lutherische Freikirche in den alten Provinzen Preußens (abgesehen von Hannover und Schleswig-Holstein) nur etwa 60 000 Seelen. Der Weg wird heißen: In die Enge, ins Kleine. Kann das aber etwas schaden? Dürfen wir uns dann nicht umso mehr des Wortes trösten: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, es ist deines Vaters Wohlgefallen dir das Reich zu geben.“ Lebendige Glieder der Kirche und besonders auch Schwestern sollen wissen, wie es in der Gegenwart der Kirche aussieht, um die Zukunft recht beurteilen zu können.
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Welche Aufgabe wird damit den treuen Gliedern unserer Kirche gestellt? Wir werden vor allem zu nennen haben die Forderung,
Treue zu halten. „Halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme,“ oder ein anderes Mal: „Was ihr habt, das haltet, bis daß ich komme.“ Dazu gehört vor allem, treu zu stehen zum Bekenntnis. Das Bekenntnis der Kirche ist die Aussage
[WS 1] desen, was die Kirche glaubt und lehrt. Will man zum Bekenntnis der Kirche treu stehen, muß man das Bekenntnis kennen und dann forschen in der Schrift, ob sichs also hielte. Nur so kann man innerlich es sich aneignen. Man muß weiter
für die Kirche und ihre Angelegenheiten beten, ihre Nöte vor Gott bringen. Die Sonntagsgebete sind besonders dafür bestimmt. Das Abendgebet: „Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ,“ hat Selnecker in einer Zeit verfaßt, wo man denken mußte, es wolle Abend werden, in den schwerbetrübten Zeiten nach Luthers Tod. Am Donnerstag in der heiligen Passionszeit soll man sich zum Gebet für die Kirche vereinen, hat doch am Abend vor seinem Leiden der Heiland in seinem hohenpriesterlichen Gebet für die Kirche seine Seele ergossen. Er betete für die Jünger, die vor ihm standen, aber auch für alle, die durch ihr Wort an ihn glauben würden. Er hat also an alle die Seinen und auch an uns gedacht. So muß es auch uns ein besonderes Anliegen sein, das Gebet für die Kirche treu zu üben und uns besonders die einzelnen Nöte der Kirche wohl einzuprägen und wenn man kann besondere Tage für die auf sie bezüglichen Fürbitten zu bestimmen. Dazu aber ist es notwendig
die kirchlichen Verhältnisse zu kennen. Hiezu dienen die kirchlichen Blätter. Löhe hat auch in dieser Hinsicht große Vorausschau bewiesen, auf das Erscheinen von kirchlichen Blättern großen Wert gelegt. Das Nördlinger Sonntagsblatt, das Redenbacher begründet hatte, ging in die Hände Wucherers über, eines der nächsten Freunde Löhes, der es besonders hob und zu einer Leuchte weithin gemacht hat. Löhe hat viel mitgearbeitet. Später löste der Freimund das Nördlinger Sonntagsblatt ab. Außerdem begründete Löhe noch mehrere Blätter: Die nordamerikanischen Mitteilungen, das Korrespondenzblatt der Gesellschaft für innere Mission, das zu erscheinen längst aufgehört hat, das Korrespondenzblatt der Diakonissen, auch einen Diakonissenkalender ausführlicherer Art hat er mehrere Jahre herausgegeben. Später sind dann Blätter mehr allgemeiner Richtung aufgekommen. Das sind die jetzigen Sonntagsblätter, deren Wert und Bedeutung wir gewiß nicht unterschätzen. Aber das müssen wir allerdings aussprechen: klares Urteil über eigentlich kirchliche Fragen kann aus dem bayerischen, sonst gut herausgegebenen Sonntagsblatt in erheblichem Maße nicht entnommen werden. Selbst die Differenzen mit den Modernen werden
| verhüllt, weil alles darauf gerichtet ist, die Kirche im gegenwärtigen Bestand zusammenzuhalten. Daß die Sonntagsblätter sich in den Häusern zumal auf dem Land so sehr eingebürgert haben, ist erfreulich, wiewohl auch das seine Nachteile hat, insofern anstelle des Lesens der Predigt am Sonntag Nachmittag das der Sonntagsblätter getreten ist, womit ein Stück kirchlicher Sitte in’s Wanken kam. Schwestern dürfen und sollen auch die Sonntagsblätter, die auch zum Vorlesen manch Gutes bieten, halten, den Freimund darüber aber nicht vergessen, der sich bestrebt ein klares kirchliches Urteil zu ermöglichen. Ein solches muß man haben, um für die Kirche angelegentlich beten zu können.
Man soll sich ferner treu halten zum Gottesdienst der Kirche, wozu Schwestern zu ermahnen nicht nötig ist. Nur einiges mag bemerkt werden. In Städten, wo man die Auswahl zwischen verschiedenen Predigern hat, soll man im ganzen die Predigt der Modernen meiden. Doch soll man wiederum nicht zu wählerisch werden, nicht Sonntag für Sonntag sich seinen Prediger heraussuchen, sondern sich an den halten, dem man zugewiesen ist und dem man das Vertrauen schenken kann, daß er das Wort lauter und rein darbietet. Treu zum Sakrament sich zu halten, versteht sich für Dettelsauer Schwestern auch von selbst, aber nur da, wo es nach Ordnung und Form der lutherischen Kirche ausgeteilt wird. Schwestern können und sollen auch an dem Ort, wo sie stationiert sind, sich zum Sakrament halten, daneben aber im Mutterhaus fleißig die spezielle Seelsorge suchen, die für sie mit dem Gang zum Sakrament verbunden sein kann. Wie ist es mit dem Besuch anderer, nicht lutherischer Kirchen? Wo eine lutherische Kirche am Ort ist, hat man sich an sie zu halten. Man mag manchmal die Gelegenheit gerne wahrnehmen, einmal auch von Geistlichen anderer Konfessionen etwas zu hören, etwa bei Beerdigungen. Doch sollen sich Schwestern nicht dem Vorwurf der Neugierde aussetzen; das wäre der Fall, wenn Schwestern in Nürnberg in die Reformierte Kirche gingen, die dort eine besondere Modekirche geworden ist. Anders ist es auf Reisen. Löhe hat einmal ausgesprochen, daß man auf Reisen den Kreis weiterziehen dürfe und solle. Er hat selbst einmal in der Schweiz einem Kreis gläubiger Reformierter das Wort Gottes geboten; nicht in der Kirche, aber im Hause. So dürfen wir über die Grenzen der Konfessionen, gerade wenn wir sie festhalten, Andersgläubigen die Hand reichen. Wer an rein katholischem Ort als Durchreisender ist, wird es sich erlauben dürfen, einmal die katholische Messe und Predigt zu besuchen, um des Interesses und um der Teilnahme willen, die wir diesem Teil der christlichen Kirche immer noch schulden.
Nun kommt die schwierige und ernste Frage der
Stellung zur Union, die ich die größte Gefahr für unsere Kirche genannt
| habe. In Preußen wurde vom Jahre 1830/40 bis zum Tod Friedr. Wilhelm
III. und zum Regierungsantritt Friedrich Wilhelm
IV. mit Gewalt die Union einzuführen gesucht. Es kam dazu, daß eine schlesische Gemeinde durch Militär genötigt wurde, ihre Kirche zu öffnen und die unierte Agende wurde durch die bewaffnete Macht auf dem Altar niedergelegt. Später trat die Union gemäßigter auf. Man unterscheidet absorptive Union, welche die lutherische Kirche völlig in sich aufzehrt, wie es in Baden und der Rheinpfalz gegangen ist und die konföderative Union, die jede der beiden Kirchen bei ihren Eigenheiten beläßt und sie trotzdem in eine Gesamtkirche zusammenfaßt. Jetzt ist mehr die letztere Form, die feinere vertreten, zumal in den alten Provinzen Preußens, aber bei ihr kommt alles auf
die Abendmahlsgemeinschaft hinaus. Das war der Punkt, von dem ich sagte, daß Friedrich Wilhelm
III. mit scharfem Blick ihn als den entscheidenden erkannte, der aber eben darum für die Abwehr ebenso der entscheidende sein muß.
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Schon die alte Kirche hat den Grundsatz erkannt, daß Abendmahlsgemeinschaft Kirchengemeinschaft sei. Als Bischof Polykarp von Smyrna nach Rom reiste ums Jahr 150, um mit dem Bischof Anicet zu verhandeln über eine Differenz wegen Zeit und Art der Osterfeier, einigten sie sich in diesem Punkt zwar nicht; zum Zeichen aber, daß sie dennoch eins seien im Glauben, ließ Anicet den Polykarp die Abendmahlseier in Rom leiten und sie genossen gemeinsam das Sakrament. Luther hat das ebenso klar ausgesprochen in den Sendschreiben an die zu Frankfurt am Main und er hat auch darnach gehandelt. Als 1536 die Wittenberger Konkordia, die Einigung mit den Schweizern (freilich nur vorübergehend) zustandegekommen war, wurde sie feierlich durch gemeinsamen Abendmahlsgang besiegelt. – Das ist auch biblisch begründet, insofern der Apostel 1. Kor. 10 sagt: „Ein Brot ists, so sind wir viele ein Leib, dieweil wir alle eines Brotes teilhaftig sind“. So können wir, weil Kirchengemeinschaft und Abendmahlsgemeinschaft sich decken, das Sakrament nur denen reichen und nur von denen empfangen, die unsern Glauben und unser Bekenntnis teilen. Man kann der Union auf keinem andern Weg Widerstand leisten. Das hat Löhe erkannt und die damaligen Verhältnisse der Landeskirche legten es ihm besonders nah. Nach der Staatsverfassung vom Jahre 1818 bestand in Bayern in gewissem Sinn Kirchenregiments-Union, insofern dem Oberkonsistorium nicht nur die lutherische Kirche, sondern auch die unierte der Pfalz unterstellt war, sodaß nur durch Festhaltung der ungemischten Abendmahlsgemeinschaft man sich behaupten konnte. Später ist das, zum Teil auch durch Löhes Zeugnis anders geworden.Die Pfalz wurde selbständig gestellt und das lutherische Bekenntnis in unserer diesseitigen Kirche wieder in sein Recht eingesetzt. Aber nur aus demselben Weg können wir uns der von selbst vordringenden
| Union erwehren. Wir bleiben somit auf dem Standpunkt, daß wir Abendmahlsgemeinschaft nur mit denen üben und nur die bei uns zum Altar lassen können, die der lutherischen Kirche angehören. Es handelt sich dabei um das Zeugnis für die Wahrheit, um das Festhalten des Bekenntnisses. Das erfordert aber auch die Liebe. Hinsichtlich derer, die irren, nötigt uns die Liebe, ihnen zu zeigen, daß sie den richtigen Standpunkt noch nicht erfaßt haben. Und die Liebe zu unsern Brüdern in den Freikirchen erfordert es, uns zu ihnen zu bekennen und nichts ihre Stellung zu erschweren dadurch, daß
wir Union am Altar üben, während sie um der Frage willen den ernsten, schweren kirchlichen Kampf auf sich genommen haben.
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Nun kommt ein weiterer Punkt, der, für die Gegenwart sehr wichtig ist. Das ist die
Arbeitsgemeinschaft mit Andersgläubigen. Geschichtlich knüpft dieser Punkt an den Gustav-Adolf-Verein an, der im Jahre 1832 vorgeschlagen und 1841 begründet wurde, ein Verein zur Unterstützung der Evangelischen, die in katholischer Umgebung wohnen, der aber nicht auf das Bekenntnis der lutherischen Kirche allein sich gründet, sondern Lutherische, Reformierte und Unierte gleichmäßig umfaßt, der anfangs nicht einmal fest auf den Grundlagen des Evangeliums stand. Löhe hat auch gegenüber diesem Verein den Grundsatz festgehalten: kirchliche Arbeit nur auf Grund des Bekenntnisses der Kirche. Durch seine und anderer Opposition ist der Gustav-Adolf-Verein vorsichtiger geworden; er liegt jetzt in positiven Händen. Später bildete sich ihm gegenüber der „lutherische Gotteskasten.“ Löhe hatte früher schon die Obsorge für die lutherischen Glaubensgenossen begonnen. Jetzt können wir sagen, daß in Bayern die beiden Vereine ziemlich friedlich nebeneinander ihr Werk tun. Wichtiger ist die Frage wieder geworden, als die moderne Richtung auch in Bayern sich geltend machte, was zusammenfällt mit dem Erscheinen des Predigtbuchs der beiden Nürnberger Geistlichen
Dr. Geyer und
Dr. Rittelmeyer „Gott und die Seele.“ Da wurde alsbald die Frage brennend, wie man sich den Modernen gegenüber zu stellen habe. Eine Richtung, die man die Mittelpartei nennen möchte, erklärte, daß man gemeinsam weiterarbeiten wolle auf dem kirchlichen Gebiet, trotz der vorhandenen tiefgehenden Differenzen. Die entschieden Stehenden aus den kirchlicher gerichteten Gemeinschaften, andere Treugläubige aus landeskirchlichen Kreisen und die entschiedenen Lutheraner schlossen sich zu der sogen. „Nürnberger Erklärung“ zusammen, daß man ein Zusammenarbeiten auf die Dauer nicht für möglich halte bei solcher Verschiedenheit des Glaubensstandes. Das ist keine Frage, daß wir nicht am fremden Joch ziehen können mit den Ungläubigen. Wie richtig hat Löhe auch über diesen Punkt geurteilt, schon vor so langer Zeit. Er leugnete nicht, daß es ein Zusammenarbeiten gibt mit Andersgläubigen, z. B. auf humanem Gebiet, wenn es sich um reine
| Wohltätigkeitsbestrebungen handelt, bei denen der kirchliche Glaube nicht in Betracht kommt wie bei Krippen, Lungenfürsorge, Säuglingsfürsorge u. s. w. Da können wir gut mit Andersgläubigen, wohl auch mit Juden zusammenarbeiten, wenn es auch in evangelischen Landesteilen natürlich ist, daß die Arbeit und Leitung in evangelische Hände gelegt wird. Ferner gibt es Bestrebungen allgemein christlicher Art, auf deren Gebiet wir uns leicht zusammenfinden können auch mit Reformierten und Unierten, die gläubig sind. Wir nennen die evangelischen Schulvereine, in welchen wir mit solchen gerne zusammenarbeiten. Ausgesprochen kirchliche Arbeit aber, Werke an Glaubensgenossen, Werke der innern Mission im eigentlichen Sinn, dann die Heidenmission müssen auf dem Grund des Bekenntnisses stehen.
Möglich ist, daß solche, die verschiedenen Kirchen angehören, aber auf demselben Gebiet arbeiten, sich über das Zusammenarbeiten und allgemeine Arbeitsgrundsätze verständigen. So haben die neuerstandenen Diakonissenhäuser unter Kaiserswerth sich zu einem Verband deutsch-evangelischer Diakonissenhäuser zusammengeschlossen und diesem Verband hat auch Löhe sich angegliedert und wir gehören ihm heute noch an. Aehnlich ist es auf dem Missionsgebiet mit der Missionskonferenz, indem die verschiedenen Missionsgesellschaften zu der Kontinental-Missionskonferenz sich zusammenfanden, ob auch verschiedenen Kirchen angehörig, über allgemeine evangelische Missionsgrundsätze, auch über gegenseitige Abgrenzung der Gebiete sich verständigen. Damit droht dem Bekenntnis der Kirche keine Gefahr.
Nur sollen unsere Schwestern nie vergessen, daß die Diakonissen Neuendettelsaus und ihr Verband nach ihres Gründers Meinung nichts anderes sein sollten – wie ich von Anfang an sagte – als ein Zusammenschluß eifriger Glieder unserer Kirche zu Werken der Liebe. Und darum sollen sie in jeder Hinsicht als treue Glieder unserer Kirche sich betätigen und sich da ferne halten, wo es sich nur um äußerlichen Zusammenschluß handelt. Wenn in Nürnberg in der nächsten Woche eine großartige Kundgebung des gesamten Protestantismus geplant ist, bei dem Richtungen vertreten sind, die uns innerlich völlig fernstehen, vor allem der Evangelische Bund, so tun wir bei derartigen äußerlich gleißenden Aufführungen nicht mit.
Von der Zukunft der Kirche haben wir gesprochen und zwar, wie sie sich aus der Beurteilung der Gegenwart ergibt. Wie dürften wir aber davon reden, ohne ein Wort darüber zu sagen, was aus dem prophetischen Wort über den Ausgang der Kirche sich darbietet. Haben wir doch daran das Licht, das da scheinet am dunklen Ort.
| Wir unterscheiden die streitende und triumphierende Kirche; auf Erden die streitende, im Himmel die triumphierende. Wir unterscheiden Reich der Gnade und Reich der Herrlichkeit; das Reich Gottes, das jetzt auf Erden innerhalb des Reiches der Schöpfung durch den heiligen Geist sich erbaut und die Herrschaft Gottes über Engel und Vollendete droben im Himmel. Das Reich der Herrlichkeit ist jetzt droben in der Herrlichkeit, es kommt aber dereinst auf die Erde. Dann werden nicht etwa drei Reiche nebeneinander sein, dann wird das Reich der Schöpfung und das der Gnade verklärt und zusammengefaßt sein im Reich der Herrlichkeit. Wir warten dieses Reiches der Vollendung, denn der Herr hat es wiederholt verheißen, daß er einst wiederkommen wird am Ende in seinem Reiche in großer Kraft und Herrlichkeit. Das hat er noch bezeugt vor Kaiphas und wenige Tage zuvor ausführlich dargelegt in der großen eschatologischen Rede Matthäus 24 und 25. Aber wie hat der Herr auch bei dieser Rede vom Ende der Dinge mit großer seelsorgerlicher Weisheit verfahren. Er hat nicht sozusagen eine Tabelle ausgehändigt auf der die einzelnen Vorgänge der Zukunft verzeichnet stünden, daß man sie nur ablesen müßte und dann sofort wüßte, welche Stunde ist. So leicht wollte es der Herr nicht machen; nur Grundlinien hat er gezogen und Mahnungen angeknüpft. Als die Jünger ihn fragten – wir wissen die Stätte, den Oelberg gegenüber Moria und wissen auch die Zeit, nämlich am Nachmittag des Dienstag nach dem Einzug in Jerusalem – als sie ihn da fragten angesichts des Tempels in seiner damaligen Pracht: „Herr, wann wird das alles geschehen und was wird das Zeichen sein Deiner Zukunft und der Welt Endes,“ da war dem Herrn nur daran gelegen, die Seinigen zu bewahren, daß sie sich nicht falschen Erwartungen hingäben,und er spricht: „Sehet zu,lasset euch nicht verführen.“ Er gibt zunächst an, was
nicht als Zeichen des kommenden Endes zu betrachten ist: Kriege und Kriegsgeschrei, Erdbeben und teuere Zeit werden allezeit auf Erden geschehen. Aber er deutet an, daß gegen das Ende zu die Kriege sich gewaltig häufen werden. Er gibt auch an, was vorher geschehen muß, ehe das Ende kommt. Erst muß das Evangelium vom Reich gepredigt sein in aller Welt zum Zeugnis über alle Völker und diesem Ziel sind wir nicht mehr fern. Sodann muß zuvor noch eintreten die Zeit der großen Trübsal und auf dieses Vorzeichen haben wir besonders zu achten, weil die Zeit näher kommt. Der Herr legt sie in der genannten Rede dar im Gegenbild der bevorstehenden Zerstörung Jerusalems, geht aber zurück auf die Weissagung Daniel 9 vom Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte. Das hat sich erfüllt erstmals, als Antiochus im Tempel zu Jerusalem die Bildsäule des Zeus aufstellen ließ, das hat sich aufs neue vorbildlich erfüllt, als während der Belagerung Jerusalems der Tempel von den Juden selber schändlich entweiht
| wurde, das wird sich in ganz anderer Weise noch bewahrheiten am Ende. Was der Herr andeutet von der Trübsal der letzten Zeit wird uns durch die heiligen Apostel näher dargelegt, besonders durch Paulus 2 Thess. 2, der deutlich sagt, daß das Ende nicht komme, es sei denn zuvor geoffenbart das Kind des Verderbens, der Mensch der Sünde, der sich erhebt über alles was Gott und Gottesdienst ist, der sich setzen wird in den Tempel des lebendigen Gottes und vorgeben wird er sei Gott. Das ist der Antichrist, wie ihn Johannes im 1. Brief 2, 18 nennt und der in Offenb. 13 bildlich geschildert wird wie ein gewaltiges Tier, wobei wir uns erinnern, daß je und je die Königreiche der Welt Raubtiere im Wappen geführt haben. Es wird also ein gewaltiger Weltherrscher am Ende der Zeit auftreten, der allen Dienst des wahren Gottes verbieten und für sich göttliche Verehrung in Anspruch nehmen wird. Und eine entartete Kirche wird ihm dabei behilflich sein, denn neben diesem Tier sieht Johannes aufsteigen ein anderes, das Hörner hat wie das Lamm und das redet wie der Drache. Die entartete und verweltlichte Kirche wird sich in den Dienst des widergöttlichen Weltreiches stellen, während die Bekenner des Herrn im Verfolgungsstand schwerster Art sich befinden. So groß wird die Trübsal werden, daß wenn die Tage nicht verkürzt würden kein Mensch könnte selig werden, um der Auserwählten willen aber werden sie verkürzt. Statt einer 7 jährigen Zeit wird es nur eine 3
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2 jährige sein, wie bildlich gesagt wird.
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Das ist der Ausgang der Weltentwicklung, wie sie sich uns im Wort der Weissagung darstellt. Dann wenn die Not am höchsten gestiegen sein wird, ist die Wiederkunft des Herrn nahe, dann werden ihn alle sehen, dann wird es nicht heißen: er ist in der Wüste, in der Kammer, nicht draußen in unbewohnter Gegend oder an einem verborgenen Ort. Erst wird das Zeichen des Menschensohnes erscheinen am Himmel und dann werden sie ihn selbst kommen sehen in des Himmels Wolken, leuchtend wie der Blitz vom Aufgang bis zum Niedergang, alle in einem Augenblick. – Darnach folgt, wie wir dem Wort der Weissagung Offenb. 20 zu entnehmen haben, das
tausendjährige Reich, das freilich einen der schwierigsten Punkte der Weissagung bezeichnet. Man könnte fragen, ob sich sonst irgendwo in der Schrift auch nur eine Andeutung davon findet. Wir werden sagen müssen, daß klare Schriftaussagen außer Offenb. 20 nicht vorhanden sind. Darauf könnte bezogen werden 1. Kor. 6, 2 wo Paulus sagt, daß die Heiligen die Welt richten werden und Luk. 22, 30, wo der Herr selbst den Jüngern verheißen hat, sie würden sitzen aus 12 Stühlen und richten die 12 Geschlechter Israels. Das könnten wenigstens Andeutungen davon sein, daß eine Zeit kommt, wo das Reich Gottes eine herrschende Stellung in der Welt einnehmen wird unter dem, der erscheinen wird, die Seinen zu erlösen von der Drangsal der letzten Zeit. Es wird eine
| erste Auferstehung geschehen, an der die treuen Bekenner des Herrn teilhaben und erst darnach die zweite Auferstehung aller Toten. Die Fragen, die damit zusammenhängen, sind sehr schwierig und wir werden mahnen dürfen, daß ja nicht zu viel Gewicht auf das tausendjährige Reich gelegt werde. Es bleibe die Hauptsache die Hoffnung der darauf folgenden Zeit, der herrlichen Vollendung in der zukünftigen Welt. Denn nach einer kurzen Zeit, in der noch einmal das Böse sich regen wird, folgt die letzte Ueberwindung alles Bösen, die letzte Vollendung aller Dinge auf einer neuen Erde, wo Gott selbst wohnen wird unter seinem Volk. Darauf sollen wir hauptsächlich unser Verlangen und Sehnen richten. Ganz übergehen wollen wir das tausendjährige Reich deshalb nicht, eine Vorstufe der vollkommenen Herrlichkeit wird es sein, ein Lohn für diejenigen, die hier Treue gehalten und um des Bekenntnisses Jesu willen Vieles auf sich genommen haben; ihr Lohn soll dann groß sein. So wird es der Herr selbst Luk. 22 meinen, wenn er den Jüngern sagt: „Euch, die ihr beharret habt bei mir in meinen Anfechtungen, will ich das Reich bescheiden, wie mir’s mein Vater beschieden hat.“
Weitere Fragen in Beziehung auf das Endziel der Kirche wollen wir hier nicht erheben, nur noch ein Wort sagen
von der der Aufgabe, die damit denen zufällt, welche die Erscheinung Jesu Christi lieb haben. Was wird die wichtigste Aufgabe sein? Die, daß wir uns
stets und treulich bereithalten. Ja nicht ausrechnen wollen wir, wann das Ende kommen könnte, denn damit täuschen wir uns. Selbst ein Schriftforscher von solcher Tiefe und Nüchternheit wie Bengel hat in diesem Punkt geirrt, insofern er glaubte auf 1836 das Ende der Dinge ausrechnen zu können. Gegenwärtig sind es die Adventisten und ähnliche schwärmerische Richtungen, die das Ende der Welt schon öfter als unmittelbar bevorstehend bezeichneten, aber sehr irrten. Mit Sicherheit können wir auch nicht sagen, wie der jetzige Weltkrieg einwirken wird auf das Kommen des Reiches Gottes und wie weit er etwa unmittelbar überleiten wird zur Gestaltung der letzten Dinge. Wie haben wir aber dann das Wort zu verstehen, das der Herr am Ende der Offenbarung spricht: „Siehe, Ich komme bald“? Er will damit sagen, daß wir schon in der letzten Zeit der Welt leben. Die letzte Zeit der Welt ist eingetreten mit der Erscheinung Christi auf Erden. Nun ist das Heil vorhanden und es steht allen offen. So sieht es Johannes an, wenn er sagt: „Kindlein, es ist die letzte Stunde“. Jeden Augenblick kann das Ende hereinbrechen, das muß uns Christen feststehen, jeden Augenblick kann das antichristische Reich, schneller als wir denken, kommen. Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag, ein Tag aber auch wie tausend Jahre. Gott kann in kurzer
| Frist den Gang der Weltentwicklung so beschleunigen, daß wir dächten: es müßten tausend Jahre dazu nötig sein. Der Apostel gibt uns 2. Thess. 2 einen wichtigen Wink. „Das Geheimnis der Bosheit regt sich schon heimlich“. Jederzeit sind im Verborgenen die Mächte der Bosheit und Verderbtheit und der Revolution vorhanden, aber es ist etwas da, was es aufhält. Das, was es aufhält oder der, der es aufhält, muß zuvor hinweggetan werden. Wer der Aufhaltende oder das Aufhaltende ist, ist eine schwierige Frage. Zunächst versteht man darunter die Rechtsordnung unter den Völkern, die noch besteht; aber schwierig ist, wer die persönliche, aufhaltende Macht sein soll. Ob Johannes den römischen Kaiser gemeint hat? Oder ob der Schriftforscher Hofmann recht hat, der meint, daß nach Daniel 10 Engel-Mächte in der Völkerwelt walten, welche die sittliche Rechtsordnung halten und die Gott abberufen kann. Dann kommt es doch tatsächlich aus die Rechtsordnung in der Völkerwelt hinaus. Sie muß erst hinweggetan werden, dann wird das gewalttätige Reich des Antichrists sich ausleben können. Die verschiedenen Revolutionen, die im Verlauf der Geschichte schon stattgefunden haben, können zeigen, wie die Mächte der revolutionären Gesinnung fortwährend vorhanden sind. Sie sind nur zurückgehalten durch die geordnete Obrigkeit, aber mit einem Male können sie hervorbrechen. So ist es uns widerfahren, daß wir sehen mußten, wie auch in unserm Volk revolutionäre Bestrebungen blitzartig mitten im Kriege versucht wurden, ein wichtiges Zeichen, ob nicht doch die letzte Zeit mächtiger sich nähern will, denn auch von anderer Seite her versucht man unser Volk, in dem die Obrigkeit bis daher ein festes Ansehen genossen hat, die mit kräftiger Hand die Dinge leiten konnte, – zur Demokratisierung, d. i. Volksherrschaft zu bringen, um desto eher Deutschlands Vernichtung herbeizuführen. Wenn in unserm eigenen Volk diesen Bestrebungen manche zufallen, die das große Wort führen, dann kann mit einem Schlag die sittliche Rechtsordnung der Völker hinfallen und das Reich des Antichrists kann näher sein als wir denken. Doch wollen wir nicht über Zeit und Stunde bestimmen, wir wollen aber, indem wir warten, uns bereiten und auf die Zeichen der Zeit achten. „So laßt uns warten und eilen auf die Zukunft des Tages des Herrn“.
Wir wollen uns vorbereiten dazu, innerlich besonders durch Fernhaltung von der Welt, daß wir imstande sind, wenn das antichristische Reich erscheint, alles dahinten zu lassen, um die Seele zu retten und auf Christi Seite zu stehen. Wir, die wir wissen, an wen wir uns zu halten haben, wollen uns zusammenschließen. Wir wollen das Ende herbeiführen helfen durch unser flehentliches Gebet, das wir täglich in der Vesper sprechen, durch desen Uebung wir uns sollen antreiben lassen zu rechtem Warten: „Amen, ja komm Herr Jesu.“
| Indem wir hiermit die Einsegnungsstunden schließen, muß ich zu meinem Bedauern bekennen, daß ich zu wenig auf den eigentlichen Diakonissenberuf Rücksicht genommen habe, obgleich ich, soweit möglich, die Aufgaben unserer Schwestern hereinzubeziehen suchte. Doch ist nicht das die entscheidende Vorbereitung für eine Dettelsauer Schwester, wichtiger ist, daß sie gestärkt werde in der kirchlichen Erkenntnis, daß sie klar werde über die Frage des Bekenntnisses und des Haltens zu ihm. Und wenn diese Vorträge nur etwas dazu geholfen haben sollten, den Dank für die Zugehörigkeit zur Kirche reinen Wortes und Sakramentes zu erwecken und den kirchlichen Eifer zu stärken, so wäre damit die Arbeit reichlich belohnt. Der Herr halte uns nur fest verbunden im Glauben und Bekenntnis und helfe uns allen dazu, daß keines unter uns fehle, wenn sein Reich, seine Kirche in der Vollendung erscheint.
Von der Ewigkeit ist die Kirche ausgegangen und sie wartet in der Ewigkeit ihrer Vollendung. Der Herr helfe uns, daß wir jetzt schon zur ewigen Kirche innerlich gehören und an der vollendeten Kirche unser Teil haben. Amen.
Psalm 118, 1-11, 15-17, 21-25. Lied 551, Vers 3.
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