Zum Inhalt springen

Eines Königs Liebe und Entsagung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eines Königs Liebe und Entsagung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 796
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[796] Eines Königs Liebe und Entsagung. Die Gräfin von Voß hebt in ihrem Buche „Neunundsechszig Jahre am Preußischen Hofe“, als sie von ihrer „Engelskönigin“ spricht, hervor, daß der Charakter der Königin Louise erst durch das Leben mit ihrem Gemahl zu wahrer Reife gelangt sei und daß des Königs Festhalten an dem für recht Erkannten, seine Beständigkeit in dem, was er für seine Pflicht hielt, sowie sein nicht zu beirrendes sittliches Gefühl die Königin in allen Lebenslagen gestützt und erhoben habe.

Einen eclatanten Beweis von der Strenge des Königs gegen sich selbst, von dem Unterordnen seiner persönlichen Entwürfe unter die Rücksichten, die er seinem hohen Berufe oder seinem Volke zu schulden meinte, finden wir in den nachgelassenen und jetzt veröffentlichten Papieren des Ministers Theodor von Schön.

Friedrich Wilhelm der Dritte hatte 1815 in Paris die Bekanntschaft einer jungen Dame von Stande, der Tochter eines Grafen gemacht, und sich wunderbar von ihr angezogen gefühlt. Er war in einen Briefwechsel mit ihr getreten, und die dabei von der jungen Dame gezeigte Liebenswürdigkeit, die Ehrfurcht – verbunden mit zarter Neigung – welche sie ihm entgegenbrachte, hatte sein Herz ihr zugewendet und den Entschluß in dem Könige geweckt, sich für das Leben mit ihr zu verbinden. Allein er wollte nicht früher einen solchen Schritt thun, als bis er überzeugt sein konnte, daß eine solche Ehe in seinem Volke keine Mißstimmung hervorrufen, kein Nachtheil für das Land daraus entstehen würde. Schön erzählt nun darüber:

„Während meiner Anwesenheit in Berlin im Jahre 1817 forderte mich nach einer Staatsrathssitzung der Statthalter von Posen, Fürst Radziwill, auf, Nachmittags zu einer bestimmten Stunde zu seiner Gemahlin, Prinzessin Louise[1], zu kommen. Als ich mich zur festgesetzten Zeit einstellte, wurde ich in ein entlegenes Zimmer des Palais geführt, wo die Prinzessin bald darauf eintrat. Sie sagte mir, sie habe einen Auftrag vom Könige für mich. Nach einer so glücklichen Ehe, wie Er mit der Königin geführt habe, wäre Ihm Sein einzelnes Leben zur Last. Um Seiner Ruhe willen habe Er die Absicht, sich wieder zu verheirathen, aber das Bild der verstorbenen Königin auf dem Throne solle dadurch ungeschwächt bleiben. Er wolle eine Ehe zur linken Hand mit der Tochter eines französischen Grafen, der den Bourbons immer treu geblieben sei und jetzt französischer Gesandter wäre, eingehen. Sie würde abgesondert von der königlichen Familie allein für den König leben. Sie sei zwar katholisch, aber ihre Confession würde keinen Einfluß auf den König haben. Der König habe zwei Männer ausgesucht, deren Meinung Er darüber hören wolle, ob Er die Ehe, ohne daß nur entfernt ein Nachtheil für das Land daraus erfolgen würde, eingehen könne. Diese Männer wären Gneisenau in Bezug auf die bewaffnete Macht und ich in Beziehung auf das Volk.

Die Prinzessin schilderte die Gräfin als sehr gebildet, schön und liebenswürdig im höchsten Grade. Sie hatte sie vor wenigen Tagen in Potsdam, wohin deren Vater mit ihr aus Dresden gekommen war, gesehen. Alles, was die Prinzessin aus den Briefen der Gräfin mittheilte, zeigte einen edeln Charakter, feine Bildung und hohe Liebenswürdigkeit, und daß von beiden Seiten die reinste Neigung hier vorwalte.

Die Prinzessin sagte mir, ich möge die Sache und mich prüfen und ihr für den König eine schriftliche Antwort schicken. Ich erlaubte mir nur die Frage, weshalb der König nicht den Staatskanzler, als seinen nächsten Rathgeber, zu Rathe ziehe, und die Prinzessin antwortete mir: eben diese Frage habe auch sie an den König gerichtet und darauf die Antwort erhalten: Der Staatskanzler würde ihm gleich beistimmen; der König wolle, abgesehen von seinem Glücke, die Folgen für das Land von Männern, denen er hierin vertraue, erwogen haben.“

Schön und Gneisenau trafen bald zusammen, aber sie kamen überein, ihre beiderseitigen Meinungen erst zu vergleichen, wenn sie bereits in den Händen des Königs wären.

„Die Sache,“ berichtet Schön weiter, „machte mir einen innern Kampf. Auf der einen Seite stand mir das Glück meines Königs, dem ich das höchste glückliche Verhältniß aus vollem Herzen wünschte, auf der andern Seite die gewaltige Aufregung des Volkes gegen Alles, was Franzose war. Die Gährung im Volke, welche durch Handlungen, nicht durch Worte veranlaßt war, die Besorgniß, welche im alten Lande nothwendig daraus entstehen mußte, daß eine Katholikin die Frau unseres Königs wäre – Alles dies kreuzte sich in meinem Kopfe und meinem Herzen: ich konnte nur von dieser Ehe abrathen. Meine erste Erklärung, meinte die Prinzessin, würde der König nicht bestimmt genug finden; ich möchte daher mit meiner ganzen Ueberzeugung und meinem ganzen Charakter vortreten. Das that ich, und als unsere beiderseitigen Erklärungen in den Händen des Königs waren, verglichen wir sie miteinander, und Gneisenau hatte die seinige gleich der meinigen abgegeben, nur daß er, da ihm der Charakter des Volkes in Beziehung auf Treue nicht so bekannt sein mochte, überzeugt war, die unglücklichste Folge für den König würde sofort eintreten, statt daß sie, meiner Ueberzeugung nach, nur als Folge des Schrittes nach und nach sich zeigen müßte.

Die Prinzessin theilte uns nach wenigen Tagen mit, den König hätten unsere übereinstimmenden Erklärungen tief erschüttert; er habe uns als Ehrenmänner und treue Unterthanen anerkannt, aber sein Schicksal wäre grausam. Er habe nun den Entschluß gefaßt, doch noch, insofern nach unseren Erklärungen der beabsichtigte Schritt sein und seines Hauses Unglück herbeiführen würde, als Freund und nächsten Verwandten den Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, den Bruder der verstorbenen Königin, zu befragen.

Der Großherzog stimmte uns bei, wie von diesem treuen Freunde des Königs und von diesem braven Manne nicht anders zu erwarten war.

Hiermit faßte der König den Entschluß, die Heirath aufzugeben, aber noch nach einem Jahre schrieb mir die Prinzessin, daß Ruhe deshalb noch nicht bei ihm eingekehrt sei.

Seit dieser Zeit war das Benehmen des Königs gegen mich, obgleich ich hatte Werkzeug zu seinem tiefen Schmerze sein müssen, mehr annähernd als früher.“


  1. Prinzessin Louise war eine Cousine von König Friedrich Wilhelm dem Dritten und eine Schwester des Prinzen Louis Ferdinand.